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BAG Urteil v. - 3 AZR 53/24

Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung

Instanzenzug: ArbG Stralsund Az: 1 Ca 103/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: 4 Sa 23/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf einen Arbeitgeberzuschuss aus § 1a Abs. 1a BetrAVG.

2Der Kläger ist seit 1995 als Sachbearbeiter bei dem Beklagten beschäftigt. Kraft beidseitiger Tarifbindung finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes der Kommunen Anwendung. Zu diesen Tarifverträgen gehört der Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst vom (TV-EUmw/VKA). Er hat folgenden Inhalt:

3Auf der Grundlage des Tarifvertrags wandelte der Kläger jeweils monatlich Entgelt iHv. 39,88 Euro und 150,00 Euro zur Begründung betrieblicher Altersversorgungsansprüche um.

4Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, für ihn monatlich einen Arbeitgeberzuschuss iHv. 15 vH des umgewandelten Entgelts in die von ihm abgeschlossenen Altersversorgungsverträge einzuzahlen. Der ihm nach § 1a Abs. 1a BetrAVG zustehende Zuschuss sei nicht durch eine tarifliche Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG abbedungen. Die lange vor Inkrafttreten des § 1a Abs. 1a BetrAVG eingeführten Regelungen des TV-EUmw/VKA könnten die Zuschusspflicht des Arbeitgebers nicht verdrängen. Bei Abschluss des TV-EUmw/VKA hätten die Tarifvertragsparteien die neue Regelung des § 1a Abs. 1a BetrAVG nicht voraussehen und dazu auch keine Regelung treffen können. Eine tarifliche Neuregelung nach Inkrafttreten des Gesetzes existiere nicht.

5Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

6Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

8Die zulässige Revision des Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist zwar überwiegend zulässig, aber unbegründet.

9A. Entgegen der Annahme des Klägers ist die Revision des Beklagten zulässig, insbesondere ist sie ausreichend begründet. Die Argumentation des Beklagten, der TV-EUmw/VKA regele Abweichendes iSd. § 19 Abs. 1 BetrAVG, indem er keine Zuschlagspflicht des Arbeitgebers vorsehe, ist - entgegen der Annahme des Klägers in der Revisionserwiderung - ausreichend. Damit macht die Revision geltend, § 19 Abs. 1 BetrAVG erfasse auch bereits am bestehende Tarifverträge, und setzt sich mit der Begründung des Berufungsgerichts, das eine konkrete Regelung im Tarifvertrag vermisst, hinreichend auseinander (vgl. zu den Anforderungen:  - Rn. 9, BAGE 180, 257; - 3 AZR 501/21 - Rn. 15, BAGE 180, 1). Ob die Nichtregelung als Abweichung iSd. § 19 Abs. 1 BetrAVG einen sog. logischen Fehlschluss bedeutet - wie der Kläger meint -, ist keine Frage der ausreichenden Begründung der Revision, sondern ihrer Begründetheit.

10B. Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist in den Anträgen zu 1. und 3. zulässig, aber unbegründet. Die Anträge zu 2. und 4. sind zumindest teilweise bereits unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet.

11I. Die Klage ist in ihren Anträgen zu 1. und 3. als Leistungsklage zulässig (vgl.  - Rn. 16 ff., BAGE 177, 247). Die Anträge zu 2. und 4. sind jedenfalls für erst nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim Landesarbeitsgericht fällig werdende Leistungen unzulässig.

121. Die Klage ist mit den Anträgen zu 2. und 4. auf der Grundlage des § 259 ZPO jedenfalls insoweit bereits unzulässig, wie die geltend gemachten künftigen Ansprüche im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz noch nicht vollständig entstanden waren. Vergütungsansprüche sowie von dem Vergütungsanspruch abhängige Zahlungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis entstehen erst mit der Erbringung der Arbeitsleistung, weil der Vertrag durch Kündigung beendet werden kann oder der Arbeitnehmer die ihm obliegende Leistung, ohne Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung gegeben wäre, verweigern kann. Der Abschluss des Arbeitsvertrags reicht für die Entstehung des Anspruchs nicht aus. Dies gilt unabhängig davon, ob als Voraussetzung für den künftigen Anspruch auf Arbeitsentgelt die Arbeitsleistung zu erbringen wäre oder ob künftig aus sonstigem Rechtsgrund Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung beansprucht werden könnte. Auch im letztgenannten Fall entsteht der Anspruch erst, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind ( - Rn. 42, BAGE 149, 343).

132. § 259 ZPO setzt zudem die Besorgnis der Leistungsverweigerung des Schuldners zum Fälligkeitstermin voraus. Auch hieran fehlt es vorliegend. Allein das Bestreiten der vom Arbeitnehmer beanspruchten Forderungen durch den Arbeitgeber reicht hierfür nicht aus. Nur weil der Arbeitgeber - wie hier - aufgrund (vertretbarer) Auslegung des Tarifvertrags bisher Zahlungen abgelehnt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, er werde sich, trotz einer Verurteilung zur Zahlung bereits fälliger Forderungen, künftig der rechtzeitigen Leistung entziehen. Weitere Anhaltspunkte, die eine Besorgnis der Leistungsverweigerung zum Fälligkeitstermin begründen könnten, hat der Kläger nicht dargelegt ( - Rn. 43, BAGE 149, 343).

14II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet.

151. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten aus § 1a Abs. 1a BetrAVG. Es liegt mit den Bestimmungen des TV-EUmw/VKA ein den dadurch begründeten Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltumwandlung abschließend regelnder Tarifvertrag vor, der jedenfalls insoweit iSv. § 19 Abs. 1 BetrAVG von § 1a BetrAVG abweicht, wie danach kein Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG vorgesehen ist. Die Auslegung von § 19 Abs. 1 BetrAVG ergibt, dass von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG) auch in Tarifverträgen abgewichen werden kann, die bereits vor Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes am geschlossen wurden.

162. Der im TV-EUmw/VKA geregelte Anspruch auf Entgeltumwandlung weicht vom gesetzlichen Anspruch nach § 1a BetrAVG ab. Der TV-EUmw/VKA enthält eine bezogen auf den danach vorgesehenen Anspruch auf Entgeltumwandlung abschließende Regelung. Das folgt bereits aus dem Namen des Tarifvertrags und seinen den Anspruch auf Entgeltumwandlung ausführlich regelnden Bestimmungen. § 2 TV-EUmw/VKA enthält den Grundsatz der Entgeltumwandlung. § 3 TV-EUmw/VKA regelt die Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgelt-umwandlung der Beschäftigten. § 4 TV-EUmw/VKA bestimmt die der Umwandlung zugänglichen Entgeltbestandteile. § 5 TV-EUmw/VKA enthält Regelungen zur Geltendmachung. § 6 TV-EUmw/VKA regelt die Durchführungswege. Einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG sieht der TV-EUmw/VKA nicht vor.

173. Diese Abweichung von § 1a BetrAVG ist gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG zulässig. Die Tariföffnungsklausel erfasst entgegen der Auffassung des Klägers auch bereits vor dem geschlossene Tarifverträge. Der Wortlaut von § 19 Abs. 1 BetrAVG, die Systematik sowie der gesetzgeberische Wille und der sich daraus ergebende Sinn und Zweck der Norm lassen nur den Schluss zu, dass bereits vor dem geschlossene Tarifverträge zur Entgeltumwandlung von § 1a BetrAVG, einschließlich des mit § 1a Abs. 1a BetrAVG neu geschaffenen Anspruchs auf einen Arbeitgeberzuschuss, abweichen können (vgl. dazu ausführlich  - Rn. 11 ff.).

184. Ob ein Tarifvertrag eine abschließende Regelung der Entgeltumwandlung und eine von § 1a BetrAVG abweichende Regelung enthält, ist eine Frage seiner Auslegung. Das ist beim TV-EUmw/VKA wie gesehen der Fall. Es genügt, dass der TV-EUmw/VKA eigenständig einen Anspruch auf Entgeltumwandlung ohne Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG regelt. Allein dadurch sieht er eine von § 1a BetrAVG abweichende Verteilung des wirtschaftlichen Nutzens und der Lasten der Entgeltumwandlung vor (zu diesem Aspekt vgl.  - Rn. 33, BAGE 177, 257). Anders als der Kläger meint, bedarf es hierfür weder einer konkreten oder ausdrücklichen Abbedingung des Zulagenanspruchs aus § 1a Abs. 1a BetrAVG noch einer hierauf bezogenen oder sonstigen Kompensation.

19III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:110325.U.3AZR53.24.0

Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2025 S. 12 Nr. 12
HAAAJ-89158