Gründe
1I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache Rechtsschutz gegenüber einem Erstattungsverlangen des beklagten Jobcenters gegen ihre Krankenkasse. Das SG hat die Klage und das LSG die Berufung zurückgewiesen (Gerichtsbescheid vom ; Urteil vom ). Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hat die Klägerin darauf hingewiesen, das LSG habe in einem weiteren Verfahren (L 1 KR 94/22 ZVW) festgestellt, dass sie prozessunfähig sei (Schreiben vom ). Der Senat hat das insoweit zugrundeliegende psychiatrische Gutachten beigezogen und einen besonderen Vertreter bestellt (Beschluss vom ). Mit ihrer Beschwerde rügt die Klägerin unter anderem das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes. Sie sei aufgrund ihrer bereits seinerzeit bestehenden Prozessunfähigkeit in der Berufungsverhandlung nicht wirksam vertreten gewesen.
2II. 1. Die zulässige Beschwerde der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG. Der Entscheidung liegt ein formgerecht gerügter (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) zugrunde. Die durch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Genehmigung des vom Senat bestellten besonderen Vertreters eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zulässig und begründet. Da der gerügte Verfahrensmangel vorliegt, konnte das angefochtene Urteil gemäß § 160a Abs 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
3a) Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verstoß gegen § 72 Abs 1 SGG, weil das LSG keinen besonderen Vertreter für die bereits im Berufungsverfahren prozessunfähige Klägerin bestellt hat. Diese war deshalb im Berufungsverfahren nicht wirksam vertreten (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 4 ZPO). Dies begründet einen absoluten Revisionsgrund, bei dem unterstellt wird, dass das Urteil des LSG auf ihm beruht (vgl nur - juris RdNr 11; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kapitel RdNr 204 mwN).
4Gemäß § 72 Abs 1 SGG kann der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl § 71 Abs 1 SGG), weil sie sich zB in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet (vgl § 104 Nr 2 BGB) und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen ( - SozR 4-1500 § 71 Nr 3 RdNr 6 mwN). Die Frage der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens und in jeder Instanz - und insoweit auch für das zurückliegende Berufungsverfahren - von Amts wegen zu prüfen (vgl - BSGE 86, 107 = SozR 3-1200 § 2 Nr 1, juris RdNr 11 mwN).
5b) Nach den vorliegenden Erkenntnissen war die Klägerin bereits zum Zeitpunkt der berufungsgerichtlichen Entscheidung prozessunfähig. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Feststellungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie K in ihrem vom Senat beigezogenen psychiatrischen Gutachten vom . Die Gutachterin hat ausgeführt, dass die Klägerin jedenfalls seit dem Jahr 2013 an einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidet, die es ihr unmöglich macht, ihre Entscheidungen auf der Grundlage einer freien Willensbestimmung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom verwiesen, mit dem für die Klägerin ein besonderer Vertreter bestellt worden ist. Anhaltspunkte für eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation sind nicht erkennbar.
6Soweit die Klägerin zuletzt noch einmal - vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte - beantragt hat, die Gutachterin persönlich zu hören und zur Frage ihrer Prozessfähigkeit von ihr namentlich benannte Sachverständige mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens zu beauftragen (Schriftsatz vom ), ist dem nicht nachzugehen. Die Klägerin beruft sich sowohl persönlich als auch vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte auf das bereits vorliegende Gutachten, um ihre fehlende Vertretung in der Berufungsverhandlung zu begründen. Es bestehen nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass die gutachtliche Einschätzung falsch ist. Vor diesem Hintergrund sind weitere Ermittlungen durch den Senat nicht veranlasst. Soweit die Klägerin, teilweise in Widerspruch zu ihrem sonstigen Vortrag, den Inhalt des Gutachtens angreift und der Sache nach die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens über ihre Prozessunfähigkeit begehrt, ist dies nicht Aufgabe des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.
7c) Im Berufungsverfahren durfte nicht davon abgesehen werden, einen besonderen Vertreter für die prozessunfähige Klägerin zu bestellen. Steht - wie vorliegend - die Prozessunfähigkeit für den Prozess fest, bedarf es grundsätzlich der Bestellung eines besonderen Vertreters, wenn eine sonstige gesetzliche Vertretung nicht gewährleistet ist und - wie hier - das Amtsgericht keinen Betreuer bestellt hat (vgl nur - juris RdNr 8; - juris RdNr 6). Zwar sind Ausnahmen von der Vertreterbestellung für zulässig erachtet worden, wenn unter Anlegung eines strengen Maßstabs das Rechtsmittel eines Prozessunfähigen "offensichtlich haltlos" ist (vgl hierzu nur - juris RdNr 4 mwN), was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht geäußert werden oder wenn das Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war ( - SozR 4-1500 § 72 Nr 2 RdNr 10 mwN). Es ist aber nicht ersichtlich, dass eine dieser Ausnahmen hier einschlägig ist.
82. Es kann dahinstehen, ob die weiteren von der Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom geltend gemachten Verfahrensmängel vorliegen. Soweit sie zudem meint, das angegriffene Urteil weiche im Hinblick auf die Ablehnung des Feststellungsinteresses von der Rechtsprechung des BSG ab (ua Verweis auf - BSGE 131, 286 = SozR 4-1300 § 50 Nr 7), legt sie - unabhängig von der Frage, ob sie im Berufungsverfahren einen Feststellungsantrag gestellt hat - nicht dar, dass das LSG abstrakten Rechtssätzen des BSG widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl zu § 160 Abs 2 Nr 2 SGG insoweit nur - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 = juris RdNr 13; AS 325/21 B - juris RdNr 12 mwN).
9Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:260325BB4AS8723B0
Fundstelle(n):
GAAAJ-89060