Instanzenzug: LG Kleve Az: 120 KLs 8/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr eines neuen psychoaktiven Stoffes in 21 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit einem neuen psychoaktiven Stoff, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung sichergestellter „ca. 83 kg“ Ketamin und von 4.200 € angeordnet sowie den Anrechnungsmaßstab für in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft bestimmt. Der Angeklagte erhebt mit seiner Revision die allgemeine Sachrüge. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte für Hinterleute in 21 Fällen Pakete mit jeweils mehreren Kilogramm kristallinen Ketamins aus den Niederlanden nach Deutschland und gab die Pakete an Postfilialen auf. Wie er wusste, war das Ketamin zur gewinnbringenden Weiterveräußerung an die Adressaten bestimmt. Pro Kurierfahrt erhielt er mindestens 100 € Entgelt und jeweils 100 € Unkostenerstattung für Benzin sowie Porto. Dadurch wollte er sich eine Einkunftsquelle von einiger Dauer verschaffen. Das Ketamin hatte einen Wirkstoffgehalt von jedenfalls 60 Prozent Ketaminhydrochlorid.
32. Die materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung führt zu einer Änderung des Schuld- und des Einziehungsausspruchs. Im Übrigen hat sich kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4a) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind durch die Beweiswürdigung belegt und tragen die rechtliche Wertung, der Angeklagte habe sich in 21 Fällen jeweils wegen gewerbsmäßiger Einfuhr eines neuen psychoaktiven Stoffes in Tateinheit mit Beihilfe zum gewerbsmäßigen Handeltreiben mit einem neuen psychoaktiven Stoff gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Variante 1, Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 NpSG, §§ 27, 52, 53 StGB strafbar gemacht (vgl. zu den Konkurrenzen , juris Rn. 25 zu § 34 KCanG). Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass der Anwendungsbereich des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes eröffnet ist und es sich bei dem konkret in Rede stehenden Ketamin nicht um Arzneimittel oder Tierarzneimittel handelte (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NpSG; vgl. auch BR-Drucks. 403/21 S. 27). Allerdings ist die von der Strafkammer zutreffend angenommene gewerbsmäßige Tatbegehung in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen, da diese ein Qualifikationsmerkmal ist (s. entsprechend zu § 146 Abs. 2 StGB , BGHR StGB § 146 Abs. 2 Gewerbsmäßig 3 Rn. 5).
5b) Im Rechtsfolgenausspruch hat zwar die Strafe Bestand, die Anordnung der Einziehung jedoch nur teilweise.
6aa) Der Strafausspruch enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (vgl. allgemein zu den Maßstäben , NStZ-RR 2022, 290, 292 mwN). Soweit das Landgericht für Ketamin einen Grenzwert für eine „nicht geringe Menge“ ermittelt und bei seiner Strafzumessung herangezogen hat, ist zwar zweifelhaft, ob ein solches Vorgehen erforderlich ist (in diesem Sinne aber , BGHSt 67, 1); denn der Gesetzeswortlaut des § 4 NpSG nennt – anders als etwa § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG oder § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG – ein solches Merkmal nicht (kritisch Patzak, NStZ 2022, 370; s. auch BT-Drucks. 18/8964 S. 4). Jedoch liegt ein entsprechendes Vorgehen jedenfalls im Rahmen einer zulässigen tatgerichtlichen Bestimmung der schuldangemessenen Strafe.
7bb) Die auf § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützte Einziehung des Wertes von Taterträgen ist von 4.200 € auf einen Betrag von 2.100 € zu reduzieren, weil der Angeklagte nach den Feststellungen als Entgelt für die Taten lediglich jeweils 100 € pro Kurierfahrt erhielt. Bei den zusätzlich gezahlten 100 € für „Spritgeld“ und Porto handelt es sich nicht um Tatertrag, sondern um zur Begehung der Tat bestimmte Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB. Die Einziehung des Wertes dieser Mittel ist nur unter den gegenüber § 73c StGB engeren Voraussetzungen des § 74c Abs. 1 StGB möglich (vgl. , juris Rn. 9 mwN). Dazu müsste der Täter die Einziehung des ursprünglichen Einziehungsgegenstandes nach der Tatbegehung vereitelt haben. Die bestimmungsgemäße Verwendung erlangter Tatmittel stellt gerade keine solche Vereitelungshandlung dar (s. , juris Rn. 17 mwN). Da nach den Urteilsgründen ausgeschlossen ist, dass sich noch ergänzende Feststellungen treffen lassen, die hier eine Einziehung des Wertes überlassener Tatmittel begründen könnten, setzt der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Einziehungsbetrag auf verbleibende 2.100 € herab.
8cc) Die Einziehung des sichergestellten Ketamins nach § 5 NpSG, § 74 Abs. 2 StGB weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf (vgl. entsprechend zu § 33 BtMG , juris Rn. 5 mwN; zur Bezeichnung etwa , juris Rn. 17 mwN).
93. Angesichts des geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Prof. Dr. Schäfer Dr. Anstötz Dr. Erbguth
Dr. Kreicker Dr. Voigt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180225B3STR5.25.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-89053