Suchen
BGH Beschluss v. - XII ZB 433/24

Leitsatz

Wird eine medikamentöse Zwangsbehandlung genehmigt oder angeordnet, muss die Beschlussformel eine möglichst genaue Angabe des jeweiligen Medikaments oder Wirkstoffs, der (Höchst-)Dosierung und der Verabreichungshäufigkeit enthalten, um dem Erfordernis des § 323 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, die Unterbringungsmaßnahme näher zu bezeichnen, hinreichend Rechnung zu tragen.

Gesetze: § 323 Abs 1 Nr 1 FamFG

Instanzenzug: Az: 26 T 34/24vorgehend AG Langenfeld Az: 7 XIV (L) 5615/23

Gründe

1Der Betroffene wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte gerichtliche Zustimmung zu einer ärztlichen Zwangsmaßnahme.

2Der im Jahr 1977 geborene Betroffene leidet an einer paranoiden Psychose. Im Jahr 2011 wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. In der Vergangenheit wurde bereits wiederholt einer medikamentösen Zwangsbehandlung des Betroffenen gerichtlich zugestimmt. Für die letzte Zwangsbehandlung hat der Senat auf Antrag des Betroffenen wegen Verfahrensfehlern die Rechtswidrigkeit der instanzgerichtlichen Zustimmungsbeschlüsse festgestellt (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 206/24 - FamRZ 2024, 1900 Rn. 5 ff.).

3Im vorliegenden Verfahren hat die Leiterin der Einrichtung, in welcher der Betroffene lebt, erneut die Erteilung der gerichtlichen Zustimmung zur Zwangsbehandlung des Betroffenen beantragt. Nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens und persönlicher Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht der Zwangsbehandlung mit folgender Medikation bis zum zugestimmt:

„Paliperidon Depot bis zu 150 mg am ersten Tag, 100 mg nach 7 Tagen und weiter alle 28 Tage bis zu 150 mg - jeweils intramuskulär -

oder Risperidon-Depot bis zu 50 mg alle 14 Tage intramuskulär

Ergänzt bzw. augmentiert werden kann die Medikation bei weiterhin unzureichende[m] Spiegel um:

orales Risperidon bis zu 6 mg oder orales Aripiprazol bis zu 30 mg täglich oder Aripiprazol-Depot 400 mg alle 4 Wochen bei Ablehnung der oralen Medikation.“

4Die hiergegen vom Betroffenen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der Betroffene die Feststellung, dass ihn auch diese beiden Beschlüsse der Vorinstanzen in seinen Rechten verletzt haben.

5Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

6Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall der - hier aufgrund Zeitablaufs eingetretenen - Erledigung der Unterbringungsmaßnahme aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG

72. Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet. Entgegen ihrer Auffassung ist die durchzuführende ärztliche Zwangsmaßnahme in der Beschlussformel der amtsgerichtlichen Entscheidung, die durch den Beschluss des Landgerichts keine Änderung erfahren hat, hinreichend genau bezeichnet worden.

8Nach § 323 Abs. 1 Nr. 1 FamFG muss die Beschlussformel der gerichtlichen Entscheidung im Fall der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme auch die nähere Bezeichnung dieser Maßnahme enthalten. Wird eine Zwangsbehandlung genehmigt oder angeordnet, sind daher in der Beschlussformel die ärztlichen Maßnahmen konkret zu benennen (vgl. BeckOK FamFG/Günter [Stand: ] § 323 Rn. 6; Jurgeleit/Diekmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 323 FamFG Rn. 3; Jürgens/Marschner Betreuungsrecht 7. Aufl. § 323 Rn. 3; MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 323 Rn. 12; Sternal/Giers FamFG 21. Aufl. § 323 Rn. 7). Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, als er die Vorschrift des § 323 FamFG um den heutigen Absatz 2 ergänzt hat. Denn er hat zu dem bereits vorher (und heute in Absatz 1) geregelten Inhalt der Beschlussformel ausgeführt, dass auch die Art und Dauer der Maßnahme zu bestimmen und insoweit „von den Anforderungen in der Entscheidung des (Az. XII ZB 236/05, Nr. 27) auszugehen“ sei (vgl. BT-Drucks. 17/11513 S. 8).

9In dieser Entscheidung hatte der Senat ausgesprochen, dass die von dem Betroffenen zu duldende Behandlung so präzise wie möglich anzugeben sei, weil sich nur aus diesen Angaben Inhalt, Gegenstand und Ausmaß der von dem Betroffenen zu duldenden Behandlung hinreichend konkret und bestimmbar ergeben würden. Dazu gehörten bei einer Behandlung durch Verabfolgung von Medikamenten in der Regel auch die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder des Wirkstoffs und deren (Höchst-)Dosierung sowie Verabreichungshäufigkeit. Es könne sich empfehlen, vorsorglich auch alternative Medikationen für den Fall vorzusehen, dass das in erster Linie vorgesehene Medikament nicht die erhoffte Wirkung hat oder vom Betreuten nicht vertragen wird (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 166, 141 = FamRZ 2006, 615, 618 = juris Rn. 27 zu § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB aF; aA OLG Karlsruhe NJW-RR 2007, 1591, 1592).

10Zwar hat der Bundestag der von Sachverständigen vor dem Rechtsausschuss erhobenen Forderung nach einer klarstellenden Formulierung in § 323 FamFG (vgl. die schriftlichen Stellungnahmen zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung vor der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags am von Dodegge [S. 10] und von Lipp [S. 14], abrufbar über das Web-Archiv des Deutschen Bundestags) nicht entsprochen. Aber durch die Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom kommt in der Gesetzesbegründung hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber angesichts dieser Rechtsprechung gerade keine Notwendigkeit für eine Klarstellung gesehen hat (vgl. MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 323 Rn. 12; aA Zimmermann NJW 2014, 2479, 2481; Dodegge NJW 2013, 1265, 1270; Grotkopp BtPrax 2013, 83, 89 und SchlHA 2013, 129, 131 f.). Soweit der Senat in seinem Beschluss vom (BGHZ 193, 337 = FamRZ 2012, 1366 Rn. 41) konkrete Regelungen darüber vermisste, welche Behandlungsdauer eine gerichtliche Genehmigung umfassen könne und wie konkret die Genehmigung erfolgen müsse, hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 323 FamFG ausdrücklich ausgeführt, dass auch diesen Vorgaben nunmehr Rechnung getragen sei (BT-Drucks. 17/11513 S. 8).

11Wird eine medikamentöse Zwangsbehandlung genehmigt oder angeordnet, muss die Beschlussformel somit eine möglichst genaue Angabe des jeweiligen Medikaments oder Wirkstoffs, der (Höchst-)Dosierung und der Verabreichungshäufigkeit enthalten, um die Behandlung zu spezifizieren (vgl. auch LG Berlin II BeckRS 2024, 13830 Rn. 20 f.; MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 323 Rn. 12). Nur so wird dem Erfordernis des § 323 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, die Unterbringungsmaßnahme näher zu bezeichnen, hinreichend Rechnung getragen. Dabei handelt es sich - ebenso wie bei der Angabe nach § 323 Abs. 2 FamFG (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 470/14 - FamRZ 2015, 573 Rn. 7 und BGHZ 201, 324 = FamRZ 2014, 1358 Rn. 22) - nicht lediglich um einen klarstellenden Ausspruch. Vielmehr wird durch die Beschlussformel die Rechtmäßigkeit der ärztlichen Zwangsmaßnahme daran geknüpft, dass die darin genannten Vorgaben erfüllt sind.

12Den genannten Anforderungen werden die Beschlüsse der Vorinstanzen

133. Auch im Übrigen ist die angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden. Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG iVm § 564 ZPO). Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Guhling                            Klinkhammer                            Botur

                       Krüger                                  Recknagel

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:120225BXIIZB433.24.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-88734