Suchen
BGH Urteil v. - I ZR 64/24

Leitsatz

Zwischen einer Fluggesellschaft, die eine internetgestützte Eingabemöglichkeit zur Geltendmachung von gegen sie gerichteten Entschädigungsansprüchen ihrer Kunden nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 anbietet, und dem Betreiber eines Internetportals, das ebenfalls der Geltendmachung solcher Entschädigungsansprüche dient, besteht wegen einer hinreichenden Gleichartigkeit des Leistungsangebots ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG.

Gesetze: § 2 Abs 1 Nr 4 UWG, § 8 Abs 3 Nr 1 UWG, EGV 261/2004

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 15 U 132/22 Urteilvorgehend Az: 312 O 26/20 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin ist eine in I.     ansässige Fluggesellschaft. Die Beklagte betreibt ein Internetportal zur Durchsetzung von Ansprüchen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Die Beklagte lässt sich im Fall ihrer Beauftragung die Ansprüche der Fluggäste zum Zweck der Durchsetzung abtreten. Im Erfolgsfall erhebt sie eine Provision, gegebenenfalls zuzüglich eines Anwaltszuschlags.

2Die Klägerin hält Angaben der Beklagten in einer E-Mail an Kunden und auf den Internetseiten der Beklagten für irreführend, herabsetzend und aus anderen Gründen lauterkeits- und deliktsrechtlich unzulässig.

3Mit ihrer Klage hat die Klägerin - soweit für die Revision von Bedeutung - Unterlassung von Angaben begehrt, die in einer im November 2019 von der Beklagten an ihre Kunden versandten E-Mail enthalten waren, in denen es hieß, die Klägerin ignoriere die Beauftragung der Beklagten regelmäßig, sie trete Verbraucherrechte mit Füßen und versuche strategisch Fluggastrechteportale zu sabotieren, weshalb die Kunden Kontaktversuche der Klägerin ignorieren sollten (Anträge I 1 a bis d). Weiter hat die Klägerin Unterlassung der auf der Internetseite der Beklagten angezeigten Äußerung begehrt: "You are more than likely to meet a brick wall with the R.      customer service in the event of a challenge" (Antrag I 4). Ferner hat die Klägerin das Verbot einer auf den Internetseiten der Beklagten in deutscher und englischer Sprache angezeigten Grafik mit der Überschrift "Der Kampf um Ihre Entschädigung im Vergleich" begehrt, in der unterschiedliche Wege der Geltendmachung von Entschädigungsforderungen gegenübergestellt und die eigenhändige Geltendmachung als "ärgerlich und aussichtslos" zusammengefasst wurde (Anträge I 5 und 6). Die Klägerin hat zudem das Fehlen eines Hinweises auf der Internetseite der Beklagten auf die Möglichkeit einer kostenlosen gesetzlichen Schlichtung (Antrag I 7) sowie auf das mögliche Anfallen eines Anwaltskostenzuschlags beanstandet (Antrag I 8). Außerdem hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zum Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 3.161,83 € nebst Zinsen verlangt (Antrag II).

4Das Landgericht (, juris) hat die Klageanträge I 1 a bis d und I 4 bis 8 sowie den Klageantrag II in Höhe eines Teilbetrags von 2.680,80 € nebst Zinsen abgewiesen. Das Berufungsgericht (OLG Hamburg, WRP 2024, 728) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen, soweit die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Vorschriften des Wettbewerbsrechts stützt.

5Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre abgewiesenen Ansprüche weiter.

Gründe

6I. Das Berufungsgericht hat lauterkeitsrechtliche Ansprüche mangels eines zwischen den Parteien bestehenden Wettbewerbsverhältnisses verneint und hierzu ausgeführt:

7Die von den Parteien angebotenen Dienstleistungen seien ungleichartig. Es fehle auch an einer Wechselwirkung zwischen den Vorteilen einer Partei und den Nachteilen der anderen Partei. Eine solche Wechselwirkung müsse mit Blick auf die gegenüberzustellenden Primärleistungen der Parteien bestehen. Es könne daher nicht darauf abgestellt werden, dass beide Parteien Kundenreklamationen bearbeiteten. Die von der Klägerin erbrachte Primärleistung bestehe im Verkauf von Flugreisen, die Beklagte biete die Beratung in Bezug auf Fluggastrechte an. Wenn ein Fluggast sich zur Wahrnehmung seiner Rechte der Beklagten bediene, werde hierdurch der Klägerin nichts Werthaltiges - insbesondere kein Umsatz - weggenommen.

8Deliktsrechtliche Ansprüche hat das Berufungsgericht ebenfalls abgelehnt. Bei der mit dem Antrag I 1 a angegriffenen Äußerung handele es sich um eine zutreffende Tatsachenbehauptung. Die Anträge I 1 b, c, 4, 5 und 6 hätten zulässige Meinungsäußerungen zum Gegenstand. Die mit dem Antrag I 1 d angegriffene Äußerung sei kein rechtswidriger Boykottaufruf.

9II. Die Revision ist unbeschränkt zulässig (dazu nachfolgend II 1). Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil die geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüche mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden können (dazu nachfolgend II 2). Gegen die Abweisung der deliktsrechtlichen Ansprüche erhebt die Revision keine Rügen; Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

101. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision ist nicht wirksam. Damit ist die für die Klägerin zugelassene Revision als insgesamt zugelassen anzusehen.

11a) Das Berufungsgericht hat die Revision im Urteilsausspruch zu 4 zugelassen, soweit die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Vorschriften des Wettbewerbsrechts stützt. Zur Begründung hat es ausgeführt, hinsichtlich der Frage, ob zwischen Fluggastrechteportalen und von deren Angeboten erfassten Fluggesellschaften ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe, liege eine Divergenz in der obergerichtlichen Rechtsprechung vor. Hingegen bestehe für die Zulassung der Revision mit Blick auf die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten äußerungsrechtlichen Ansprüche nach allgemeinem Zivil- oder Deliktsrecht kein Anlass. Die beschränkte Zulassung der Revision sei zulässig, weil es sich bei den letztgenannten Ansprüchen gegenüber den wettbewerbsrechtlich begründeten Hauptanträgen um einen eigenen Streitgegenstand handele.

12b) Die Zulassung der Revision kann zwar nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden, wohl aber auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst ihre Revision beschränken könnte. Dafür reicht es aus, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und kein Widerspruch zwischen dem noch zur Entscheidung stehenden und dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Allerdings muss es sich dabei nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln und muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz nicht teilurteilsfähig sein; zulässig ist auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs (vgl. , GRUR 2019, 82 [juris Rn. 14] = WRP 2019, 68 - Jogginghosen; Beschluss vom - I ZR 79/22, K&R 2023, 440 [juris Rn. 12], jeweils mwN).

13c) Danach erweist sich die Beschränkung der Revision vorliegend als unwirksam. Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen hat, bei lauterkeitsrechtlichen und deliktsrechtlichen Ansprüchen handele es sich um unterschiedliche Streitgegenstände (dazu vgl. , GRUR 2012, 1153 [juris Rn. 8] - Unfallersatzgeschäft). Denn bei der Beurteilung des von der Zulassungsbeschränkung betroffenen lauterkeitsrechtlichen Teils des Streits droht die Gefahr einer im Widerspruch zum nicht angefochtenen deliktsrechtlichen Teil des Streitstoffs stehenden Entscheidung.

14Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - liegt bereits dann vor, wenn im von der Revisionszulassung nicht umfassten Teil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Dazu reicht die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen aus, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (vgl. BGH, GRUR 2019, 82 [juris Rn. 17] - Jogginghosen; zum Teilurteil vgl. , GRUR 2015, 1201 [juris Rn. 26] = WRP 2015, 1487 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot; Urteil vom - VI ZR 436/16, NJW 2018, 623 [juris Rn. 7], jeweils mwN).

15Im Streitfall ist dies mit Blick auf die Einordnung der angegriffenen Angaben als Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen der Fall, die sowohl für lauterkeitsrechtliche als auch allgemeine deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen nur einheitlich erfolgen kann.

162. Die Revision hat in der Sache Erfolg, weil die geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüche mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden können.

17a) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist gemäß Art. 6 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) deutsches Lauterkeitsrecht auf die beanstandeten Handlungen anwendbar.

18b) Soweit der Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er nur, wenn das beanstandete Verhalten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2024, 1122 [juris Rn. 13] = WRP 2024, 928 - klimaneutral, mwN). Die Anspruchsberechtigung des Mitbewerbers nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in der seit dem geltenden Fassung setzt über das schon zuvor (und auch weiterhin) erforderliche konkrete Wettbewerbsverhältnis hinaus voraus, dass der Mitbewerber Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt.

19c) Das Berufungsgericht hat - wie die Revision mit Erfolg geltend macht - der Klägerin zu Unrecht die Anspruchsberechtigung als Mitbewerberin im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG abgesprochen.

20aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es fehle an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, weil die von den Parteien erbrachten Dienstleistungen ungleichartig seien und der in einem solchen Fall für die Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses erforderliche wettbewerbliche Bezug zwischen den beiderseits erbrachten Primärleistungen nicht bestehe. Die Klägerin biete ihren Kunden mit dem auf ihrer Internetseite befindlichen Formular die Möglichkeit, Entschädigungsansprüche ihr gegenüber geltend zu machen. Die Beklagte erbringe ihren Kunden gegenüber eine Rechtsdienstleistung, die in der Geltendmachung von Ansprüchen einem Dritten gegenüber bestehe, und nehme die Rolle eines Mittlers ein, der Ansprüche von Verbrauchern - ähnlich einem Rechtsanwalt - für diese bei der Klägerin anmelde. Die Klägerin komme mit ihrem Angebot lediglich ihrer Pflicht als Schuldnerin von Entschädigungsleistungen nach, ohne eine darüber hinausgehende Dienstleistung zu erbringen. Es fehle auch an einer Wechselwirkung zwischen den Vorteilen einer Partei und den Nachteilen der anderen Partei. Die Geltendmachung von Ansprüchen über die Beklagte als Rechtsdienstleisterin ersetze für den Verbraucher zwar die Nutzung des Formulars auf der Internetseite der Klägerin, nicht aber die Entgegennahme seiner Forderungsanmeldung schlechthin. Denn statt des Verbrauchers müsse sich nun die Beklagte an die Klägerin wenden und seine Forderung geltend machen. Auf die Vertragsbeziehung zwischen Klägerin und ihren Kunden wirke die Beklagte nicht ein. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

21bb) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG in der bis zum geltenden Fassung) ist "Mitbewerber" jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein im Streitfall allein unter dem Gesichtspunkt der Förderung eigenen Wettbewerbs in Betracht kommendes konkretes Wettbewerbsverhältnis kann auf zweifache Weise begründet werden (zur vorliegend nicht relevanten Förderung fremden Wettbewerbs vgl. , GRUR 2025, 1897 [juris Rn. 30] = WRP 2025, 62 - DFL-Supercup mwN).

22(1) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt vor, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann. Ein solcher Substitutionswettbewerb setzt voraus, dass sich die beteiligten Unternehmer auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigen, ohne dass sich der Kundenkreis und das Angebot der Waren oder Dienstleistungen vollständig decken müssen (, GRUR 2007, 1079 [juris Rn. 18, 22] = WRP 2007, 1346 - Bundesdruckerei; Urteil vom - I ZR 173/12, GRUR 2014, 573 [juris Rn. 17] = WRP 2014, 353 - Werbung für Fremdprodukte). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis setzt nicht voraus, dass die Parteien auf der gleichen Vertriebsstufe oder in der gleichen Branche tätig sind, solange sie letztlich gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen (, GRUR 2014, 1114 [juris Rn. 27 und 30] = WRP 2014, 1307 - nickelfrei; Urteil vom - I ZR 252/14, GRUR 2016, 828 [juris Rn. 20] = WRP 2016, 974 - Kundenbewertung im Internet, mwN).

23(2) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis kann ferner - bei Fehlen eines Substitutionsverhältnisses - vorliegen, wenn der Wettbewerb einer Partei durch die Handlung einer anderen Partei beeinträchtigt wird (Beeinträchtigungswettbewerb).

24Weil im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, genügt für die Annahme eines solchen, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt. Dies ist der Fall, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (BGH, GRUR 2014, 1114 [juris Rn. 32] - nickelfrei; , GRUR 2017, 918 [juris Rn. 16] = WRP 2017, 1085 - Wettbewerbsbezug; Urteil vom - I ZR 128/21, GRUR 2022, 729 [juris Rn. 13] = WRP 2022, 727 - Zweitmarkt für Lebensversicherungen II; BGH, GRUR 2025, 1897 [juris Rn. 26] - DFL-Supercup, jeweils mwN). Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn die Maßnahme den Anderen nur irgendwie in seinem Marktstreben betrifft und es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt. Für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses ist vielmehr erforderlich, dass die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (vgl. BGH, GRUR 2014, 573 [juris Rn. 21] - Werbung für Fremdprodukte; GRUR 2014, 1114 [juris Rn. 32] - nickelfrei; GRUR 2017, 918 [juris Rn. 16] - Wettbewerbsbezug; GRUR 2025, 1897 [juris Rn. 28] - DFL-Supercup).

25Da es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung regelmäßig nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, dass die Parteien durch eine Handlung miteinander in Wettbewerb getreten sind, auch wenn ihre Unternehmen im Übrigen unterschiedlichen Branchen oder Wirtschaftsstufen angehören (, GRUR 2004, 877 [juris Rn. 21] = WRP 2004, 1272 - Werbeblocker I; BGH, GRUR 2014, 573 [juris Rn. 17] - Werbung für Fremdprodukte; GRUR 2025, 1897 [juris Rn. 29] - DFL-Supercup, mwN).

26cc) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht zu Unrecht das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien abgelehnt. Die Parteien treten durch das hinreichend gleichartige Angebot, Fluggästen die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen zu ermöglichen, miteinander in Substitutionswettbewerb.

27(1) Die Klägerin bietet ihren Kunden durch Bereitstellung einer internetbasierten Eingabemöglichkeit die Möglichkeit, gegen die Klägerin gerichtete Entschädigungsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 geltend zu machen.

28Die Beklagte bietet Kunden der Klägerin an, mit Hilfe des Internetportals der Beklagten Entschädigungsansprüche gegenüber der Klägerin geltend zu machen, und verlangt hierfür im Erfolgsfall ein Entgelt. Dabei erschöpft sich die Dienstleistung der Beklagten nicht im Angebot einer internetbasierten Eingabemöglichkeit, sondern ihr Service umfasst gegebenenfalls auch die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen mit anwaltlicher Hilfe.

29(2) Die Angebote der Parteien sind aus der hierfür maßgeblichen Sicht der Kunden der Klägerin als Endabnehmer (dazu vgl. , BGHZ 237, 1 [juris Rn. 41] - Aminosäurekapseln; Köhler in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 2 Rn. 4.21) insoweit austauschbar, als sie jeweils die Anmeldung von Entschädigungsansprüchen bei der Klägerin ermöglichen (vgl. , juris Rn. 8; aA OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 278 [juris Rn. 35]). Kunden können sich zur Geltendmachung ihrer Entschädigungsansprüche des Angebots beider Parteien bedienen. Die hierdurch begründete hinreichende Gleichartigkeit der Dienstleistungen wird nicht dadurch berührt, dass die Beklagte auch die mit anwaltlicher Hilfe unternommene gerichtliche Geltendmachung nicht freiwillig erfüllter Ansprüche, also eine über die Anmeldung von Ansprüchen hinausgehende Leistung, anbietet.

30(3) Der Annahme gleichartiger Leistungen steht nicht entgegen, dass dem Angebot der Klägerin die in der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 geregelte Verpflichtung der Fluglinien zugrunde liegt, im Falle der Nichtbeförderung oder der Annullierung von Flügen Entschädigung zu leisten. Abgesehen davon, dass in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung gemachte Angaben nicht per se aus dem Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts herausführen (vgl. , GRUR 2015, 1244 [juris Rn. 17] = WRP 2016, 44 - Äquipotenzangabe in Fachinformation; Köhler in Köhler/Feddersen aaO § 2 Rn. 2.52), bietet die Klägerin mit der internetbasierten Eingabemöglichkeit eine Dienstleistung an, die über das nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 geschuldete Pflichtenprogramm hinausgeht. Nach Art. 14 dieser Verordnung müssen die Fluglinien die Fluggäste lediglich in der dort vorgeschriebenen Weise über ihre Rechte informieren. Zur Bereitstellung eines Durchsetzungsmechanismus sind die Fluglinien hingegen nicht verpflichtet; die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen obliegt den Fluggästen. Die Klägerin stellt ihren Kunden ein Leistungsangebot zur Verfügung, welches ihr eigentliches Primärleistungsangebot ergänzt und dem mit Blick auf damit erzielbare wirtschaftliche Effekte - die Kanalisierung von Entschädigungsanträgen, darüber hinaus etwa eine Werbewirkung oder Wirkungen auf die Kundenbindung - eine eigene wettbewerbliche Bedeutung zukommt.

31(4) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung steht der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses auch nicht entgegen, dass die Parteien in Gestalt von Flugleistungen (Klägerin) beziehungsweise Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 RDG (Beklagte) ungleichartige Primärleistungen erbringen.

32Die Mitbewerbereigenschaft ist handlungsbezogen zu ermitteln, indem an die konkret beanstandete geschäftliche Handlung angeknüpft wird (vgl. nur BGH, GRUR 2017, 918 [juris Rn. 16] - Wettbewerbsbezug; Köhler in Köhler/Feddersen aaO § 2 Rn. 4.9). Im Streitfall treten die Parteien dadurch in Wettbewerb, dass sie jeweils Kunden der Klägerin durch Bereitstellung einer internetbasierten Eingabemöglichkeit die Anmeldung von Entschädigungsansprüchen ermöglichen. Für den durch dieses Leistungsangebot begründeten Wettbewerb ist es - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - ohne Bedeutung, dass die Klägerin diese Leistung zusätzlich zu einer andersartigen vertraglichen Hauptleistung bereitstellt, dass die Beklagte hiermit eine Rechtsdienstleistung anbietet, die gegebenenfalls - anders als die Klägerin - weitergehend (und mit anwaltlicher Hilfe) auch die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche umfasst oder dass die Beklagte nicht nur die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber allen Fluglinien anbietet.

33(5) Im Falle der Gleichartigkeit des Leistungsangebots folgt der wettbewerbliche Bezug aus dem Substitutionseffekt; eines weiteren, über den Substitutionseffekt hinausgehenden wettbewerblichen Bezugs der Leistungen bedarf es nicht (vgl. , GRUR 2007, 978 [juris Rn. 17] = WRP 2007, 1334 - Rechtsberatung und Haftpflichtversicherer; BGH, GRUR 2022, 729 [juris Rn. 20] - Zweitmarkt für Lebensversicherungen II).

34(6) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung begründet die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses im Streitfall keine ungebührliche Ausweitung der Anspruchsberechtigung von Unternehmen gegenüber Inkassodienstleistern.

35Die Revisionserwiderung beruft sich ohne Erfolg auf die Entscheidung "Wettbewerbsbezug" des Senats. In der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhaltsgestaltung wandte sich ein Anbieter von Immobilienfonds gegen Äußerungen einer auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwaltsgesellschaft, die im Internet zum Zwecke der Akquisition anwaltlicher Beratungsmandate den Fondsanbieter betreffende Pressemitteilungen veröffentlichte (BGH, GRUR 2017, 918 [juris Rn. 1] - Wettbewerbsbezug). Es handelte sich um einen Fall, in dem angesichts ungleichartiger Leistungsangebote - es standen sich das Angebot von Anlageprodukten und anwaltliche Beratungsdienstleistungen gegenüber - ein eigens festzustellender wettbewerblicher Bezug erforderlich war, um ein Wettbewerbsverhältnis zu begründen. Der Senat hat ausgeführt, dass bei der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen einem Unternehmen und einem Rechtsanwalt, der Kunden dieses Unternehmens vertritt, Zurückhaltung angebracht ist, weil andernfalls eine ungebührliche Ausweitung der wettbewerbsrechtlichen Anspruchsberechtigung von Unternehmen gegenüber Rechtsanwälten zu befürchten wäre. Denn das Unternehmen wäre stets als Wettbewerber des Rechtsanwalts anzusehen, wenn es für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses ausreichen würde, dass sich die anwaltliche Tätigkeit - etwa durch die Beratung oder Prozessführung für einen Kunden - für das Unternehmen geschäftlich nachteilig auswirken kann (BGH, GRUR 2017, 918 [juris Rn. 20] - Wettbewerbsbezug).

36Auf den Streitfall, in dem die Parteien hinreichend gleichartige Leistungen anbieten, lassen sich diese Ausführungen nicht übertragen. Eine ungebührliche Ausweitung der lauterkeitsrechtlichen Inanspruchnahme von Inkassodienstleistern ist zudem nicht zu erwarten. Im Streitfall wird das Wettbewerbsverhältnis durch die eher untypische Situation begründet, dass ein Unternehmen die Geltendmachung von gegen sich selbst gerichteten Ansprüchen seiner Kunden zum Bestandteil seines Leistungsangebots macht.

37III. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Einer eigenen Entscheidung des Senats in der Sache steht entgegen, dass es mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts zu den lauterkeitsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen an der Entscheidungsreife fehlt.

Koch                        Schwonke                        Feddersen

              Schmaltz                             Wille

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:270325UIZR64.24.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-88602