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BGH Urteil v. - III ZR 137/24

Juristische Person, Organ, Haftungszuweisung, unerlaubte Handlung, "Schneeballsystem", Gesamtschuldner

Leitsatz

Juristische Person, Organ, Haftungszuweisung, unerlaubte Handlung, "Schneeballsystem", Gesamtschuldner

1.    § 31 BGB gilt für alle juristischen Personen.

2.    § 31 BGB ist keine haftungsbegründende, sondern eine haftungszuweisende Norm. Die juristische Person haftet, wenn eines ihrer Organe in "amtlicher" Eigenschaft, das heißt in dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis, eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat (Anschluss an Senat, Beschluss vom - III ZR 220/83, NVwZ 1984, 749; , NJW 1980, 115; vom - VI ZR 434/01, BGHZ 155, 205; vom - VI ZR 465/13, juris und vom - VI ZR 501/13, juris).

3.    Sind Organe verschiedener juristischer Personen mit ein und derselben natürlichen Person besetzt und hat diese eine schadenstiftende unerlaubte Handlung in unterschiedlichen "amtlichen" Eigenschaften begangen, haften nach der Zuweisungsnorm des § 31 BGB für den eingetretenen Schaden alle juristischen Personen, für die sie insoweit als Organ in dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis aufgetreten ist, als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB) (Fortführung von , BGHZ 36, 296; Abgrenzung von , BGHZ 99, 298).

Gesetze: § 31 BGB, § 840 Abs 1 BGB

Instanzenzug: OLG Dresden Az: 13 U 113/23vorgehend LG Dresden Az: 9 O 2597/21

Tatbestand

1    Der Kläger begehrt vom Beklagten die Feststellung einer Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle.

21.    Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss vom eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P.       AG (im Folgenden: P.        oder Schuldnerin). Ihr Vorstand war J.    B.     . Dieser war zudem persönlich haftender Gesellschafter der F.           KGaA (im Folgenden: F.    ), über deren Vermögen ebenfalls am das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Beide Gesellschaften gehörten ebenso wie die I.       AG Ihr Kompetenzpartner (im Folgenden: I.    ) zu den Unternehmen der sogenannten I.      -Gruppe.

32.    J.    B.      und andere Personen - alle inzwischen rechtskräftig schuldig gesprochen (, NZWiSt 2022, 326) - betrieben seit etwa Mitte der 2000er Jahre eine Unternehmensgruppe auf dem Gebiet der Finanzdienstleistung. Zentrale Gesellschaft war die F.    . Das Geschäftsmodell sah den Ankauf von langfristigen Lebensversicherungspolicen am Zweitmarkt und deren Weiterführung vor, um bei Vertragsende jeweils an die Überschussbeteiligungen enthaltende Versicherungsleistung zu gelangen. Zur Deckung des sich hieraus ergebenden Finanzbedarfs gab die F.     Orderschuldverschreibungen aus, die sie durch Vermittlung anderer Unternehmen der Gruppe an ein breites Publikum vertrieb. Darüber hinaus erzielte die F.     Einnahmen durch einen Gewinnabführungsvertrag mit der I.   , deren Geschäftsgegenstand die Vermittlung von Finanzprodukten, insbesondere von Lebens- und Rentenversicherungen, war.

4    Bereits Ende des Jahres 2007 stellte die F.      das Geschäft am Zweitmarkt für Lebensversicherungen ein, war jedoch zur Deckung ihrer laufenden Kosten weiter auf die Finanzierung durch Orderschuldverschreibungen angewiesen. Mangels anderer externer Ertragsquellen konnten ab diesem Zeitpunkt die Zinsen für die bestehenden Orderschuldverschreibungen nur durch neue Abschlüsse gezahlt werden; schon weit vor dem Jahr 2011 erkannte J.     B.    , dass zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs die beständige Neueinwerbung von Kapital unerlässlich war und jede nicht ganz unerhebliche Unterbrechung der systembedingt notwendigen Zufuhr frischer Liquidität schnell zum Zusammenbruch des Systems führen konnte, mithin das Geschäft mit den Orderschuldverschreibungen zu einem "Schneeballsystem" degeneriert war.

5    Um gleichwohl fortgesetzt Anleger zu gewinnen und diesen gegenüber Gewinne darstellen zu können, die die F.     beziehungsweise die gesamte I.      -Gruppe als außerordentlich erfolgreiche wirtschaftliche Unternehmung und eine Geldanlage darin als renditeträchtig erscheinen lassen sollten, bediente man sich im großen Umfang sogenannter Eigenverträge. Dabei handelte es sich um großvolumige Lebens- und Rentenversicherungen, die die F.     als Versicherungsnehmerin durch die Vermittlung anderer Unternehmen der Gruppe, zumeist der I.   , abschloss und besparte. Die hierdurch seitens der I.    vom jeweiligen Versicherer vereinnahmten Provisionen wirkten über den Gewinnabführungsvertrag auch bei der F.      bilanziell gewinnerhöhend, obwohl diese die erheblichen Provisionen - nach außen nicht erkennbar - über die Versicherungsprämien wirtschaftlich zu tragen hatte und ihre Gewinne damit gleichsam selbst finanzierte. Die vorgeblichen Gewinne waren deshalb bloß das Ergebnis bilanzieller Effekte und standen somit nur auf dem Papier. In Ermangelung anderer Ertragsquellen schloss die F.      immer weitere Eigenverträge ab, um so über die Jahre steigende Gewinne ausweisen zu können. Die Notwendigkeit der Besparung dieser Verträge zur Vermeidung der Rückforderung der Provision seitens des Versicherers (sogenannte Stornohaftung) brachte eine Vergrößerung des Liquiditätsbedarfs mit sich, der nur - teuer und damit im Ergebnis verlustbringend - über die zusätzliche Ausgabe von Orderschuldverschreibungen gedeckt werden konnte. Diese Umstände waren J.     B.     bereits Ende des Jahres 2007 durch die Wirtschaftsprüfer aufgezeigt worden.

6    Das Vertriebssystem für die Orderschuldverschreibungen war mit einem Netz von gutgläubigen Vermittlern unter dem Dach der zur Firmengruppe gehörenden I.      AG Finanzdienstleistungsinstitut (im Folgenden: FDI) aufgebaut. In den Prospekten für die Orderschuldverschreibungen sowie den regelmäßig veröffentlichten Geschäftsberichten wurden die ständig steigenden Gewinne der F.      hervorgehoben und der unzutreffende Eindruck erweckt, der Ankauf von Lebensversicherungen sei nach wie vor das zentrale und ein gewinnbringendes Geschäftsfeld der F.    . Die Anleger gingen aufgrund der Beratungsgespräche davon aus, dass es der F.     möglich sei, durch ihre unternehmerische Tätigkeit die Anlagebeträge nebst Zinsen zurückzuzahlen.

7    J.    B.     erkannte spätestens im Laufe des Jahres 2009, dass das Geschäftsmodell der Unternehmen der I.     -Gruppe nicht mehr tragfähig war und die Anleger über die tatsächliche Ertrags- und Finanzlage falsch informiert wurden. Ihm war ebenfalls bewusst, dass die F.            kein nachhaltiges und ein prospektwidriges Geschäftsmodell betrieb und ihre Darstellung als ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen auf den bilanziellen Effekten durch die seitens der I.       vereinnahmten Provisionen aus den Eigenverträgen beruhte. Diese Provisionseinnahmen der I.    wiederum resultierten in nennenswertem Umfang aus der Weiterleitung von Vermittlungsprovisionen der P.      , welche diese als Untervermittlerin von Eigenverträgen der F.     erlangt hatte. Auch dies war J.    B.    , der jeweils selbst anordnete, welche Gesellschaft bei den Eigenverträgen als Vermittler auftrat, bekannt.

83.    Der Kläger erwarb am Orderschuldverschreibungen der F.     für 100.000 €. Er erhielt darauf Auszahlungen in Höhe von insgesamt 4.988,47 €. In Höhe der Differenz von 95.011,53 € hat er mit beim Beklagten am eingegangenem Schreiben vom eine Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Der Beklagte hat die Forderung bestritten. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Feststellungsklage nach den §§ 179 ff InsO, § 256 ZPO. Er meint, die Schuldnerin hafte ihm aufgrund eigener Handlungen, weil sie sich in ein betrügerisches Schneeballsystem mit Wissen und Wollen ihres rechtskräftig verurteilten Vorstands J.    B.     aktiv habe einbinden lassen und die eigentliche Täuschungshandlung der F.     ihm gegenüber überhaupt erst ermöglicht, zumindest aber wesentlich erleichtert habe.

94.    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der von ihm zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen zweitinstanzlichen Antrag, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weiter.

Gründe

10    Die unbeschränkt zugelassene Revision ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gegenstandslos.

I.

11    Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

12    Der Widerspruch des Beklagten gegen die zur Tabelle angemeldete Forderung sei unberechtigt. Dem Kläger stehe die behauptete Forderung in Höhe von 95.011,53 € gegen die Schuldnerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 und § 264a Abs. 1 StGB sowie aus § 826 BGB jeweils in Verbindung mit den §§ 830, 31 BGB zu.

131.    Der hier vorliegende Sachverhalt erfülle den Tatbestand des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs sowie des Kapitalanlagebetrugs.

14    Anleger, die Orderschuldverschreibungen der F.     erworben hätten, seien getäuscht worden, weil in den Basisprospekten, auf deren Grundlage sie ihre Investitionsentscheidungen getroffen hätten, der Leser nicht darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die F.           tatsächlich die Geschäftstätigkeit am Zweitmarkt für Lebensversicherungen eingestellt gehabt, sie ihre Einnahmen hauptsächlich über die Gewinnabführungen durch von ihr selbst zu tragende Provisionen erzielt und kein tragfähiges Geschäftsmodell verfolgt habe. Die Änderung der Geschäftstätigkeit und das daraus resultierende Risiko eines Forderungsausfalls der Gläubiger wären zwingend im Haupttext der Basisprospekte mitzuteilen gewesen. Den Anlegern sei ein Schaden in Höhe des von ihnen investierten Betrags entstanden. Die ihnen aus den erworbenen Orderschuldverschreibungen zustehenden Rückzahlungsansprüche seien wertlos gewesen, weil jederzeit mit dem Zusammenbruch des Schneeballsystems und damit des Geschäftsmodells habe gerechnet werden müssen. Die Verwirklichung der Straftatbestände sei in mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft erfolgt, weil J.    B.    und die anderen Mittäter die Organisationsstruktur des betrügerischen Schneeballsystems geschaffen hätten, ohne selbst gegenüber den geschädigten Anlegern aufzutreten.

15    Der Kläger sei durch das Schneeballsystem in Höhe des eingeklagten Betrags geschädigt worden. Er habe am Orderschuldverschreibungen der F.      für 100.000 € erworben, von denen er 4.988,47 € durch Auszahlungen zurückerhalten habe. Die getätigte Investition sei durch die unrichtige und unvollständige Darstellung im Prospekt für die Orderschuldverschreibungen, der dem Kläger vier Tage vor der Zeichnung der Anlage vorgelegen habe und auf dessen Grundlage er auch von einem Anlagevermittler beraten worden sei, veranlasst worden.

16    Die Straftatbestände des Betrugs nach § 263 StGB und des Kapitalanlagebetrugs nach § 264a StGB seien Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, so dass die Täter den durch die Straftaten Geschädigten zum Schadensersatz verpflichtet seien. Eine Schadensersatzpflicht des J.    B.     ergebe sich zudem aus § 826 BGB.

172.    Die Schuldnerin hafte für den Schaden des Klägers, für den J.    B.     - wie eben dargestellt - nach § 830 Abs. 1 BGB verantwortlich sei, nach der Maßgabe des § 31 BGB.

18    Der P.        sei - dem Tatplan entsprechend - eine wesentliche Rolle im Rahmen des von J.    B.     und seinen Mittätern betriebenen Schneeballsystems zugekommen. Sie habe mit der I.    aktiv als Vermittlerin von Eigengeschäften der F.     fungiert, um durch ein Provisionskarussell und dessen bilanzielle Effekte entgegen der Realität ein positives Bild der wirtschaftlichen Lage der F.     in deren Bilanz und den Emissionsprospekten darstellen und den Anlegern ein prosperierendes Unternehmen vorspiegeln zu können, das tatsächlich aber kein nachhaltiges Geschäft betrieben habe. Hierdurch sei zu den von den Verantwortlichen der F.      begangenen Straftaten gegenüber den Anlegern wie auch dem Kläger und deren vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ein maßgeblicher Beitrag geleistet worden.

19    Die Mitwirkung an der Vorspiegelung einer unzutreffenden wirtschaftlichen Situation der F.     habe ein aktives Tun und im Gegensatz zu der dem , BGHZ 230, 288) zugrunde liegenden Fallgestaltung nicht nur ein Unterlassen der Aufklärung der Anleger dargestellt, so dass sich die Frage einer Garantenstellung gegenüber dem Kläger nicht stelle. J.     B.    habe als Vorstand der Schuldnerin diese Mitwirkung, die mit seinem Wissen und Wollen gemäß dem Tatplan erfolgt sei, zu verantworten, weil er die Geschäfte der P.      zu führen gehabt habe. Er habe die P.      im Rahmen des von ihm planmäßig betriebenen Schneeballsystems instrumentalisiert, um die Täuschung der Anleger über die für die Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände zu ermöglichen. Hierin habe ein Beitrag zur Schädigung des Klägers gelegen, den er gerade als Vorstand der Schuldnerin geleistet habe und der dieser deshalb nach § 31 BGB zuzurechnen sei.

20    Der Beitrag der Schuldnerin habe sich nicht nur als eine vom Täter vorgenommene Vorbereitungshandlung dargestellt, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Zurechnung der zum Schadensersatz verpflichtenden Straftat nach § 31 BGB begründete. Bei dem Betrieb des betrügerischen Schneeballsystems habe es sich um ein uneigentliches Organisationsdelikt gehandelt. Zu dem für die Verwirklichung des Tatbestands maßgeblichen Verhalten habe auch die Schaffung und Aufrechterhaltung der Rahmenbedingungen gehört, die J.     B.     die Tatherrschaft vermittelt hätten. Der Umstand, dass J.     B.    in diesem Rahmen weitere, vielleicht gewichtigere Handlungen in anderer Eigenschaft, insbesondere als Organ der F.    , vorgenommen habe, stehe der (Mit-)Haftung der Schuldnerin nicht entgegen. Setze sich ein Tatgeschehen aus mehreren Handlungen desselben Täters zusammen, sei jede von ihnen als Tatbeitrag relevant und derjenigen juristischen Person zuzurechnen, als deren Organ der Täter gehandelt habe. Die Schuldnerin hafte für Pflichtverletzungen ihres Organs B.    , der auch insoweit Täter sei.

21    Ohne Relevanz sei, ob J.    B.     Handlungen gegenüber dem Kläger vorgenommen habe. Der mittelbare Täter hafte sowohl nach § 823 Abs. 2 als auch nach § 826 BGB, selbst wenn dessen Tatherrschaft vom Geschädigten gar nicht wahrgenommen worden sei. Die Haftung auf der Grundlage von § 31 BGB setze eine unmittelbare Beziehung des Geschädigten zur Gesellschaft nicht voraus.

22    Nicht erforderlich sei, dass der Tatbeitrag, den J.    B.     als Organ der Schuldnerin vorgenommen habe, für die Schädigung des Klägers im Sinne einer conditio sine qua non kausal geworden sei. Es genüge vielmehr, dass sie sich - wie hier - als für die Tatbegehung relevantes Element darstelle. Zwar möge die Einschaltung der P.       nicht erforderlich gewesen sein, weil die von ihr an die I.    gezahlten Provisionen auch von der I.    selbst unmittelbar hätten generiert werden können. Dies ändere aber nichts daran, dass J.    B.     die P.       tatsächlich in die Vorgänge eingeschaltet habe.

23    Entgegen der Ansicht des Beklagten sei der geltend gemachte Anspruch auch nicht verjährt.

II.

24    Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Der Widerspruch des Beklagten ist unberechtigt. Die Schuldnerin haftet als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB) für den in unverjährter Zeit vom Kläger zur Tabelle angemeldeten Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 und 5 und § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie aus § 826 BGB, jeweils in Verbindung mit § 830, § 31 BGB.

251.    Der im Berufungsurteil festgestellte Sachverhalt erfüllt - vom Berufungsgericht zutreffend erkannt (vgl. aaO Rn. 1, 52 und 54) - in der Person von J.    B.     den Tatbestand des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs (§ 263 Abs. 1 und 5 StGB) und des Kapitalanlagebetrugs (§ 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Die Tatbestandsverwirklichung erfolgte in mittelbarer (Mit-)Täterschaft, weil J.     B.     und seine Mittäter ein betrügerisches Schneeballsystem organisierten, ohne selbst gegenüber den geschädigten Anlegern aufzutreten; den Kontakt mit den Anlegern besorgten gutgläubige Anlagevermittler, denen gegenüber in Seminaren die wahren wirtschaftlichen Hintergründe verschleiert worden waren. Da die beiden Straftatbestände Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind und nach dem festgestellten Sachverhalt - an den der Senat gebunden ist (§ 559 Abs. 2 ZPO), weil die Revision insoweit keinen durchgreifenden Revisionsangriff erhoben hat - J.    B.    , wie vom Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen, zum Nachteil des Klägers außerdem eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) begangen hat, schuldet J.    B.     dem durch das von ihm mittäterschaftlich (§ 830 Abs. 1 BGB) betriebene Schneeballsystem geschädigten Kläger Schadensersatz.

262.    Mit dem Berufungsgericht und entgegen der Revision haftet aber auch die Schuldnerin gemäß § 31 BGB für den Schaden des Klägers, für den ihr Vorstand J.    B.    , wie eben dargestellt, verantwortlich ist.

27    a) Nach § 31 BGB, der für alle juristischen Personen gilt (Ellenberger in Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 31 Rn. 3), ist die juristische Person für den Schaden verantwortlich, den ein Organ oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. § 31 BGB ist keine haftungsbegründende, sondern eine haftungszuweisende Norm, die einen Haftungstatbestand voraussetzt (, BGHZ 99, 298, 302 und vom - VI ZR 434/01, BGHZ 155, 205, 211). Über § 31 BGB wird eine unerlaubte Handlung des Organs lediglich der juristischen Person als Haftungsmasse zugerechnet. Unerlässliche Voraussetzung dieser Zurechnung ist es, dass das Organ, also eine natürliche Person, eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat (BGH aaO). Die juristische Person haftet, wenn die natürliche Person insoweit als ihr Organ in dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis aufgetreten ist (, juris Rn. 13 und vom - VI ZR 501/13, juris Rn. 16); das Organ muss in "amtlicher" Eigenschaft gehandelt haben (Senat, Beschluss vom - III ZR 220/83, NVwZ 1984, 749; , NJW 1980, 115; Ellenberger aaO Rn. 10). Die juristische Person haftet nicht, wenn die natürliche Person ausschließlich als Organ einer anderen juristischen Person tätig geworden ist, selbst wenn diese zum selben Konzern gehört (vgl. und vom , jew. aaO).

28    Ziel der Regelung des § 31 BGB ist es, durch Verbreiterung der Haftungsmasse den Rechtsverkehr vor Schadenshandlungen, die das Organ in "amtlicher" Eigenschaft begangen hat, zu schützen ( aaO und vom - VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148, 157). Sind Organe verschiedener juristischer Personen mit ein und derselben natürlichen Person besetzt, kann die Haftung dieser verschiedenen juristischen Personen ausgehend von diesem Normzweck nicht zweifelhaft sein, wenn diese natürliche Person als Täter eine aus mehreren Teilakten beziehungsweise Tatbeiträgen bestehende unerlaubte Handlung in unterschiedlichen "amtlichen" Eigenschaften begangen hat, das heißt bei einzelnen Teilakten oder Tatbeiträgen der unerlaubten Handlung als Organ der juristischen Person A, bei weiteren als Organ der juristischen Person B und bei wiederum anderen als Organ der juristischen Person C usw. gehandelt hat. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist daher auch schon seit langem anerkannt, dass eine Verrichtung gleichzeitig Organhandlung für mehrere Rechtspersonen sein kann (vgl. , BGHZ 36, 296, 309 und vom aaO S. 299 f und 302 f), und bereits angelegt, dass mehrere juristische Personen für das Handeln ihres - personenidentischen - Organs zum Schadensersatz verpflichtet sein können. Sie haften dann als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB). Über die Zuordnung entscheidet in solchen Fällen nicht der innere Wille des Handelnden, sondern die Sicht eines objektiven Beurteilers (Ellenberger aaO; Schöpflin in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 5. Aufl., § 31 Rn. 17).

29    b) Dies zugrunde gelegt, hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis mit Recht angenommen, dass dann, wenn sich ein Tatgeschehen - wie hier das Betreiben und Aufrechterhalten eines Schneeballsystems in mittelbarer (Mit-)Täterschaft - aus mehreren Handlungen desselben Beteiligten zusammensetzt, jede von ihnen als Tatbeitrag relevant und derjenigen juristischen Person zuzurechnen ist, als deren Organ die handelnde natürliche Person tätig wurde. Infolgedessen haftet die F.    , soweit die Verantwortlichkeit von J.    B.     für die Erstellung des unrichtigen Prospekts oder die Organisation des Vertriebs der Orderschuldverschreibungen der F.     in Rede steht, weil diese Tätigkeiten seiner Funktion als Organ der F.     zuzuordnen sind. Darüber hinaus rechtfertigt die Feststellung des Berufungsgerichts, dass J.    B.     die Schuldnerin dazu einsetzte, aktiv als Vermittlerin von Eigengeschäften der F.     ein Provisionskarussell in Gang zu setzen, um entgegen der Realität ein positives Bild der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens vorspiegeln zu können, (auch) die Haftung der Schuldnerin für den mit dem Erwerb der Orderschuldverschreibungen im Jahre 2011 eingetretenen Schaden des Klägers. Beide Gesellschaften haften als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB), so dass es auf Umfang und Gewicht der einzelnen von J.    B.     in "amtlicher" Eigenschaft als Organ der Schuldnerin begangenen - Handlungen erst ankommt, wenn ein Gesamtschuldnerausgleich (§ 426 BGB) vorzunehmen ist.

30    Soweit die Revision meint, die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Bedeutung der Schuldnerin im Rahmen des von J.     B.       sowie seinen Mittätern und Gehilfen betriebenen Schneeballsystems seien von Verfahrensfehlern getragen, und dies näher ausführt, hat der Senat die Rügen geprüft, diese aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

31    c) Unbehelflich ist die erhobene Rüge der Revision, die tatrichterlichen Feststellungen rechtfertigten nicht die Annahme einer mittäterschaftlichen Haftung der Schuldnerin (vgl. zum tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zwischen Täterschaft und Teilnahme zB , NStZ 1995, 122; vom - 5 StR 387/13, juris Rn. 10 und vom - 5 StR 255/16, NStZ-RR 2017, 5 f), weil die Vermittlung von Eigenversicherungen nicht "anrüchig" und bei Einsatz als unternehmerisches Mittel zur Generierung von Liquidität nicht als Betrugsgeschäft zu qualifizieren sei. Deshalb sei die objektive Förderung eines Schneeballsystems nicht ohne Weiteres als Tatbeteiligung zu qualifizieren. Die Revision übersieht hierbei, dass selbst berufstypische, für sich genommen "neutrale" Handlungen bereits als Beihilfe zivilrechtlich haftungsbegründend sind (§ 830 Abs. 2 BGB), wenn die handelnde natürliche Person - wie hier J.    B.     für die Schuldnerin - weiß, dass sie mit ihrem Beitrag eine strafbare Handlung fördert (vgl. Senat, Urteil vom - III ZR 79/23, NJW 2025, 165, Rn. 35 f). Dieser Beurteilung steht das auch vom Berufungsgericht zitierte Urteil des VI. Zivilsenats des (aaO S. 298 ff) nicht entgegen, in dem er angenommen hat, eine GmbH hafte grundsätzlich nicht nach § 31 BGB, wenn ihr Geschäftsführer als ihr Organ nur Vorbereitungen für eine unerlaubte Handlung trifft, die er erst später als Geschäftsführer einer anderen GmbH ausführt. Ob dem zu folgen wäre, kann auf sich beruhen (kritisch dazu auch Reuter, JR 1987, 369 ff). Denn die vorliegende Fallgestaltung weicht von der dem Urteil vom zugrunde liegenden ab. Die Betrugshandlungen des J.    B.     in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der F.      erfolgten nicht nach Beendigung der Tätigkeit für die Schuldnerin. Vielmehr liefen die jeweiligen Vorgänge parallel ab.

32    d) Entgegen der Ansicht der Revision ist es für eine Haftung der juristischen Person über § 31 BGB nicht stets erforderlich, dass deren Organ gegenüber dem Geschädigten in Erscheinung trat. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, fehlt es an einer unmittelbaren Beziehung des Täters (Organs) zum Geschädigten regelmäßig dann, wenn dessen Schädigung in mittelbarer Täterschaft erfolgt, wie dies gerade bei Schneeballsystemen häufig der Fall ist, bei denen wie hier die geschädigten Anleger durch gutgläubige Vermittler geworben werden. Eine Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB kommt selbst dann in Betracht, wenn die Tatherrschaft des Handelnden dem Geschädigten verborgen bleibt. Die Haftung der juristischen Person nach § 31 BGB, die allein dem schadenstiftenden Verhalten ihres Organs folgt, setzt mithin einen unmittelbaren Kontakt desselben mit dem Geschädigten nicht voraus. Teilte man die gegenteilige Ansicht der Revision, schlösse dies eine Haftung der juristischen Person im Falle einer Schutzgesetzverwirklichung durch eines ihrer Organe als mittelbarer Täter von vornherein aus. Dafür besteht im Gesetz jedoch kein Anhalt.

33    e) Anders als die Revision meint, reicht es für die Haftung der Schuldnerin aus, dass sie von ihrem Vorstand J.    B.     - der jeweils selbst anordnete, welche Gesellschaft der I.      -Gruppe beim Abschluss von Eigenverträgen als Vermittler auftrat - in dieser Eigenschaft zum Bestandteil des von ihm planmäßig betriebenen Schneeballsystems gemacht wurde, sie insbesondere in nennenswertem Umfang Provisionen für die Vermittlung von Eigenverträgen der F.     generierte und an diese - über die I.    - weiterleitete, um - fortdauernd - die Täuschung der Anleger über für die Anlageentscheidung maßgebliche Umstände zu ermöglichen. Dass das Schneeballsystem möglicherweise auch ohne Einbeziehung der Schuldnerin (eine Zeit lang) funktioniert hätte, ist, wie die Vorinstanz bereits zutreffend ausgeführt hat, ohne Belang.

34    f) In Fällen von Schneeballsystemen, in denen die Anlegergelder nicht in die avisierte Anlage investiert werden, wo sie Gewinne abwerfen sollen, sondern mit ihnen stattdessen die versprochenen Ausschüttungen beziehungsweise Erträge aus den Einlagen weiterer Anleger bedient werden, erleidet der getäuschte Anleger durch die Zahlung des anzulegenden Betrags einen unmittelbaren und endgültigen Vermögensschaden in Höhe der vollen Anlagesumme, weil die getätigte Anlage wirtschaftlich zumindest teilweise wertlos ist; spätere Entwicklungen berühren den eingetretenen Schaden nicht mehr (Senat, Versäumnisurteil vom - III ZR 7/20, NJW 2021, 1759 Rn. 16 f mwN).

35    Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Rückzahlungsansprüche der Anleger wertlos waren, weil die F.     jedenfalls im Tatzeitraum vom bis zum nicht über relevantes Vermögen verfügte (vgl. aaO Rn. 8 und 68 f). Infolgedessen ist dem getäuschten Kläger, der einen Anspruch in Höhe von 95.011,53 € zur Insolvenztabelle angemeldet hat, mit dem Erwerb der Orderschuldverschreibungen der F.     am ein Schaden in Höhe von 100.000 € entstanden, auf den er sich Auszahlungen von insgesamt 4.988,47 € anrechnen lässt.

36    Der Betrag von 95.011,53 € verringert sich nicht deswegen, weil die Revision vorgebracht hat, der Beklagte habe einen Schadenseintritt beim Kläger bestritten und vorgetragen, "dass die vom Kläger erworbene Anlage teilweise werthaltig gewesen sei und der Kläger wohl mit einer Quote im Insolvenzverfahren der F.      rechnen könne". Denn bei Verletzung von Aufklärungspflichten oder gar Betrug im Zusammenhang mit Vermögensanlagen entsteht der Schaden in voller Höhe der Anlagesumme bereits dadurch, dass sich der Anleger überhaupt zu der Investition entschließt. Dabei ist es gleichgültig, ob die Anlage gänzlich wertlos ist oder nur teilweise hinter der vertraglich geschuldeten Werthaltigkeit zurückbleibt (vgl. Senat, Urteile vom - III ZR 20/05, NJW-RR 2006, 685 Rn. 17 und vom - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 24; , NJW 2004, 1868, 1869 und vom - XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 25). Zudem berühren spätere Entwicklungen den eingetretenen Schaden nicht mehr und ist das Vorbringen der Revision ("wohl mit einer Quote") spekulativ. Im Übrigen kann der Kläger, wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen, gemäß § 43 InsO bis zu seiner vollen Befriedigung den ganzen Betrag geltend machen.

373.    Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist nicht verjährt. Die am beim Beklagten eingegangene Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren hat gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB die Verjährung rechtzeitig gehemmt. Die Forderung ist zwar schon im Jahre 2011 mit dem Erwerb der Orderschuldverschreibungen entstanden (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Dass die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beim Kläger jedoch schon vor Beginn des Jahres 2016 vorgelegen hätten, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.

38    a) Die Verjährungsvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs sind selbständig und unabhängig voneinander zu prüfen, wenn sowohl das Organ eines in der Rechtsform einer juristischen Person betriebenen Unternehmens persönlich als auch über § 31 BGB dieses Unternehmen selbst haftungsrechtlich in Anspruch genommen wird (, NJW 2001, 964 f; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 8. Aufl., Rn. 1030).

39    b) Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

40    aa) Eine solche Kenntnis liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht auf die zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt im Grundsatz die Kenntnis der den Einzelanspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Die dem Geschädigten bekannten Tatsachen müssen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen (st. Rspr., zB Senat, Urteile vom - III ZR 217/13, WM 2015, 445 Rn. 15 und vom - III ZR 226/20, WM 2022, 984 Rn. 17; , NJW 2021, 918 Rn. 8; jew. mwN). Die dreijährige Verjährungsfrist gibt dem Geschädigten dann noch hinreichende Möglichkeiten, sich für das weitere Vorgehen noch sicherere Grundlagen, insbesondere zur Beweisbarkeit seines Vorbringens, zu verschaffen (Senat aaO; BGH aaO).

41    bb) Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die erforderliche Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von "Verschulden gegen sich selbst", vorgeworfen werden können (st. Rspr., zB Senat, Urteile vom aaO Rn. 28; vom aaO Rn. 16 und vom aaO Rn. 18; , NJW-RR 2010, 681 Rn. 13 und vom - VI ZR 1118/20, BGHZ 231, 1 Rn. 14; jew. mwN). Den Geschädigten trifft dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht, noch besteht für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (Senat aaO; BGH aaO Rn. 16; jew. mwN). Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein und sich ihm der Verdacht einer möglichen Schädigung und eines bestimmten, dafür verantwortlichen Anspruchsgegners aufdrängen (vgl. Senat aaO; aaO Rn. 16; jew. mwN).

42    cc) Die Feststellung, ob die Unkenntnis des Gläubigers von verjährungsauslösenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruht hat, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften gewürdigt worden ist, und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grads des Verschuldens wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (Senat aaO Rn. 20; aaO Rn. 16; jew. mwN).

43    c) Dies zugrunde gelegt, hält die Annahme des Berufungsgerichts, der geltend gemachte Anspruch sei nicht verjährt, den Angriffen der Revision stand.

44    aa) Soweit die Revision meint, für die Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB sei es ausreichend gewesen, dass der Kläger "erkennen konnte, dass u.a. die Schuldnerin zusammen mit der F.     eine Unternehmensgruppe bildete, mit dieser in einer unternehmerischen Verbindung stand und Herr B.     zugleich auch Organ der Schuldnerin war", trifft das nicht zu. Damit wird allenfalls eine (einfach) fahrlässige Unkenntnis ("erkennen konnte"), nicht hingegen - wie jedoch erforderlich - eine positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers beschrieben. Aber selbst dann, wenn man unterstellte, dass der Kläger diese Umstände schon vor Beginn des Jahres 2016 positiv gekannt hätte, wäre damit die Erhebung einer Schadensersatzklage, und sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, nicht Erfolg versprechend möglich gewesen (vgl. und vom ; jew. aaO). Denn es fehlte beim Kläger auch dann noch immer die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des - insoweit entscheidenden - Umstands, dass die Schuldnerin durch das Handeln ihres Vorstands J.    B.     "in betrügerische Handlungen gegenüber Orderschuldverschreibungsgläubigern der F.      eingebunden" (BU 22) war, in Sonderheit "in nennenswertem Umfang" (BU 10) Eigenverträge vermittelte und - über die I.    - Provisionen an die F.     abführte zu dem Zweck, "durch ein Provisionskarussell und dessen bilanzielle Effekte entgegen der Realität ein positives Bild der wirtschaftlichen Lage der F.     … vorspiegeln zu können" (BU 17). Dieser Umstand ist auch dem Prospekt der F.     nicht zu entnehmen.

45    bb) Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe festgestellt, dass sich die unrichtigen Darstellungen im Prospekt der F.     "auch und gerade auf die Tätigkeiten der P.      bezogen" hätten, und diesbezüglich auf "BU 17 Abs. 1 S. 3" verweist, ist dies unbehelflich. Die Revision vermag nicht - auch nicht unter Verweis auf andere Ausführungen des Berufungsgerichts - aufzuzeigen, dass sich aus der (vom Berufungsgericht nur unterstellten) unrichtigen Darstellung im Prospekt die Einbindung der Schuldnerin in das Provisionskarussell ergab oder gar aufdrängte, wie es für die Annahme der groben Fahrlässigkeit des Klägers erforderlich gewesen wäre.

46    cc) Dass es - von Ausnahmefällen besonders unübersichtlicher und verwickelter Rechtslagen abgesehen (vgl. Ellenberger aaO § 199 Rn. 27 mwN) - auf Tatsachenkenntnis ankommt und nicht darauf, dass der Gläubiger den Vorgang rechtlich zutreffend beurteilt, hat das Berufungsgericht beachtet. Das gilt entgegen der Revision auch insoweit, als es ausführt, es habe für den Kläger nicht nahegelegen, dass ihm "aufgrund der Zurechnungsnorm des § 31 BGB" (BU 22) ein Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerin zustehen könnte. Auf eine fehlende oder unzureichende Rechtskenntnis des Klägers in Bezug auf die Vorschrift des § 31 BGB wird damit erkennbar nicht abgestellt, sondern auf die der Anwendung dieser Vorschrift im Streitfall zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse.

47    dd) Soweit die Revision hervorhebt, dass den Kläger mit der Schuldnerin weder ein Rechtsgeschäft noch irgendwelche geschäftlichen oder tatsächlichen Kontakte verbanden, war ihm dies selbstredend bekannt, führt jedoch nicht zur Verjährung des Anspruchs.

48    Auf die "Rolle, die P.       innerhalb der I.     -Gruppe" spielte, kommt es für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist in dem vorstehend unter Doppelbuchstabe aa beschriebenen Umfang an. Dass insoweit eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers vor dem nicht anzunehmen ist, ist auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden; hinsichtlich der "Einbindung der P.      in das Schneeballsystem" und der "Tatbeiträge der P.       " gilt nichts anderes. Eine Verletzung des § 286 ZPO oder gar des Grundrechts des Beklagten auf ein willkürfreies Verfahren aus Art. 3 Abs. 1 GG ist - anders die Revision - nicht auszumachen.

49    ee) Ein Verstoß gegen § 139 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG ist dem Berufungsgericht gleichfalls nicht unterlaufen. Zu einem Hinweis an den Beklagten hat keine Veranlassung bestanden, weil es insoweit lediglich die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zB , NJW 2008, 2576 Rn. 25 und 33 und vom aaO Rn. 17; jew. mwN) zur Darlegungs- und Beweislast des Schuldners und einer gegebenenfalls bestehenden sekundären Darlegungslast des Gläubigers hinsichtlich der (subjektiven) Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB angewendet hat, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter im vorliegenden Verfahren rechnen musste. Jedenfalls aber fehlte es an der Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Verfahrensfehlers, weil die Revision nicht darlegt, was sie nach einem Hinweis des Berufungsgerichts - über das bisherige umfangreiche Vorbringen hinaus, welches das Berufungsgericht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat - zusätzlich vorgetragen hätte.

50    d) Der Senat hat auch sämtliche vorstehend nicht gesondert abgehandelten Verfahrensrügen der Revision geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet, und insoweit gemäß § 564 Satz 1 ZPO auf eine Begründung verzichtet.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:060325UIIIZR137.24.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-88543