Leitsatz
Richtet sich die Namensführung eines Betroffenen nach seinem britischen Heimatrecht, kann auch ein von ihm im Vereinigten Königreich durch privatautonome Namensänderung unter Verwendung eines „Deed of Change of Name (Deed Poll)“ frei gewählter Nachname im Rahmen der registerrechtlichen Substitution den Rechtsbegriff des „Geburtsnamens“ im Sinne des deutschen Personenstandsrechts ausfüllen.
Gesetze: § 27 Abs 3 Nr 1 PStG, § 36 Abs 1 PStV
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 20 W 147/21 Beschlussvorgehend AG Gießen Az: 22 III 20/20
Gründe
I.
1Die Betroffene wurde im Jahr 1999 in N./Deutschland geboren. Ihre Geburt wurde von dem Standesamt in der Weise registriert, dass sie im Geburtenregister als Kind männlichen Geschlechts mit den männlichen Vornamen „R. J.“ und dem Geburtsnamen „Li.“ eingetragen ist. Die Betroffene besitzt ausschließlich die britische Staatsangehörigkeit.
2Im August 2019 gab die Betroffene eine einseitige Erklärung zur Namensänderung („deed poll“) ab, wobei sie als neue weibliche Vornamen (forenames) „L. M.“ und als neuen Nachnamen (surname) „Fa.“ wählte. Unter diesem Namen und mit der Geschlechtsangabe „F[emale]“ wurde der Betroffenen im Februar 2020 ein britischer Reisepass erteilt.
3Im vorliegenden Verfahren hat die Betroffene am unter Vorlage von Ablichtungen einer „Certified copy of a Deed of Change of Name (Deed Poll)“ und ihres britischen Reisepasses bei dem zuständigen Standesamt beantragt, den Geburtseintrag dahingehend zu ändern, dass ihr Name „L. M. Fa.“ lautet und ihr Geschlecht weiblich ist. Der Standesbeamte hat Zweifel, ob die durch „deed poll“ abgegebene Erklärung der Betroffenen die gewünschte Änderung im deutschen Personenstandsregister auslösen könne. Auf seine Zweifelsvorlage vom hat das Amtsgericht das Standesamt angewiesen, den Geburtseintrag für die Betroffene nicht zu ändern. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
4Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Betroffenen, die weiterhin eine Fortführung des Geburtenregisters mit ihrem gewählten Namen „L. M. Fa.“ und dem geänderten Geschlechtseintrag begehrt.
II.
5Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
61. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in StAZ 2024, 141 veröffentlichten Entscheidung das Folgende aufgeführt:
7Für die Namensführung der Betroffenen sei gemäß Art. 10 EGBGB wegen ihrer ausschließlich britischen Staatsangehörigkeit nur das Sachrecht des Vereinigten Königreichs anwendbar. Gleiches gelte analog Art. 7 EGBGB auch für die rechtliche Geschlechtszugehörigkeit der Betroffenen. Nach § 36 Abs. 1 PStV sei eine Änderung des Familiennamens eines Kindes nur dann als Folgebeurkundung einzutragen, wenn sie den Geburtsnamen betreffe. Auf die Namenswahlmöglichkeiten nach Art. 48 EGBGB komme es in diesem Zusammenhang nicht an.
8Die durch „deed poll“ vorgenommene Namensänderung führe zu keiner Änderung des Geburtsnamens im Sinne des deutschen Personenstandsrechts. Das britische Recht unterscheide zwischen „legal name“ und „conventional name“. Der „legal name“ sei hierbei der Name, den man bei der Geburt erlange; auf diesen habe eine Namensänderung durch „deed poll“ keine Auswirkungen. Vergleichbar mit dem Geburtsnamen im deutschen Recht sei deshalb nur der „legal name“. Weil der durch „deed poll“ gewählte „conventional name“ auch die Grundlage für den in britischen Personaldokumenten aufzunehmenden Namen bilde, habe der im Reisepass der Betroffenen ausgewiesene Familienname keine Bedeutung für die Eintragungen im deutschen Geburtenregister. Etwas Anderes könne allenfalls dann gelten, wenn die nach britischem Recht vorgenommene Namensänderung einem Tatbestand gleichkomme, der nach deutschem Recht ausnahmsweise als Änderung des Geburtsnamens zu würdigen wäre. Das sei hier nicht der Fall. Die Geschlechtsänderung der Betroffenen könne mit Blick auf § 8 TSG allenfalls eine Folgebeurkundung hinsichtlich der Eintragung ihrer neuen Vornamen rechtfertigen. Es liege mit Ausnahme des durchgeführten „deed poll“-Verfahrens keine anderweitige behördliche oder gerichtliche Entscheidung vor, die eine Änderung des Geburtsnamens rechtfertigen könnte. Die Betroffene habe auch kein „Gender Recognition Certificate“ (GRC) in einem Verfahren nach dem Gender Recognition Act 2004 erworben.
9Eine vom Antrag der Betroffenen auf Fortführung des Geburtenregisters durch Folgebeurkundung abweichende Anweisung an das Standesamt komme nicht in Betracht. Ob die von der Betroffenen vorgelegten Unterlagen (nur) die Änderung der Vornamen und der Geschlechtszugehörigkeit im Geburtenregister rechtfertigen könnten, bedürfe keiner näheren Aufklärung. Das Standesamt könne weder im Anweisungsverfahren nach § 49 Abs. 1 PStG noch im Zweifelsvorlageverfahren nach § 49 Abs. 2 PStG dazu angewiesen werden, eine vom konkreten Begehren des Antragstellers abweichende Eintragung im Register vorzunehmen. Die Betroffene habe auch klargestellt, dass sie eine auf die Änderung der Vornamen und der Geschlechtszugehörigkeit beschränkte Fortführung des Geburtenregisters nicht anstrebe.
II.
10Dies hält rechtlicher Überprüfung zwar nicht in allen Punkten der Begründung, aber im Ergebnis stand.
111. Die Rechtsbeschwerde wendet sich mit Recht gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, dass die Namensänderung der Betroffenen nicht im Wege einer Folgebeurkundung im Geburtenregister eingetragen werden könne, weil sich der Geburtsname der Betroffenen nicht geändert habe.
12a) Das Beschwerdegericht durfte im Ergebnis davon ausgehen, dass der Name der Betroffenen dem britischen Namenssachrecht unterliegt. Diese für sie günstige Beurteilung zieht die Rechtsbeschwerde auch nicht in Zweifel.
13aa) Nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB in der noch bis zum geltenden Fassung unterliegt der Name einer Person grundsätzlich dem Recht des Staates, dem diese Person angehört. Die in Art. 10 Abs. 1 EGBGB enthaltene Verweisung in das Heimatrecht des Namensträgers ist eine Gesamtverweisung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, die auch das Kollisionsrecht des ausländischen Staates umfasst, sodass etwaige Rück- und Weiterverweisungen zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 239, 62 = FamRZ 2024, 507 Rn. 9).
14bb) Die Beschwerdeentscheidung enthält keine Ausführungen zur Frage einer möglichen Rückverweisung auf das deutsche Namenssachrecht. Ob das von Art. 10 Abs. 1 EGBGB berufene Heimatrecht des Namensträgers auf deutsches Recht zurückverweist, muss im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen überprüft werden. Denn der rechtsbeschwerderechtlichen Kontrolle unterliegt die Anwendung ausländischen Rechts durch den Tatrichter jedenfalls insoweit, als in Frage steht, ob deutsches Recht anwendbar ist oder nicht (vgl. - FamRZ 2024, 1230 Rn. 16 mwN). Von einer Rückverweisung auf deutsches Namenssachrecht ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen.
15(1) Das Beschwerdegericht hat nicht erörtert, welche der drei Teilrechtsordnungen des Vereinigten Königreichs (England und Wales, Schottland, Nordirland) auf die Betroffene anzuwenden ist, was sich in erster Linie nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des betroffenen Mehrrechtsstaates (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 EGBGB) und in Ermangelung solcher Regelungen danach beurteilt, zu welcher Teilrechtsordnung der Sachverhalt die engste Beziehung aufweist (Art. 4 Abs. 3 Satz 2 EGBGB). Die Betroffene hat geltend gemacht, dass für sie die schottische Teilrechtsordnung maßgeblich sei, worauf es im vorliegenden Fall aber nicht entscheidend ankommt.
16Nach den Erkenntnissen des Senats besteht für Schottland zwar die Besonderheit, dass das schottische Recht für die freiwillige und anlasslose Namensänderung ein eigenständiges behördliches Verfahren vorsieht, bei dem eine Änderung von Vornamen und/oder Familiennamen mit bestimmten Einschränkungen in Bezug auf Zeitabstände und Häufigkeit der Namensänderung (vgl. Section 43 (5) Registration of Births, Deaths and Marriages [Scotland] Act 1965, abrufbar unter www.legislation.gov.uk) durch formularmäßige Erklärung bei der staatlichen Registerbehörde - den National Records of Scotland - beantragt werden kann (vgl. auch Brandhuber/Zeyringer/Heussler Standesamt und Ausländer Vereinigtes Königreich [Stand: Dezember 2016] S. 38 f.). Eine auf diese Weise vollzogene Namensänderung wird durch Fortschreibung der bei den National Records of Scotland registrierten Geburts- bzw. Adoptionsurkunde des Namensträgers erkennbar gemacht, in deren Ausfertigungen künftig sowohl der neugewählte Name als auch (mit dem Zusatz „formerly known as“) der frühere Name aufgenommen werden.
17Dieses besondere Verfahren einer Erklärung gegenüber der Registerbehörde steht allerdings nur solchen Namensträgern zur Verfügung, die in Schottland geboren oder adoptiert worden sind. Personen, die - wie die Betroffene - nicht in Schottland geboren sind, werden für eine Namensänderung (unter anderem) auf den Weg einer eidesstattlichen Versicherung („statutory declaration“) oder eines „deed poll“ nach den im Vereinigten Königreich üblichen Regeln verwiesen (vgl. Hinweise auf der amtlichen Website der National Records of Scotland, abrufbar unter https://www.nrscotland.gov.uk/registration/changing-your-name [Stand: ]). Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich im Hinblick auf die rechtliche Behandlung einer Namensänderung durch „deed poll“ mit internationalen Bezügen aus der Anwendbarkeit der schottischen Teilrechtsordnung grundlegende Abweichungen oder Besonderheiten gegenüber den anderen Teilrechtsordnungen im Vereinigten Königreich - insbesondere der englischen - ergeben, die im vorliegenden Fall relevant sein könnten.
18(2) Im Vereinigten Königreich bestehen keine kodifizierten Regelungen zum Namenskollisionsrecht. Allerdings ist bei den Rechtsordnungen des Common-Law-Rechtskreises im Rahmen des Personalstatuts häufig eine sogenannte versteckte Rückverweisung zu beachten, bei der sich das anzuwendende Recht aus dem Gleichlauf mit der internationalen Zuständigkeit von Gerichten und Behörden ergibt. Ändert der Angehörige eines solchen Staates seinen Namen jedoch durch schlichte Erklärung gegenüber einer Behörde oder durch tatsächliche Änderung seines im sozialen Umfeld geführten Namens, wird es aber bereits an einer Beteiligung staatlicher Stellen an der Namensänderung fehlen, aus deren Zuständigkeit (oder Unzuständigkeit) Indizien für eine Anknüpfung abgeleitet werden könnten (vgl. Hepting/Dutta Familie und Personenstand 4. Aufl. Rn. II173; Staudinger/Hausmann BGB [2024] Vorbemerkung Art. 10 EGBGB Rn. 190). Um einen solchen Fall handelt es sich bei einer Namensänderung durch „deed poll“.
19In materieller Hinsicht erfordert eine Namensänderung unter Verwendung eines „deed poll“ im Vereinigten Königreich grundsätzlich nur eine bewusste Namensänderungsentscheidung des betroffenen Namensträgers und eine gesellschaftliche Übung, welche dem von ihm neu gewählten Namen eine soziale Anerkennung (reputation) verschafft. Ein in diesem Zusammenhang errichteter „deed poll“ stellt eine Privaturkunde dar, in der in feierlicher Form in Gegenwart mindestens eines mitunterzeichnenden Zeugen eine einseitige Erklärung des Namensträgers beurkundet wird, den alten Namen abzulegen und fortan ausschließlich den neu angenommenen Namen zu benutzen. Eine in dieser Form dokumentierte Namensänderungserklärung hat aber keinen konstitutiven Charakter, sondern dient in erster Linie Beweiszwecken hinsichtlich des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen der Namensänderung. Zwar kann eine Namensänderung durch „deed poll“ unter den in den Enrolment of Deeds (Change of Name) Regulations 1994 (abrufbar unter www.legislation.gov.uk) genannten Voraussetzungen gerichtlich registriert (enrolled) werden. Unabhängig davon sind weder Dokumentation noch gerichtliche Registrierung der Namensänderungserklärung hinreichende oder notwendige Bedingung für die Namensänderung; diese vollzieht sich allein durch gesellschaftliche Übung (vgl. hierzu eingehend Lettmaier Personennamen und Recht in Großbritannien aus rechtswissenschaftlicher Sicht Namenkundliche Informationen 105/106 [2015] S. 147, 150 ff.; Meyer-Witting Das Personennamensrecht in England Geschichte und Gegenwart [1990] S. 150 ff.).
20Fehlt es - wie im vorliegenden Fall - an der gerichtlichen Hinterlegung des „deed poll“ („unenrolled“), sind Gerichte oder Behörden des Vereinigten Königreichs an dieser Form der Namensänderung nicht einmal registrierend beteiligt. Eine Anknüpfung des Namensstatuts aufgrund gerichtlicher oder behördlicher Zuständigkeitsvorschriften kommt unter diesen Umständen von vornherein nicht in Betracht. Das in der Beschwerdeentscheidung mehrfach erwähnte „U.O“ ist ungeachtet seiner Bezeichnung keine staatliche Stelle, sondern eine private Agentur, die in Großbritannien Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Beurkundung von „deed poll“-Erklärungen anbietet.
21(3) Im Übrigen wird die Frage, wie das Namensstatut im Vereinigten Königreich bestimmt werden kann, in der Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt. Während es früher verbreiteter Ansicht entsprach, dass die vom Domizilprinzip beherrschten Rechtsordnungen des Common-Law-Rechtskreises - insbesondere das britische Recht - das Namensstatut an das „domicile“ des Namensträgers anknüpfen und deshalb eine Rückverweisung auf deutsches Sachrecht vorzunehmen sei, wenn sich das Domizil des Namensträgers in Deutschland befindet (vgl. OLG Hamburg StAZ 1980, 285, 286; Spindler StAZ 1997, 22; vgl. auch Wengler StAZ 1976, 43, 44), wird in jüngerer Zeit aus dem Fehlen von namensrechtlichen Kollisionsnormen im britischen Recht und aus der Nichtfeststellbarkeit einer abweichenden kollisionsrechtlichen Praxis durch britische Gerichte und Behörden die Beurteilung hergeleitet, dass selbst bei einem Domizil des Namensträgers in Deutschland eine Rückverweisung durch britisches Kollisionsrecht nicht stattfinde und die in Art. 10 Abs. 1 EGBGB enthaltene Verweisung auf das britische Heimatrecht des Namensträgers daher stets die Wirkung einer Sachnormverweisung habe (vgl. für England und Wales: OLG München FamRZ 2009, 1581; LG Traunstein StAZ 2008, 246, 247; Staudinger/Hausmann BGB [2024] Vorbemerkung Art. 10 EGBGB Rn. 190; Wall StAZ 2024, 143; Frank StAZ 2020, 232, 235; Horenkamp [Fachausschuss Nr. 4214] StAZ 2023, 27; Wall [Fachausschuss Nr. 4167] StAZ 2020, 59, 60 mwN; Kraus [Fachausschuss Nr. 4123] StAZ 2018, 292, 293).
22Einer weiteren Erörterung dieser Frage bedarf es aber nicht. Es wird sich nach der bisherigen Aktenlage schon nicht sicher feststellen lassen, dass die Betroffene im Zeitpunkt der Namensänderung aus Sicht des britischen Rechts ihr Domizil in Deutschland und nicht (mehr) in Großbritannien hatte (vgl. zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Wahldomizils: MünchKommBGB/von Hein 9. Aufl. Art. 5 EGBGB Rn. 140 mwN; vgl. auch BGHZ 234, 166 = FamRZ 2022, 1489 Rn. 19), zumal die Betroffene in ihrer Namensänderungserklärung vom sowohl eine Anschrift in L. (Deutschland) als auch eine Anschrift in F. A. (Vereinigtes Königreich/Schottland) angegeben hatte. Von Bedeutung ist schließlich auch, dass die britische Passbehörde (HM Passport Office) die von der Betroffenen vorgenommene Namensänderung durch „deed poll“ offensichtlich für wirksam und damit britisches Namenssachrecht für anwendbar hielt, weil sie der Betroffenen einen auf den geänderten Namen lautenden Reisepass erteilte. Mangels besserer Erkenntnisse wird diese Beurteilung regelmäßig auch der kollisionsrechtlichen Betrachtung zugrunde gelegt werden können. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das britische Heimatrecht der Betroffenen die in Art. 10 Abs. 1 EGBGB enthaltene Verweisung im vorliegenden Fall angenommen hat.
23b) Im verfahrensrechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist die weitere Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass die Änderung des Familiennamens eines Kindes nur dann als Folgebeurkundung in das Geburtenregister einzutragen ist, wenn sie den Geburtsnamen betrifft, § 36 Abs. 1 PStV. Der Name der Betroffenen als einer nur-britischen Staatsangehörigen untersteht allein ihrem britischen Heimatrecht, welches die dem deutschen Recht geläufige begriffliche Unterscheidung von Nachnamen als Familiennamen, Ehenamen und Geburtsnamen nicht kennt. Im vorliegenden Verfahren stellt sich daher die registerrechtliche Frage nach der Substitution (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 109, 1 = FamRZ 1990, 39, 41; Wall StAZ 2024, 143, 144; Hepting StAZ 2001, 257, 259), ob nämlich der von der Betroffenen nach britischem Recht durch privatautonome Namensänderung im Wege eines „deed poll“ gewählte Nachname (surname) „Fa.“ mit dem Rechtsbegriff des „Geburtsnamens“ im Sinne des deutschen Personenstandsrechts funktional vergleichbar ist und diesen deshalb ausfüllen kann. Dies ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts der Fall.
24aa) Das Beschwerdegericht hat zum Inhalt des britischen Namenssachrechts festgestellt, dass dieses zwischen einem „legal name“ und einem „conventional name“ unterscheide. Der „legal name“ sei dabei der Name, den man mit der Geburt erlange. Niemand sei nach britischem Recht gezwungen, seinen „legal name“ zu führen. Jeder könne seinen „conventional name“ auch ohne Zusammenhang mit von außen kommenden Ereignissen wie beispielsweise Heirat oder Adoption selbst bestimmen. Die Änderung des „conventional name“ habe aber keine Auswirkungen auf den „legal name“, weil er diesen nur überlagere, aber nicht verdränge.
25bb) Demgegenüber beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass diese Feststellungen zum Inhalt des britischen Rechts unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht getroffen worden sind. Die gegen das Verfahren des Beschwerdegerichts insoweit erhobenen Bedenken sind berechtigt.
26(1) Unabhängig davon, ob sich die Ermittlung ausländischen Rechts im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 293 ZPO (analog) oder nach § 26 FamFG richtet (vgl. - NZG 2017, 546 Rn. 7 mwN), hat der Tatrichter den Inhalt des ausländischen Rechts auf jeden Fall von Amts wegen im Wege des Freibeweises zu ermitteln. In welcher Weise er sich dabei die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Von Einfluss auf das Ermittlungsermessen können dabei insbesondere Vortrag und sonstige Beiträge der Beteiligten sein. Tragen diese eine bestimmte ausländische Rechtspraxis detailliert und kontrovers vor, wird der Richter regelmäßig umfassendere Ausführungen zur Rechtslage zu machen und gegebenenfalls sämtliche ihm zugänglichen Erkenntnismittel zu erschöpfen haben, als wenn der Vortrag der Beteiligten zu dem Inhalt des ausländischen Rechts übereinstimmt oder sie zu dem Inhalt dieses Rechts nicht Stellung nehmen, obwohl sie dessen Anwendbarkeit kennen oder mit ihr rechnen (vgl. BGHZ 234, 166 = FamRZ 2022, 1489 Rn. 17 mwN). Das Rechtsbeschwerdegericht überprüft insoweit nur, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 337/15 - FamRZ 2017, 1209 Rn. 14 mwN).
27(2) Das Beschwerdegericht hat sich - wie bereits das Amtsgericht - bei seiner Beurteilung, das britische Recht unterscheide zwischen einem mit der Geburt erworbenen und unveränderbaren „legal name“ und einem später angenommenen „conventional name“, einem im deutschen Rechtsraum weit verbreiteten Verständnis (vgl. OLG Hamburg StAZ 1980, 285, 287; AG Nürnberg StAZ 2015, 59; NK-BGB/Mankowski 4. Aufl. Art. 48 EGBGB Rn. 71; Wall StAZ 2024, 143, 144 und FamRZ 2015, 1568; Hochwald [Fachausschuss Nr. 3820] StAZ 2008, 115, 116; Spindler StAZ 1997, 22 f.; Nelle FamRZ 1990, 809, 811 Fn. 32; grundlegend Luther StAZ 1980, 61, 62) von den Grundsätzen des britischen Namensrechts angeschlossen, welches seinerseits maßgeblich auf einer Entscheidung des High Court of Justice (Chancery Division) vom beruht. In dieser Entscheidung, in der es um die Frage ging, ob die geschiedene und wiederverheiratete Mutter eines minderjährigen Kindes berechtigt war, den Familiennamen des gemeinsamen Kindes ohne Zustimmung des Vaters durch „deed poll“ in den in der neuen Ehe geführten Familiennamen zu ändern, werden an einer Stelle die Begriffe „[true] legal name“ und „conventional name“ verwendet (vgl. Buckley J in Re T (otherwise H) (an Infant) [1962] 3 All ER 970: „).
28Indessen ist - worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist - in der deutschsprachigen Literatur bezweifelt worden, ob diese Begrifflichkeiten im britischen (englischen) Namensrecht tatsächlich die ihnen beigemessene Relevanz als eigenständige Namenskategorien besitzen oder ob die Entscheidung von der deutschen Rechtswissenschaft insoweit nicht missverstanden worden sein könnte (vgl. eingehend Meyer-Witting Das Personennamensrecht in England Geschichte und Gegenwart [1990] S. 129 ff.; offengelassen in OLG München FamRZ 2009, 1581, 1582), zumal die Begriffe „legal name“ und „conventional name“ sowohl in der englischen Rechtssprache als auch in der Umgangssprache unüblich sein sollen (vgl. Könnecke [Fachausschuss Nr. 2948] StAZ 1986, 148).
29(3) Die Betroffene hat in ihrer Beschwerdebegründung geltend gemacht, dass der „legal name“ im britischen Recht derjenige Name sei, den eine Person im Rechtsverkehr tatsächlich führe, und die Ausführungen des Amtsgerichts zum britischen Namensrecht - insbesondere zur Rechtsqualität des „legal name“ - zumindest in Zweifel gezogen. Bei dieser Sachlage hätte es für das Beschwerdegericht durchaus nahegelegen, sein Verständnis vom Inhalt des britischen Namensrechts durch Einholung eines Rechtsgutachtens überprüfen zu lassen.
30cc) Letztlich kommt es darauf aber nicht entscheidend an. Selbst wenn die Beurteilung des Beschwerdegerichts zuträfe, dass das britische Recht zwischen einem bei Geburt erworbenen und unveränderlichen „legal name“ und einem tatsächlich geführten „conventional name“ unterscheidet, könnte auch ein durch „deed poll“ nachträglich angenommener „conventional name“ die Funktion eines Geburtsnamens im Sinne des deutschen Registerrechts ausfüllen (vgl. NK-BGB/ Mankowski 4. Aufl. Art. 48 EGBGB Rn. 71; Wall StAZ 2024, 143, 144 und StAZ 2015, 41, 43 f.; Spindler StAZ 1997, 22, 23; aA OLG Hamburg StAZ 1980, 285, 287; OLG München FamRZ 2009, 1581, 1582; OLG Nürnberg FamRZ 2015, 1655 f.).
31(1) Als „Geburtsname“ kann grundsätzlich derjenige Name verstanden werden, den eine Person vor der Eingehung der ersten Ehe geführt hat oder den sie zu führen hätte, wenn sie niemals eine Ehe schließen würde (vgl. Rauhmeier [Fachausschuss Nr. 3951] StAZ 2012, 184, 185; Spindler StAZ 1997, 22, 23). Dies steht im Einklang mit der in § 1355 Abs. 6 BGB enthaltenen Legaldefinition im materiellen deutschen Namensrecht, wonach als Geburtsname derjenige Name bezeichnet wird, der im Zeitpunkt der Ehenamensbestimmung (§ 1355 Abs. 2 BGB) in die Geburtsurkunde eines Ehegatten einzutragen ist. Daraus folgt aber zugleich, dass der Geburtsname nach deutschem Recht nicht unabänderlich auf den anlässlich der Geburt festgelegten Namen begrenzt ist, sondern sich vielmehr durch Ereignisse nach der Geburt - wie beispielsweise die Namenserstreckung nach § 1617 c BGB oder die öffentlich-rechtliche Namensänderung nach § 3 NÄG - ändern kann (vgl. Wall StAZ 2015, 41, 44). Die Beurteilung, dass nicht der aktuell geführte Name, sondern grundsätzlich nur ein - wie das Beschwerdegericht nach seinem Verständnis vom britischen Recht meint - bei Geburt erworbener und anschließend unabänderlich im Geburtseintrag festgeschriebener „legal name“ den registerrechtlichen Begriff des Geburtsnamens ausfüllen könnte, ist daher auch aus Sicht des deutschen Registerrechts keineswegs zwingend.
32(2) Die Namensänderung durch „deed poll“ nach britischem Recht führt zu einer isolierten Namensänderung ohne Rücksicht und Bezug zu einem familienrechtlichen Statusereignis und ist damit funktional mit einer behördlichen Namensänderung vergleichbar, die auch nach deutschem Recht eine Änderung des Geburtsnamens bewirkt (vgl. Wall StAZ 2015, 41, 44; Henrich StAZ 1997, 225, 230). Für diese Beurteilung spielt es keine entscheidende Rolle, dass dem Namensträger mit der privatautonomen Namensänderung durch „deed poll“ eine praktisch uneingeschränkte Möglichkeit zur Namenswahl eröffnet wird. Denn auch Rechtsordnungen, die eine Namensänderung prinzipiell nur durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung zulassen, können so ausgestaltet sein, dass die zuständige staatliche Stelle an das Verlangen des Namensträgers nach Erteilung eines bestimmten „Wunschnamens“ gebunden ist (vgl. etwa für Österreich: § 2 Abs. 1 Nr. 11 und Abs. 2 des Bundesgesetzes vom über die Änderung von Familiennamen und Vornamen in der zuletzt geltenden Fassung, abrufbar unter www.ris.bka.gv.at). Es erscheint deshalb sachgerecht, den von der Betroffenen aktuell geführten und vom Beschwerdegericht als „conventional name“ bezeichneten Namen als Geburtsnamen im Sinne des deutschen Personenstandsrechts zu behandeln.
33(3) Diese Sichtweise gebietet unter den hier obwaltenden Umständen auch das Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung.
34(a) Die Betroffene hat am die Fortführung des Geburtenregisters beantragt. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie sich unbeschadet ihrer ausschließlich britischen Staatsangehörigkeit noch auf den Status einer Unionsbürgerin berufen. Zwar hat das Vereinigte Königreich bereits am , dem Tag des Inkrafttretens des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. EU 2020 L 29 S. 7; im Folgenden Austrittsabkommen), die Union verlassen und ist damit zu einem Drittstaat geworden. Allerdings sieht dieses Abkommen in seinem Art. 126 einen Übergangszeitraum bis zum vor; nach Art. 127 Abs. 6 des Austrittsabkommens ist das Vereinigte Königreich während des Übergangszeitraums insbesondere für die Zwecke der Vorschriften über die Unionsbürgerschaft und die Freizügigkeit als „Mitgliedstaat“ und nicht als Drittstaat anzusehen (vgl. - FamRZ 2024, 1797 Rn. 43 - Mirin).
35(b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs liegt eine Beeinträchtigung des in Art. 21 AEUV für jeden Unionsbürger verbürgten Grundsatzes der Freizügigkeit vor, wenn die Behörden eines Mitgliedstaates es ablehnen, den nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates bestimmten und in öffentliche Dokumente eingetragenen Namen „anzuerkennen“ (vgl. nur - FamRZ 2016, 1239 Rn. 37 f. - Bogendorff von Wolffersdorff).
36Eine kollisionsrechtlich bedingte Namensspaltung, die den meisten im Zusammenhang mit der Beschränkung der Unionsbürgerfreizügigkeit ergangenen namensrechtlichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zugrunde gelegen hat (vgl. - FamRZ 2008, 2089 - Grunkin/Paul und vom - Rs. C-541/15 - FamRZ 2017, 1175 - Freitag), liegt hier zwar nicht vor, weil das deutsche Internationale Privatrecht nicht in Frage stellt, dass sich die Namensführung der Betroffenen allein nach ihrem britischen Heimatrecht richtet. Mit dem „Anerkennungsgebot“ hat der Europäische Gerichtshof indessen eine allgemeine und grundsätzliche Vorgabe formuliert, an der sich das Namensrecht der Mitgliedstaaten - einschließlich des Verfahrens- und Personenstandsrechts - und deren Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall orientieren muss (vgl. MünchKommBGB/Gössl 9. Aufl. EGBGB Art. 10 Rn. 224). Die Weigerung deutscher Personenstandsbehörden, im Geburtenregister nachzuvollziehen, dass der Name der Betroffenen im Vereinigten Königreich rechtmäßig geändert und dies in ihrem britischen Reisepass dokumentiert worden ist, bringt - wie die Betroffene nachvollziehbar geltend macht - wegen der unterschiedlichen Angaben in Geburtsurkunde und Pass erhebliche Schwierigkeiten beim Identitätsnachweis mit sich. Vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Anerkennungsgebots können diese fortwirkenden Nachteile für die Betroffene nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass ein durch „deed poll“ geänderter Nachname nicht als „Geburtsname“ im Sinne des deutschen Registerrechts angesehen werden könne, und auch nicht damit, dass die deutschen Behörden eine Entscheidung über den rechtzeitigen Antrag der Betroffenen auf Änderung des Geburtseintrags erst nach Ablauf des Übergangszeitraums am und damit zu einem Zeitpunkt treffen, an dem sie ihren Unionsbürgerstatus bereits verloren hatte.
372. Die angefochtene Entscheidung kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Zurückweisung der Erstbeschwerde erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 74 Abs. 2 FamFG).
38In gerichtlichen Verfahren nach dem Personenstandsgesetz wird der Verfahrensgegenstand grundsätzlich durch die in erster Instanz gestellten Sachanträge für alle Instanzen begrenzt. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Vorlage des Standesbeamten gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 PStG zur Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung darüber, ob die von der Betroffenen konkret gewünschten Folgebeurkundungen im Geburtseintrag dahingehend vorzunehmen sind, Vornamen und Geburtsname in „L. M. Fa.“ und die Geschlechtsangabe in „weiblich“ zu ändern; das Verfahren richtet sich nicht auf die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 425/21 - FamRZ 2023, 108 Rn. 10). Die Vorlage des Standesamts bewirkt nach § 49 Abs. 2 Satz 2 PStG, dass die beantragte Amtshandlung als abgelehnt gilt. Eine in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren ergehende Anweisung an das Standesamt muss sich im Rahmen dieses, von dem konkreten Verlangen des Antragstellers abgeleiteten Verfahrensgegenstandes halten (vgl. OLG Hamm StAZ 2008, 343, 344; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 562/20 - FamRZ 2022, 624 Rn. 46 mwN und BGHZ 229, 374 = FamRZ 2021, 1387 Rn. 27 für das Anweisungsverfahren). Eine von diesem Begehren abweichende oder ihm nur teilweise entsprechende Anweisung an das Standesamt kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller eine solche nicht anstrebt (vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 292/15 - FamRZ 2019, 218 Rn. 46). Das Beschwerdegericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass die Betroffene an einer Fortführung des Geburtenregisters, bei der die von ihr geltend gemachten Änderungen der Vornamen, des Geburtsnamens und der rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit nicht vollständig eingetragen werden, kein Interesse hat. Ihre Beschwerde muss deshalb auch dann insgesamt zurückgewiesen werden, wenn sie keinen Anspruch auf Änderung ihres Geschlechtseintrages hat. So verhält es sich hier.
39a) Das für die Bestimmung der rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit anwendbare Recht knüpft nach Art. 7 a Abs. 1 EGBGB an die Staatsangehörigkeit der betroffenen Person an. Durch diese am in Kraft getretene Vorschrift hat der Gesetzgeber ausdrücklich kodifiziert, was die allgemeine Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum unter dem bis zum gültigen Rechtszustand bereits - wie das Beschwerdegericht - aus der entsprechenden Anwendung von Art. 7 EGBGB (vgl. KG FamRZ 2021, 762, 764; OLG Schleswig FamRZ 2020, 1095, 1096; Grüneberg/Thorn BGB 82. Aufl. Art. 7 EGBGB Rn. 6 mwN; Staudinger/Hausmann BGB [2024] Art. 7 EGBGB Rn. 40 mwN) oder aus dem Ausbau des früheren § 8 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 1 Abs. 1 Nr. 3 TSG zu einer allseitigen Kollisionsnorm (vgl. BeckOK/Mäsch BGB [Stand: ] Art. 7 EGBGB Rn. 37) hergeleitet hatte. Die in Art. 7 a Abs. 1 EGBGB enthaltene Verweisung auf das Heimatrecht der Person ist eine Gesamtverweisung (vgl. Staudinger/Hausmann BGB [2024] Art. 7 EGBGB Rn. 43c; Erman/Stürner BGB 17. Aufl. Art. 7 a EGBGB Rn. 8; Schulz IPrax 2024, 28, 30; Partington NZFam 2024, 433, 437), so dass auch das Internationale Privatrecht des Heimatstaates und etwaige Rückverweisungen zu berücksichtigen sind.
40b) Es kann dabei davon ausgegangen werden, dass das britische Heimatrecht die Verweisung nach Art. 7 a Abs. 1 EGBGB annimmt. Dafür spricht insbesondere, dass britische Behörden bei der Anwendung des - für die Änderung der rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit im gesamten Vereinigten Königreich maßgeblichen - Gender Recognition Act 2004 (abrufbar unter www.legislation.gov.uk; im Folgenden: GRA) bei der Annahme ihrer internationalen Zuständigkeit weder durch ein Staatsangehörigkeits- noch durch ein Aufenthaltserfordernis aufseiten des Antragstellers beschränkt sind (vgl. Scherpe FamRZ 2007, 270, 272 mwN). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gehört die Betroffene indessen auch aus Sicht des britischen Rechts rechtlich nicht dem weiblichen Geschlecht an.
41aa) Nach Section 1 Subsection (1) GRA kann jede Person, die mindestens 18 Jahre alt ist, eine Geschlechtsidentitätsbescheinigung (Gender Recognition Certificate) beantragen, wenn sie sich entweder dem anderen Geschlecht zugehörig fühlt und entsprechend lebt oder ihr Geschlecht bereits nach der Rechtsordnung eines anderen Landes hat ändern lassen; über den Antrag entscheidet eine besondere juristisch-medizinische Fachkommission (Gender Recognition Panel). Dem Antrag auf Erteilung einer Geschlechtsidentitätsbescheinigung hat dieses Gremium insbesondere dann stattzugeben, wenn bei der antragstellenden Person eine durch zwei Berichte von Medizinern oder Psychologen nachgewiesene Geschlechtsdysphorie („gender dysphoria“) vorliegt (vgl. Section 2 Subsection (1)(a), Section 3 Subsection (1) GRA) und die antragstellende Person - was sie durch eidesstattliche Erklärung zu versichern hat (vgl. Section 3 Subsection (4) GRA) - im Zeitpunkt der Antragstellung bereits seit mindestens zwei Jahren in Übereinstimmung mit dem jeweils anderen Geschlecht gelebt hat und beabsichtigt, dies bis zum Ende ihres Lebens nicht mehr zu ändern (vgl. Section 2 Subsection (1)(b)(c) GRA).
42bb) Wird ein vollständiges Gender Recognition Certificate erteilt, wird die antragstellende Person gemäß Section 9 Subsection (1) GRA für alle künftigen Belange als Angehörige des anderen Geschlechts behandelt („www.nrscotland.gov.uk/registration/gender-recognition Geschlechtsidentitätsbescheinigung
43cc) Die Betroffene hat auch mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht, ein Verfahren nach dem Gender Recognition Act 2004 durchlaufen und eine Geschlechtsidentitätsbescheinigung nach dieser Regelung erlangt zu haben. Auf den Geschlechtseintrag in ihrem Reisepass kommt es demgegenüber nicht an. for His Majesty’s Passport Office staff examining passport applications from customers who ask for a change of gender on their passport, Version 22.0; abrufbar unter www.gov.uk/government/publications/gender-recognition, S. 5: “)for His Majesty’s Passport Office staff examining passport applications from customers who ask for a change of gender on their passport, Version 22.0; abrufbar unter www.gov.uk/government/publications/gender-recognition, S. 13 ff.). Mit Recht weist die Rechtsbeschwerde deshalb darauf hin, dass die Erlangung eines
44dd) Auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach es (auch) eine Beeinträchtigung des in Art. 21 AEUV für jeden Unionsbürger verbürgten Grundsatzes der Freizügigkeit darstellt, wenn die Behörden eines Mitgliedstaates es ablehnen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erfolgte Änderung der rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit anzuerkennen (vgl. - FamRZ 2024, 1797 - Mirin), kommt es in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht an, weil die Betroffene - anders als der in dem genannten Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof beteiligte britisch-rumänische Staatsangehörige - gerade kein Gender Recognition Certificate erworben und deshalb in Großbritannien keine Änderung des rechtlichen Geschlechts stattgefunden hat, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union anerkannt werden könnte.
45c) Das Ergebnis, das „Geschlechtsstatut“ dem britischen Heimatrecht der Betroffenen zu unterstellen, welches die Änderung der rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit an die Durchführung eines behördlichen Verfahrens mit der Erbringung medizinischer Nachweise knüpft, verstößt auch mit Blick auf die nach Erlass der Beschwerdeentscheidung am in Deutschland in Kraft getretenen Rechtsänderungen durch das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften vom (BGBl. I Nr. 206; im Folgenden: SBGG) nicht gegen den kollisionsrechtlichen ordre public nach Art. 6 EGBGB (vgl. BeckOK/Mäsch BGB [Stand: ] Art. 7 a EGBGB Rn. 5). Dies gilt hier schon deshalb, weil der - für einen Rückgriff auf den ordre public erforderliche - ausreichende Inlandsbezug des Sachverhalts nur durch den gewöhnlichen Aufenthalt der Betroffenen in Deutschland vermittelt werden könnte, der ihr aber gleichzeitig die
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:050225BXIIZB251.23.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-88404