Betriebsratswahl - schriftliche Stimmabgabe
Leitsatz
Bei der Wahl des Betriebsrats gehören Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl wegen Kurzarbeit oder wegen mobiler Arbeit (Homeoffice) voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, zu den Arbeitnehmern, die nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO die Briefwahlunterlagen erhalten, ohne dass es eines Verlangens der Wahlberechtigten bedarf.
Instanzenzug: ArbG Braunschweig Az: 3 BV 5/22 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 13 TaBV 46/22 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
2Die zu 11. beteiligte Arbeitgeberin ist eine Automobilherstellerin, in deren Stammwerk in W vom 14. bis die Wahl stattfand, bei der der zu 10. beteiligte Betriebsrat gewählt wurde. Die zu 1. bis 7. und zu 9. beteiligten Antragsteller sowie die zu 8. beteiligte Antragstellerin sind am Standort W beschäftigte wahlberechtigte Arbeitnehmer, welche bei der Wahl auf verschiedenen Vorschlagslisten kandidierten.
3Das am ausgehängte Wahlausschreiben wies die Zahl zu wählender Betriebsratsmitglieder mit 73 aus. In diesem Zeitpunkt galt infolge der Covid-19-Pandemie die betriebliche Regelung, dass Möglichkeiten zur mobilen Arbeit „so weit wie möglich“ genutzt werden sollen. Ausgenommen waren Arbeitnehmer, deren Eigenart der Tätigkeit eine ausschließliche Anwesenheit im Betrieb erforderte, wie zB Mitarbeiter in der Produktion und Logistik. Vor dem Hintergrund absehbarer staatlicher Maßnahmen zum Pandemieschutz ordnete die Arbeitgeberin am für die Zeit ab dem an, dass Beschäftigte, die mobil arbeiten können und deren Anwesenheit im Betrieb nicht zwingend erforderlich ist - sog. nicht „business essential“ - „bis auf Weiteres“ von zu Hause arbeiten müssen. Am wies die Arbeitgeberin eine verpflichtende „maximale Nutzung der mobilen Arbeit … vorerst analog der aktuell gültigen Corona-Arbeitsschutzverordnung bis zum “ an.
4Vom Wahlvorstand waren im unternehmensinternen Intranet Informationsseiten zu den betrieblichen Wahlen vorgehalten, auf denen sich die Beschäftigten über Bekanntmachungen zum Wahlverfahren ergänzend informieren konnten. Am gab der Wahlvorstand die Vorschlagslisten bekannt. Während einer digitalen Betriebsversammlung am erhielt der Antragsteller zu 6. als 27. Redner die Gelegenheit, sich zu äußern, wobei er mindestens 45 Sekunden seiner auf fünf Minuten festgelegten Redezeit durch den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden unterbrochen wurde. Mit E-Mail vom teilte die Arbeitgeberin den Vertretern der Vorschlagslisten mit, die Wahlvorschläge könnten sich im Intranet vorstellen und bis zu drei weiterführende Links zu ihrer Wahlwerbung eintragen lassen. Die Kandidaten betrieben außerdem auf dem über 6 km² großen Betriebsgelände Wahlwerbung, wobei Poster, Wahlplakate und Flyer der Vorschlagslisten 1, 2, 3 und 8 mehrfach zerstört, überklebt und entfernt worden sind. Jedenfalls zehn Vorfälle - betreffend die Listen 2, 3, 4 und 8 - wurden dem Werkschutz gemeldet. Die Arbeitgeberin stockte daraufhin die Zahl der durch den Werkschutz durchgeführten Streifen sowohl in der Tages- als auch Nachtzeit im gesamten Werk auf. Insbesondere am 15., 16. und setzte sie im Werkschutz gezielt Streifen zur Verhinderung weiterer Vorfälle ein. Einzelne Plakate entfernte der Werkschutz selbst, wenn diese Verkehrsschilder verdeckten.
5Am beschloss der Wahlvorstand, allen Beschäftigten, die grundsätzlich mobil arbeiten können, und dies auch bereits seit der Anweisung vom ganz oder teilweise getan hatten, Briefwahlunterlagen ohne ein gesondertes Verlangen zuzusenden. Daraufhin erhielten ca. 26.000 Wahlberechtigte (vorrangig aus der Verwaltung) die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe bei der Betriebsratswahl. Am und kündigten Arbeitgeberin und Betriebsrat unter Hinweis auf Lieferengpässe infolge der Covid-19-Pandemie und des Ukrainekriegs einen anteiligen oder vollständigen Arbeitsausfall in bestimmten Bereichen (Kurzarbeit) - auch für die Zeit der Betriebsratswahl - an. Der Wahlvorstand beschloss daraufhin, alle von Kurzarbeit Betroffenen, die ihm durch Kostenstellen oder Abteilungskürzel (sog. OE) genannt werden, „der Briefwahl zuzuordnen“. In der Zeit vom 8. bis erfolgten Nachmeldungen von kurzarbeitsbetroffenen Arbeitnehmern beim Wahlvorstand. Insgesamt erhielten ca. 33.000 von Kurzarbeit betroffene Produktionsmitarbeiter ohne deren ausdrückliches Verlangen Briefwahlunterlagen zugesandt.
6Zahlreiche der an den Wahlvorstand zurückgesandten Briefwahlunterlagen gingen in der zentralen Poststelle der Arbeitgeberin ein. Diese bestand aus einem Empfangsbereich und einem dahinter liegenden abgetrennten Sortierbereich, dessen Tür von einem Unbefugten nicht geöffnet werden kann. Die Poststelle sortierte die an den Wahlvorstand adressierte Post einschließlich der zurückgesandten Freiumschläge - etwa 700 bis 3.000 Briefe täglich - aus und sammelte sie in offenen Kisten zu je etwa 300 Briefen, ohne diese zu zählen oder zu registrieren. In der Regel holte ein Wahlvorstandsmitglied, das nicht Mitglied der Vorschlagsliste I war, die Postboxen ab und verbrachte sie in das Wahlvorstandsbüro. Nicht mit der Post zurückgesandte Freiumschläge wurden in dem montags bis freitags in der Regel von ca. 08:00 Uhr bis 17:00 Uhr besetzten Büro des Wahlvorstands abgegeben, in den Briefkasten vor dem Büro eingeworfen oder beim Werkschutz abgegeben.
7Die vom Wahlvorstand genutzten Räumlichkeiten bestanden aus einem Flur, der durch eine abschließbare Doppeltür betretbar war und von welchem aus links und rechts sieben Zimmer erreicht werden konnten. In einem der Räume registrierte ein Wahlvorstandsmitglied die zurückgesandten Freiumschläge. Es bestand die Praxis, diesen Raum abzuschließen, wenn ihn das mit der Registrierung befasste Wahlvorstandsmitglied verließ. Kurz vor Ende der täglichen Arbeitszeit verbrachten zwei Wahlvorstandsmitglieder die Kisten mit den Briefwahlrückläufern in einen Raum, wo sie in zwei Schiebetheken deponiert wurden. Die Griffe der Schiebetüren wurden im Anschluss mit einer Stahlkette und zwei verschiedenen Vorhängeschlössern gesichert, wobei jeweils ein Schlüssel bei unterschiedlichen Mitgliedern des Wahlvorstands - die unterschiedlichen im Betrieb vertretenen Gewerkschaften angehören - verblieb. Bei der vom 14. bis durchgeführten Wahl des Betriebsrats gaben 39.498 Mitarbeiter ihre Stimme ab, davon etwa 35.000 per schriftlicher Stimmabgabe. Das Wahlergebnis wurde am bekannt gemacht.
8Mit ihrem am bei dem Arbeitsgericht eingereichten Antrag haben die Antragsteller die Unwirksamkeit der Wahl geltend gemacht und dies auf mehrere Gründe gestützt, die aus ihrer Sicht jeweils einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht oder über das Wahlverfahren darstellen. Der Wahlvorstand habe die Zahl der Betriebsratsmitglieder fehlerhaft auf 73 festgelegt. Die generelle Anordnung der Briefwahl für mobil Beschäftigte sowie die von Kurzarbeit Betroffenen sei nicht wahlrechtskonform. Aufgrund der zeitversetzten Versendung hätten viele Wahlberechtigte die Briefwahlunterlagen verspätet oder gar nicht erhalten. Zudem sei der in § 3 Abs. 4 Satz 4 WO geregelten Verpflichtung zur ergänzenden Übermittlung des Wahlausschreibens auf postalischem oder elektronischem Weg nicht genügt. Sowohl der Wahlumschlag als auch der mit einem Fenster versehene Freiumschlag seien mit einer handelsüblichen Taschenlampe durchleuchtbar gewesen. Angesichts der Anordnung der Listen auf dem Stimmzettel sei so erkennbar gewesen, ob für die Listen 2, 3, 6 oder 7 gestimmt worden sei. Daher hätten gezielt Briefwahlunterlagen beseitigt werden können. Die Abholung der Briefwahlrückläufer und deren Registrierung nur durch nur ein Wahlvorstandsmitglied widersprächen dem gebotenen Vier-Augen-Prinzip und stellten keine ausreichende Sicherung der Briefwahlstimmen vor Manipulationen dar. Auch habe der Wahlvorstand den Briefkasten vor seinem Büro nicht regelmäßig geleert. Zudem sei es zu Ungleichbehandlungen bei der Wahlwerbung und zu Wahlbehinderungen vor allem hinsichtlich der in Konkurrenz zur I-Vorschlagsliste stehenden Wahlvorschläge - durch das Zerstören von Wahlplakaten, das Facebook-Profilbild einer Betriebsrätin und eine in der Presse verbreitete Äußerung - gekommen.
9Die Antragsteller haben beantragt,
10Betriebsrat und Arbeitgeberin haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, die Betriebsratsgröße sei zutreffend ermittelt worden. An dem - für die Ermittlung der entsprechenden Daten angesetzten - Stichtag seien zwar über 67.000 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt gewesen. Maßgeblich für die Anzahl der Betriebsratsmitglieder sei aber die vom Wahlvorstand zugrunde gelegte Betriebsgröße von in der Regel knapp unter 66.001 Arbeitnehmern. Insoweit sei wegen konkret eingeleiteter und umgesetzter Maßnahmen die voraussichtliche Entwicklung des Personalbestands bis zu berücksichtigen gewesen. Der Wahlvorstand habe die ihm gemeldeten Daten unter Heranziehung der ihm bekannten Informationen und betrieblicher Vereinbarungen auf Plausibilität geprüft und für nachvollziehbar befunden. Sowohl die Übermittlung des Wahlausschreibens als auch die - ohne entsprechendes Verlangen der wahlberechtigten Arbeitnehmer in angeordneter mobiler Arbeit und in Kurzarbeit erfolgte - Übersendung der Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe entspreche den Vorgaben der Wahlordnung. Der Betriebsrat hat hierzu vorgebracht, der Wahlvorstand habe am die Führungskräfte aufgefordert, bis zum (später verlängert bis zum ) alle Beschäftigten zu melden, für die eine Anwesenheit an den Wahltagen geplant gewesen sei („business essential“). Auf Grundlage der erhaltenen Informationen seien sodann vom 7. bis die entsprechenden Briefwahlunterlagen (nur) für die von mobiler Arbeit tatsächlich betroffenen Wahlberechtigten verpackt und dann versandt worden. Das Wahlausschreiben sei für alle Beschäftigten aufgrund eines am per E-Mail übersandten Personal-Telegramms sowie über die Nachrichtenstartseite im Intranet einsehbar gewesen. Über einen mitgeteilten Link sei man auf die Intranet-Seite „Betriebliche Wahlen“ gelangt, wo man seinen (Beschäftigungs-)Standort habe auswählen und auf der jeweils ersten Seite alle Bekanntmachungen des Wahlvorstands finden können.
11Das Arbeitsgericht hat die Wahl für unwirksam erklärt. Auf die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss abgeändert und den Wahlanfechtungsantrag abgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehren die Antragsteller die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
12B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Zwar ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Anfechtung der Wahl weder auf eine unzutreffende Bestimmung der Zahl der Betriebsratsmitglieder noch auf eine unzulässige Wahlbehinderung oder -beeinflussung gestützt werden kann. Auch hat es frei von Rechtsfehlern erkannt, dass die Beschaffenheit der Wahl- und Freiumschläge sowie die Behandlung der Briefwahlrückläufer keine Wahlanfechtungsgründe bilden. Schließlich hat es zutreffend angenommen, dass die Aushändigung und Übersendung der Wahlunterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe an die im Wahlzeitpunkt von Kurzarbeit und mobiler Arbeit betroffenen Wahlberechtigten wahlverfahrenskonform war. In diesem Zusammenhang hat es aber zu Unrecht den Umstand als nicht klärungsbedürftig angesehen, ob der Wahlvorstand von der Übermittlung der Briefwahlunterlagen die Wahlberechtigten mit „Business-essential-Tätigkeiten“ ausgenommen hat. Hierzu ist eine weitere Sachaufklärung veranlasst. Auf diese kommt es an, weil der Wahlvorstand seine Pflicht zu einer ergänzenden postalischen oder elektronischen Übermittlung des Wahlausschreibens an die betriebsabwesenden Wahlberechtigten nicht verletzt hat und auch die Beanstandung einer nicht rechtzeitigen Übersendung der Briefwahlunterlagen die Anfechtung der streitbefangenen Wahl nicht trägt.
13I. Nach § 19 BetrVG können mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber die Betriebsratswahl anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Die Wahlanfechtung muss innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgen.
14II. Die formellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung liegen vor. Die Antragsteller sind zur Wahlanfechtung berechtigt und erfüllen das nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BetrVG notwendige Quorum. Der Wahlanfechtungsantrag ist am und damit rechtzeitig iSv. § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim Arbeitsgericht eingegangen.
15III. Darüber, ob die materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG vorliegen, kann der Senat nicht abschließend befinden.
161. Allerdings ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Wahl von 73 Betriebsratsmitgliedern entspreche den gesetzlichen Vorgaben des § 9 Satz 2 BetrVG, rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
17a) Die nach § 9 BetrVG durch die Zahl seiner Mitglieder bestimmte Größe des Betriebsrats knüpft an die Anzahl der im Betrieb beschäftigten (wahlberechtigten) Arbeitnehmer an, wobei es nicht auf die Belegschaftsstärke an einem bestimmten Stichtag - zB am Tag der Betriebsratswahl oder am Tag des Erlasses des Wahlausschreibens - ankommt, sondern auf die Anzahl der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer ( - Rn. 14). Zu deren Ermittlung ist nicht nur der Personalbestand in der Vergangenheit zugrunde zu legen, sondern auch die künftige, aufgrund konkreter Unternehmerentscheidungen zu erwartende Entwicklung einzubeziehen. Die Feststellung der maßgeblichen Betriebsgröße erfordert daher sowohl eine rückblickende Betrachtung, für die ein Zeitraum zwischen sechs Monaten bis zwei Jahren angemessen ist, als auch eine Prognose, bei der konkrete Veränderungsentscheidungen zu berücksichtigen sind (vgl. - Rn. 16). Maßgeblich sind die Verhältnisse bei Erlass des Wahlausschreibens.
18b) Das Gesetz selbst weist die Anzahl der Betriebsratsmitglieder bis zu einer Betriebsgröße von 9.000 Arbeitnehmern mit einer benannten Zahl aus, vgl. § 9 Satz 1 BetrVG. In Betrieben ab 9.001 Arbeitnehmern erhöht sich die Zahl der Betriebsratsmitglieder je weitere 3.000 Arbeitnehmer um zwei, vgl. § 9 Satz 2 BetrVG.
19c) Bei der Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl steht dem Wahlvorstand ein gewisser Beurteilungsspielraum im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens zu (vgl. - zu III 3 c der Gründe, BAGE 28, 203). Ihm ist ein Erkenntnisrecht zuzubilligen, das im Wahlanfechtungsverfahren nicht voll gerichtlich überprüfbar ist, weil es in den Grenzfällen der gesetzlich vorgegebenen Staffel (etwa bei einem Betrieb mit in der Regel 7.000 oder 7.001 Arbeitnehmern) - und vor allem in Betrieben mit einer hohen Fluktuation an Arbeitnehmern oder einer großen Anzahl beschäftigter Arbeitnehmer - ausreicht, dass die getroffene Feststellung vertretbar ist (vgl. GK-BetrVG/Jacobs 12. Aufl. BetrVG § 9 Rn. 18 mwN).
20d) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht frei von Rechtsfehlern erkannt, dass die Beurteilung des Wahlvorstands, aufgrund der Größe des Betriebs mit in der Regel weniger als 66.001 (und mehr als 63.000) Arbeitnehmern sei ein Betriebsrat mit 73 Mitgliedern zu wählen, vertretbar ist.
21aa) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass die Annahmen des Wahlvorstands zu § 9 Satz 2 BetrVG auf einer nicht zu beanstandenden, zum Stichtag ermittelten Arbeitnehmerzahl im Betrieb beruhen, wobei diesem die Unterlagen hierzu 18 Tage später vorlagen. Es hat weiter unter Berücksichtigung der unbestritten gebliebenen Angaben der von ihm hierzu befragten Wahlvorstandsvorsitzenden im Rahmen der Anhörung ausgeführt, dass der Wahlvorstand bei der Feststellung der Betriebsgröße einen von der Arbeitgeberin beabsichtigten Personalabbau berücksichtigt hat, welcher im Wesentlichen durch das Auslaufen des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern sowie den Wegfall von Arbeitsplätzen altersbedingt ausscheidender Arbeitnehmer erfolgen sollte, wobei die Beendigung der betroffenen Arbeitsverhältnisse und der Wegfall der Arbeitsplätze bei Erlass des Wahlausschreibens feststanden. Das Landesarbeitsgericht hat außerdem angenommen, dass selbst bei einer Begrenzung des Prognosezeitraums auf das Jahr 2022 auf Grundlage der von der Arbeitgeberin übermittelten Angaben mit einer Arbeitnehmerzahl im Grenzbereich von 66.000 zu rechnen war.
22bb) Dem begegnen keine rechtsbeschwerderechtlichen Bedenken; insbesondere verfangen die Einwände der Antragsteller nicht.
23(1) Aus der Maßgeblichkeit der Verhältnisse bei Erlass des Wahlausschreibens folgt nicht, dass - wie offensichtlich die Antragsteller meinen - genau an diesem Tag zunächst die Anzahl bestehender Arbeitsverhältnisse zu ermitteln, diese Zahl anhand der Beschäftigtenzahlen in der Vergangenheit zu plausibilisieren und sodann unter Berücksichtigung der aufgrund konkreter Unternehmerentscheidungen zu erwartenden Entwicklung auf die regelmäßige Beschäftigtenzahl „stichtaggenau“ anzupassen ist. Insbesondere bei einem Betrieb der vorliegenden Größe ist dies ohnehin nicht binnen des Datums, an dem das Wahlausschreiben erlassen wird, möglich. Die Maßgeblichkeit der Verhältnisse bei Erlass des Wahlausschreibens gibt vielmehr vor, dass die in diesem Zeitpunkt auf der Grundlage der vorliegenden Daten festgestellte Sachlage zur Betriebsgröße entscheidend ist. Wenn die Rechtsbeschwerde das Argument des Landesarbeitsgerichts, bei der Größe des Betriebs der Arbeitgeberin nehme die Ermittlung der Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer erkennbar eine gewisse Zeit in Anspruch, deswegen beanstandet, weil die maßgeblichen Daten (erst) rund einen halben Monat nach dem Erlass des Wahlausschreibens vorgelegen hätten, unterliegen sie einem Missverständnis. Die Angaben lagen 18 Tage nach dem vom Wahlvorstand für seine Berechnungen festgelegten - und im Rahmen seines Beurteilungsspielraums vertretbar gewählten - Stichtag vor. In diesem Zusammenhang ist auch nicht zu beanstanden, dass der Wahlvorstand rund drei Wochen (Zeitspanne bis zum Erlass des Wahlausschreibens am ) auf die Prüfung der von der Arbeitgeberin mitgeteilten, künftig zu erwartenden Personalentwicklung verwendet hat.
24(2) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass dem Wahlvorstand bei der Ermittlung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer keine betriebsverfassungsrechtlich relevante fehlerhafte Einschätzung unterlaufen ist. Insbesondere war es vertretbar, die absehbar altersteilzeitbedingt in die Freistellungsphase wechselnden Arbeitnehmer bei der Betriebsgröße als „ausscheidende Arbeitnehmer ohne Neueinstellungen“ nicht (mehr) zu berücksichtigen. Soweit das Landesarbeitsgericht die Einschätzung des Wahlvorstands zu bestimmten Daten („Geplante Einstellungen von Auszubildenden 2022 und 2023“, „Zeitarbeitnehmer für Konzern-IT gemäß PR 70“ sowie „Veränderungen gemäß PR 70“) für zumindest „zweifelhaft“ hält, hätten sich diese nicht ausgewirkt, weil auch unter Außerachtlassung dieser Zahlenangaben ein Betriebsrat mit 73 Mitgliedern zu wählen war. Im Übrigen gab das pauschale Bestreiten der vom Wahlvorstand in seine Prüfung eingestellten Daten und Umstände seitens der Antragsteller keinen Anlass zu weitergehenden gerichtlichen Ermittlungen.
252. Gleichfalls frei von Rechtsfehlern ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass weder das Zerstören, Entfernen oder Überkleben von Wahlplakaten, Postern und Flyern mehrerer Vorschlagslisten noch der Social-Media-Auftritt einer Betriebsrätin eine Anfechtbarkeit der Wahl begründen. Entsprechendes gilt für ein von der Presse aufgegriffenes Zitat. Diese Umstände bilden keine anfechtungsbegründenden Wahlbehinderungen oder -beeinflussungen.
26a) Nach § 20 Abs. 1 BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrats behindern. Insbesondere darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden. Eine Wahlbehinderung liegt vor, wenn die Einleitung oder Durchführung der Wahl durch ein rechtswidriges Verhalten erschwert oder unmöglich gemacht wird (ErfK/Koch 24. Aufl. BetrVG § 20 Rn. 2). Sie kann sich (auch) aus einer Beschränkung oder Unterbindung rechtmäßiger Wahlwerbung ergeben; insofern umfasst der Schutzbereich von § 20 Abs. 1 BetrVG die Wahlwerbung (Bolt/Gosch AiB 1997, 559, 561; Fitting BetrVG 32. Aufl. § 20 Rn. 8; GK-BetrVG/Kreutz 12. Aufl. BetrVG § 20 Rn. 9 und 21; H/W/G/N/R/H/Nicolai 10. Aufl. § 20 Rn. 5).
27b) Nach § 20 Abs. 2 BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. Durch das Beeinflussungsverbot wird die innere Willensbildung des Arbeitnehmers geschützt, um eine freie Wahlentscheidung zu gewährleisten (Richardi BetrVG/Thüsing 17. Aufl. BetrVG § 20 Rn. 15; ausf. Nicolai FS 100 Jahre BetrVR 2020 S. 521 ff.). Dabei inkriminiert § 20 Abs. 2 BetrVG die Beeinflussung der Wahl durch bestimmte Verhaltensweisen, nämlich durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen (vgl. Löwisch BB 2014, 117, 118). Entsprechend ist etwa ein „Stimmenkauf“ verboten (GK-BetrVG/Kreutz 12. Aufl. BetrVG § 20 Rn. 33). Bei betrieblichen Wahlkampfmaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass diese gerade zulässig auf die Beeinflussung der Willensbildung zielen. Es entspricht dem Wettkampfcharakter von Wahlen, dass Kandidaten sich durch Umfang und Inhalt ihrer Wahlwerbung „Vorteile“ gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen suchen. Das Wahlrecht lässt diesem Bestreben im Grundsatz freien Raum und setzt ihm - neben dem Wahlbehinderungsverbot - in Gestalt der unzulässigen Wahlbeeinflussung nur eine äußere Grenze. Diese ist erst tangiert, wenn durch Wahlkampfaktionen die Entscheidungsfreiheit der Wähler mittels Zufügung oder Androhung von Nachteilen bzw. Gewährung oder Versprechen von Vorteilen manipuliert werden soll.
28c) Wahlbehinderungen und unzulässige Wahlbeeinflussungen sind in Form von Generaluntersagungen jedermann verboten („niemand“); auch Handlungen betrieblich Außenstehender sind erfasst. Je nach Adressat (etwa Arbeitgeber, Betriebsrat, Wahlvorstand, Bewerber, betriebszugehörige Arbeitnehmer und nicht betriebszugehörige Dritte) leiten sich aus ihnen aber unterschiedliche Verhaltens- und Unterlassenspflichten ab.
29aa) Im Zusammenhang mit einer auf Verstöße gegen § 20 Abs. 1 und/oder 2 BetrVG gestützten Wahlanfechtung ist - abgesehen von Fragen der Kausalität eines Verstoßes gegen die Verbotsnormen für das Wahlergebnis - zu beachten, dass der Wahlschutz vor allem eine freie Wahl vorbeugend sichern, nicht aber eine Korrektur oder Kassation des Wahlergebnisses ermöglichen soll; dafür spricht seine systematische Stellung hinter § 19 BetrVG (vgl. GK-BetrVG/Kreutz 12. Aufl. BetrVG § 20 Rn. 51 mwN; im Sinn eines Vorbeugens vor Pressionen zur Sicherstellung der freien Kandidatur vgl. auch HWK/Reichold 11. Aufl. § 20 BetrVG Rn. 4). Jenseits der - ohnehin sogar die Nichtigkeit der Wahl bedingenden - besonders schwerwiegenden Verbotsverstöße, bei denen auch von dem Anschein einer Wahl überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann, bedarf es daher im Zusammenhang mit Verstößen gegen § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG regelmäßig einer gewissen, die Wahlfreiheit relevant beschränkenden Intensität, um eine Wahlanfechtung zu begründen (vgl. zur unzulässigen Wahlbeeinflussung bereits - BAGE 4, 63: „… wenn Handlungen … geradezu zum Bestandteil des Wahlverfahrens gemacht worden sind.“). Entsprechend verstößt bspw. nicht jedes im Wahlkampf von (betriebszugehörigen) Dritten veranlasste Entfernen oder Überkleben von Wahlwerbung der Konkurrenz ohne Weiteres gegen die Verbote von § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG. Eine rechtliche Reglementierung des Wahlkampfs setzt im Wesentlichen erst ein, wenn der Persönlichkeitsschutz von Bewerbern oder die Autonomie der Willensbildung von Wählern nicht (mehr) gewährleistet sind (für die Personalratswahl 6 A 7.11 - Rn. 38).
30bb) Für den Arbeitgeber und den Wahlvorstand können sich - ungeachtet dessen, dass sie selbst Adressaten der Verbote von § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG sind - einzelfallbezogen Pflichten zur Gewährleistung des Wahlschutzes ergeben. Bei Behinderungs- und Beeinflussungsakten oder entsprechenden Versuchen durch Dritte haben sie, allerdings nur sofern veranlasst, zumutbare (ggf. auch vorbeugende) Maßnahmen zu ergreifen. Ist diesen Pflichten genügt, sind Verstöße Dritter gegen § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG weder dem Arbeitgeber noch dem Wahlvorstand im Sinn eines Unterlassens von Maßnahmen „zuzurechnen“ und tragen eine Wahlanfechtung ohne weitere hinzukommende Umstände in der Regel nicht (vgl. zum Aspekt der „Zurechenbarkeit“ von Handlungen Dritter bei der Wahl der Hamburger Bürgerschaft Hamburgisches Verfassungsgericht - 4/98 ua. - juris-Rn. 29). Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass Dritte, etwa wahlberechtigte Arbeitnehmer oder auch betriebsfremdes Personal, durch vorsätzliche Verstöße gegen die wahlschutzrechtlichen Verbote - welche nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BetrVG auf Antrag zu verfolgende Straftaten sind (vgl. zB - zu einer strafbewehrten Beeinflussung der Wahl durch den Arbeitgeber - - BGHSt 55, 288) - von vornherein die Durchführung einer gültigen Wahl vereiteln können (zu dem Aspekt eines zu hohen Anfechtungsrisikos vgl. - Rn. 18, BAGE 161, 1). Auch würde etwa jeder durch die, oft nicht aufklärbare, Zerstörung eines - ggf. sogar des eigenen - Wahlplakats den Boden für eine erfolgreiche Wahlanfechtung bereiten können.
31d) Nach diesen Maßgaben hat das Landesarbeitsgericht die Anfechtbarkeit der Wahl im Hinblick auf die von ihm festgestellten - und mit Verfahrens(gegen)rügen nicht angegriffenen - Ereignisse während des betrieblichen Wahlkampfes zu Recht verneint.
32aa) Seine Würdigung, dass das dem Grunde nach unstreitige Zerstören, Entfernen oder Überkleben von Wahlplakaten, Postern und Flyern bestimmter Listen keine Anfechtbarkeit der Wahl wegen Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 und/oder 2 BetrVG begründet, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Handlungen von der Arbeitgeberin oder dem Wahlvorstand vorgenommen, veranlasst, flankiert oder auch nur geduldet worden sind, haben weder die Antragsteller vorgebracht, noch sind sie sonst ersichtlich. Sowohl die Arbeitgeberin als auch der Wahlvorstand haben auf die Vorkommnisse durch verschiedene Maßnahmen reagiert (Informationen an die Arbeitnehmer, Hinweise an die Werksicherheit, Erhöhung der Anzahl der durch den Werkschutz abgehaltenen Streifen sowohl in der Tages- als auch in der Nachtzeit im gesamten Werk). Eine lückenlose und dauerhafte Überwachung der Wahlwerbung auf dem Betriebsgelände mit einer Fläche von mehr als 6 km² war weder zumutbar noch tatsächlich umzusetzen. Insbesondere trägt das Wahlrecht dem Wahlvorstand und der Arbeitgeberseite auch keine Aufgabe der engmaschig auszuübenden „Wahlkampfüberwachung“ auf.
33bb) Nicht zu beanstanden ist weiter die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, in dem Profilbild einer Betriebsrätin im Zusammenhang mit deren Social-Media-Auftritt liege keine unzulässige Wahlbeeinflussung. Ungeachtet dessen, dass weder den Wahlvorstand noch den Arbeitgeber Pflichten zu einem „Präventivschutz hinsichtlich unzulässiger Kandidatur-Werbung“ treffen, verstößt die vom Betriebsrat und/oder seinen Mitgliedern betriebene Wahlwerbung und -unterstützung nicht gegen § 20 Abs. 2 BetrVG (vgl. GK-BetrVG/Kreutz 12. Aufl. BetrVG § 20 Rn. 51 mwN). Bei dem Social-Media-Auftritt einer Betriebsrätin mag es sich um eine Kampagne für eine bestimmte Vorschlagsliste mit den Mitteln einer Agitation gegen andere Vorschlagslisten handeln, wobei das Landesarbeitsgericht die Wertungen anderer Wahlvorschläge als „billige Plagiate/Trittbrettfahrer“ zutreffend als nicht beleidigend beurteilt hat. Selbst wenn man dies als „Wahlpropaganda“ einordnete, handelte es sich um keine unzulässige Wahlbeeinflussung, denn die Wahlschutzvorschriften schützen die Handlungsfreiheit der Wahlbeteiligten, nicht die bloße Beeinflussung der inneren Willensbildung. Das gilt selbst dann, wenn wahrheitswidrige Propaganda gegen einen Wahlbewerber betrieben wird (vgl. Fitting BetrVG 32. Aufl. § 20 Rn. 11; ausf. Nicolai FS 100 Jahre BetrVR 2020 S. 521, 528). § 20 Abs. 2 BetrVG untersagt nicht jegliche Wahlbeeinflussung, sondern nur die durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen bzw. Gewährung oder Versprechung von Vorteilen bewirkte. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in einem Wettstreit von Kandidaturen bei der Betriebsratswahl eine pointierte und zugespitzte Darstellung der jeweiligen Standpunkte zulässig ist. Desgleichen sind eine vergleichende Werbung und angreifbare Werturteile nicht unstatthaft (vgl. Fitting BetrVG 32. Aufl. § 20 Rn. 25). Gemessen daran stellt das Profilbild allenfalls eine konfrontierende Agitation (für eine bestimmte Vorschlagsliste) dar. Soweit aus dem Social-Media-Auftritt geschlossen werden kann, dass eine bestimmte Liste das „Original“ sei und von anderen nur kopiert werde, ist dies eine gegenüberstellende Meinungsäußerung, die nicht ansatzweise geeignet wäre, eine freie Willensbildung des Wählers unter Zufügung oder Androhung von Nachteilen bzw. Gewährung oder Versprechung von Vorteilen auszuschließen.
34cc) Entsprechendes gilt für die von der Presse aufgegriffene Äußerung im Wahlkampf „… dass sie doch bitte an ihre persönliche Zukunft bei V oder die Zukunft ihrer Kinder denken sollten, und dass diese künftig womöglich keinen Ausbildungsplatz bekommen“ würden. Auch hierbei ist nicht ersichtlich, inwieweit damit die Wahl unzulässig beeinflusst worden sein soll, zumal auch dieser Umstand nicht in den Verantwortungsbereich des Wahlvorstands oder der Arbeitgeberin fällt.
353. Hinsichtlich der Werbemöglichkeiten im Intranet und der faktischen Verkürzung der Redezeit eines der Antragsteller auf der digitalen Betriebsversammlung liegt kein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlrecht iSv. § 19 Abs. 1 BetrVG vor. Auch das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
36a) Die Grundsätze der freien Wahl und der Chancengleichheit der Wahlbewerber sind iSv. § 19 Abs. 1 BetrVG wesentliche Grundsätze des Wahlrechts. Sie dienen der Integrität einer demokratischen Wahl. Ihre Verletzung ist geeignet, eine Wahlanfechtung zu rechtfertigen ( - zu B II 6 der Gründe, BAGE 96, 326). Die Grundsätze verbieten es zB, einem Wahlbewerber am letzten Wahltag während des noch laufenden Wahlvorgangs Einblick in die mit den Stimmabgabevermerken versehene Wählerliste zu gewähren ( - zu B II 7 der Gründe, aaO) oder einzelnen Bewerbern um das Betriebsratsamt seitens des Wahlvorstands - oder auch des Arbeitgebers - signifikante Vorrechte gegenüber anderen Kandidaten einzuräumen.
37b) Hiervon ausgehend sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, die von den Antragstellern herangezogenen Vorkommnisse begründeten keine Anfechtbarkeit der Wahl wegen einer Verletzung der Grundsätze der freien Wahl und der Chancengleichheit der Wahlbewerber, rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
38aa) Das gilt zunächst hinsichtlich der faktisch verkürzten Redezeit des Antragstellers zu 6. auf der digitalen Betriebsversammlung. Ungeachtet dessen, dass es sich um ein Vorkommnis auf einer nicht vom Wahlvorstand verantworteten Betriebsversammlung gehandelt hat, beanstanden die Antragsteller nicht, dass dem Beteiligten zu 6. von vornherein eine zu kurze Redezeit zugestanden worden sei, sondern dass er diese aufgrund der Unterbrechungen durch den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden nicht habe ausschöpfen können. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dies wiege nicht so schwer, weil die betroffene Liste weitere Redner hätte auftreten lassen können, ist nicht zu beanstanden. Nicht jeder Zwischenruf oder jede Unterbrechung einer Rede im Zusammenhang mit einer Betriebsratskandidatur kann zu einer erfolgreichen Wahlanfechtung führen, weil anderenfalls die Durchführung einer nicht anfechtbaren Wahl schlicht unmöglich wäre.
39bb) Hinsichtlich des Zugangs zu dem unternehmenseigenen Intranet zum Zwecke der Wahlwerbung hat das Landesarbeitsgericht gleichfalls zutreffend einen Anfechtungsgrund verneint. Alle Listen haben die gleiche Möglichkeit erhalten, das Intranet zu Werbezwecken zu nutzen. Die Rechtsbeschwerde greift dies auch nicht mehr an.
404. Die Beschaffenheit der für die schriftliche Stimmabgabe vorgehaltenen Wahl- und Freiumschläge verstößt nicht gegen wesentliche Wahlvorschriften.
41a) Die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe umfassen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 5 WO den Wahlumschlag (in den der Stimmzettel einzulegen ist) - wobei nach Satz 2 der Vorschrift die Wahlumschläge sämtlich die gleiche Größe, Farbe, Beschaffenheit und Beschriftung haben müssen - sowie einen (größeren) Freiumschlag, der die Anschrift des Wahlvorstands und als Absender den Namen und die Anschrift der oder des Wahlberechtigten sowie den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe“ anzugeben hat. Der - im Gegensatz zur Präsenzwahl (vgl. § 11 WO) vorgeschriebene - Wahlumschlag dient nach dem verlautbarten Willen des Verordnungsgebers der Wahrung der Geheimheit der Wahl (BR-Drs. 666/21 S. 24). Dieser Zweck gibt vor, dass der Wahlumschlag blickdicht sein muss, wobei sich der Verordnungsgeber besonderer Vorgaben hierzu enthalten hat (vgl. demgegenüber für die Wahl des Bundestages die detaillierte Sollvorgabe nach § 45 Abs. 3 Satz 1 BWO, die - auch - Blickdichte ausdrücklich anführt). Die Beschaffenheit des Freiumschlags, bei dem § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WO neben der Beschriftung lediglich ein bestimmtes Format („größer“) anordnet, darf der Gewährleistung der geheimen Wahl nicht zuwiderlaufen. Dem genügte bspw. ein transparenter oder nicht verschließbarer Freiumschlag nicht. Weitere Merkmale - etwa dergestalt, dass der Umschlag auch mit Hilfsmitteln absolut nicht durchleuchtbar sein darf oder seine unbemerkte Öffnung und Wiederverschluss mit Hilfsmitteln völlig ausgeschlossen sein muss - sind hingegen nicht vorgeschrieben. Der Umschlag „an sich“ gewährleistet den Grundsatz der geheimen Wahl.
42b) Ob die bei einer Wahl verwandten Umschläge den Anforderungen des § 24 Abs. 1 WO genügen, ist eine Tatsachenfrage. Die diesbezügliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat.
43c) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung stand. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Prüfung die zutreffenden Rechtssätze zugrunde gelegt. Ausgehend vom Zweck der bei der Briefwahl vorgegebenen Umschläge hat es über die in § 24 Abs. 1 WO ausdrücklich festgelegten Merkmale hinausgehend geschlossen, dass der Freiumschlag verschließbar sein und die Sicht auf den Inhalt verdecken muss. Seine Würdigung, dass die verwendeten Umschläge diesen Anforderungen genügen, verstößt weder gegen Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze, noch lässt sie wesentliche Umstände außer Acht. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf abgehoben, dass der Freiumschlag nur Schutz vor einem „Durchschauen“ ohne Hilfsmittel bieten muss. Soweit die Antragsteller die Durchleuchtbarkeit der verwendeten Umschläge mittels handelsüblicher Taschenlampen wegen des Fensters im Freiumschlag vorgebracht haben, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass ein absoluter Schutz gegen den vorsätzlichen Bruch der Geheimheit der Wahl nicht verlangt werden kann. So vermag etwa der zugeklebte Freiumschlag auch nicht vor einem Öffnen unter Wasserdampf und anschließendem Wiederverschluss uneingeschränkt geschützt zu werden.
445. Des Weiteren verstoßen im Zusammenhang mit der schriftlichen Stimmabgabe weder die Verarbeitung der eingehenden Post für den Wahlvorstand in der Poststelle der Arbeitgeberin noch das Vorhalten eines wahlvorstandseigenen Briefkastens zur Abgabe der Briefwahlstimmen gegen wesentliche Wahlvorschriften. Auch hiervon ist das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen.
45a) Weder verbietet der Grundsatz der geheimen Wahl nach § 14 Abs. 1 BetrVG im Zusammenhang mit Briefwahlrückläufern die Inanspruchnahme einer vom Arbeitgeber vorgehaltenen Infrastruktur zum Postverkehr noch gebietet er eine generalisierte Annahme der Manipulationsanfälligkeit bei einer solchen Inanspruchnahme. Entsprechend hat das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt zutreffend dahingehend gewürdigt, der Wahlvorstand habe davon ausgehen dürfen, dass die eingehende Post durch die Poststelle der Arbeitgeberin ordnungsgemäß bearbeitet wird, nur die Mitarbeiter der Poststelle auf die bei der Briefwahl eingehenden Freiumschläge zugreifen können, sich diese Mitarbeiter rechtskonform verhalten und nicht unter dem Generalverdacht stehen, unter Verletzung des durch § 202 StGB geschützten Briefgeheimnisses eingegangene Umschläge zu öffnen, um Stimmzettel zu vernichten oder zu manipulieren.
46b) Auch durfte der Wahlvorstand einen eigenen Briefkasten anbieten, in den die Briefwahlunterlagen direkt eingelegt werden konnten. Soweit in diesen tatsächlich noch weitere Rückumschläge eingelegt wurden, obwohl er überfüllt war, ist dies dem Wahlvorstand nicht anzulasten. Es stand den Stimmberechtigten frei, ihren Umschlag ggf. im Wahlbüro abzugeben oder die Post zu nutzen.
476. Entgegen der Auffassung der Antragsteller war die Behandlung und Aufbewahrung der Frei- und Wahlumschläge durch den Wahlvorstand nicht wahlverfahrensfehlerhaft. Auch insofern liegt kein Anfechtungsgrund vor.
48a) Nach § 25 Satz 1 Nr. 3 WO sind Wahlumschlag und unterschriebene vorgedruckte Erklärung in dem Freiumschlag zu verschließen und so rechtzeitig an den Wahlvorstand abzusenden oder diesem zu übergeben, dass er vor Abschluss der Stimmabgabe vorliegt. Die Wahlordnung lässt ungeregelt, wie der Wahlvorstand mit den eingegangenen Freiumschlägen bis zu ihrer Öffnung nach § 26 Abs. 1 WO zu verfahren hat. Zwar hat der Wahlvorstand nach § 24 Abs. 1 Satz 4 WO die Aushändigung oder die Übersendung der Briefwahlunterlagen in der Wählerliste zu vermerken (wobei § 24 Abs. 2 WO für die Übersendung ohne ein entsprechendes Verlangen keine Verweisung auf diese Regelung enthält, vgl. zur entsprechenden Regelungstechnik nach § 49 3. WOMitbestG - Rn. 47). Hingegen ist ein entsprechender Vermerk bei Eingang der ausgefüllten Unterlagen beim Wahlvorstand nicht geregelt und dementsprechend weder ge- noch verboten. Nur verspätet eingehende Briefumschläge hat der Wahlvorstand nach § 26 Abs. 2 WO mit einem Vermerk über den Zeitpunkt des Eingangs ungeöffnet zu den Wahlunterlagen zu nehmen.
49b) Für die Entgegennahme des Freiumschlags ist nicht nur der Vorsitzende des Wahlvorstands (entsprechend § 26 Abs. 2 BetrVG), sondern jedes Mitglied des Wahlvorstands zuständig, das im Wahlbüro oder im Wahllokal Dienst tut (Fitting BetrVG 32. Aufl. § 25 WO Rn. 5; GK-BetrVG/Jacobs 12. Aufl. WO § 25 Rn. 3 und WO § 1 Rn. 7; Homburg/Otto AuR 2023, 11). Die eingegangenen Freiumschläge sind vom Wahlvorstand bis zu Beginn der Sitzung zur öffentlichen Stimmauszählung sicher gegen jede Veränderung aufzubewahren (Fitting BetrVG 32. Aufl. § 25 WO Rn. 5; GK-BetrVG/Jacobs 12. Aufl. WO § 26 Rn. 1; ausdrücklich angeordnet - anders als in der WO zum BetrVG - für die Durchführung der Bundestagswahl in § 74 Abs. 1 Satz 1 BWO, wonach die für den Eingang der Wahlbriefe zuständige Stelle die Wahlbriefe ungeöffnet sammelt und „unter Verschluss hält“). In diesem Zusammenhang hat der Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen, um dem Grundsatz der geheimen Wahl zu genügen. Allerdings kommt ihm dabei mangels Vorgaben in der Wahlordnung ein gewisser Spielraum zu (vgl. Fitting BetrVG 32. Aufl. § 25 WO Rn. 5). Entsprechend verstieße bspw. eine offene Verwahrung der Wahlbriefe in einem unverschlossenen und publikumsfrequentierten Raum gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren (vgl. - zur Personalratswahl - OVG 62 PV 2/21 - juris-Rn. 23), während eine Aufbewahrung bspw. in einem gesondert zutrittsgesicherten Raum, einer versiegelten Urne, einem verschlossenen Schrank oder einer verschlossenen Schublade wahlrechtskonform ist (vgl. Fitting BetrVG 32. Aufl. § 25 WO Rn. 5; Homburg/Otto AuR 2023, 11). Entsprechend läuft es dem Verschlussgebot nicht zuwider, wenn die Briefwahlrückläufer zunächst an einem vor unbefugten Zutritt gesicherten Ort gesammelt und nach ihrer Registrierung in einem abgeschlossenen Behältnis aufbewahrt werden.
50c) Der Wahlvorstand ist nicht verpflichtet, die eingegangenen Freiumschläge stets nur von mindestens zwei seiner Mitglieder gemeinsam zu behandeln. Aus den im Betriebsverfassungsgesetz und in der Wahlordnung ausdrücklich festgelegten Maßgaben - wie der Öffentlichkeit der Stimmauszählung (§ 18 Abs. 3 BetrVG), den Anforderungen an die Beschaffenheit der Wahlurne (§ 12 Abs. 1 Satz 2 WO) und dem Anwesenheitsprinzip im Wahlraum (§ 12 Abs. 2 WO) - folgt im Umkehrschluss, dass für die Behandlung und Aufbewahrung der verschlossenen Freiumschläge von deren Eingang beim Wahlvorstand bis zum Beginn der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung iSv. § 26 WO gerade kein Vier-Augen-Prinzip gilt. Entsprechend wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - bei Personalratswahlen - die Verpflichtung zur zugriffssicheren Verwahrung von beim Wahlvorstand eingegangenen Briefwahlunterlagen zum Schutz einer fehlerfreien Wahl gerade deshalb betont, weil sie dem Gebot der unter der Aufsicht zweier Personen stehenden Urne im Wahlraum entspricht (vgl. OVG 62 PV 2/21 - juris-Rn. 27; bei der Betriebsratswahl vgl. § 12 Abs. 2 WO). Gegen eine Verpflichtung des Wahlvorstands im Sinn eines „lückenlosen“ Vier-Augen-Prinzips bei den Briefwahlrückläufern spricht im Übrigen die grundsätzliche Zuständigkeit des Wahlvorstandsvorsitzenden oder jedes einzelnen Wahlvorstandsmitglieds für die (rechtzeitige) Entgegennahme einer schriftlich abgegebenen Stimme nach § 25 Satz 1 Nr. 3 WO. Diese wäre konterkariert, wenn ein Briefwahlrückläufer vom Wahlberechtigten immer nur gleichzeitig zwei Wahlvorstandsmitgliedern iSv. § 25 Satz 1 Nr. 3 WO übergeben werden könnte. Die eingegangenen Freiumschläge sind auch nicht - wie die Antragsteller wohl meinen - mit dem ausgefüllten Stimmzettel bei der Präsenzwahl und damit dem nach § 12 Abs. 2 WO vorgeschriebenen Anwesenheitsprinzip von zwei Mitgliedern des Wahlvorstands (oder einem Mitglied und einem Wahlhelfer) gleichzustellen. Im Übrigen darf grundsätzlich unterstellt werden, dass sich die Mitglieder im Wahlvorstand rechtskonform verhalten, zumal die Unterdrückung oder Manipulation von schriftlich abgegebenen Stimmen strafbewehrt ist.
51d) Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei erkannt, dass die vom Wahlvorstand genutzten Räumlichkeiten, die Praxis des Abschließens des Büros, in dem die Unterlagen registriert worden sind, sowie die am Ende der täglichen Arbeitszeit veranlasste verschlussgesicherte Lagerung der Briefwahlrücksendungen in Schiebetheken - mit der Schlüsselaufbewahrung bei zwei Mitgliedern des Wahlvorstands, die unterschiedlichen Gewerkschaften angehören - der Pflicht zur Sicherstellung vor unbefugtem Zugriff auf die schriftlich abgegebenen Stimmen genügen. Weiterer Maßnahmen bedurfte es nicht. Insbesondere bestand keine Pflicht, bis zur Auszählung jederzeit sicherzustellen, dass die zurückgesandten schriftlichen Stimmabgaben von mindestens zwei Wahlvorstandsmitgliedern zu transportieren und zu registrieren waren.
527. Nicht frei von Rechtsfehlern ist hingegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Voraussetzungen für eine schriftliche Stimmabgabe seien erfüllt.
53a) Die schriftliche Stimmabgabe ist an die in § 24 WO festgelegten Voraussetzungen gebunden. Mit diesen löst der Verordnungsgeber die Spannungslage auf, einerseits durch die Handhabe der Briefwahl eine umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen, und andererseits der Gefahr einer darin liegenden Missbrauchs- und Manipulationsmöglichkeit zu begegnen. Insgesamt dient die Bindung der schriftlichen Stimmabgabe an näher definierte Maßgaben dem Ziel, eine sichere und geheime Wahl zu gewährleisten. Bei den in § 24 WO festgelegten Voraussetzungen der Briefwahl handelt es sich um wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren iSv. § 19 Abs. 1 BetrVG (vgl. - Rn. 29, BAGE 177, 269). Während der Covid-19-Pandemie galten nach der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz - im Gegensatz zu § 28 Wahlordnung Schwerbehindertenvertretung oder zu § 19a Wahlordnung Bundespersonalvertretungsgesetz - keine erleichterten Möglichkeiten für die schriftliche Stimmabgabe (vgl. - Rn. 41; Lützeler/Scholz ARP 2022, 106).
54b) § 24 WO regelt - neben der individuellen Briefwahl auf Verlangen (§ 24 Abs. 1 WO) und wegen einer persönlichen Betriebsabwesenheit über den gesamten Wahlzeitraum (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WO) sowie der Möglichkeit der generellen Briefwahl in räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernten Betriebsteilen und Kleinstbetrieben (§ 24 Abs. 3 Satz 1 WO) - die schriftliche Stimmabgabe wegen der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO). Danach erhalten - ohne dass es eines entsprechenden Verlangens bedarf - die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe diejenigen Wahlberechtigten, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist es (auch) wegen des aus dem Grundsatz der freien Wahl folgenden Verbots der Wahlbeeinflussung durch Ausübung psychologischen Drucks unzulässig, gleichwohl Briefwahlunterlagen unaufgefordert zu übersenden (GK-BetrVG/Jacobs 12. Aufl. WO § 24 Rn. 10).
55c) § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO benennt beispielhaft, wann eine voraussichtliche Betriebsabwesenheit von Wahlberechtigten im Wahlzeitpunkt nach der Eigenart ihrer Beschäftigungsverhältnisse anzunehmen ist. Danach unterfallen der Regelung „insbesondere“ im Außendienst oder mit Telearbeit und in Heimarbeit Beschäftigte. Nach dem verlautbarten Willen des Verordnungsgebers sind alle Wahlberechtigten erfasst, die dem Betrieb angehören, deren Tätigkeit aber so ausgestaltet ist, dass sie außerhalb des Betriebs arbeiten und somit am Wahltag typischerweise nicht im Betrieb sein werden (vgl. BR-Drs. 666/21 S. 23). Hiervon kann der Wahlvorstand bei einer auf der Typik des Beschäftigungsverhältnisses beruhenden regelmäßigen - oder auch nur überwiegenden - Betriebsabwesenheit ausgehen. Entscheidend ist, dass die die Betriebsabwesenheit bedingende Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses objektiv vorliegt; ob diese sich wiederum aus einer (wirksamen) Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien oder einer (wirksamen) Weisung des Arbeitgebers ergibt, spielt keine Rolle. Ebenso ist irrelevant, ob die Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses dauerhaft oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum (befristet) besteht. Bei einem sich ggf. kurzfristig vor dem Wahlzeitpunkt ergebenden Tatbestand einer auf der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses beruhenden Betriebsabwesenheit von Wahlberechtigten kommt es darauf an, inwieweit diese iSv. § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO als „voraussichtlich“ und dem Wahlvorstand „bekannt“ gewertet werden kann.
56aa) Entsprechend handelt es sich bei Wahlberechtigten, die ausschließlich oder überwiegend mobil oder im Homeoffice arbeiten, um einen Fall von § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO (Müller Homeoffice-HdB/Müller 3. Aufl. Rn. 532 unter Fn. 747). Auch die Anordnung vorübergehender mobiler Arbeit während der Covid-19-Pandemie konnte - je nach ihrer Ausgestaltung - unter § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO fallen (Carlson/Kummert AuR 2022, 100, 106; DKW/Homburg 19. Aufl. § 24 WO Rn. 15; Fitting BetrVG 32. Aufl. § 24 WO Rn. 10; zu § 49 3. WOMitbestG noch offengelassen in - Rn. 30).
57bb) Die - dem Wahlvorstand bekannte - voraussichtliche kurzarbeitsbedingte Betriebsabwesenheit von Wahlberechtigten erfüllt gleichfalls die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO. Sie beruht auf einer - vorübergehenden - Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses. Maßgeblich ist damit, dass die kurzarbeitsbetroffenen Wahlberechtigten voraussichtlich im Zeitpunkt der Wahl betriebsabwesend sind und nicht - iSv. § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WO „aus anderen Gründen“ - für den Zeitraum vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Zeitpunkt der Wahl (für die Kurzarbeit Null ebenso HaKo-BetrVG/Sachadae 6. Aufl. § 24 WO Rn. 5; GK-BetrVG/Jacobs 12. Aufl. WO § 24 Rn. 10; Fitting BetrVG 32. Aufl. § 24 WO Rn. 10; Lützeler/Scholz ARP 2022, 106; aA Boemke/Haase NZA 2021, 1513; MHdB ArbR/Krois 5. Aufl. § 291 Rn. 80). Das ergibt die Auslegung der Verordnungsbestimmungen.
58(1) Wortlaut und Systematik von § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WO geben allerdings kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor. Unter einer „Eigenart“ (des Beschäftigungsverhältnisses) versteht man eine spezifische Wesensart oder eine Eigentümlichkeit (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl.). Kurzarbeit ließe sich als eine solche Besonderheit (der Beschäftigungsverhältnisse) verstehen, denn sie ist die vorübergehende Kürzung des Volumens der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit bei anschließender Rückkehr zum vereinbarten Zeitumfang. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, sie einseitig durch Ausübung des Direktionsrechts einzuführen. Es bedarf vielmehr stets einer besonderen einzelvertraglichen oder kollektivrechtlichen Grundlage, um die vertragliche Arbeits- und Vergütungspflicht einzuschränken ( - Rn. 28 mwN, BAGE 176, 251). Demgegenüber ließe sich jedenfalls die Kurzarbeit Null - also die vorübergehende Verkürzung der regelmäßigen betriebsüblichen Arbeitszeit aufgrund eines Arbeitsausfalls auf null Stunden und die damit einhergehende vollumfängliche Suspendierung der Hauptleistungspflichten der Arbeitsvertragspartner - aber auch als „wertungsähnlicher“ mit dem im Tatbestand des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WO als Beispiel angeführten Ruhen des Arbeitsverhältnisses ansehen.
59(2) Der verlautbarte Wille des Verordnungsgebers sowie die Verordnungshistorie sprechen hingegen deutlich für die Einordnung der Kurzarbeit (Null) als eine Eigenart der Beschäftigungsverhältnisse iSv. § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO.
60(a) Zwar heißt es in der Begründung zu § 24 Abs. 2 WO in dessen durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der Wahlordnung, der Wahlordnung Seeschifffahrt und der Verordnung zur Durchführung der Betriebsratswahlen bei den Postunternehmen vom (ÄnderungsVO 2021) geänderten Fassung, dass es sich bei den von der Bestimmung erfassten Personen um Wahlberechtigte handelt, die dem Betrieb angehören, deren Tätigkeit aber so ausgestaltet ist, dass sie außerhalb des Betriebs „arbeiten“ und somit am Wahltag typischerweise nicht im Betrieb sein werden (vgl. BR-Drs. 666/21 S. 23). Dies entspricht den in der Regelung genannten Beispielen (im Außendienst oder mit Telearbeit Beschäftigte und in Heimarbeit Beschäftigte). Es handelt sich jedoch um keine abschließende Aufzählung („insbesondere“). Es kommen nicht nur solche Eigenarten in Betracht, die zu einer „Arbeitsleistung“ außerhalb des Betriebs führen.
61(b) Vor allem aber wollte der Verordnungsgeber mit der Neufassung des § 24 WO den Anwendungsbereich der Briefwahl lediglich „erweitern“ (BR-Drs. 666/21 S. 23) und nicht abändern. Dementsprechend wurden einerseits § 24 Abs. 2 WO aF als neue Nr. 1 des § 24 Abs. 2 Satz 1 WO übernommen und andererseits als neue Nr. 2 weitere Fälle geregelt, in denen es eines Verlangens der Wahlberechtigten hinsichtlich der Briefwahlunterlagen nicht bedarf. Nach überwiegender Ansicht im arbeitsrechtlichen Schrifttum unterfiel die kurzarbeitsbedingte Abwesenheit vom Betrieb dem Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 WO aF (vgl. HaKo-BetrVG/Sachadae 5. Aufl. § 24 WO Rn. 5; Fitting 31. Aufl. § 24 WO Rn. 10; Jacobs GK-BetrVG 11. Aufl. § 24 WO Rn. 10; sämtlich für die Kurzarbeit Null unter Bezugnahme auf ArbG Halberstadt - 6 BV 4/93 -). Einer Modifikation des dahingehenden Verständnisses durch den nunmehr als Nr. 1 von § 24 Abs. 2 Satz 1 WO ausgestalteten Tatbestand hat sich der Verordnungsgeber gerade enthalten wollen (vgl. BR-Drs. 666/21 S. 23).
62(c) Dafür, dass der Verordnungsgeber kurzarbeitsbedingte Betriebsabwesenheit nicht als Fall der Nr. 2 von § 24 Abs. 2 Satz 1 WO, sondern der Nr. 1 von § 24 Abs. 2 Satz 1 WO ansieht, sprechen darüber hinaus nachdrücklich seine Ausführungen zum Erfüllungsaufwand für die Neuregelung (vgl. BR-Drs. 666/21 S. 14 f.). In diesen wird lediglich zu Wahlberechtigten in Elternzeit und Mutterschutz sowie für arbeitsunfähige Wahlberechtigte Stellung genommen. Die Gruppe der Wahlberechtigten, die aufgrund von Kurzarbeit voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein wird - welche schon aufgrund der Auswirkungen der im Zeitpunkt der Verordnungsänderung bestehenden Covid-19-Pandemie sehr groß gewesen sein dürfte - hat der Verordnungsgeber damit ersichtlich keiner „Neu“regelung zugeordnet, sondern als bereits erfasst von § 24 Abs. 2 WO aF - und nunmehr von § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO - angesehen.
63d) Ausgehend von diesen Maßgaben hat das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend erkannt, dass hinsichtlich der kurzarbeitsbetroffenen Wahlberechtigten die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO erfüllt sind. Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat hatten am und am unter Hinweis auf eine gestörte Teileversorgung infolge der Covid-19-Pandemie und des Ukrainekriegs einen anteiligen (dh. einzelne Unterabteilungen betreffenden) oder vollständigen Arbeitsausfall in bestimmten Unternehmensbereichen - auch für die Zeit der Stimmabgabe - angekündigt. Aufgrund der ihm durch Kostenstellen oder Abteilungskürzel (OE) benannten und in der Zeit vom 8. bis nachgemeldeten Arbeitnehmern war dem Wahlvorstand bekannt, welche Wahlberechtigten kurzarbeitsbetroffen sind. Nach den ihm vorliegenden Informationen durfte der Wahlvorstand auch davon ausgehen, dass diese Arbeitnehmer an den Wahltagen nicht im Betrieb sein würden. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, anhand der „OE-Meldungen“ habe für die Beschäftigten der Unterabteilungen jeweils festgestanden, dass sie während des Zeitraums der Stimmabgabe voraussichtlich überhaupt nicht arbeiten. Diese Wertung begegnet keinen rechtsbeschwerderechtlichen Bedenken.
64e) Nicht frei von Rechtsfehlern ist hingegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass hinsichtlich der Übersendung der Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe an die mobil Arbeitenden die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO vorliegen. Diese Gruppe von Wahlberechtigten war zwar prinzipiell iSv. § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO voraussichtlich im Zeitpunkt der Wahl nicht im Betrieb anwesend, denn die Arbeitgeberin hatte sie verpflichtend angewiesen, bis zum mobil von zu Hause aus zu arbeiten. Das Landesarbeitsgericht hat es jedoch zu Unrecht als nicht klärungsbedürftig angesehen, ob dem Wahlvorstand hinsichtlich bestimmter Wahlberechtigter bekannt war, dass diese während des Wahlzeitraums im Betrieb anwesend sein würden und ihnen daher - wie vom Betriebsrat behauptet und von den Antragstellern in Abrede gestellt - keine Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe übersandt worden sind.
65aa) Nur Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand „bekannt ist“, dass sie aufgrund der Tatbestände von § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WO voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, erhalten die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe, ohne dass es eines Verlangens der Wahlberechtigten bedarf. Die Kenntnis des Wahlvorstands vom Vorliegen der in § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (oder Nr. 2) WO geregelten Tatbestände ist damit Voraussetzung für eine Übersendung der Briefwahlunterlagen (vgl. auch BR-Drs. 666/21 S. 24). Den Wahlvorstand trifft keine über seinen Kenntnisstand hinausgehende Überprüfungs- oder Nachforschungspflicht; der Verordnungsgeber hat insoweit auf das „Bekanntsein“ und nicht das „Kennenmüssen“ abgehoben (vgl. Fitting BetrVG 32. Aufl. § 24 WO Rn. 15; vgl. auch Carlson/Kummert AuR 2022, 100, 106; dies. AiB 2022 Nr. 1 S. 35). Erlangt der Wahlvorstand aber aufgrund tatsächlich angestellter Nachforschungen hinsichtlich einer „an sich“ unter § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO fallenden Beschäftigtengruppe die Kenntnis, dass bestimmte Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Wahl im Betrieb anwesend sein werden, kann er diesen ohne entsprechendes Verlangen keine Briefwahlunterlagen zukommen lassen. Ihm ist deren Betriebsabwesenheit dann gerade nicht (mehr) „bekannt“ (vgl. auch DKW/Homburg 19. Aufl. § 24 WO Rn. 16d).
66bb) Hiervon ausgehend war der Wahlvorstand zwar nicht verpflichtet, sich Kenntnis von der Anwesenheit der Wahlberechtigten mit „Business-essential-Tätigkeit“ während der Wahltage im Betrieb zu verschaffen, sofern diese Gruppe jedenfalls generell unter die Anordnung zur mobilen Arbeit fiel. Das Landesarbeitsgericht hat aber verkannt, dass der Wahlvorstand entsprechende Nachforschungen selbst angestellt hat. Hierzu hat der Betriebsrat - von den Antragstellern bestritten - vorgetragen, der Wahlvorstand habe am die Führungskräfte aufgefordert, ihm spätestens bis die Beschäftigten zu melden, für die eine Anwesenheit an den Wahltagen geplant gewesen sei. „Auf Basis der erhaltenen Informationen“ hätten sodann der Wahlvorstand und die Wahlhelfer vom 7. bis die Briefwahlunterlagen für die von mobiler Arbeit betroffenen Arbeitnehmer verpackt und am 14. und deren Versendung veranlasst. Hierzu ist eine weitere Sachaufklärung veranlasst. Ohne Weiteres durfte das Landesarbeitsgericht nicht davon ausgehen, dass iSv. § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO nur diejenigen grundsätzlich mobil arbeitenden Wahlberechtigten, von denen dem Wahlvorstand bekannt war, dass sie (im Sinn eines nicht „business essential“) an den Wahltagen voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, die Briefwahlunterlagen erhalten haben, ohne dies verlangt zu haben.
678. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dem Senat ist eine eigene Sachentscheidung entsprechend § 563 Abs. 3 ZPO verwehrt, denn die weiteren im Zusammenhang mit der schriftlichen Stimmabgabe angebrachten Rügen begründen den Anfechtungsantrag nicht. Weder hat der Wahlvorstand in einer zur Anfechtung der Wahl berechtigenden Weise gegen § 3 Abs. 4 Satz 4 WO verstoßen noch greift die Beanstandung einer verspäteten Übersendung der Briefwahlunterlagen.
68a) Der Wahlvorstand hat seiner Pflicht nach § 3 Abs. 4 Satz 4 WO genügt.
69aa) Nach dem durch die ÄnderungsVO 2021 (BGBl. I S. 4640) in § 3 Abs. 4 WO neu eingefügten Satz 4 hat der Wahlvorstand ergänzend zu seiner Bekanntmachungspflicht nach § 3 Abs. 4 Satz 1 bis 3 WO das Wahlausschreiben den Personen nach § 24 Abs. 2 WO postalisch oder elektronisch zu übermitteln. Nach dem verlautbarten Willen des Verordnungsgebers sollen die vom Betrieb abwesenden Personen frühzeitig von der Betriebsratswahl Kenntnis erlangen, damit sie sich in das Verfahren einbringen können (vgl. auch BR-Drs. 666/21 S. 24). Angesichts der zwingenden Angaben im Wahlausschreiben (vgl. § 3 Abs. 2 WO) liegt der Verpflichtung des § 3 Abs. 4 Satz 4 WO damit ersichtlich die Vorstellung des Verordnungsgebers zugrunde, ua. das passive Wahlrecht Betriebsabwesender zu stärken und diesen Personen die bis zum letzten Tag der Stimmabgabe zu eröffnende Möglichkeit einer Kenntnisnahme von Tag, Ort und Zeit der öffentlichen Stimmauszählung zu gewähren. Ebenso ersichtlich knüpft die Vorschrift mit ihrem Verweis auf den Personenkreis des § 24 Abs. 2 WO daran an, dass dieser im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Wahlausschreibens feststeht. Diese Typik besteht allerdings ausnahmslos nur im Fall von § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WO, der eine Betriebsabwesenheit vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Zeitpunkt der Wahl voraussetzt. Bei § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO können sich die Voraussetzungen für eine Übermittlung von Briefwahlunterlagen - wie gerade auch die vorliegende Fallkonstellation zeigt - auch erst nach der mit dem Erlass des Wahlausschreibens eingeleiteten Wahl (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 WO) ergeben und ggf. sogar erst nach Ablauf der Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen erfüllt sein. In diesem Fall kann der Wahlvorstand mit der Übermittlung des zu den Briefwahlunterlagen gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 iVm. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WO gehörenden Wahlausschreibens auch seiner Verpflichtung nach § 3 Abs. 4 Satz 4 WO genügen, wenn damit dem Zweck der Einbringung Betriebsabwesender in die Wahl Rechnung getragen ist.
70bb) Vorliegend ist der Wahlvorstand seiner Verpflichtung nach § 3 Abs. 4 Satz 4 WO sowohl bei den von der Anordnung mobiler Arbeit als auch bei den von der Kurzarbeit betroffenen Wahlberechtigten nachgekommen.
71(1) Soweit das Landesarbeitsgericht allerdings davon ausgegangen ist, das folge bei den Wahlberechtigten in mobiler Arbeit bereits daraus, dass der Wahlvorstand diesen am Tag der Bekanntmachung des Wahlausschreibens einen Link geschickt habe, über den sie sämtliche Bekanntmachungen des Wahlvorstands - mithin auch das Wahlausschreiben - im Intranet der Arbeitgeberin hätten einsehen können, hat es die Anforderungen des § 3 Abs. 4 Satz 4 WO verkannt. Die Übermittlung des Wahlausschreibens an die in § 24 Abs. 2 WO genannten Wahlberechtigten kann zwar postalisch oder elektronisch und insbesondere auch per E-Mail erfolgen (vgl. BR-Drs. 666/21 S. 20). Aus der Zusammenschau mit Satz 2 von § 3 Abs. 4 WO ergibt sich aber, dass nach Satz 4 von § 3 Abs. 4 WO kein Link zu einer Seite genügt, wo das Wahlausschreiben (nach dem „Klicken“ eines weiteren Links) neben anderen Dokumenten abgerufen werden kann (aA offenbar Carlson/Kummert AuR 2022, 100, 107). Der Verordnungsgeber hat klar zwischen der „Bekanntmachung“ des Wahlausschreibens mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik und der „Übermittlung“ des Wahlausschreibens unterschieden. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob der Wahlvorstand das Wahlausschreiben als E-Mail oder zumindest in Form eines elektronischen Dokuments als Anhang zur einer E-Mail hätte übermitteln müssen, oder ob nicht auch ein Link, der unmittelbar zu dem Wahlausschreiben führt, ausgereicht hätte. Jedenfalls genügt es für eine Übermittlung iSv. § 3 Abs. 4 Satz 4 WO nicht, das Wahlausschreiben im Intranet zur Verfügung zu stellen und lediglich darauf hinzuweisen. Der betriebsabwesende Personenkreis iSv. § 24 Abs. 2 WO soll unkompliziert und schnell vom Inhalt des Wahlausschreibens Kenntnis nehmen können. Dies ist nicht gewährleistet, wenn nach der Verlinkung weitere Seiten im Intranet aufgerufen werden müssen, wie es vorliegend der Fall war.
72(2) Durch die Übersendung des Wahlausschreibens mit den Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe hat der Wahlvorstand seine Pflicht nach § 3 Abs. 4 Satz 4 WO aber erfüllt. Die Wahlberechtigten iSv. § 24 Abs. 2 WO sollen grundsätzlich schon vor der Zusendung der Wahlunterlagen - die erst erfolgt, wenn auch die Vorschlagslisten bekannt gemacht werden - die Möglichkeit haben, von der Durchführung der Betriebsratswahl Kenntnis zu erlangen und sich in das Verfahren einzubringen. Mit der in § 3 Abs. 4 Satz 4 WO geregelten Übersendungspflicht sollen sie das Wahlausschreiben deshalb bereits unmittelbar nach seinem Erlass erhalten (vgl. BR-Drs. 666/21 S. 20). In den Fällen des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO kann freilich - wie bereits ausgeführt - der Wahlvorstand erst nach der Bekanntmachung der Vorschlagslisten Kenntnis davon erlangen, dass Wahlberechtigte aufgrund der Eigenart ihrer Beschäftigungsverhältnisse (die sich ggf. auch erst nach dem Erlass des Wahlausschreibens überhaupt ergeben) im Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden. Dann kann mit der Übersendung des Wahlausschreibens mit den Briefwahlunterlagen auch der Pflicht des § 3 Abs. 4 Satz 4 WO genügt sein. Einer gesonderten („doppelten“) Übermittlung des Wahlausschreibens bedarf es vor allem dann nicht, wenn die Briefwahlunterlagen zeitnah zum Auftreten eines Tatbestands nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO versandt werden bzw. der mit § 3 Abs. 4 Satz 4 WO (auch) verfolgte Zweck des Einbringens der Betriebsabwesenden in die Wahl im Wege einer eigenen Kandidatur wegen des Fristablaufs für die Wahlvorschläge ohnehin nicht mehr greifen kann.
73(a) Vorliegend war der Wahlvorstand nicht verpflichtet, den von der Anordnung mobiler Arbeit Betroffenen bereits aufgrund der Anordnung der Arbeitgeberin vom das Wahlausschreiben zu übersenden. In diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO in Bezug auf diesen Personenkreis noch nicht vor. Erforderlich ist danach die Kenntnis des Wahlvorstands von der voraussichtlichen Betriebsabwesenheit im Zeitpunkt der Wahl. Die Anweisung der Arbeitgeberin vom erfolgte „bis auf Weiteres“. Unterstellt, der Wahlvorstand wusste von dieser Anweisung, so hatte er - gerade im Hinblick auf den unklaren weiteren Verlauf der Covid-19-Pandemie - in diesem Zeitpunkt jedenfalls keine Kenntnis, dass die Anordnung mobiler Arbeit für die Betroffenen auch noch ca. vier Monate später im Zeitpunkt der Betriebsratswahl gelten würde.
74(b) Die eine Übersendungspflicht nach § 3 Abs. 4 Satz 4 WO auslösende Kenntnis von der voraussichtlichen Betriebsabwesenheit der betroffenen Arbeitnehmer konnte der Wahlvorstand frühestens am erlangen, als die Arbeitgeberin die maximale Nutzung der mobilen Arbeit „vorerst … bis zum “ anordnete. Daraufhin hat der Wahlvorstand das Wahlausschreiben zeitnah - zusammen mit den weiteren Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe iSv. § 24 Abs. 1 Satz 1 WO - übermittelt. Angesichts der außergewöhnlich hohen Anzahl von ca. 26.000 betroffenen Wahlberechtigten liegt in der Verpackung der Briefwahlunterlagen im Zeitraum vom 7. bis sowie deren Versendung am 14. und keine Verzögerung. Damit ist zugleich der Übermittlungspflicht nach § 3 Abs. 4 Satz 4 WO genügt.
75(3) Auch den von Kurzarbeit betroffenen Wahlberechtigten hat der Wahlvorstand das Wahlausschreiben - mit den Briefwahlunterlagen - zeitnah übermittelt. Die Kurzarbeit wurde erst am 22. Februar bzw. bekannt gegeben. Der Wahlvorstand beschloss am bzw. konkretisierte am , dass alle im Zeitpunkt der Wahl von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer, die dem Wahlvorstand durch Kostenstellen oder Abteilungskürzel (OE) bekannt gegeben werden, die Briefwahlunterlagen erhalten. Er verpackte die Unterlagen gemeinsam mit Wahlhelfern und versandte sie sukzessive in der Zeit vom 2. bis . Für einige noch nachträglich benannte Mitarbeiter erfolgte die Versendung am , für weitere nachgemeldete ca. 300 Wahlberechtigte schließlich am . Damit genügte der Wahlvorstand zugleich seiner Verpflichtung aus § 3 Abs. 4 Satz 4 WO.
76b) Schließlich hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Wahlvorstand habe nicht durch eine verspätete Übersendung der Briefwahlunterlagen gegen eine wesentliche Wahlvorschrift verstoßen, einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung stand.
77aa) Für die Übermittlung der Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe iSv. § 24 Abs. 1 WO gibt die Wahlordnung keinen Zeitpunkt oder eine Frist vor. Allerdings muss sie so rechtzeitig erfolgen, dass die betroffenen Wahlberechtigten in gleichwertiger Weise wie die übrigen Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, aktiv an der Wahl teilzunehmen und insbesondere in die Lage versetzt werden, den Freiumschlag rechtzeitig bis zur Stimmauszählung an den Wahlvorstand zurückzusenden (vgl. HaKo-BetrVG/Sachadae 6. Aufl. § 24 WO Rn. 11; Boemke Die Betriebsratswahl § 3 Rn. 348; DKW/Homburg 19. Aufl. § 24 WO Rn. 25; Richardi BetrVG/Forst 17. Aufl. WO § 24 Rn. 17 f.). Den Wahlberechtigten muss eine Entscheidung über die aktive Wahlteilnahme (noch) möglich sein. § 24 WO soll nicht die Ausübung des passiven Wahlrechts schützen; diesen Zweck erfüllt § 3 Abs. 4 WO.
78bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde müssen die Briefwahlunterlagen den betreffenden Arbeitnehmern nicht spätestens eine Woche vor Beginn der Stimmabgabe zugehen. Die Wahlordnung bestimmt insoweit kein Datum (anders zB § 17 Abs. 3 GleibWV, wonach der Wahlvorstand bei ausschließlicher Briefwahl die entsprechenden Unterlagen den Wahlberechtigten unaufgefordert spätestens drei Wochen vor dem Wahltag zu übersenden hat). Ein solches ergibt sich auch nicht aus § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 10 Abs. 2 WO. Zwar sind die Vorschlagslisten gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WO Bestandteil der Briefwahlunterlagen. Gerade deren Nennung in § 24 WO führt aber dazu, dass keine einwöchige Mindestfrist gilt. Wenn die Bekanntmachung der Vorschlagslisten noch eine Woche vor Beginn der Stimmabgabe erfolgen kann, ist es in Hinblick auf die hinzuzurechnenden Postlaufzeiten denklogisch ausgeschlossen, dass die Briefwahlunterlagen eine Woche vor Beginn der Stimmabgabe beim Wähler zugegangen sein müssen.
79cc) Bei einem sich erst kurz vor dem Wahltag verwirklichenden und grundsätzlich unter § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO fallenden Sachverhalt vermag es zu einem Spannungsverhältnis zu kommen zwischen den Zeitpunkten, in dem einerseits der Wahlvorstand von den Voraussetzungen für die schriftliche Stimmabgabe Kenntnis erlangt, und in dem er andererseits den Wahlberechtigten die Briefwahlunterlagen noch rechtzeitig übermitteln kann. Ergibt sich etwa für eine bestimmte Gruppe Wahlberechtigter erst sehr kurzfristig vor dem Zeitpunkt der Wahl eine Betriebsabwesenheit wegen Kurzarbeit (Null) oder Homeoffice, kommt dem Wahlvorstand eine Einschätzungsprärogative zu, ob er das Merkmal einer „voraussichtlichen“ Betriebsabwesenheit im Sinn deren Vorhersehbarkeit als erfüllt ansieht und ob bei einer Übersendung der Briefwahlunterlagen typischerweise noch mit einem rechtzeitigen Eingang der schriftlich abgegebenen Stimmen gerechnet werden kann.
80dd) Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe seien nicht verspätet übersandt worden, als frei von Rechtsfehlern.
81(1) Der Umstand, dass etwa 700 Wahlberechtigte die Briefwahlunterlagen erst am erhalten haben sollen, stellt keinen zur Anfechtung berechtigenden Fehler dar. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, verblieben in diesem Zeitpunkt aufgrund der bis laufenden Wahl noch drei Tage zur Stimmabgabe. Dabei musste der Wahlvorstand nicht zwingend nur auf Postlaufzeiten abheben. Nach § 25 Satz 1 Nr. 3 WO kann eine schriftlich abgegebene Stimme dem Wahlvorstand auch übergeben werden. Insofern liegt es in der Entscheidung jedes einzelnen Wahlberechtigten, den Übermittlungsweg zu wählen, der einen rechtzeitigen Zugang seiner Wahlunterlagen beim Wahlvorstand gewährleistet. Auch ist zu berücksichtigen, dass die späte Übermittlung auf einer erneuten Mitteilung von betroffenen Wahlberechtigten beruhte und der Wahlvorstand nicht diesen späten Zeitpunkt für eine erstmalige Versendung der Wahlunterlagen abgewartet hatte.
82(2) Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen bestanden auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht. Abgesehen davon, dass die Rechtsbeschwerde insoweit keine zulässige Verfahrensrüge erhoben hat, haben die Antragsteller keine Personen benannt, bzgl. derer im Raum steht, sie seien an einer rechtzeitigen Stimmabgabe gehindert gewesen. Hinsichtlich eines namentlich angeführten Wahlberechtigten hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass dessen schriftlich abgegebene Stimme dem Wahlvorstand rechtzeitig zugegangen ist.
83IV. Nach all dem wird das Landesarbeitsgericht lediglich noch den streitig gebliebenen Umstand aufzuklären haben, ob der Wahlvorstand - wie vom Betriebsrat unter Beweisantritt behauptet - den Wahlberechtigten in angeordneter mobiler Arbeit die Unterlagen für die schriftliche Stimmabgabe auf der Grundlage der von den Führungskräften eingeholten Informationen, also nicht (auch) an die an den Wahltagen betriebsanwesenden Wahlberechtigten mit „Business-essential-Tätigkeit“, übersandt hat. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, wäre weiter aufzuklären, ob der in der Übersendung von Briefwahlunterlagen auch an Wahlberechtigte mit „Business-essential-Tätigkeit“ liegende Verstoß gegen § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO für das Wahlergebnis potenziell kausal iSv. § 19 Abs. 1 BetrVG gewesen ist. Dabei kommt es darauf an, ob sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Folglich dürfte es - sollte eine entsprechende Kausalitätsprüfung veranlasst sein - ggf. auf die Anzahl der Wahlberechtigten ankommen, denen der Wahlvorstand Briefwahlunterlagen übersandt hat, obwohl die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WO nicht vorlagen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:231024.B.7ABR34.23.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-88396