Leitsatz
1. Einen vermietenden Wohnungseigentümer trifft eine Haftung als mittelbarer Handlungsstörer für von dem Mieter ohne erforderlichen Gestattungsbeschluss vorgenommene bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums, wenn er die baulichen Veränderungen erlaubt hat, wenn er mit baulichen Veränderungen wegen einer von dem Mieter angekündigten Nutzungsabsicht rechnen muss und den Mieter gleichwohl nicht auf das Erfordernis eines vorherigen Gestattungsbeschlusses hinweist, oder wenn er es unterlässt, gegen den Mieter einzuschreiten, nachdem er Kenntnis von der Vornahme der baulichen Veränderungen erlangt hat.
2. Ein Wohnungseigentümer, der eine bauliche Veränderung ohne erforderlichen Gestattungsbeschluss vorgenommen hat, kann dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entgegenhalten, dass ein Gestattungsanspruch besteht (Fortführung von Senat, Urteil vom - V ZR 140/22, NJW-RR 2023, 791).
3a. Wird ein Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Beseitigung einer nicht gestatteten baulichen Veränderung in Anspruch genommen und verlangt er im Wege der Widerklage, einen Beschluss über die Gestattung der baulichen Veränderung zu ersetzen, steht der Widerklage das Gebot der Vorbefassung regelmäßig nicht entgegen.
3b. Bedarf der widerklagend geltend gemachte Gestattungsanspruch näherer Aufklärung, hat in der Regel ein Teilurteil über den entscheidungsreifen Beseitigungsanspruch zu unterbleiben; dagegen kann über eine Unterlassungsklage, mit der (lediglich) der Beginn oder die Fortsetzung einer nicht gestatteten baulichen Veränderung unterbunden werden soll, regelmäßig vorab durch Teilurteil entschieden werden.
3c. Erhebt der auf Beseitigung in Anspruch genommene Wohnungseigentümer Klage auf Ersetzung eines Gestattungsbeschlusses zum Amtsgericht, nachdem er erstinstanzlich zur Beseitigung verurteilt worden ist, kommt eine Aussetzung des auf den Beseitigungsanspruch bezogenen Berufungsverfahrens nicht in Betracht.
Gesetze: § 242 BGB, § 1004 Abs 1 S 1 BGB, § 20 Abs 1 WoEigG, § 20 Abs 3 WoEigG, § 44 Abs 1 S 2 WoEigG, § 148 Abs 1 ZPO, § 301 ZPO
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-09 S 11/23vorgehend AG Frankfurt Az: 33 C 1853/22 (56)
Tatbestand
1 Die Beklagte ist als Teileigentümerin einer Gewerbeeinheit Mitglied der Klägerin, einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Pächter dieser früher als Restaurant genutzten Einheit sind die Streithelfer, die dort in der Absicht, eine Shisha-Bar zu betreiben, im Oktober 2020 ohne vorherige statische Berechnung eine tragende Wand abrissen; dies hatte Haar- und Setzrisse in Wohnungen des Hauses und im Treppenhaus zur Folge und führte zu einem zwischenzeitlichen Baustopp durch das Bauaufsichtsamt. Im Juli 2021 ließen die Streithelfer zwecks Installation einer Lüftungsanlage und Verlegung von Kabeln und einer Abwasserleitung die Deckenplatte zwischen der Gewerbeeinheit und dem Keller sowie mehrfach - teils in einem Durchmesser von 80-100 cm - die Fassade durchbohren. Im August 2021 wechselte die Beklagte E-Mails mit der Hausverwaltung, nachdem diese sie dazu aufgefordert hatte, jegliche Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum zu unterlassen. Am beschlossen die Wohnungseigentümer, die Beklagte auf Rückbau in Anspruch zu nehmen. Im Januar 2022 ließ die Beklagte einen Teil der Wand im Treppenhaus abschlagen, um einen Setzriss zu sanieren. Im Februar 2022 bauten die Streithelfer die Lüftungsanlage ein, woraufhin die Beklagte erneut aufgefordert wurde, sämtliche Arbeiten einzustellen; die Streithelfer setzten die Arbeiten indes nur wenige Tage später fort. Die Klägerin erwirkte daraufhin Ende Februar 2022 eine einstweilige Verfügung gegen die Streithelfer, mit der diesen untersagt wurde, bauliche Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum vorzunehmen. Im April 2022 eröffneten die Streithelfer die Shisha-Bar.
2 Im Juni 2022 hat die Klägerin die Beklagte auf Wiederherstellung des - im Einzelnen näher konkretisierten - Zustands des Gemeinschaftseigentums gerichtlich in Anspruch genommen. In der nach der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht auf Betreiben der Beklagten durchgeführten Eigentümerversammlung wurde die Genehmigung der baulichen Maßnahmen abgelehnt. Nach Einlegung der Berufung gegen das dem Wiederherstellungsbegehren stattgebende amtsgerichtliche Urteil hat die Beklagte Beschlussersetzungsklage zum Amtsgericht erhoben; jenes Verfahren ruht. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Wiederherstellung zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, möchte die Beklagte weiterhin Klageabweisung erreichen.
Gründe
I.
3 Das Berufungsgericht meint, dass ein von der Klägerin geltend zu machender Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen der Durchführung der baulichen Veränderungen ohne hierfür notwendigen Gestattungsbeschluss bestehe. Der Anspruch richte sich gegen die Beklagte; das Amtsgericht sei in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass ihr ein Vorgehen gegen die Streithelfer möglich und zumutbar gewesen wäre.
4 Diesem Beseitigungsanspruch könne die Beklagte einen eventuellen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderungen nicht im Wege des dolo-agit-Einwands entgegenhalten. Nach dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (im Folgenden: WEMoG) bedürfe es eines legitimierenden Beschlusses auch dann, wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt werde. Hiermit sei der verfahrensrechtliche Weg für den Bauwilligen vorgegeben. Verhalte er sich sehenden Auges gesetzeswidrig, setze er sich auf eigenes Risiko einem Beseitigungsverlangen aus; ein Unterschied zu einem Unterlassungsanspruch, über den der ) entschieden habe, bestehe im Grundsatz nicht. Andernfalls würde der ohne Gestattung Bauende, der vollendete Tatsachen schaffe, grundlos privilegiert; auch solle die GdWE, auf deren Tätigwerden die anderen Wohnungseigentümer ohnehin erst einmal hinwirken müssten, nicht in einer Art Wettlauf gegen den bauenden Wohnungseigentümer zu einstweiligen Rechtsschutzmaßnahmen gedrängt werden.
5 Eine andere Beurteilung gebiete auch die zwischenzeitliche Erhebung der Beschlussersetzungsklage nicht. Die Beklagte hätte insoweit Widerklage erheben können und müssen, um die Gestattung zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens zu machen. Es sei auch nicht zwingend, das Verfahren nunmehr auszusetzen, nachdem die Beklagte eine prozessökonomisch sinnvolle Widerklage nicht erhoben und die Klägerin ein Interesse an einer zeitnahen Entscheidung habe. Dem angestrengten Beschlussersetzungsverfahren könne ggf. im Rahmen der Zwangsvollstreckung Rechnung getragen werden.
II.
6 Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht vollen Umfangs stand.
7 1. Zutreffend bejaht das Berufungsgericht allerdings Ansprüche auf Beseitigung der ab Juli 2021 ohne vorherige Gestattung erfolgten Um- und Einbauten gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Insoweit liegen rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigungen vor, die die Klägerin gemäß § 9a Abs. 2 WEG geltend machen kann (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 41/19, NJW-RR 2021, 1166 Rn. 6).
8 a) Rechtsfehlerfrei wendet das Berufungsgericht mit Blick auf die ab Juli 2021 durchgeführten Maßnahmen das nach Inkrafttreten des WEMoG geltende neue Recht an. Die materiell-rechtlichen Ansprüche würden sich nur dann nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum geltenden Fassung richten, wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits abgeschlossen wäre (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 32/21, NJW 2022, 2397 Rn. 6). Ob einzelne, von späteren Umbauten trennbare Maßnahmen bereits vor dem durchgeführt worden sind, ist dagegen für die rechtliche Beurteilung der erst nach Inkrafttreten des WEMoG erfolgten Umbauten auch dann unerheblich, wenn insgesamt ein bestimmtes Ziel verwirklicht werden soll. So liegt es hier: Zwar haben die Streithelfer bereits im Oktober 2020 - und damit noch unter Geltung alten Rechts - mit dem Umbau der Gewerbeeinheit zur Shisha-Bar begonnen und eine tragende Wand entfernt. Das alleine genügt aber nicht, um alle im Zuge des Umbaus durchgeführten Maßnahmen altem Recht zu unterwerfen. So betrafen die weiteren, ab Juli 2021 im Zusammenhang mit der Installation der Lüftungsanlage sowie der Sanierung einer Wand im Treppenhaus vorgenommenen Um- und Einbauten schon ganz andere Teile des Gemeinschaftseigentums. Sie sind von der Entfernung der tragenden Wand ohne weiteres zu trennen und unabhängig davon rechtlich zu beurteilen. Dass der Umbau insgesamt dazu gedient hat, die Gewerbeeinheit als Shisha-Bar zu nutzen, führt weder dazu, dass wegen des Beginns im Oktober 2020 auch für alle nach dem durchgeführten Maßnahmen altes Recht anzuwenden wäre, noch dazu, dass die durch das WEMoG erfolgten Änderungen auch für vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Maßnahmen - hier: die Entfernung der tragenden Wand (s.u. Rn. 33) - Relevanz hätten.
9 b) Gemäß § 20 Abs. 1 WEG können Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Fehlt ein entsprechender Beschluss, stellt eine gleichwohl vorgenommene bauliche Veränderung eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB dar.
10 aa) Bauliche Veränderungen i.S.d. in § 20 Abs. 1 WEG enthaltenen Legaldefinition bedürfen der Gestattung durch Beschluss (sog. Beschlusszwang, hierzu näher unten Rn. 23). Anders liegt es nur, wenn das Beschlusserfordernis ausdrücklich abbedungen ist oder wenn es sich um übliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums innerhalb des räumlichen Bereichs des Sondereigentums handelt, die ohne weiteres als gestattet anzusehen sind (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 140/22, NJW-RR 2023, 791 Rn. 12, 30). Fehlt ein erforderlicher Gestattungsbeschluss, darf die bauliche Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer nicht vorgenommen werden und stellt eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB dar. Das gilt nicht nur im Fall der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, sondern nach der eindeutigen Konzeption des WEMoG auch für Beseitigungsansprüche (so bereits Senat, Urteil vom - V ZR 140/22, aaO Rn. 12, 29).
11 bb) Demnach ist hier mangels Gestattungsbeschlusses von einer rechtswidrigen Eigentumsbeeinträchtigung auszugehen. Daran, dass es sich bei den ab Juli 2021 vorgenommenen Baumaßnahmen um bauliche Veränderungen handelt, weil sie über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, besteht kein Zweifel; hiergegen erinnert auch die Revision nichts. Ebenso wenig ist ersichtlich oder vorgebracht, dass das Beschlusserfordernis ausdrücklich abbedungen wäre. Zuletzt handelt es sich bei den in Rede stehenden mehrfachen und teils auch größeren Decken- und Fassadendurchbohrungen sowie bei der Installation der Lüftungsanlage nicht um übliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums innerhalb des räumlichen Bereichs des Sondereigentums.
12 c) Die Beklagte ist Störerin.
13 aa) Soweit es um die im Januar 2022 vorgenommenen Arbeiten im Treppenhaus geht, ist die Beklagte unmittelbare Handlungsstörerin. Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Klägerin die Veranlassung der Arbeiten durch die Beklagte nicht bewiesen habe. Denn insoweit gilt die Bindungswirkung des Tatbestands gemäß § 314 ZPO; sollte die Veranlassung der Arbeiten durch die Beklagte im Berufungsverfahren streitig gewesen sein, hätte eine Tatbestandsberichtigung in dem Verfahren nach § 320 ZPO erfolgen müssen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 77/21, NZM 2022, 425 Rn. 19). Entgegen der Auffassung der Revision leidet das Berufungsurteil deshalb auch nicht an einem Begründungsmangel i.S.d. § 547 Nr. 6 ZPO.
14 bb) Mit Blick auf die von den Streithelfern im Zusammenhang mit der Installation der Lüftungsanlage ab Juli 2021 vorgenommenen Maßnahmen ist die Beklagte mittelbare Handlungsstörerin.
15 (1) Bei der Bestimmung der Störereigenschaft nach § 1004 Abs. 1 BGB geht es um die Zurechnung von Ursachen, die in Eigentumsbeeinträchtigungen einmünden, letztlich also um den Zuschnitt von Verantwortungsbereichen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 118/13, NJW 2015, 2027 Rn. 13). Eine Haftung als mittelbarer Handlungsstörer trifft in wertender Betrachtung unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls denjenigen, der eine Störung durch einen anderen in adäquater Art und Weise durch seine Willensbetätigung kausal (mit)verursacht und dem es möglich und zumutbar ist, die Störung zu verhindern. Es entspricht deshalb ständiger Rechtsprechung, dass der Eigentümer für Störungshandlungen seines Mieters nur verantwortlich gemacht werden kann, wenn er dem Mieter den Gebrauch seiner Sache mit der Erlaubnis zu störenden Handlungen überlassen hat oder es unterlässt, ihn von einem fremden Eigentum beeinträchtigenden Gebrauch abzuhalten (vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 311/16, NJW 2018, 1542 Rn. 13 mwN). Einen vermietenden (oder - wie hier - verpachtenden) Wohnungseigentümer trifft dementsprechend eine Haftung als mittelbarer Handlungsstörer für von dem Mieter (bzw. Pächter) ohne erforderlichen Gestattungsbeschluss vorgenommene bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums, wenn er die baulichen Veränderungen erlaubt hat, wenn er mit baulichen Veränderungen wegen einer von dem Mieter (bzw. Pächter) angekündigten Nutzungsabsicht rechnen muss und den Mieter (bzw. Pächter) gleichwohl nicht auf das Erfordernis eines vorherigen Gestattungsbeschlusses hinweist, oder wenn er es unterlässt, gegen den Mieter (bzw. Pächter) einzuschreiten, nachdem er Kenntnis von der Vornahme der baulichen Veränderungen erlangt hat.
16 (2) Gemessen daran ist hier auf der Grundlage der Feststellungen (§ 559 ZPO) die Haftung der Beklagten als mittelbare Handlungsstörerin für die von den Streithelfern im Zusammenhang mit der Installation der Lüftungsanlage ab Juli 2021 vorgenommenen Maßnahmen zu bejahen. Das Berufungsgericht geht - wie zuvor das Amtsgericht - offenkundig davon aus, dass die Beklagte über diese zum Zwecke des Betriebs einer Shisha-Bar durchgeführten Maßnahmen der Streithelfer informiert war und gleichwohl nicht einschritt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist daher für das Revisionsverfahren keineswegs anzunehmen, dass die baulichen Veränderungen gegen ihren Willen vorgenommen wurden. Dazu müsste die Revision entsprechenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen aufzeigen, woran es fehlt. Sie verweist lediglich auf Vortrag, wonach die Beklagte, nachdem sie im Oktober 2020 von den Umbauten erfahren habe, stets darum bemüht gewesen sei, Einvernehmen mit den anderen Wohnungseigentümern zu erzielen. Daraus folgt aber nicht der Wille, Störungen zu unterlassen oder zu unterbinden, sondern lediglich der Wunsch, diese durch die Gestörten billigen zu lassen.
17 (3) Eines gerichtlichen Hinweises (§ 139 ZPO) durch das Berufungsgericht bedurfte es in diesem Zusammenhang, anders als die Revision meint, ebenfalls nicht. Eine Partei darf darauf vertrauen, dass ein Gericht keine Überraschungsentscheidung trifft (vgl. , NJW 2010, 3089 Rn. 18). Eine Hinweispflicht besteht dagegen nicht, wenn es sich um eine zentrale Frage des Rechtsstreits handelt (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235 Rn. 8). So liegt es hier. Die - bereits von dem Amtsgericht angenommene - Haftung aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB war der zentrale Streitpunkt, und dass das Berufungsgericht die Störereigenschaft der Beklagten unter Verweis auf die gleichlautende Einschätzung des Amtsgerichts bejahen würde, konnte die Beklagte nicht überraschen.
18 d) Dem aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB folgenden Beseitigungsanspruch der Klägerin kann die Beklagte einen Anspruch auf Gestattung der ab Juli 2021 vorgenommenen baulichen Veränderungen nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenhalten.
19 aa) Gemäß § 20 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind. Es besteht also ein Anspruch auf einen die geplante bauliche Veränderung gestattenden Beschluss, wenn entweder kein anderer Wohnungseigentümer im Sinne des Gesetzes beeinträchtigt wird oder wenn alle beeinträchtigten Wohnungseigentümer einverstanden sind. Mangels anderslautender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass Rechte der anderen Wohnungseigentümer durch die ab Juli 2021 vorgenommenen Baumaßnahmen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus nicht beeinträchtigt werden. Demnach ist für das Revisionsverfahren ein Anspruch der Beklagten auf einen die ab Juli 2021 vorgenommenen baulichen Veränderungen gestattenden Beschluss zu unterstellen.
20 bb) Eine Einrede aus § 242 BGB ergibt sich daraus - anders als nach altem Recht - aber nicht. Ein Wohnungseigentümer, der eine bauliche Veränderung i.S.d. § 20 Abs. 1 WEG ohne erforderlichen Gestattungsbeschluss vorgenommen hat, kann dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gemäß § 242 BGB entgegenhalten, dass ein Gestattungsanspruch nach § 20 Abs. 3 WEG besteht.
21 (1) Nach der bis zum Inkrafttreten des WEMoG geltenden Rechtslage mussten einer baulichen Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG aF alle Wohnungseigentümer zustimmen, denen über das bei einem gedeihlichen Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG aF erwuchsen. Ob es für eine solche Zustimmung eines förmlichen Beschlusses bedurfte, hat der Senat offengelassen (vgl. etwa Urteil vom - V ZR 25/13, NJW 2014, 1090 Rn. 9 mwN zum Streitstand). Es entsprach aber ständiger Rechtsprechung, dass einem Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch auf Gestattung der baulichen Maßnahme gemäß § 22 Abs. 1 WEG aF entgegengehalten werden konnte (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 56/17, NJW-RR 2018, 1165 Rn. 27 mwN).
22 (2) Das hat sich mit dem Inkrafttreten des WEMoG, wie der Senat bereits im Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB entschieden hat (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 140/22, NJW-RR 2023, 791 Rn. 20 ff.), geändert. Bei Beseitigungsansprüchen aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt nichts anderes.
23 (a) Der Gesetzgeber hat sich für den in § 20 Abs. 1 WEG normierten sogenannten Beschlusszwang entschieden, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden und die vielfältigen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen zu beseitigen (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 62, 65). Klargestellt wird, dass jede von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses bedarf, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden. Für den bauwilligen Wohnungseigentümer hat der legitimierende Beschluss den Vorteil, dass er - ebenso wie eventuelle Rechtsnachfolger - durch dessen Bestandskraft Rechtssicherheit hat (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 62).
24 (b) Damit ist das Verfahren bei beabsichtigter baulicher Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer vorgezeichnet. Ein Wohnungseigentümer, der eine nicht in der Gemeinschaftsordnung gestattete bauliche Veränderung beabsichtigt, hat einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Dass die Beschlussfassung im Einzelfall angesichts der eindeutigen Mehrheitsverhältnisse ausgeschlossen sein mag, ändert daran nichts; dies kann nur dazu führen, dass die Vorbefassung der Eigentümerversammlung entbehrlich ist. Demgegenüber sollen die übrigen Wohnungseigentümer nicht in die Rolle gedrängt werden, auf die Erhebung einer Klage durch die GdWE hinwirken zu müssen. Deshalb kann einem Unterlassungsanspruch nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegengehalten werden, dass ein Gestattungsanspruch nach § 20 Abs. 3 WEG besteht (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 140/22, NJW-RR 2023, 791 Rn. 26).
25 (c) Eine andere Beurteilung ist nicht geboten, wenn die bauliche Veränderung - wie hier - bereits fertiggestellt und die Klage der GdWE deshalb nicht auf Unterlassung, sondern auf Beseitigung gerichtet ist; auch einem Beseitigungsanspruch kann ein Gestattungsanspruch nicht mehr gemäß § 242 BGB entgegengehalten werden (ebenso AG Paderborn, ZMR 2022, 1018 Rn. 155; AG Hamburg-Altona, ZMR 2024, 616 Rn. 19; Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 427; BeckOGK/Kempfle, WEG [], § 20 Rn. 278; MüKoBGB/Rüscher, 9. Aufl., § 20 WEG Rn. 14 f.; jetzt auch Hügel/Elzer, WEG, 4. Aufl., § 20 Rn. 182; zweifelnd weiterhin Hogenschurz in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 20 Rn. 120). Die Zulassung des dolo-agit-Einwands würde den eindeutigen gesetzgeberischen Willen und das nunmehr vorgezeichnete Verfahren konterkarieren. Gerade die von der Revision aufgeworfene Frage, ob etwa die Lüftungsanlage und die damit verbundenen Decken- und Fassadendurchbohrungen hinzunehmen seien, weil die in der Gewerbeeinheit grundsätzlich erlaubte Shisha-Bar nicht ohne Lüftungsanlage betrieben werden könne, zumal das in einer anderen Gewerbeeinheit der Wohnungseigentumsanlage befindliche Restaurant ebenfalls über eine Lüftungsanlage verfüge, gehört nach dem Willen des Gesetzgebers vor Inangriffnahme der konkret geplanten baulichen Veränderung zunächst in eine Eigentümerversammlung und gegebenenfalls in ein Beschlussersetzungsverfahren. Wird dieses Verfahren eingehalten, werden die von der Revision geäußerten Bedenken obsolet: So kann etwa die Überlegung, welche (weiteren) baustellenbedingten Belästigungen die anderen Wohnungseigentümer hinzunehmen bereit sind oder hinzunehmen haben, in diesem Rahmen ohne weiteres angestellt werden; umgekehrt ist bei Einhaltung dieses Verfahrens ein Bauen auf eigenes Risiko mit der Gefahr der späteren Zerschlagung wirtschaftlicher Werte ein für alle Mal - auch gegenüber Rechtsnachfolgern - ausgeschlossen. Setzt sich der Bauwillige dagegen über dieses vorgegebene Verfahren hinweg, hat er nach der eindeutigen gesetzlichen Konzeption die (wirtschaftlichen) Folgen zu tragen.
26 e) An diesem Ergebnis ändert sich, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend sieht, durch die Erhebung der Beschlussersetzungsklage im Verlauf des Berufungsverfahrens nichts. Die Beklagte hätte während des erstinstanzlichen Beseitigungsverfahrens eine auf Beschlussersetzung gerichtete Widerklage erheben können und müssen; der erforderliche Zusammenhang (§ 33 ZPO) hätte bestanden.
27 aa) Die Verfolgung des Gestattungsanspruchs im Wege einer solchen Widerklage ist prozessökonomisch und führt dazu, dass alle im Zusammenhang mit der einen Gestattungsbeschluss erfordernden und ansonsten rechtswidrigen baulichen Veränderung zwischen den Parteien streitigen Fragen zeitnah in einem Verfahren geklärt werden. Wird ein Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Beseitigung einer nicht gestatteten baulichen Veränderung in Anspruch genommen und verlangt er im Wege der Widerklage, einen Beschluss über die Gestattung der baulichen Veränderung zu ersetzen, steht der Widerklage auch das Gebot der Vorbefassung (vgl. zuletzt Senat, Urteil vom - V ZR 86/24, zur Veröffentlichung bestimmt) regelmäßig nicht entgegen; denn durch die gerichtliche Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs wird der der baulichen Veränderung entgegenstehende Mehrheitswille hinreichend deutlich, und die Befassung der Versammlung wäre unnötige Förmelei. Es ist im Weiteren Sache der Gerichte, die so verbundenen Beseitigungs- und Beschlussersetzungsklagen durch sinnvolle Verfahrensgestaltung zu einem einheitlichen Abschluss zu bringen. Bedarf der widerklagend geltend gemachte Gestattungsanspruch näherer Aufklärung, eventuell auch einer Beweisaufnahme, hat deshalb gemäß § 301 Abs. 2 ZPO in der Regel ein Teilurteil über den an sich entscheidungsreifen Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zu unterbleiben, weil (nur) das nach Lage der Sache angemessen ist; dagegen kann über eine Unterlassungsklage, mit der (lediglich) der Beginn oder die Fortsetzung einer nicht gestatteten baulichen Veränderung unterbunden werden soll, regelmäßig vorab durch Teilurteil entschieden werden.
28 bb) Eine rechtzeitige Widerklage hat die Beklagte aber nicht erhoben. Da sie ihre Beschlussersetzungsklage erst nach der mündlichen Verhandlung in erster Instanz über die Beseitigungsklage erhoben hat, konnten die Verfahren nicht (mehr) verbunden werden. Im Berufungsverfahren hätte die Beklagte eine Widerklage nicht erheben können, weil der Beseitigungsanspruch schon wegen des fehlenden Gestattungsbeschlusses besteht und infolgedessen die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO nicht erfüllt gewesen wären. Folgerichtig ist die Beklagte so auch nicht vorgegangen, sondern sie hat Klage vor dem Amtsgericht erhoben.
29 cc) Entgegen der Auffassung der Revision führt die Erhebung einer erstinstanzlichen Beschlussersetzungsklage nicht dazu, dass über das die Beseitigung bzw. Wiederherstellung betreffende Berufungsverfahren nicht entschieden werden kann.
30 (1) Erhebt der auf Beseitigung in Anspruch genommene Wohnungseigentümer Klage auf Ersetzung eines Gestattungsbeschlusses zum Amtsgericht, nachdem er erstinstanzlich zur Beseitigung verurteilt worden ist, kommt eine Aussetzung des auf den Beseitigungsanspruch bezogenen Berufungsverfahrens nicht in Betracht. Die Voraussetzungen von § 148 Abs. 1 ZPO liegen - anders, als das Berufungsgericht meint - schon nicht vor, weil die Entscheidung des zweitinstanzlichen Beseitigungsverfahrens nicht von dem Bestehen eines Gestattungsanspruchs abhängt. Dem Beseitigungsanspruch kann, wie vorstehend ausgeführt (Rn. 25), eine nicht beschlossene bzw. nicht gerichtlich ersetzte Gestattung nicht entgegengehalten werden. Vielmehr steht erst mit Rechtskraft eines den Gestattungsbeschluss ersetzenden Urteils fest, dass kein Beseitigungsanspruch besteht.
31 (2) Auch eine analoge Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO scheidet aus. Eine Aussetzung trotz Fehlens der in dieser Norm vorgegebenen Voraussetzungen hat der Senat zwar bei einer „torpedierenden“ Vergemeinschaftung von bereits erfolgreich eingeklagten Beseitigungsansprüchen einzelner Wohnungseigentümer nach altem Recht für angezeigt gehalten. Diese Fallkonstellation war aber deshalb besonders gelagert und nicht verallgemeinerungsfähig, weil die Abweisung der infolge der Vergemeinschaftung unzulässig gewordenen Beseitigungsklage trotz fehlender Vorgreiflichkeit mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar gewesen wäre (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 328/17, NJW 2019, 1216 Rn. 25). Demgegenüber steht in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation offensichtlich keine Benachteiligung des bauenden Wohnungseigentümers durch das (prozessuale) Verhalten der GdWE in Rede; auch drohen keine Prozessergebnisse verloren zu gehen. Vielmehr ist es Sache desjenigen Wohnungseigentümers, der - wie hier die Beklagte - eine bauliche Veränderung ohne Gestattungsbeschluss durchgeführt hat, spätestens nach Erhebung der Beseitigungsklage umgehend Widerklage auf Ersetzung des Gestattungsbeschlusses zu erheben. Versäumt er dies, gibt es keinen Grund, das entscheidungsreife Anliegen der GdWE zurückzustellen.
32 2. Rechtsfehlerhaft bejaht das Berufungsgericht aber einen Beseitigungs- bzw. Wiederherstellungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auch mit Blick auf die im Oktober 2020 entfernte tragende Wand.
33 a) Die materiell-rechtlichen Ansprüche richten sich insoweit nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum geltenden Fassung. Denn die ab Juli 2021 vorgenommenen Um- und Einbauten zwecks Installation der Lüftungsanlage erfolgten an anderen Teilen des Gemeinschaftseigentums und sind von der Entfernung der tragenden Wand zu trennen. Dass der Umbau insgesamt dazu gedient haben mag, die Gewerbeeinheit als Shisha-Bar zu nutzen, führt nicht dazu, dass auch auf die Entfernung der tragenden Wand im Oktober 2020 neues Recht anzuwenden wäre (s.o. Rn. 8).
34 b) Bei Anwendung des alten Rechts kann nach den für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen ein Beseitigungsanspruch indes nicht zugesprochen werden. Das Berufungsurteil ist deshalb insoweit auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO).
35 aa) Noch zutreffend ist allerdings, dass die Klägerin den Beseitigungsanspruch geltend machen kann. Nach der bis zum geltenden Rechtslage konnten Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums gemäß § 1004 Abs. 1 BGB von der GdWE zwar (nur) durchgesetzt werden, wenn sie diese durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen hatte (sog. gekorene Ausübungsbefugnis; vgl. etwa Senat, Urteil vom - V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn. 7). Diese Voraussetzung ist vorliegend aber aufgrund des Beschlusses vom erfüllt.
36 bb) Die Entfernung der tragenden Wand ist eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG aF, der alle Wohnungseigentümer hätten zustimmen müssen, denen über das bei einem gedeihlichen Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG aF erwuchsen. Ob es für eine solche Zustimmung eines förmlichen Beschlusses bedurfte, hat der Senat in der Vergangenheit, wie bereits ausgeführt (s.o. Rn. 21), offengelassen. Dies bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn vor dem Inkrafttreten des WEMoG entsprach es ständiger Rechtsprechung, dass einem Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch auf Gestattung der baulichen Maßnahme gemäß § 22 Abs. 1 WEG aF entgegengehalten werden konnte (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 56/17, NJW-RR 2018 - 1165 Rn. 27 mwN). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Gestattungsanspruch besteht.
37 (1) Unter einem einen Gestattungsanspruch ausschließenden Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche konkrete und objektive Beeinträchtigung zu verstehen. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 27/90, BGHZ 116, 392, 396). Der ständigen Senatsrechtsprechung zufolge sind Durchbrüche einer tragenden Wand oder Fassadendurchbohrungen nicht ohne weiteres als in diesem Sinne beeinträchtigend einzuordnen; ob sich andere Wohnungseigentümer durch derartige Eingriffe in die bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums verständlicherweise beeinträchtigt fühlen können, hängt vielmehr von einer tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab. Hierbei kann eine Rolle spielen, ob der Eingriff nach sachkundiger Planung und statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst geschehen ist (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 246 ff.).
38 (2) Hier fehlte vor Entfernung der tragenden Wand zwar eine statische Berechnung; darauf käme es allerdings - anders als im Fall eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB - nicht mehr an, wenn sich die anderen Wohnungseigentümer durch die bereits erfolgte Entfernung der Wand trotz fehlender statischer Berechnung nach der Verkehrsanschauung nicht mehr beeinträchtigt fühlen könnten, was nach dem Vorgesagten von einer tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls abhängt. In diesem Zusammenhang verweist die Revision unter Bezugnahme auf Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz darauf, dass mittlerweile ein Standsicherheitsnachweis vorliege. Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht getroffen. Dieses Vorbringen ist erheblich, weil es für die gerichtliche Durchsetzung eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ankommt (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 246/00, BGHZ 148, 261, 267). Sollte die Standsicherheit gewährleistet sein, wovon für das Revisionsverfahren auszugehen ist, erwüchse den anderen Wohnungseigentümern durch die bereits erfolgte Entfernung der Wand im Innenbereich der Gewerbeeinheit kein über das bei einem gedeihlichen Zusammenleben unvermeidbare Maß hinausgehender Nachteil im vorstehenden Sinne; ob die Beklagte für die Sanierung von Rissen aufzukommen hat, hat damit nichts zu tun. Dann könnte die Beklagte dem auf die frühere tragende Wand gerichteten Wiederherstellungsverlangen den dolo-agit-Einwand entgegenhalten.
III.
39 Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben, soweit es die Entfernung der tragenden Wand im Oktober 2020 betrifft (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sie mangels Feststellungen zu der nach dem Beklagtenvorbringen nunmehr gegebenen Standsicherheit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Zudem müsste sich das Berufungsgericht ggf. mit der Haftung der Beklagten als mittelbare Handlungsstörerin (s.o. Rn. 15) in Bezug auf die tragende Wand befassen; nach der auf entsprechendes Beklagtenvorbringen verweisenden Revision will sie erst nach deren Entfernung im Oktober 2020 davon erfahren und vorher keinen Anlass gehabt haben, mit solchen Maßnahmen zu rechnen.
Brückner Göbel Hamdorf
Malik Grau
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:210325UVZR1.24.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-88289