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BAG Urteil v. - 6 AZR 189/23

Förderung zum Flugkapitän - Seniorität - Gleichbehandlung - Altersdiskriminierung

Gesetze: Art 9 Abs 3 GG, Art 12 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 1 TVG, § 1 AGG, § 3 Abs 2 AGG, § 7 Abs 2 AGG

Instanzenzug: Az: 15 Ca 847/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 5 Sa 570/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die (Be-)Förderung des Klägers zum Kapitän und die dabei anzuwendenden tarifvertraglichen Senioritätsregelungen. Nach der Seniorität, einer branchenspezifischen Art der Betriebszugehörigkeit, richtet sich in Luftverkehrsunternehmen typischerweise die Reihenfolge bei der Besetzung ausgeschriebener Schulungen zum Kapitän (sog. Förderung bzw. Upgrading), aber auch - neben weiteren Kriterien - bei der Berücksichtigung von Urlaubsanträgen sowie der Vergabe bestimmter freier Tage.

2Der Kläger ist im Anschluss an seine Tätigkeit als First Officer (Co-Pilot) bei der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Air Berlin) nunmehr bei der Beklagten, die durch formwechselnde Umwandlung aus der Eurowings Luftverkehrs AG entstand und dem Lufthansa Konzern angehört, in gleicher Funktion beschäftigt. Seinen ersten kommerziellen Flug für die Beklagte erbrachte er am . Im Anstellungsvertrag ist nach der mit Rügen nicht angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts eine umfassende Bezugnahme auf die im Betrieb jeweils für die Berufsgruppe des Mitarbeiters einschlägigen, normativ geltenden Verbands- und Firmentarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung erfolgt.

3Bis zum fand bei der Beklagten der „Tarifvertrag Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG“ vom (im Folgenden TV WeFö) Anwendung. Dieser regelte ua. die Förderung zum Kapitän. Die dafür maßgeblichen Bestimmungen lauteten auszugsweise wie folgt:

4Der „Tarifvertrag Wachstum für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH“ vom (im Folgenden TV Wachstum) in Verbindung mit der letzten Änderungsvereinbarung vom lautet auszugsweise wie folgt:

5Die Beklagte stellte in den Jahren 2017 und 2018 ca. 300 Cockpitmitarbeiter von der ehemaligen Air Berlin nach den Maßgaben des TV Wachstum ein.

6Der am unterzeichnete „Tarifvertrag Karriere … für das Cockpitpersonal der Eurowings“ (im Folgenden TV Karriere), der ausweislich seines § 10 Abs. 1 mit dem Datum seiner Unterzeichnung in Kraft trat und den TV WeFö nahtlos ersetzte, enthält ua. neue Regelungen über die Förderung des Cockpitpersonals. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

7Der „Tarifvertrag über die Einstellung Cockpit-Personal aus Konzerngesellschaften ,TV Ready Entry‘“ vom (im Folgenden TV Ready Entry) regelte ab dem vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona-Krise auf die Luftverkehrsbranche insbesondere das Verfahren zur Stellenbesetzung und zur Bewerberauswahl sowie die Vergütung von Cockpitmitarbeitern, die bei einer Konzerngesellschaft des Lufthansa Konzerns, ua. bei der Germanwings GmbH, beschäftigt waren, dort von Arbeitslosigkeit bedroht oder schon betriebsbedingt entlassen worden waren und von der Beklagten eingestellt wurden.

8Der „Manteltarifvertrag Nr. 6 für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH“ vom (im Folgenden MTV Nr. 6) enthält in § 14 Regelungen zur Gewährung freier Tage (sog. Off-Tage). Zur Planung und Vergabe der freien Tage regelt § 14a dieses Tarifvertrags ein Requestverfahren, wonach bei bestimmten Requests die freien Tage nach der Seniorität vergeben werden. Zudem ist für die Reihenfolge der gemäß § 22 Abs. 9 MTV Nr. 6 in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung Urlaubsvergabe vom vorzunehmenden Genehmigung von Urlaubsanträgen eine nach mehreren sozialen Gesichtspunkten zu ermittelnde Gesamtpunktzahl maßgeblich, bei der die Punkte für die Betriebszugehörigkeit an die Seniorität des Mitarbeiters anknüpfen.

9Noch auf Grundlage des TV WeFö erstellte die Beklagte am eine endgültige Senioritätsliste, auf der sich der Kläger auf Listenplatz 333 befand. Am veröffentlichte die Beklagte eine auf Grundlage des TV Karriere erstellte vorläufige Senioritätsliste. Diese wies den Kläger auf Listenplatz 531 aus. Gegen die vorläufige Senioritätsliste erhob die Personalvertretung Cockpit (im Folgenden PV Cockpit) nicht für den Kläger, aber für zahlreiche andere Beschäftigte der Beklagten Einspruch. Ein Teil der Einsprüche richtete sich gegen die Festsetzung bestimmter Senioritätsdaten in dieser Liste. Ein anderer Teil der Einsprüche machte eine „ungerechte Behandlung“ geltend. Am gab die Beklagte die endgültige Senioritätsliste gemäß TV Karriere bekannt. Auf dieser befand sich der Kläger nunmehr auf Platz 541.

10Bereits am hatte die Beklagte die innerbetriebliche Stellenausschreibung 70/21 veröffentlicht, der zufolge sie zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän mit Ausbildungsbeginn suchte. Die Auswahl sollte nach Seniorität gemäß § 5 Abs. 3 TV Karriere erfolgen. Der Kläger bewarb sich am hierauf. Er erfüllte die in der Stellenbeschreibung benannten sonstigen Anforderungen.

11Mit den am 6. bzw. veröffentlichten innerbetrieblichen Stellenausschreibungen 75/21, 76/21 und 77/21 suchte die Beklagte nach weiteren jeweils zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän. In den vorgenannten Stellenausschreibungen führte die Beklagte aus, dass die Auswahl wiederum nach Seniorität erfolge und erfolglose Bewerbungen von Mitarbeitern auf die Stellenausschreibung 70/21 mitberücksichtigt würden. Der Kläger erfüllte die in den Stellenausschreibungen jeweils benannten sonstigen Anforderungen.

12Die Beklagte besetzte alle in den genannten vier Stellenausschreibungen ausgeschriebenen Stellen mit auf der Grundlage der vorläufigen Senioritätsliste vom ausgewählten und nachfolgend über ca. zwei Monate mit erfolgreicher Prüfung ausgebildeten Bewerbern. Hierbei wurden auch Personen ausgebildet und befördert, die sich in der auf Grundlage des TV WeFö erstellten endgültigen Senioritätsliste vom noch auf Positionen hinter dem Kläger befunden hatten. Den Kläger berücksichtigte die Beklagte nicht.

13Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe seinen aus den tariflichen Regelungen in Verbindung mit den vier Stellenausschreibungen folgenden Anspruch auf Ausbildung und Förderung zum Kapitän verletzt. Daher sei sie ihm zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser beinhalte seine Förderung zum Kapitän als Naturalrestitution sowie den Ersatz aller sonstigen, aus dieser Pflichtverletzung resultierenden Schäden. Dem Kläger habe eine der ausgeschriebenen 48 Kapitänsstellen zugestanden, da die Auswahl der zu fördernden Co-Piloten noch nach der gemäß dem TV WeFö erstellten endgültigen Senioritätsliste vom und nicht nach der vorläufigen Senioritätsliste vom gemäß dem TV Karriere habe erfolgen müssen. Das ergebe die Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen. Danach gelte ungeachtet der Veröffentlichung einer vorläufigen Liste stets die vorherige endgültige Liste, hier diejenige vom , bis zum Inkrafttreten einer neuen endgültigen Liste fort. Demzufolge widerspräche ein sofortiger Wegfall der Wirkungen der Senioritätsliste vom dem Willen der Tarifvertragsparteien. Diesen sei bewusst gewesen, dass die Beklagte zu jeder Zeit auf die Existenz einer verlässlichen, zwischen den Betriebsparteien abgestimmten Senioritätsliste angewiesen sei, um bspw. Entscheidungen zur Urlaubsvergabe oder zu freien Tagen (sog. Off-Tage) treffen zu können. Zudem suspendiere ein Einspruch die Wirkung der vorläufigen Liste insgesamt. Auswahlentscheidungen habe die Beklagte daher auch nach dem TV Karriere nur auf der Grundlage einer endgültigen Liste, im vorliegenden Fall derjenigen vom treffen dürfen.

14Jedenfalls habe diese Senioritätsliste der Auswahlentscheidung deshalb zugrunde gelegt werden müssen, weil die Regelungen des TV Karriere gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstießen sowie altersdiskriminierend seien und deshalb dieser Tarifvertrag vollständig, jedenfalls aber teilweise unwirksam sei, so dass der TV WeFö weitergelte. Es fehle bereits an einem sachlichen Differenzierungskriterium. Die von den Tarifvertragsparteien getroffene Gruppenbildung erweise sich objektiv als willkürlich. Zudem sei es nicht sachgerecht, zur Ermittlung der Seniorität unterschiedliche Anknüpfungspunkte zu wählen und bei der Beschäftigtengruppe 2 von der Nichtberücksichtigung der Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern abzurücken, um sodann für die Beschäftigten der Gruppe 3 wieder zu diesem Grundsatz zurückzukehren. Diese Inkohärenz führe auch zu einer Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters. Schließlich verstoße die Neuregelung der Senioritätsreihenfolge durch den TV Karriere gegen das Rückwirkungsverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

15Der Kläger hat zuletzt beantragt,

16Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stünden wegen § 5 Abs. 7 TV WeFö und § 4 Abs. 10 TV Karriere aus diesen beiden Tarifverträgen bereits keine Ansprüche zu, die er individualrechtlich geltend machen könne. Jedenfalls seien die Förderungen anhand der hierfür maßgeblichen vorläufigen Senioritätsliste vom rechtmäßig erfolgt. Infolge der vollständigen Ersetzung des TV WeFö durch den TV Karriere am sei die Senioritätsliste vom nicht mehr anzuwenden gewesen. Dies entspreche auch der von den Tarifvertragsparteien mit dem TV Karriere beabsichtigten Neuregelung der Seniorität. Die Heranziehung der vorläufigen Senioritätsliste führe nur dazu, dass die Beklagte die Auswahl auf eigenes Risiko vorgenommen habe und sich gegenüber dem Kläger bei einer Verbesserung seiner Listenposition in der endgültigen Senioritätsliste vom nicht hätte darauf berufen können, dass die Stelle bereits besetzt sei.

17Der TV Karriere sei auch wirksam. Ziel des vor dem Hintergrund der Sondersituation der Insolvenz der Air Berlin geschlossenen TV Wachstum sei es gewesen, ein geordnetes Verfahren zu schaffen, das die Rekrutierung einer dreistelligen Zahl von Piloten in kurzer Zeit und in einem breiten „Erfahrungsmix“ ermöglicht habe. Mit den Neuregelungen zur Seniorität im TV Karriere sei eine Neuordnung des nach den Maßgaben des TV Wachstum eingestellten Personals bezweckt. Die ausschließliche Anknüpfung an die „Betriebszugehörigkeit“ sei nur dann angemessen, wenn der Flugbetrieb organisch wachse. Weil das Wachstum zwischen dem und dem aber in einer großen Welle erfolgt sei und erfahrene Piloten betroffen habe, sei es sachgerecht, für Neuzugänge in dieser Phase weitere Kriterien - wie die Berufserfahrung - heranzuziehen. Es sei nicht angemessen, diese Cockpitmitarbeiter trotz relevanter Flugerfahrung wie Berufsanfänger zu behandeln.

18Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

19Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Beklagte hat ihre Auswahlentscheidungen zutreffend nicht anhand der Senioritätsliste vom , sondern anhand der, auf den Senioritätsregelungen des rechtswirksamen und im Arbeitsverhältnis der Parteien uneingeschränkt anzuwendenden TV Karriere beruhenden, vorläufigen Senioritätsliste vom getroffen.

20I. Der zulässige Antrag zu 1. ist unbegründet. Der vom Kläger begehrte Schadensersatz steht diesem nicht zu. Die Beklagte hat nicht dadurch ihre Pflichten verletzt, dass sie den Kläger nicht befördert hat. Dieser hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausbildung und Förderung zum Kapitän A320 aufgrund der vier Stellenausschreibungen von November bzw. Dezember 2021. Die Beklagte musste die dort ausgeschriebenen Stellen entgegen der Annahme der Revision nicht mehr nach der Senioritätsliste vom besetzen.

211. Der Anspruch scheitert nicht bereits an § 4 Abs. 10 TV Karriere bzw. der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 7 TV WeFö. Beide Bestimmungen haben weder verfahrensrechtliche Bedeutung noch schließen sie es aus, dass der Arbeitnehmer eine unter Zugrundelegung der vom Arbeitgeber als zutreffend angesehenen Senioritätsregelungen getroffene Auswahlentscheidung gerichtlich überprüfen lässt (vgl.  - Rn. 21 mwN).

222. Der Antrag ist aber deshalb unbegründet, weil die Senioritätsliste vom gemäß TV WeFö den vorliegend in Streit stehenden Auswahlentscheidungen der Beklagten nicht zugrunde zu legen war. Die aufgrund der Stellenausschreibungen 70/21, 75/21, 76/21 und 77/21 zu besetzenden Stellen waren bereits nach den Senioritätsregelungen der Anlage 1 zum TV Karriere (künftig Anlage 1) zu vergeben. Das ergibt die vom Landesarbeitsgericht zutreffend vorgenommene Auslegung dieses Tarifvertrags (vgl. ausführlich zu den Auslegungsgrundsätzen zuletzt zB  - Rn. 13 mwN, BAGE 180, 279). Das wiederum bedingt auch ohne ausdrückliche Anordnung der Tarifvertragsparteien das Außerkrafttreten der Liste vom für die Beschäftigten der Gruppe 2 der Anlage 1, zu der der Kläger gehört.

23a) Für dieses Verständnis spricht bereits der insoweit eindeutige Tarifwortlaut. Gemäß § 2 Abs. 5 TV Karriere ist nach Abschluss dieses Tarifvertrags die Senioritätsreihenfolge nach den Bestimmungen der Anlage 1 „einmalig neu zu ermitteln“. Vergleichbar heißt es im zweiten Absatz der Präambel der Anlage 1, dass die Tarifvertragsparteien nicht nur die regelmäßig im jährlichen Turnus vorzunehmende Erstellung der Senioritätsliste neuen Regularien unterwerfen wollen, sondern „auch die einmalige Neuordnung der Seniorität nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Tarifvertrages“ vereinbaren. Diese Vereinbarung haben die Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 1 der Anlage 1 für alle bis zum Inkrafttreten des TV Karriere am eingestellten (Bestands-)Beschäftigten umgesetzt. Damit bringen sie klar ihren Willen zum Ausdruck, dass mit Inkrafttreten des TV Karriere sofort und ausschließlich dessen Senioritätsregelungen anzuwenden sind und alleinige Grundlage von Auswahlentscheidungen sein sollen. Eine Fortgeltung von Senioritätslisten, die noch nach den Bestimmungen des gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 TV Karriere am durch den TV Karriere abgelösten TV WeFö aufgestellt worden sind, haben die Tarifvertragsparteien ersichtlich nicht gewollt.

24b) Diesem Wortlautverständnis entspricht die Tarifsystematik.

25aa) Insbesondere der Umstand, dass in § 4 Abs. 9 TV Karriere - im Gegensatz zum vorhergehenden Absatz 8, der die turnusmäßige Erstellung der Senioritätsliste und damit die künftige „Fortschreibung“ der einmalig neu festgelegten Reihenfolge betrifft - nicht bestimmt ist, dass im Interimszeitraum zwischen Übergabe und Veröffentlichung der vorläufigen, nach den neuen Kriterien der Anlage 1 erstellten Senioritätsliste und Veröffentlichung und Inkraftsetzen der endgültigen Senioritätsliste auf die „dann noch gültige“ Liste des Vorjahres zurückzugreifen ist, spricht gegen eine Heranziehung der Senioritätsliste vom in diesem Interregnum. Dabei handelt es sich nicht um ein Versehen der Tarifvertragsparteien, sondern um eine wegen Art. 9 Abs. 3 GG auch von den Gerichten zu akzeptierende bewusste Regelung. Den Tarifvertragsparteien war bei Abschluss des TV Karriere am bekannt, dass der in § 4 Abs. 8 Satz 3 TV Karriere für die Weitergeltung der vorherigen Liste festgelegte Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni im Fall der Neuermittlung der Senioritätsreihenfolge nicht mehr zutreffen würde. Ebenso war ihnen bekannt, dass die letzte, noch nach den Kriterien des TV WeFö erstellte Senioritätsliste vom die durch die Anlage 1 erfolgende Neuordnung der Senioritätsreihenfolge nicht abbildete. Konsequent haben sie in § 4 Abs. 9 TV Karriere keine Regelung für einen Rückgriff auf diese Liste getroffen und sich damit bewusst gegen deren Weitergeltung bis zum Inkrafttreten der ersten endgültigen, nach den Kriterien der Anlage 1 erstellten Senioritätsreihenfolge entschieden.

26bb) Diese Überlegung wird weiter gestützt durch die Regelungen in § 2 Abs. 5 TV Karriere, wonach unmittelbar nach Tarifabschluss die Reihenfolge „neu ermittelt“ wird, sowie in § 3 der Anlage 1. Danach wird in der Beschäftigtengruppe 1 die Senioritätsreihenfolge nach der „zum Zeitpunkt (der Erstellung der vorläufigen Liste) gültigen“ Liste, mithin der Liste vom , festgelegt. Demgegenüber werden für die Reihung in den Gruppen 2 und 3 die relevanten Daten neu erhoben und die Senioritätspunkte für die Gruppe 2 nach den am Stichtag vorliegenden Angaben ermittelt. Die Tarifvertragsparteien unterscheiden somit bewusst zwischen einer (weiteren) Reihung nach der Senioritätsliste vom in Gruppe 1 und einer „echten“ Neuermittlung der Seniorität entsprechend der Vorgaben des TV Karriere in den Gruppen 2 und 3. Für die beiden letztgenannten Gruppen soll ersichtlich die Reihung nach der Liste vom auch nicht vorübergehend bis zum Inkrafttreten der ersten endgültigen Liste nach dem TV Karriere fortgelten.

27cc) Vorstehendes systematische Verständnis findet auch in § 1 der Anlage 1 seinen Niederschlag. Wenn die Tarifvertragsparteien in dessen Absatz 2 eine Einsortierung der in Anwendung des dort genannten TV Ready Entry eingestellten Beschäftigten erst anlässlich der turnusgemäßen Neuerstellung der Senioritätsliste vorsehen, können sie mit der einmaligen Neuermittlung der Senioritätsreihenfolge für die Bestandsbeschäftigten nach Absatz 1, der eine entsprechende Verzögerung des Wirksamwerdens der neuen Reihenfolge nicht anordnet, nur eine sofortige und unverzügliche Umsetzung der Vorgaben des TV Karriere gewollt haben.

28c) Allein das Wortlaut und Systematik entnommene Verständnis entspricht Sinn und Zweck des TV Karriere. Wie die benannten Bestimmungen sowie insbesondere die Präambel der Anlage 1 belegen, beabsichtigten die Tarifvertragsparteien vor dem Hintergrund des Umstands, dass die Beklagte innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums viele Piloten mit Berufserfahrung eingestellt hat, eine unverzügliche Neuordnung der Senioritätsreihenfolge. Dabei gingen sie davon aus, dass üblicherweise die Beschäftigungsdauer bei der Beklagten der erworbenen Berufserfahrung entspricht, weil in der Regel Berufsanfänger eingestellt werden. Für die Beschäftigtengruppe 2 traf dies nach Auffassung der Tarifvertragsparteien jedoch nicht zu, weshalb sie für diese die Berücksichtigung der Berufserfahrung als Pilot, auch wenn sie auf einer Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber beruht, als weiteres Ordnungsmerkmal neben der Zugehörigkeit zur Eurowings-Gruppe als angemessen erachteten. Ihr Ziel der unverzüglichen Neuordnung der Reihenfolge unter Berücksichtigung der bei anderen Fluggesellschaften erworbenen Berufserfahrung hätten die Tarifvertragsparteien aber nicht erreichen können, wenn die letzte, nach dem TV WeFö erstellte Senioritätsliste, die diese Berufserfahrung gerade nicht berücksichtigte, bis zum Inkrafttreten der nach der Anlage 1 erstellten Liste weiterhin Grundlage von Auswahlentscheidungen der Beklagten hätte sein sollen. Im Übrigen wären insbesondere die Sonderregelungen zum Verfahrensablauf in § 4 Abs. 9 TV Karriere, § 3 Abs. 2 der Anlage 1 sowie die grundlegende Bestimmung in § 2 Abs. 5 TV Karriere obsolet, wenn der Neuermittlung der Senioritätsreihenfolge erst im Rahmen der turnusmäßigen Überarbeitung der Liste gemäß § 4 Abs. 1, 8 TV Karriere Bedeutung zukäme.

29d) Angesichts dieser tariflichen Ausgestaltung hätten die Tarifvertragsparteien entgegen der Annahme der Revision nicht ausdrücklich anordnen müssen, dass sie von einem vermeintlichen Grundsatz: „Die letzte endgültige Liste gilt bis zum Inkrafttreten einer neuen endgültigen Liste weiter.“, abweichen wollten. Vielmehr wäre umgekehrt die Anordnung erforderlich gewesen, dass die letzte endgültige Liste vom für Auswahlentscheidungen der Beklagten bis zum Inkrafttreten der ersten endgültigen, nach der Anlage 1 erstellten Liste weitergelten sollte. Daran fehlt es.

30e) Damit bestand bis zum gar keine und bis zum keine endgültige Senioritätsliste. Das führt - anders als die Revision meint - nicht dazu, dass bis zum gar keine Auswahlentscheidungen in Bezug auf die Förderung von Co-Piloten oder zur Vergabe von Urlaub bzw. Off-Tagen möglich gewesen wären und stellt das gefundene Auslegungsergebnis daher nicht in Frage. Vielmehr musste die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt den Senioritätsrang unter Beachtung der tariflichen Vorgaben des für solche Entscheidungen ab dem allein maßgeblichen TV Karriere ermitteln (vgl.  - juris-Rn. 15). Insoweit trug sie das Risiko für die Richtigkeit der von ihr ermittelten Daten sowie der daraus gebildeten Reihenfolge und der Richtigkeit ihrer Auswahlentscheidungen. Dieses Risiko hat sich vorliegend jedoch in Bezug auf die Förderung des Klägers nicht verwirklicht. Die Auswahlentscheidungen der Beklagten entsprachen den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten materiellen Regelungen zur Seniorität. Rechtserhebliche Fehler in deren Anwendung sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Er hat insbesondere nicht vorgebracht, dass er auch unter Berücksichtigung der Senioritätsregelungen des TV Karriere hätte ausgewählt werden müssen, sondern sich zur Begründung seines Anspruchs allein auf die Senioritätsliste vom gestützt.

31Soweit die Beklagte für die Ermittlung der Reihenfolge für die Vergabe der Off-Tage und des Urlaubs noch auf die Liste vom zurückgegriffen hat, lässt diese Handhabung entgegen der Ansicht der Revision keinen Rückschluss auf den Willen der Tarifvertragsparteien zu. Zudem stellen der MTV Nr. 6 ebenso wie die Betriebsvereinbarung Urlaubsvergabe vom nur auf die Seniorität, nicht aber auf eine Senioritätsliste ab. Darum beruht die angefochtene Entscheidung nicht auf dem vermeintlich übergangenen Sachvortrag zum Verfahren der Urlaubsvergabe für das Jahr 2022. Die diesbezüglich erhobene Verfahrensrüge der unrichtigen Tatsachenfeststellung war deshalb zwar statthaft, weil bei Zustellung des Urteils die Frist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO bereits verstrichen war (vgl.  - Rn. 37, BAGE 175, 104), aber nicht begründet, zumal nicht ausgeführt worden ist, welche Berichtigung beantragt worden wäre.

32f) Aus vorstehenden Überlegungen folgt zugleich, dass die Einsprüche der PV Cockpit gegen die vorläufige Senioritätsliste vom nicht dazu führten, dass weiterhin die Senioritätsliste vom anzuwenden war. Aus diesem Grund braucht der Senat die zwischen den Parteien streitige und vom Landesarbeitsgericht ausführlich behandelte Frage nicht zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die in § 4 Abs. 3 Satz 2 TV Karriere vorgesehene „aufschiebende Wirkung“ eines Einspruchs gegen die Senioritätsliste die Wirkungen der vorläufigen Senioritätsliste vom suspendiert.

333. Die Regelungen des TV Karriere sind wirksam und mit höherrangigem Recht vereinbar. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

34a) Der TV Karriere verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

35aa) Art. 3 Abs. 1 GG bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Die Gerichte sind darum aufgrund des Schutzauftrags der Verfassung auch verpflichtet, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden (ausführlich  - Rn. 37 mwN, BAGE 181, 331). Dabei kann eine Systemwidrigkeit ein Indiz für einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz sein ( - Rn. 57;  - zu C IV 3 c aa der Gründe, BVerfGE 122, 1).

36Den Tarifvertragsparteien steht bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Darüber hinaus verfügen sie über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung. Die Gerichte dürfen nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Verbände setzen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Dies bedingt im Ergebnis eine deutlich zurückgenommene Prüfungsdichte durch die Gerichte. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt, der dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen ist (vgl.  - Rn. 37; - 6 AZR 256/22 - Rn. 38 mwN, BAGE 181, 331).

37bb) Vorliegend gilt nicht deswegen ein strengerer Prüfungsmaßstab, weil die zu überprüfenden Tarifregelungen zugleich das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 GG beeinträchtigen. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit ist vorliegend nicht berührt (vgl.  - Rn. 36 ff.).

38cc) Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor. Zwar knüpfen die Regelungen der Anlage 1 bei der Ermittlung der neuen Senioritätsreihenfolge für die von den Tarifvertragsparteien definierten drei Beschäftigtengruppen jeweils an unterschiedliche Anknüpfungspunkte an. Diese Gruppen werden in Bezug auf die Seniorität ungleich behandelt. Das überschreitet den Gestaltungsspielraum, der den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG bei der Gruppenbildung zusteht (vgl.  - Rn. 27), jedoch nicht.

39(1) Die Regelungen zur Förderung in § 5 TV Karriere sind wie bereits diejenigen im TV WeFö davon geprägt, dass aus Gründen der Luftverkehrssicherheit ein Wettbewerb des Cockpitpersonals um den beruflichen Aufstieg vermieden und stattdessen - für alle Beteiligten nachvollziehbar und planbar - erfahrenere Beschäftigte den Vorzug vor weniger erfahrenen Beschäftigten erhalten sollen. Um dies zu erreichen, haben die Tarifvertragsparteien auch unter der Geltung des TV Karriere grundsätzlich an dem bisherigen System, wonach sich die Seniorität nach der Betriebszugehörigkeit richtet, festgehalten. Das zeigt sich bereits darin, dass die drei Beschäftigtengruppen zueinander streng nach dem Prinzip der Betriebszugehörigkeit geordnet werden, indem Beschäftigte der Gruppe 1 immer vor Beschäftigten der Gruppe 2 und diese immer vor Beschäftigten der Gruppe 3 sortiert werden und eine Überschneidung oder Vermischung ausgeschlossen ist (§ 2 Abs. 4 der Anlage 1). Dieser Wille der Tarifvertragsparteien kommt aber auch dadurch zum Ausdruck, dass sich die Seniorität in den Beschäftigtengruppen 1 und 3 nach dem Datum des ersten kommerziellen Einsatzes bzw. dem ersten Arbeitstag laut Arbeitsvertrag (Einstellungsdatum) richtet. Die Tarifvertragsparteien gingen berechtigterweise davon aus, dass im Normalfall die Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten der Berufs- (bzw. hier Flug-)Erfahrung entspricht, weil in der Regel Berufsanfänger eingestellt werden, so dass das Maß an Berufserfahrung mit der Betriebszugehörigkeit korreliert. Die Einstellung eines Piloten mit Berufserfahrung - beruhend zum Beispiel auf dessen Arbeitgeberwechsel - ist dabei nicht ausgeschlossen, aber die Ausnahme.

40Diese Annahme trifft allerdings erkennbar für die Gruppe der auf der Grundlage des TV Wachstum eingestellten Piloten (Beschäftigtengruppe 2) gerade nicht zu. Der beabsichtigte rasche Zuwachs des Cockpitpersonals innerhalb kurzer Zeit sollte sowohl durch die Einstellung routinierter, erfahrener Mitarbeiter als auch engagierten Nachwuchses erfolgen (vgl. Präambel des TV Wachstum „Erfahrungsmix“). Daran anknüpfend haben die Tarifvertragsparteien des TV Karriere berechtigterweise angenommen, dass für diese Beschäftigtengruppe die reine Beschäftigungsdauer bei der Beklagten kein angemessenes Ordnungskriterium ist, weil in dieser Gruppe die Einstellung von Piloten mit Berufserfahrung nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel darstellt. Wenn die Tarifvertragsparteien vor diesem Hintergrund bei dieser Gruppe im Unterschied zu den anderen beiden Beschäftigtengruppen zur Bildung einer Senioritätsreihenfolge statt auf die reine Betriebszugehörigkeit auf eine Kombination aus dieser sowie aus der Berufserfahrung abstellen, bewegen sie sich innerhalb des ihnen aufgrund von Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Beurteilungs- und Ermessensspielraums.

41(2) Es ist entgegen der Annahme der Revision nicht ersichtlich, dass die Bestimmungen des TV Karriere entgegen des Sinns und Zwecks von Senioritätsregelungen im Luftverkehr Wettbewerb um den beruflichen Aufstieg auslösen würden mit der Folge, dass sie zur Erreichung des angeführten Zwecks nicht geeignet wären. Demgegenüber würde ein Abstellen auf die tatsächlichen Flugstunden, wie es die Revision vorschlägt, genau diesen Wettbewerb um ein Mehr an Flugstunden im Vergleich zu anderen Cockpitmitarbeitern auslösen. Unabhängig davon haben die Tarifvertragsparteien ausschließlich Sachverhalte herangezogen, die im Zeitpunkt der Bestimmung der Seniorität bereits in der Vergangenheit lagen und daher keinen Wettbewerb mehr hervorrufen konnten.

42(3) Ein Gleichheitsverstoß wird schließlich nicht durch eine Systemwidrigkeit der Senioritätsregelungen des TV Karriere indiziert. Eine solche liegt nicht deswegen vor, weil für unterschiedliche Zeiträume unterschiedliche Regelungen gelten. Das wäre nur der Fall, wenn für die Veränderung der Sortierungsgrundsätze kein sachlicher Grund gegeben wäre. Ein solcher besteht, wie dargelegt, aber aufgrund der besonderen Situation, die der Einstellung der Beschäftigten der Gruppe 2 zugrunde lag. Die Regelungen stellen sich insgesamt als kohärent dar. Vor diesem Hintergrund ist es, anders als das Landesarbeitsgericht - nicht tragend - ausführt, nicht willkürlich, sondern ausgehend vom Regelungsziel der Tarifvertragsparteien folgerichtig, dass diese für die Beschäftigtengruppe 1 am grundsätzlichen Ordnungskriterium der reinen Betriebszugehörigkeit festgehalten haben und für die Gruppe 3 zu diesem zurückgekehrt sind. Eine Systemwidrigkeit folgt auch nicht daraus, dass gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 TV Karriere für nach dem TV Ready Entry eingestellte Beschäftigte ebenfalls die Anlage 1 gilt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang meint, diese Beschäftigten wiesen im Gegensatz zu ihm keine Betriebszugehörigkeitszeiten bei der Beklagten auf, würden aber dennoch aufgrund vorhandener Berufserfahrung vor ihm einsortiert, übersieht er, dass bei der Gruppe 2 auf die Zugehörigkeit zur „Eurowings-Gruppe“, wozu namentlich auch die Germanwings GmbH zählte, und nicht allein zur Beklagten abgestellt wird. Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob anders, als § 1 Abs. 2 der Anlage 1 nahelegt, nach dem TV Ready Entry eingestellte Beschäftigte tatsächlich vor dem Kläger einsortiert waren.

43dd) Auch die für die Abgrenzung zwischen den Beschäftigtengruppen gewählten tariflichen Stichtage bzw. sowie der für die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit in der Beschäftigtengruppe 2 maßgebliche Stichtag halten einer Überprüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG stand.

44(1) Stichtagsregelungen sind „Typisierungen in der Zeit“. Obwohl jeder Stichtag unvermeidlich Härten mit sich bringt, sind solche Regelungen aus Gründen der Praktikabilität zur Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich zulässig, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und demnach sachlich vertretbar ist. Einen solchen Stichtag dürfen die Tarifvertragsparteien in den Grenzen des Vertrauensschutzes frei aushandeln und auch autonom bestimmen, für welche Personenkreise und ab welchem Zeitpunkt es Übergangs- oder Besitzstandsregelungen geben soll. Im Ergebnis ist bei solchen rein sachbezogenen Stichtagsregelungen lediglich eine Willkürkontrolle durchzuführen. Dies entspricht dem stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl.  - Rn. 55; - 6 AZR 146/20 - Rn. 20; - 6 AZR 449/19 - Rn. 24; - 6 AZR 59/19 - Rn. 18 mwN, BAGE 169, 190; vgl. für gesetzliche Stichtags- und andere Übergangsregelungen  ua. - Rn. 158 mwN, BVerfGE 162, 378).

45(2) Dafür, dass die Wahl des Stichtags zur Abgrenzung der Beschäftigtengruppen 1 und 2 willkürlich erfolgt ist, ist nichts ersichtlich und vom Kläger nichts vorgebracht. Die Regelung ist Teil des im TV Karriere enthaltenen tariflichen Gesamtkompromisses. Durch diesen sollte vor dem Hintergrund der Neueinstellung von ca. 300 Cockpitmitarbeitern von der ehemaligen Air Berlin, über deren Vermögen am ein Insolvenzeröffnungsantrag gestellt worden war, eine Neuordnung der Senioritätsreihenfolge durchgeführt werden. Diese Einstellungen hatten bereits vor dem Inkrafttreten des TV Wachstum am begonnen. Darum ist es nicht willkürlich, dass sich die Tarifvertragsparteien vor dem Hintergrund dieses dynamischen Prozesses auf den als Stichtag geeinigt haben. Ob es sich dabei um die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung handelt, ist nicht maßgeblich.

46(3) Der für die Abgrenzung der Beschäftigtengruppen 2 und 3 gewählte Stichtag knüpft ersichtlich an §§ 2, 4 TV Wachstum an, wonach für Einstellungen bis zum die in diesem Tarifvertrag vorgesehenen besonderen Ausschreibungs- und Auswahlverfahren sowie Eingruppierungs- und Einstufungsregelungen gelten. Nach der Prognose der Tarifvertragsparteien sollte zu diesem Stichtag die Wachstumsphase abgeschlossen sein, so dass zu der im Regelfall geltenden Reihung nach der bei der Beklagten erworbenen Betriebszugehörigkeit zurückgekehrt werden konnte. Dieser Stichtag wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.

47(4) Schließlich ist auch der für die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit der Beschäftigten der Gruppe 2, zu denen typischerweise die auf der Grundlage des TV Wachstum eingestellten Cockpitmitarbeiter zählen, in § 2 Abs. 2 Buchst. a der Anlage 1 festgesetzte Stichtag nicht willkürlich gewählt. Mit diesem haben die Tarifvertragsparteien eine Kappung dergestalt vereinbart, dass auch bei früherem Bewerbungseingang die Zählung der in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Kalendertage und damit Senioritätspunkte frühestens ab dem beginnt. Die Tarifvertragsparteien haben in § 2 Abs. 2 der Anlage 1 für die Festlegung des der Gruppe 2 zuzuordnenden Personenkreises mit dem auf den Beginn der Wachstumsphase abgestellt. Wenn sie gleichwohl die Tage der Zugehörigkeit zur Eurowings-Gruppe erst ab dem und damit dem Tag des Inkrafttretens des TV Wachstum und der dadurch erfolgten Bekanntgabe der Neuregelung zur Ermittlung der Senioritätsreihenfolge zählen, ist das konsequent. Die Begrenzung der Betriebszugehörigkeit auf den Zeitraum seit frühestens dem betont zudem nochmals das Gewicht der für die Beschäftigten der Gruppe 2 daneben zu berücksichtigenden Berufserfahrung. Das entspricht dem verfolgten Ziel der Einstellung routinierter, erfahrener Mitarbeiter, deren Behandlung als Berufsanfänger aufgrund der bereits bei anderen Flugbetrieben erworbenen Flugerfahrung von den Tarifvertragsparteien als nicht angemessen angesehen wurde.

48b) Der von der Revision gerügte Verstoß gegen das sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergebende Rückwirkungsverbot liegt nicht vor. Zwar unterliegen Tarifvertragsparteien bei der Änderung von Tarifnormen denselben Beschränkungen wie der Gesetzgeber, soweit Sachverhalte berührt werden, die in der Vergangenheit liegen ( - Rn. 35, BAGE 169, 163). Zum einen vermittelt aber die Reihung in einer Senioritätsliste für sich genommen bereits keine individuelle Rechtsposition (vgl.  - zu A 2 c bb (2) (d) der Gründe, BAGE 109, 153; soweit in der von der Revision angeführten Entscheidung des  - juris-Rn. 40, BAGE 43, 312 entschieden wurde, dass Senioritätslisten individuelle Rechtspositionen vermittelten, ging es dort lediglich um die Abgrenzung zwischen tariflichen Inhalts- und Betriebsnormen). Zum anderen sind die Senioritätsregelungen des TV Karriere ausschließlich zukunftsbezogen eingeführt worden. Bereits getroffene Auswahlentscheidungen lässt er unberührt. Die Tarifvertragsparteien sind bei einem Systemwechsel nicht verpflichtet, bloßen Erwartungen von Beschäftigten, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, Rechnung zu tragen. Ein diesbezüglich gleichwohl entwickeltes Vertrauen des Klägers und darauf beruhende Dispositionen sind rechtlich nicht schützenswert (vgl.  -zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 109, 133;  - Rn. 23). Vielmehr ist die Möglichkeit, dass sich tarifliche Regelungen für die Zukunft verschlechtern oder anders ausgestaltet werden können, Tarifverträgen immanent ( - Rn. 35, aaO). Aus diesem Grund kann der Kläger auch aus dem Umstand, dass die in § 7 TV Wachstum seit dessen Inkrafttreten enthaltene und mehrfach, zuletzt bis zum verlängerte Verhandlungsverpflichtung bis zu diesem Zeitpunkt nicht zum Abschluss eines neuen Tarifvertrags führte, sondern weiterhin der TV WeFö bis zur Ersetzung durch den TV Karriere am galt, kein Vertrauen in den dauerhaften Fortbestand unveränderter Senioritätsregelungen herleiten.

49c) Die Regelungen des TV Karriere sind schließlich nicht nach §§ 1, 3 Abs. 2, § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

50aa) Entgegen der Annahme des Klägers führt die in der Anlage 1 vorgenommene Gruppenbildung bereits nicht zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung wegen des Alters, weil die bei anderen Fluggesellschaften erworbene Berufserfahrung unabhängig vom Alter des Piloten bei seiner Einstellung berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt wird. Maßgeblich ist allein der Stichtag der Einstellung, nicht aber das an diesem Tag vorliegende Alter (vgl.  - [Tyrolean Airways Tiroler Luftfahrt] - Rn. 21, 29 f.). Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob die vom Kläger als benachteiligend angesehenen Tarifregelungen inkohärent und deswegen nicht zu rechtfertigen sind.

51bb) Unabhängig davon nimmt die Revision zu Unrecht an, eine aus ihrer Sicht mit der Anerkennung von Berufserfahrungszeiten verbundene mittelbare Benachteiligung wegen des Alters sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Berufserfahrung dem Arbeitgeber zugutekomme, was vorliegend nicht der Fall sei. Die Anerkennung der Berufserfahrung in § 2 Abs. 2 Buchst. b der Anlage 1 ist als Mittel zur Erreichung des genannten Ziels nicht deswegen ungeeignet, weil die Tarifvertragsparteien auf den Einsatz auf einem Flugzeug mit einem Höchststartgewicht von 14 Tonnen oder größer abstellen, während die Beklagte in den streitgegenständlichen Stellenausschreibungen mindestens 3.000 Flugstunden auf einem Flugzeug mit einem Höchststartgewicht von 19,5 Tonnen oder mehr forderte. Zwar stellt die sachgrundlose Anrechnung fremder, nicht in der relevanten Branche erworbener Vordienstzeiten kein geeignetes Mittel iSd. § 3 Abs. 2 AGG dar (vgl. ua. - [Hennigs] Rn. 72, 74; - C-17/05 - [Cadman] Rn. 34 ff.; Thüsing Europäisches Arbeitsrecht 4. Aufl. § 3 Rn. 107). Darum handelt es sich - entgegen der Annahme der Revision - vorliegend aber nicht, da stets Flugerfahrung als Cockpitmitarbeiter und damit branchenbezogene Berufserfahrung erforderlich ist. Dass die Tarifvertragsparteien als relevante Berufserfahrung solche auf einem Flugzeug mit einem Höchststartgewicht ab 14 Tonnen ansehen, hält sich in deren Beurteilungs- und Ermessensspielraum (vgl. dazu ua. - [Hennigs] Rn. 65) bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Tarifvertrags. Der Umstand, dass die Beklagte als Arbeitgeberin in ihren Stellenausschreibungen einen anderen - höheren - Grenzwert vorsieht, hat auf die allein nach den tariflichen Kriterien zu ermittelnde Senioritätsreihenfolge keine Auswirkung, sondern lässt allenfalls - was vorliegend nicht streitbefangen ist - die Bewerbung aus einem anderen Grund als der unzureichenden Seniorität scheitern. Das Gleiche gilt, soweit tarifvertraglich vergleichbare militärische Berufserfahrung anerkannt wird.

52II. Aus vorstehend dargelegten Gründen ist auch der Feststellungsantrag zu 2., der sich auf entstandene und künftige Schäden wegen der unterbliebenen Förderung auf Grundlage der Stellenausschreibungen 76/21 und 77/21 bezieht, unbegründet.

53III. Das Gleiche gilt für den Feststellungsantrag zu 3. einschließlich der darin enthaltenen Eventualanträge. Die Beklagte hat im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger weder den TV WeFö noch den TV Karriere mit den vom Kläger hilfsweise formulierten Maßgaben anzuwenden. Der TV Karriere ist aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsverhältnis der Parteien vielmehr uneingeschränkt anzuwenden. Seine Regelungen sind - wie ausgeführt - nicht, auch nicht teilweise unwirksam. Sie beeinträchtigen den Kläger nicht in unzulässiger Weise. Damit ist für den Kläger die nach den Vorgaben des TV Karriere erstellte, jeweils aktuelle Senioritätsliste maßgeblich.

54IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:191224.U.6AZR189.23.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-88272