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BGH Urteil v. - IV ZR 88/24

Leitsatz

1.    Für die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auch dann die Regelung in § 2317 Abs. 1 BGB maßgeblich, wenn der Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt des Erbfalls aufgrund der Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 5 BGB an einer erfolgversprechenden Geltendmachung des Anspruchs gehindert ist.

2.    Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB erfordert beim Pflichtteilsanspruch des nichtehelichen Kindes nach seinem Vater auch die Kenntnis von der wirksamen Anerkennung bzw. der rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB beginnt die Verjährungsfrist eines entstandenen Anspruchs aber auch dann, wenn die den Anspruch begründenden Umstände und die Person des Schuldners dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt.

Gesetze: § 199 Abs 1 Nr 1 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 Alt 1 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 Alt 2 BGB, § 1600d Abs 5 BGB, § 2317 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 24 U 7/24vorgehend LG Aachen Az: 8 O 154/23

Tatbestand

1    Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Pflichtteilsanspruch im Wege der Stufenklage geltend.

2    Sie ist die nichteheliche Tochter des am verstorbenen Erblassers. Mit Testament vom setzte der Erblasser den Beklagten - seinen eingetragenen Lebenspartner - zu seinem Alleinerben ein. Die Klägerin, die im Jahr 2017 Kenntnis vom Erbfall erlangte, leitete am ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren ein. Mit der im selben Jahr in Rechtskraft erwuchs, wurde festgestellt, dass die Klägerin die leibliche Tochter des Erblassers ist.

3    Die Klägerin forderte den Beklagten erfolglos zur Auskunftserteilung auf. Im Jahr 2023 hat sie eine Stufenklage erhoben. Der Beklagte hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.

4    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht den Beklagten auf der ersten Stufe unter Zurückweisung des Antrags auf Beifügung von Belegen zur Auskunftserteilung und Wertermittlung verurteilt und das Verfahren hinsichtlich des Zahlungsantrags an das Landgericht zurückverwiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

5    Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6    I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind der Pflichtteilsanspruch und damit auch der Auskunfts-/Wertermittlungsanspruch nicht verjährt. Diese Ansprüche verjährten grundsätzlich gemäß §§ 195, 199 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist mit der Höchstverjährungsfrist in § 199 Abs. 3a BGB. Da der Anspruch der Klägerin erst im Jahr 2022 mit der rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellung der Vaterschaft des Erblassers entstanden sei, sei die Zustellung der Klageschrift am in nicht rechtsverjährter Zeit erfolgt. Ein Anspruch sei nach den allgemeinen Grundsätzen im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald der Berechtigte den Anspruch erstmals geltend machen und notfalls Klage erheben könne, um die Hemmung der Verjährung zu erreichen. Im Zeitpunkt des Erbfalls habe die Klägerin den Beklagten nicht auf Auskunft oder Auszahlung des Pflichtteils in Anspruch nehmen können, da diesem Vorgehen § 1600d Abs. 5 BGB entgegengestanden habe. Diese Vorschrift hindere das nichteheliche Kind daran, seine Ansprüche aus der Vaterschaft vor der Vaterschaftsfeststellung gerichtlich zu verfolgen. Dementsprechend habe der Lauf der Verjährungsfrist nicht beginnen können, bevor dieses Hindernis durch die nachträgliche Feststellung der Vaterschaft des Erblassers im Jahr 2022 behoben worden sei. Dem stehe auch die Regelung des § 2317 Abs. 1 BGB nicht entgegen, denn diese werde durch § 1600d Abs. 5 BGB überlagert. Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs beginne in Fällen der vorliegenden Art nicht vor Feststellung der Vaterschaft.

7    II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht eine Verjährung der Ansprüche der Klägerin auf Auskunft und Wertermittlung nicht verneinen und einen Anspruch insoweit nicht zuerkennen.

8    1. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin nach rechtskräftiger und rückwirkender gerichtlicher Feststellung der Vaterschaft des Erblassers gemäß § 1592 Nr. 3, § 1600d BGB zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge im Sinne der § 1924 Abs. 1, § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört und ihr aufgrund des sie enterbenden Testaments vom gegen den Beklagten Pflichtteils- sowie Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche nach § 2303 Abs. 1, § 2314 Abs. 1 BGB zustehen.

9    2. Zu Recht wendet sich die Revision aber dagegen, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen von § 195, § 199 Abs. 1, § 214 Abs. 1 BGB verneint hat. Der Pflichtteilsanspruch aus § 2303 Abs. 1 BGB sowie die Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche aus § 2314 Abs. 1 BGB unterliegen der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Nr. 2).

10    a) Der Pflichtteilsanspruch ist gemäß § 2317 Abs. 1 BGB, der die Entstehung des Pflichtteils an den Erbfall anknüpft, am entstanden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt der Umstand, dass die Vaterschaft des Erblassers erst postmortal im Jahr 2022 rechtskräftig gerichtlich festgestellt worden ist, im Zusammenwirken mit der Vorschrift des § 1600d Abs. 5 BGB nicht dazu, dass der Anspruch im Jahr 2022 entstanden ist.

11    aa) Gemäß § 1600d Abs. 5 BGB können die Rechtswirkungen der Vaterschaft, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden. Die Bestimmung enthält eine Rechtsausübungssperre (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 317/17, ZEV 2020, 101 Rn. 19; BGH, Beschluss vom29. Januar 2020 - XII ZB 580/18, FamRZ 2020, 577 Rn. 27; jeweils noch zur Vorgängerregelung § 1600d Abs. 4 BGB in der bis zum geltenden Fassung). Aus ihr folgt, dass auch der auf die Vaterschaft eines Erblassers gestützte Pflichtteilsanspruch in den Fällen des § 1600d BGB erst mit wirksamer Feststellung derselben mit Erfolg geltend gemacht werden kann (vgl. Senatsurteil vom - IVa ZR 29/81, BGHZ 85, 274 [juris Rn. 9] noch zur Vorgängerregelung § 1600a Satz 2 BGB in der bis zum geltenden Fassung).

12    bb) Dies führt aber nicht dazu, dass der Zeitpunkt der Entstehung des Pflichtteilsanspruchs bis zur Rechtskraft der postmortalen Vaterschaftsfeststellung hinausgeschoben ist. Eine derartige Rechtswirkung ergibt sich insbesondere nicht in Anlehnung an unterhaltsrechtliche Grundsätze. Im Unterhaltsrecht ist anerkannt, dass die Verjährungsfrist für den Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes nicht vor der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft in Lauf gesetzt werden kann(vgl. , NJW 2017, 1954 Rn. 14, 16 m.w.N.Zum Teil wird dies auf § 205 BGB gestützt (Rauscher in Staudinger (2011) BGB, § 1594 Rn. 16, § 1600d Rn. 92) bzw. ist aus § 202 BGB in der bis zum geltenden Fassung abgeleitet worden (RGZ 173, 15, 17; Böckermann in RGRK-BGB, 12. Aufl. § 1600a Rn. 35; offengelassen im Senatsurteil vom - IV ZR 125/78, BGHZ 76, 293, 298 [juris Rn. 11]). Nach anderer Ansicht ist der Unterhaltsanspruch bis zur rechtskräftigen Vaterschaftsfeststellung noch nicht gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden (OLG Celle FamRZ 2018, 98 [juris Rn. 53]; Jacoby in Staudinger (2024) BGB, § 205 Rn. 23; Piekenbrock in BeckOGK-BGB, § 199 Rn. 83 [Stand: ];Obermann NZFam 2017, 458; offengelassen im Senatsurteil vom - IV ZR 105/66, BGHZ 48, 361, 366 f. [juris Rn. 19]; in  IVb ZR 570/80, FamRZ 1981, 763 [juris Rn. 14] und in BSGE 73, 103 [juris Rn. 15 ff.]; vgl. zur Problematik auch Senatsurteil vom - IV ZR 317/17, ZEV 2020, 101 Rn. 20). Selbst wenn man hinsichtlich unterhaltsrechtlicher Ansprüche letzterer Ansicht folgen würde, kann diese Sichtweise nicht auf die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs übertragen werden.

13    (1) Hiergegen spricht bereits der eindeutige Wortlaut des § 2317 Abs. 1 BGB, wonach der Anspruch auf den Pflichtteil mit dem Erbfall entsteht. Bei der Anwendung von Verjährungsvorschriften kommt dem Wortlaut des Gesetzes besondere Bedeutung zu. Dem Verjährungsrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass gewisse tatsächliche Zustände, die längere Zeit hindurch unangefochten bestanden haben, im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nicht mehr infrage gestellt werden sollen. Da der Rechtsverkehr klare Verhältnisse erfordert und die Vorschriften über die Verjährung dementsprechend eine formale Regelung enthalten, ist es grundsätzlich geboten, sich bei der Anwendung solcher Vorschriften eng an deren Wortlaut zu halten (Senatsurteil vom - IV ZR 317/17, ZEV 2020, 101 Rn. 23; BGH, Urteil vom30. September 2003 - XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232, 243 f. [juris Rn. 53]). Dies gilt auch für Vorschriften, bei denen es sich zwar nicht um eine Verjährungsvorschrift im engeren Sinn handelt, die aber - wie hier § 2317 Abs. 1 BGB - eine Tatbestandsvoraussetzung der Verjährung näher regeln.

14    (2) Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich kein anderes Verständnis. Ausweislich der "Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band V, Erbrecht" sah es die Erste Kommission als "selbstverständlich" an, "dass der Pflichtteilsanspruch für den Pflichtteilsberechtigten kraft des Gesetzes mit dem Erbfalle zur Entstehung kommt […]". "Die Aufnahme der dies aussprechenden Vorschrift […]" wurde damit begründet, dass sich dies "[…] sowohl wegen der großen praktischen Wichtigkeit derselben als zur Abschneidung möglicher Zweifel" (S. 417 [zu § 1992 BGB-E I]) rechtfertige. Ausdrücklich werden in diesem Zusammenhang Zweifel erwähnt, "[…] ob der Anspruch nicht unter Umständen in einem späteren Zeitpunkt zur Entstehung gelange […]".

15    Zwar kam der Vorschrift zum Zeitpunkt ihrer Entstehung noch keine Relevanz für die Frage der Verjährung von Pflichtteilsansprüchen in Fällen postmortaler Vaterschaftsfeststellung zu. Denn einerseits knüpfte die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs nach § 2332 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 (RGBl. 1896, S. 195; im Folgenden: BGB 1896) nicht an den Zeitpunkt seiner Entstehung, sondern der Kenntniserlangung bzw. - bei der Verjährungshöchstfrist - des Eintritts des Erbfalls an (vgl. auch § 1999 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB-E I, § 2197 Abs. 1 BGB-E II) und andererseits konnte ein Pflichtteilsanspruch eines nichtehelichen Kindes, das nach § 1589 Abs. 2 BGB 1896 (vgl. auch § 30 Abs. 3 BGB-E I, § 15 Abs. 2 BGB-E II) als nicht mit seinem Vater verwandt galt und damit nicht die Rechtsstellung eines Abkömmlings innehatte, in Ermangelung eines gesetzlichen Pflichtteilsrechts nach der Vorschrift des § 2303 Abs. 1 BGB (vgl. auch § 1975 Abs. 1 BGB-E I, § 2169 Abs. 1BGB-E II) nicht entstehen.

16    Aber auch aus der weiteren Rechtsentwicklung ergeben sich keine Hinweise darauf, dass bei der Begründung eines gesetzlichen Pflichtteilsrechts des nichtehelichen Kindes sowie der Anknüpfung des Verjährungsbeginns (auch) an den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs in Fällen des § 1600d BGB ein vom Wortlaut abweichendes Verständnis des § 2317 Abs. 1 BGB dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte. Nach ersatzloser Streichung des § 1589 Abs. 2 BGB 1896 und Normierung eines Pflichtteilsrechts des nichtehelichen Kindes in der - zwischenzeitlich aufgehobenen - Vorschrift des § 2338a BGB durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom (BGBl. I, 1243), das mit der Vorschrift des § 1600a Satz 2 BGB erstmals eine Rechtsausübungssperre, wie sie heute § 1600d Abs. 5 BGB enthält, einführte, stellte sich die verfahrensgegenständliche Problematik erstmals mit der Überarbeitung der verjährungsrechtlichen Vorschriften durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom (BGBl. 2009 I, 3142). Der Pflichtteilsanspruch ist seither den Regelungen der §§ 195, 199 BGB unterworfen mit der Folge, dass der Verjährungsbeginn - anders als noch nach § 2332 Abs. 1 BGB 1896 - auch an die Entstehung des Anspruchs anknüpft. Dass sich sein Entstehen nach § 2317 Abs. 1 BGB richtet, hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt (vgl. BT-Drucks. 16/8954, S. 22 li. Sp.). Zwar lässt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht ersehen, ob der Gesetzgeber mögliche verjährungsrechtliche Folgen einer Entstehung des Pflichtteilsanspruchs trotz fehlender gesetzlicher Vaterschaft im Sinne des § 1592 BGB und damit trotz fehlender Möglichkeit des Pflichtteilsberechtigten, seinen Anspruch erfolgreich gerichtlich geltend machen zu können, bedacht hat. Entscheidend ist aber, dass sich aus den Gesetzesmaterialien jedenfalls kein anderes Verständnis des Gesetzgebers als das nach dem Wortlaut naheliegende ergibt.

17    (3) Auch Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern keine vom Wortlaut abweichende Auslegung. § 2317 Abs. 1 BGB bestimmt einschränkungslos, dass der Anspruch mit dem Erbfall entsteht. Hieran knüpfen dann die beiden Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB (Entstehung des Anspruchs) und Nr. 2 (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners) an. Durch die Anwendung dieser allgemeinen Vorschriften wird den Interessen des Erben und des nichtehelichen Kindes gedient. Der Erbe hat ein Interesse daran, dass in überschaubarer Zeit Rechtssicherheit und -frieden eintritt. Das wäre nicht gewährleistet, wenn die Entstehung des Anspruchs bis zur Vaterschaftsfeststellung hinausgeschoben werden könnte, denn für das Verfahren nach § 1600d BGB gibt es keine Frist (OLG Karlsruhe FamRZ 2017, 2023 Rn. 46; Grüneberg/Siede, BGB 84. Aufl., § 1600d Rn. 3). Die Interessen des nichtehelichen Kindes werden durch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in hinreichendem Umfang geschützt.

18    Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Pflichtteilsanspruch im Einzelfall bereits verjährt sein könnte, bevor er mit Blick auf die Vorschrift des § 1600d Abs. 5 BGB mit hinreichender Erfolgsaussicht im Klagewege hätte geltend gemacht werden können, etwa weil die postmortale Vaterschaftsfeststellung erst nach Ablauf von drei Jahren nach dem Schluss des Jahres, in dem sich der Erbfall ereignete, erfolgt. Zwar ist für den Entstehungstatbestand des § 2317 Abs. 1 BGB - anders als für denjenigen des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB (vgl. , NJW 2019, 2461 Rn. 13; vom - IX ZR 121/09, WM 2010, 2081 Rn. 22;Beschluss vom - XII ZB 56/16, NZFam 2017, 454 Rn. 13) - irrelevant, ob der Berechtigte den Anspruch geltend machen und notfalls im Wege der Klageerhebung durchsetzen kann. Dies hat aber nicht zur Folge, dass der Anwendungsbereich des § 2317 Abs. 1 BGB - etwa im Wege einer teleologischen Reduktion - für die Frage, wann der Anspruch im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden ist, dann nicht eröffnet ist, wenn der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 5 BGB entgegensteht. Denn die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs hängt in diesen Fällen nicht nur von der Entstehung des Anspruchs, sondern auch von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten und damit auch von der Vaterschaftsfeststellung ab(Senatsurteil vom - IV ZR 317/17, ZEV 2020, 101 Rn. 34; dort zum Anspruch aus § 2325 Abs. 1 BGB). Die fehlende Möglichkeit, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen, findet demzufolge bei der zweiten Voraussetzung des § 199 Abs. 1 BGB Berücksichtigung (s. nachfolgend unter b)). Dies ist interessengerecht, denn einerseits erhält der Pflichtteilsberechtigte hierdurch eine realistische Möglichkeit, nach postmortaler rechtskräftiger Vaterschaftsfeststellung seinen Pflichtteilsanspruch durchzusetzen, und andererseits wird der Beginn sowohl der Regelverjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB als auch der Verjährungshöchstfrist nach § 199 Abs. 3a BGB nicht auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben.

19    b) Die Klägerin hatte erst mit rechtskräftigem Abschluss des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners.

20    Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen hat ein Gläubiger, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist (vgl. , GRUR 2017, 890 Rn. 40; BAG NZA 2013, 785 Rn. 24). Im Fall des Pflichtteilsanspruchs bedarf es auf Seiten des Pflichtteilsberechtigten der Kenntnis des Erbfalls, der ihn beeinträchtigenden Verfügung sowie der familiären Verbindung zum Erblasser, aus der sich ein Pflichtteilsrecht ergibt. Beruht das Pflichtteilsrecht - wie hier - auf nichtehelicher Abstammung, muss das Kind mithin hinsichtlich des Pflichtteilsrechts nach seinem Vater unter anderem Kenntnis davon haben, dass es von diesem abstammt. Dahinstehen kann, unter welchen Voraussetzungen überhaupt von einer Kenntnis eines Abkömmlings von seiner eigenen Zeugung ausgegangen werden kann, denn soweit es für den Beginn der Verjährung auf die Kenntnis der Abstammung ankommt, ist nicht auf die Kenntnis der diese begründenden äußeren Umstände abzustellen, sondern mit Rücksicht auf die Sperrwirkung der § 1594 Abs. 1, § 1600d Abs. 5 BGB auf die Kenntnis von der wirksamen Anerkennung bzw. der rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1986, 165; Rauscher in Staudinger (2011) BGB, § 1594 Rn. 16). Nur auf diese Weise wird dem Umstand hinreichend Rechnung getragen, dass der Gesetzgeber auch im Pflichtteilsrecht für die Ausübung von Rechten des nichtehelichen Kindes, die auf der Abstammung vom Vater gründen, allein eine biologische Vaterschaft nicht genügen lässt, sondern eine solche im Rechtssinn fordert. Hier war der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar bereits im Jahr 2017 bekannt, dass der Erblasser verstorben war und er den Beklagten wirksam durch ein Testament zu seinem Alleinerben eingesetzt hatte. Sie hatte jedoch nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze keine Kenntnis von ihrer Abstammung, denn der Erblasser, der zum Zeitpunkt der Geburt nicht mit ihrer Mutter verheiratet war, hatte die Vaterschaft weder anerkannt (§ 1592 Nr. 2 BGB) noch war seine Vaterschaft nach § 1600d BGB oder § 182 Abs. 1 FamFG gerichtlich festgestellt (§ 1592 Nr. 3 BGB).

21    c) Da § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB die grob fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis gleichstellt, beginnt die Verjährungsfrist eines entstandenen Anspruchs aber auch dann, wenn die den Anspruch begründenden Umstände und die Person des Schuldners dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (, VersR 2011, 1390 Rn. 6; vom - IV ZR 16/03, VersR 2003, 1561 [juris Rn. 16]; vom - IV ZR 173/01, VersR 2003, 364 [juris Rn. 10], st. Rspr.). Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (, juris Rn. 18 m.w.N.; vom - VI ZR 1118/20, BGHZ 231, 1 Rn. 14; vom - VI ZR 186/17, VersR 2020, 1109 Rn. 19). Dafür ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles erforderlich (Senatsurteil vom - IV ZR 118/97, VersR 1998, 1231 [juris Rn. 15]).

22    Hier wäre der Pflichtteilsanspruch der Klägerin angesichts der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) und der Klageerhebung im Jahr 2023 verjährt, wenn der Klägerin vor dem grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen wäre, weil sie das gerichtliche Feststellungsverfahren nach § 1600d Abs. 1 BGB nicht schon früher betrieben und damit ihre Kenntnis von der Vaterschaft des Erblassers hinausgeschoben hat, und wenn während des Laufs der Verjährungsfrist kein Hemmungstatbestand gemäß §§ 203 ff. BGB vorgelegen hätte, der eine Verjährung bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung gehindert hätte. Die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen und die Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit obliegen im Einzelfall in erster Linie dem Tatrichter (vgl. ,VersR 2011, 1390 Rn. 7; vom - IV ZR 173/01, VersR 2003, 364 [juris Rn. 13]). Da das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht geprüft hat, sind dem Berufungsurteil schon keine hinreichenden Feststellungen zu dieser Frage zu entnehmen. So hat die Klägerin in den Instanzen etwa unter Vorlage eines Attestes aus dem Jahr 2023 vorgetragen, ihr sei die Durchsetzung von Ansprüchen aus psychischen Gründen "über lange Zeit" nicht möglich gewesen. Weiter hat sie behauptet, der Beklagte habe sie nach dem Tod des Erblassers darauf hingewiesen, dass eine postmortale Vaterschaftsfeststellung nicht möglich sei. Erst 2022 habe sie erfahren, dass eine Vaterschaft auch ohne körpereigenes Material gerichtlich festgestellt werden könne.

23    Von einer Prüfung der Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch das Berufungsgericht kann auch nicht deswegen abgesehen werden, weil auf der ersten Stufe der Stufenklage nicht über den Pflichtteilsanspruch, sondern über die Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche aus § 2314 BGB entschieden worden ist. Aus ihrem Charakter als Hilfsansprüche ergibt sich die wesentliche Einschränkung, dass sie nicht später verjähren als der Hauptanspruch selbst, nämlich der Pflichtteilsanspruch (, BGHZ 33, 373, 379 [juris Rn. 25 m.w.N.]). Ist der Pflichtteilsanspruch gegen den Erben verjährt und wird die Verjährungseinrede erhoben, dann kann der Pflichtteilsberechtigte mit einer Auskunft und Wertermittlung des Erben gemäß § 2314 BGB im Allgemeinen nichts mehr anfangen. Deshalb ist sein gleichwohl gestelltes Informationsverlangen in einer solchen Lage, von Ausnahmefällen abgesehen, unbegründet (vgl. Senatsurteil vom - IVa ZR 272/86, BGHZ 103, 333, 334 [juris Rn. 7]). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor, nachdem sich das Informationsbedürfnis der Klägerin allein darauf beschränkt, anhand der Auskunft und Wertermittlung ihren Pflichtteilsanspruch berechnen zu können.

24    3. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

25    Insbesondere kann nicht angenommen werden, der Anspruch sei selbst bei unterstelltem Beginn der Verjährungsfrist spätestens zum nicht verjährt, weil dem Beklagten aufgrund der Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 5 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, das die Verjährung gemäß § 205 BGB hemmt. § 205 BGB setzt voraus, dass das Leistungsverweigerungsrecht auf einer Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner beruht. Auf gesetzliche Leistungsverweigerungsrechte (, NZI 2018, 154 Rn. 15 m.w.N.) und auch die hier in Rede stehende Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 5 BGB findet die Vorschrift keine Anwendung, weil diese nicht auf dem Parteiwillen beruhen (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 317/17, ZEV 2020, 101 Rn. 29).

26    III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie ist nicht zur Endentscheidung reif, weil sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht mit der Frage befasst hat, ob der Anspruch verjährt ist, insbesondere weil der Klägerin die den Anspruch begründenden Umstände zu einem Zeitpunkt vor dem aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt waren (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB). Das wird nachzuholen sein.

Prof. Dr. Karczewski         Dr. Brockmöller         Dr. Bußmann

                             Piontek                  Dr. Bommel

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:120325UIVZR88.24.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-88195