Therapiewahl und Behandlungsfehler
Leitsatz
Therapiewahl und Behandlungsfehler
1. Die Therapiewahl ist primär Sache des Arztes, dem insoweit grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt. Der Arzt ist bei der Wahl der Therapie insbesondere nicht stets auf den jeweils sichersten therapeutischen Weg festgelegt. Allerdings muss ein höheres Risiko in den besonderen Sachzwängen des konkreten Falles oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung finden; jedenfalls hat der Arzt alle bekannten und medizinisch vertretbaren Sicherungsmaßnahmen anzuwenden, die eine erfolgreiche und komplikationsfreie Behandlung gewährleisten, und muss umso vorsichtiger vorgehen, je einschneidender ein Fehler sich für den Patienten auswirken kann.
2. Ob der Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat, der zu einer Gesundheitsschädigung des Patienten geführt hat, beantwortet sich ausschließlich danach, ob der Arzt unter Einsatz der von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen im konkreten Fall vertretbare Entscheidungen über die diagnostischen sowie therapeutischen Maßnahmen getroffen und diese Maßnahmen sorgfältig durchgeführt hat.
Gesetze: § 280 Abs 1 BGB, § 823 Abs 1 BGB
Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 1 U 1/17vorgehend LG Magdeburg Az: 9 O 1936/15
Tatbestand
1Die Klägerin begehrt von dem beklagten Klinikum und den sie dort behandelnden Ärzten materiellen und immateriellen Schadensersatz nach drei Operationen im Jahre 1998.
2Wegen Gleichgewichtsstörungen wurde die 1985 geborene Klägerin im Mai 1997 in einem Kreiskrankenhaus stationär aufgenommen. Wegen des Verdachts eines zerebralen Anfallsleidens sowie wegen einer Fehlhaltung und Instabilität zwischen dem ersten und zweiten Halswirbelkörper im Bereich der Densspitze mit Engstellung des Spinalkanals wurde sie in die Klinik für Neurochirurgie der Beklagten zu 1 überwiesen. Es wurde eine Subluxation HWK1/2 mit Os odontoideum diagnostiziert. An dem sich anschließenden Behandlungsgeschehen bei der Beklagten zu 1 waren die Beklagten zu 2 bis 5 in unterschiedlichen Funktionen beteiligt, der Beklagte zu 3 war unter Assistenz des Beklagten zu 4 Operateur bei allen drei Operationen, am war darüber hinaus der Beklagte zu 5 als Assistent tätig. Der Beklagte zu 2 war zum maßgeblichen Zeitraum Chefarzt und Klinikdirektor.
3Seitens der Beklagten zu 1 wurde den Eltern der Klägerin zu einem operativen Eingriff geraten. Die Aufklärung der Eltern erfolgte durch Dr. B. Bei der Operation am wurde ein aus dem Beckenknochen entnommener Knochenspan zwischen den Halswirbeln HWK 1 und 2 eingepasst und mit einer Drahtumschlingung befestigt. Eine anschließende Röntgenkontrolle war unauffällig. Im Anschluss an die Operation erhielt die Klägerin zur Stabilisierung eine steife Halsorthese. Bis zum fand eine stationäre Nachbehandlung in einer Rehabilitationsklinik statt, in deren Verlauf die Klägerin am beim Duschen stürzte. Dies führte zu einer Lockerung der Drahtverbindung. Am stellte sich die Klägerin erneut bei der Beklagten zu 1 vor. Nach einer Röntgenaufnahme und deren Auswertung wurde von Behandlungsseite zu einem weiteren operativen Eingriff geraten, der mit erneuter Drahtumschlingung am durchgeführt wurde. Die postoperative Röntgenkontrolle war wiederum unauffällig. Nach der Operation hatte die Klägerin jedoch kein Gefühl mehr in den Beinen. Im weiteren Verlauf ihres stationären Aufenthalts wurde eine Enge der gelegten Drahtumschlingung festgestellt. Dies führte zu einem zweiten Revisionseingriff am , bei dem die Drähte entfernt und eine neue Drahtumschlingung vorgenommen wurden. Alle Eingriffe wurden nach der sog. "Gallie-Technik" mit Verdrahtung der Wirbel vorgenommen. Postoperativ wurde festgestellt, dass die Klägerin ateminsuffizient und nicht ansprechbar war. Die Klägerin leidet seitdem an einer inkompletten Querschnittslähmung.
4Die Klägerin hat die Indikation des operativen Vorgehens in Frage gestellt. Die Aufklärung ihrer Eltern sei unzureichend gewesen, insbesondere seien sie nicht über mögliche alternative Behandlungsmethoden zu der zu diesem Zeitpunkt schon veralteten Operationsmethode nach Gallie aufgeklärt worden. Bereits die Auswahl der Operationsmethode sei fehlerhaft gewesen, die Eingriffe seien fehlerhaft ausgeführt worden. In Kenntnis der Risiken der angewandten Operationsmethode und möglicher Alternativen hätten die Eltern eine Einwilligung zu den Eingriffen nicht erteilt, sich zumindest in einem Entscheidungskonflikt befunden.
5Die Beklagten haben vorgetragen, bei der Klägerin habe bereits vor dem ersten Eingriff eine inkomplette Querschnittsymptomatik bestanden, die auch ohne diese Operationen zu einer vollständigen Querschnittslähmung geführt hätte. Alternative Operationsmethoden zu dem durchgeführten Eingriff nach Gallie habe es zum Operationszeitpunkt nur bei Erwachsenen, nicht aber bei Kindern gegeben. Die Operationen seien lege artis durchgeführt worden. Die Querschnittslähmung sei auf die Grunderkrankung der Klägerin zurückzuführen. Die Beklagten haben den Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben.
6Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 € nebst Zinsen verurteilt und ihre Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden festgestellt, weil die Klägerin bzw. ihre Eltern nicht über Behandlungsalternativen aufgeklärt worden seien. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Gründe
I.
7Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Behandlungsfehler lasse sich nicht feststellen. Bei der Klägerin habe eine Störung im Bereich des vorderen Anteils des zweiten Halswirbelkörpers vorgelegen. Der dort befindliche Zahn (Dens) sei abweichend vom anatomischen Normalzustand nicht ausreichend von einem Band gehalten worden, was in der Folge zu Instabilitäten geführt habe. Der betroffene zweite Halswirbelkörper sei gegen den ersten "verrutscht", wobei der Zahn auf das Rückenmark gedrückt habe, was wiederum zu Kompressionen geführt habe, aus denen sich neurologische Störungen bis zu einer Querschnittslähmung hätten ergeben können. Durch eine Stabilisierung des zweiten Halswirbelkörpers habe die Kompression verhindert werden sollen, was bei der Operation am mittels des Implantates eines Knochenspans und der Anlage einer Drahtumschlingung versucht worden sei. Das Abwarten gegenüber einem operativen Eingriff habe bei der Klägerin keine Behandlungsalternative dargestellt, weil es sowohl bei fortschreitendem Verlauf der Erkrankung aber auch spontan zum Eintritt der Querschnittslähmung hätte kommen können. Es habe eine absolute operative Indikation bestanden. Die Klägerin habe schon vor dem ersten Eingriff an einer zunehmenden Lähmung, dem Nachziehen des rechten Beins, einer Schwäche der rechten Hand, Gleichgewichtsstörungen und Stolpern gelitten. Für die operative Versorgung hätten im Grundsatz zwei Methoden zur Verfügung gestanden, grob gesprochen eine (wie erfolgt) Drahtfixierung (Methode nach Gallie bzw. Brooks) und davon zu trennen eine Fixierung mittels Hakenplättchens oder (Rosen-)Klammern.
8Letztere, als "Verschraubungsmethode" bezeichnet in Abgrenzung zu der bei der Klägerin angewandten "Verdrahtungsmethode", hätte die größere Aussicht auf Erfolg für eine Heilung und eine geringere Komplikationsrate gehabt. Seit Ende der 1980er Jahre hätten beide grundsätzlich in Betracht kommenden Operationsmethoden einem Neurochirurgen wie dem Beklagten zu 3 bekannt sein müssen, auch für Kinder. Jedenfalls habe die Verdrahtungsmethode nach Gallie im Zeitpunkt der beiden streitgegenständlichen Eingriffe im Januar bzw. April 1998 eine dem medizinischen Standard entsprechende Operationsmethode dargestellt. Klare Leitlinien zur Behandlung bei Kindern habe es zum Zeitpunkt der Eingriffe nicht gegeben. Eine Unterschreitung des Facharztstandards bei der Wahl der Operationsmethode habe vom Sachverständigen vor diesem Hintergrund nicht festgestellt werden können. Die Entscheidung für die Halsorthese nach der Operation sei nach Darstellung des Sachverständigen jedenfalls nicht behandlungsfehlerhaft gewesen. Handwerklich sei der Eingriff vom behandlungsfehlerfrei durchgeführt worden. Eine Indikation für den ersten Revisionseingriff habe bestanden. Was intraoperativ zum Eintritt der hochgradigen Querschnittslähmung bei der ersten Revisionsoperation geführt habe, sei unbekannt.
9Die Ansprüche der Klägerin folgten auch nicht aus einem Aufklärungsmangel. Im Ausgangspunkt seien die sorgeberechtigten und einwilligungsbefugten Eltern von der Behandlungsseite nur unzureichend über die zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen aufgeklärt worden. Es habe nicht genügt, wenn Dr. B. nur über die Gallie-Methode aufgeklärt habe. Im Rahmen der Therapiefreiheit des Behandlers müsse nur dann keine Aufklärung über Alternativen erfolgen, wenn sich signifikante Unterschiede zwischen der gewählten und der alternativ möglichen Methode hinsichtlich der Chancen und Risiken nicht ergäben. Davon könne hier keine Rede sein. Neben der angewandten Verdrahtungstechnik hätten die unterschiedlichen Verschraubungstechniken (Hakenplättchen und Rosenklammern) zur Verfügung gestanden. Die feste Fixierung hätte die größere Aussicht auf Heilung geboten, die Komplikationsrate sei eher geringer gewesen. Diesen Vorteilen habe kein größeres Eingriffsrisiko gegenübergestanden. Die Beklagte zu 1 hätte deshalb die Eltern der Klägerin aufklären müssen über die alternativ zur Verfügung stehende Verschraubungsmethode und über das damit verbundene geringere Risiko einer Querschnittslähmung. Es hätte auch darüber aufgeklärt werden müssen, dass bei der Methode nach Gallie ein höheres Risiko der Lockerung der Verdrahtung und damit das Risiko für einen Revisionseingriff bestanden habe, während die Verschraubungsmethode das Risiko eines Implantatversagens bzw. einer Verletzung der Wirbelarterie mit sich gebracht hätte. Nach dem Inhalt des Aufklärungsbogens und dem Vorbringen der Beklagten habe Dr. B. die Eltern über keinen dieser Punkte aufgeklärt. Bei Anwendung der Verschraubungstechnik anlässlich des ersten Eingriffs vom wäre es nicht zum Eintritt der Querschnittslähmung gekommen. Denn bei anfänglicher Nutzung der Verschraubungstechnik wäre es mit hinreichender Sicherheit nicht zu einer Lockerung des Implantats gekommen mit der Folge, dass auch keine Notwendigkeit zur Durchführung der ersten Revisionsoperation bestanden hätte, in deren Verlauf die Querschnittslähmung eingetreten sei. Indes müsse für die Betrachtung des Kausalverlaufs auch feststehen, dass sich die Eltern der Klägerin bei zutreffender Aufklärung für die Verschraubungstechnik entschieden hätten. Aus der Einvernahme der Eltern als Zeugen vermöge der Senat nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass es im Ergebnis bei einer zutreffenden Aufklärung zur Operation mittels Verschraubungstechnik gekommen wäre. Vielmehr habe sich das Vertrauen der Eltern in den Rat der Ärzte gezeigt, da sie nicht über das medizinische Fachwissen verfügt hätten, um im Ergebnis den Fall beurteilen zu können, ob entgegen der Empfehlung der Ärzte im Ergebnis einer Risiko-Nutzen-Analyse der Verschraubungstechnik der Vorzug zu geben sei. Unabhängig davon hätten die Beklagten mit Erfolg den Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben. Der Senat habe mit Hilfe des Sachverständigen versucht, für die Eltern im Zeugenstand die Aufklärungssituation zu "simulieren", indem der Sachverständige ihnen direkt den Inhalt der erforderlichen Aufklärung erläutert habe und die Zeugen dazu unmittelbar hätten Stellung nehmen können. Ein potenzieller Entscheidungskonflikt sei aber im Dunkeln geblieben.
II.
10Diese Erwägungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Die Verneinung eines Behandlungsfehlers in Gestalt einer fehlerhaften Methodenwahl (1.) wie auch die Beurteilung der Folgen des Aufklärungsmangels (2.) halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Rechtlichen Bedenken begegnet die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der Frage nach der hypothetischen Einwilligung der Eltern (3.).
111. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Behandlungsfehler durch die Entscheidung für die Anwendung der Verdrahtungsmethode nicht verneint werden. Die Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters und revisionsrechtlicher Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich (, BGHZ 172, 1 Rn. 17; vom - VI ZR 106/13, VersR 2015, 712 Rn. 7 f.). Wie die Revision zu Recht rügt, hat das Berufungsgericht aber die rechtlichen Voraussetzungen für eine fehlerfreie Wahl der Behandlungsmethode nicht vollständig erfasst und in der Folge den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt (§ 286 ZPO). Seine Feststellungen vermögen die Verneinung eines Behandlungsfehlers nicht zu tragen.
12a) Die Therapiewahl ist primär Sache des Arztes, dem die Rechtsprechung bei seiner Entscheidung grundsätzlich einen weiten Beurteilungsspielraum einräumt. Der Arzt ist bei der Wahl der Therapie insbesondere nicht stets auf den jeweils sichersten therapeutischen Weg festgelegt (vgl. , VersR 2020, 168 Rn. 14; vom - VI ZR 35/06, BGHZ 172, 254 Rn. 13; vom - VI ZR 146/86, VersR 1988, 82, juris Rn. 6). Allerdings muss ein höheres Risiko in den besonderen Sachzwängen des konkreten Falles oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung finden (vgl. , BGHZ 172, 254 Rn. 13; vom - VI ZR 146/86, VersR 1988, 82, juris Rn. 6); jedenfalls hat der Arzt alle bekannten und medizinisch vertretbaren Sicherungsmaßnahmen anzuwenden, die eine erfolgreiche und komplikationsfreie Behandlung gewährleisten, und muss umso vorsichtiger vorgehen, je einschneidender ein Fehler sich für den Patienten auswirken kann (vgl. Senatsurteil vom aaO).
13Ob der Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat, der zu einer Gesundheitsschädigung des Patienten geführt hat, beantwortet sich ausschließlich danach, ob der Arzt unter Einsatz der von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen im konkreten Fall vertretbare Entscheidungen über die diagnostischen sowie therapeutischen Maßnahmen getroffen und diese Maßnahmen sorgfältig durchgeführt hat (vgl. , NJW 1987, 2291, juris Rn. 12; vom - VI ZR 60/20, NJW-RR 2021, 1602 Rn. 15).
14Der Arzt schuldet seinem Patienten neben einer sorgfältigen Diagnose die Anwendung einer Therapie, die dem jeweiligen Stand der Medizin entspricht. Indessen bedeutet das nicht, dass jeweils das neueste Therapiekonzept verfolgt werden muss, wozu dann auch eine stets auf den neuesten Stand gebrachte apparative Ausstattung gehören müsste. Der Zeitpunkt, von dem ab eine bestimmte Behandlungsmaßnahme veraltet und überholt ist, sodass ihre Anwendung nicht mehr dem einzuhaltenden Qualitätsstandard genügt und damit zu einem Behandlungsfehler wird, ist jedenfalls dann gekommen, wenn neue Methoden risikoärmer sind und/oder bessere Heilungschancen versprechen, in der medizinischen Wissenschaft im wesentlich unumstritten sind und deshalb nur ihre Anwendung von einem sorgfältigen und auf Weiterbildung bedachten Arzt verantwortet werden kann. Da aber schon aus Kostengründen, anfangs möglicherweise auch wegen eines noch unzureichenden Angebotes auf dem Markt, nicht sofort jede technische Neuerung, die den Behandlungsstandard verbessern kann, von den Kliniken angeschafft werden kann, muss es für eine gewisse Übergangszeit ferner gestattet sein, nach älteren, bis dahin bewährten Methoden zu behandeln, sofern das nicht schon wegen der Möglichkeit, den Patienten an eine besser ausgestattete Klinik zu überweisen, unverantwortlich erscheint. Stets wird der Patient, dessen Krankheit der Behandlung durch Ärzte mit besonderen medizinischen Kenntnissen und Erfahrungen bedarf, in eine dazu geeignete Spezialklinik weiterverwiesen werden müssen (Senatsurteil vom - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, juris Rn. 16).
15Es kommt mithin hier entscheidend darauf an, ob die Wahl der (älteren) Verdrahtungsmethode angesichts der anerkannten Verschraubungsmethode bei den drei Eingriffen medizinisch vertretbar war, ob es sich also um eine medizinisch vertretbare Alternative handelte, das heißt eine verantwortliche medizinische Abwägung unter Vergleich der zu erwartenden Vorteile dieser Methode und ihrer abzusehenden und zu vermutenden Nachteile mit der alternativen operativen Behandlungsmethode unter Berücksichtigung des Wohles des Patienten die Anwendung dieser Methode rechtfertigen konnte.
16b) Nach diesen Grundsätzen fehlt es an den notwendigen Feststellungen zur Vertretbarkeit der Wahl der Verdrahtungsmethode in der konkreten Behandlungssituation und zu der Frage, ob es nicht geboten gewesen wäre, die Klägerin an eine Klinik mit Spezialkenntnissen und Erfahrungen mit der Behandlung dieser seltenen Erkrankung weiter zu verweisen.
17Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, dass die Verdrahtungsmethode an sich im Januar und April 1998 eine dem medizinischen Standard entsprechende Operationsmethode dargestellt habe. Gleichzeitig hat es aber mehrfach ausgeführt, dass die ebenfalls standardgerechte Verschraubungsmethode bei der Klägerin die deutlich größere Aussicht auf Erfolg (auf einer Skala von 1 bis 10 im Verhältnis 2 zu 7) und eine geringere Komplikationsrate geboten habe. Im Rahmen der Feststellungen zur Aufklärungsrüge wird weiter ausgeführt, diesen Vorteilen habe auch kein größeres Eingriffsrisiko - die Verschraubungsmethode sei mit dem Risiko des Implantatversagens und einer Verletzung der Wirbelarterie behaftet gewesen - entgegengestanden. Das Risiko einer Querschnittslähmung, einer Lockerung und damit eines Revisionseingriffs seien bei der Verdrahtungsmethode deutlich größer gewesen. Feststellungen, weshalb es bei diesen Gefahren notwendig oder vorzugswürdig bzw. medizinisch vertretbar gewesen sein könnte, sich dennoch für die Verdrahtungsmethode zu entscheiden, sind dabei nicht erkennbar. Es fehlt jede nähere Abwägung der Vor- und Nachteile. So kann auch den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. nichts entnommen werden, was entscheidend zugunsten der Verdrahtungsmethode sprechen würde. Er hat vielmehr darauf hingewiesen, dass man die Klägerin einer anderen Klinik hätte zuführen können, die mehr Erfahrung mit dem seltenen und schwerwiegenden Krankheitsbild der Klägerin hatte. Dass die Verdrahtungsmethode dem Standard entsprochen haben soll und gängig war, kann insbesondere bei dieser Gefahrensituation mit schwerwiegendsten Folgen für den Patienten für eine Abwägung nicht genügen. Der mögliche Behandlungsfehler durch die Wahl der Verdrahtungsmethode könnte auch bei den beiden Revisionsoperationen gegeben sein, nachdem der Sachverständige Prof. Dr. K. erwogen hat, man hätte bei der Revisionsoperation das Verfahren noch wechseln können.
182. Das Berufungsgericht hat auch Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten wegen unzureichender Aufklärung der Eltern der Klägerin mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint.
19a) Von der Revision nicht angegriffen ist das Berufungsgericht für den Streitfall von der Einwilligungsunfähigkeit der damals 12 ½ Jahre alten Klägerin ausgegangen und hat für die einwilligungsunfähige Minderjährige gem. § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 288/87, BGHZ 105, 45, juris Rn. 12) auf die Aufklärung und Einwilligung ihrer Eltern abgestellt.
20b) Die Beurteilung der Aufklärungspflicht über Behandlungsalternativen ist im Ausgangspunkt rechtlich nicht zu beanstanden.
21aa) Das Berufungsgericht geht zunächst ohne Rechtsfehler davon aus, dass es Pflicht des behandelnden Arztes ist, den Patienten über die in seinem Fall bestehenden Behandlungsmöglichkeiten mit wesentlich unterschiedlichen Risiken oder wesentlich unterschiedlichen Erfolgsaussichten in Kenntnis zu setzen und ihm die Wahl zwischen den gleichermaßen medizinisch indizierten Behandlungsmethoden zu überlassen.
22Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert aber eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZR 179/10, VersR 2011, 1450 Rn. 6; , BGHZ 168, 103 Rn. 13; vom - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718, juris Rn. 10 mwN). Nach der nunmehr geltenden Regelung des § 630e Abs. 1 Satz 2 BGB, mit der die - auch im streitgegenständlichen Behandlungszeitpunkt langjährig gefestigte - Senatsrechtsprechung zur Selbstbestimmungsaufklärung nachgezeichnet wurde (BT-Drucks. 17/10488, S. 24), ist bei der Aufklärung auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.
23bb) Die Voraussetzungen für eine Beteiligung der Eltern der Klägerin an der Therapiewahl lagen nach Auffassung des Berufungsgerichts vor. Das Berufungsgericht geht mit dem Sachverständigen Prof. Dr. K. davon aus, dass neben der angewandten Verdrahtungsmethode alternativ die (unterschiedlichen) Verschraubungstechniken (Hakenplättchen/Rosenklammern) zur Verfügung standen. Dies habe einem Facharzt für Neurochirurgie im Zeitpunkt der Aufklärung im Januar 1998 bekannt sein müssen. Im Rahmen der verschiedenen Möglichkeiten der Verschraubungstechnik habe es Rosenklammern gerade auch für Kinder gegeben. Das Risiko für eine Revisionsoperation sei bei der Verdrahtungsmethode höher. Die feste Fixierung habe gegenüber der Verdrahtung die größere Aussicht auf Heilung geboten und die Komplikationsrate sei geringer gewesen. Diesen Vorteilen habe auch kein größeres Eingriffsrisiko gegenübergestanden, vielmehr habe der Sachverständige Prof. Dr. K. auf die regelmäßige Furcht des Operateurs, bei der Verlegung der Drähte das Rückenmark zu verletzen, eindringlich hingewiesen ("Gerade bei der Operation nach Gallie trat einem regelmäßig der Schweiß auf die Stirn, wenn man den Draht um die Bögen legen musste, da man zu vermeiden hatte, das Rückenmark zu verletzen. Dieses Problem besteht bei der festen Fixierung nicht.").
24Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage angenommen, dass die Beklagte zu 1 die Eltern der Klägerin über die alternativ zur Verfügung stehende Verschraubungsmethode und über das damit verbundene geringere Risiko einer Querschnittslähmung hätte aufklären müssen. Im Hinblick auf die für den Erfolg des Eingriffs ganz wesentliche Stabilisierungsfrage habe, so das Berufungsgericht weiter, auch darüber aufgeklärt werden müssen, dass bei der Methode nach Gallie ein höheres Risiko der Lockerung der Verdrahtung und damit das Risiko für einen Revisionseingriff bestanden habe, welches der Verschraubungsmethode nicht innegewohnt habe. Diese habe das Risiko eines Implantatversagens bzw. einer Verletzung der Wirbelarterie mit sich gebracht. Diese tatrichterliche Bewertung erscheint im Hinblick auf die oben aufgezeigten Mängel bei der Tatsachenfeststellung zur Prüfung eines Behandlungsfehlers durch die Wahl der Behandlungsmethode zwar möglicherweise unvollständig, da Vorteile der Verdrahtungsmethode, die ihre Beurteilung als gleichwertig oder gleichermaßen indiziert rechtfertigen könnten, nicht festgestellt sind. Für das Revisionsverfahren ist aber zunächst weiter zu Gunsten der Klägerin, die u.a. diese Aufklärungsrüge erhoben hat, von einer Aufklärungsbedürftigkeit über Behandlungsalternativen auszugehen.
25Insbesondere entfällt eine Verpflichtung zur Aufklärung über Behandlungsalternativen nicht deshalb, weil diese nach der Rechtsprechung des Senats eine echte Wahlmöglichkeit des Patienten voraussetzt, sodass er nicht ungefragt über neue diagnostische und therapeutische Verfahren, die sich erst in Erprobung befinden und erst in einigen Großkliniken zur Verfügung stehen, zu unterrichten ist (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, juris Rn. 14). Auch wenn das Berufungsgericht auf der Grundlage der mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. festgestellt hat, dass die Durchführung der Verschraubungsmethode Anfang 1998 noch auf wenige Zentren beschränkt gewesen sei, hat es damit nicht eine echte Wahlmöglichkeit der Klägerin verneint. Aus dem Zusammenhang der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. ergibt sich nämlich, dass sich in der neurochirurgischen und orthopädischen Praxis zum damaligen Zeitpunkt die Kliniken der festen Verbindung bei Kindern bedient hätten und es sich dabei um eine oder zwei Handvoll von Kollegen oder Kliniken gehandelt habe, die sich damit ausgekannt hätten, Kinder zu behandeln. Es handelte sich also gerade nicht um ein neues Verfahren, das sich in wenigen Großkliniken in der Erprobung befand, die kleine Anzahl von erfahrenen Behandlern erscheint vielmehr der Seltenheit der Erkrankung und des erforderlichen Eingriffs geschuldet. Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat es für möglich gehalten, die Klägerin einer Klinik zuzuführen, die mehr Erfahrungen mit derartigen Krankheitsbildern hatte.
26c) Die Beurteilung der Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der Operation vom und dem Eintritt der Querschnittslähmung ist aber nicht frei von Rechtsfehlern.
27aa) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Beweislast dafür trägt, dass ihr Gesundheitsschaden durch einen nicht wirksam konsentierten Eingriff verursacht worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist in den Fällen, in denen der Patient aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Ersatzansprüche ableitet, die Behauptungs- und Beweislast auf beide Prozessparteien verteilt. Auch bei ungenügender Aufklärung über Behandlungsalternativen muss der Patient beweisen, dass sein Gesundheitsschaden auf der Behandlung beruht (vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 389/90, NJW 1992, 754, juris Rn. 23 mwN). Der Beweis, dass der ohne rechtswirksame Einwilligung vorgenommene ärztliche Eingriff bei dem Patienten auch zu einem Schaden geführt hat, ist ebenso wie im Fall des Behandlungsfehlers Sache des Patienten. Es besteht kein Sachgrund, bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht den Arzt insoweit beweismäßig schlechter zu stellen. Dieser Grundsatz gilt sowohl bei der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht über die Risiken eines Eingriffs wie auch über bestehende Behandlungsalternativen (Selbstbestimmungsaufklärung; vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 63/11, BGHZ 192, 298 Rn. 10).
28bb) Revisionsrechtlich zu beanstanden sind jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage des Kausalzusammenhangs zwischen dem ohne rechtswirksame Einwilligung vorgenommenen Eingriff, der ersten Operation der Klägerin bei der Beklagten, und der Querschnittslähmung.
29(1) Nach der Rechtsprechung des Senats liegt die Primärschädigung bei fehlerhafter Aufklärung bei einer Operation bereits in dem mangels wirksamer Einwilligung per se rechtswidrigen Eingriff als solchem (vgl. , VersR 2010, 115 Rn. 13; vom - VI ZR 241/09, VersR 2011, 223 Rn. 18 mwN; Senatsbeschluss vom - VI ZR 310/21, VersR 2022, 1161 Rn. 14). Der Eingriff muss dann äquivalent und adäquat kausal sein für den geltend gemachten weiteren Gesundheitsschaden: Die erste Operation darf nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele, muss also "conditio sine qua non" im Sinne der Äquivalenztheorie sein. Der Eingriff muss auch im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sein, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen, und damit adäquat kausal sein (vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 363/23, VersR 2024, 1355 Rn. 17 mwN).
30Die Kausalität für den geltend gemachten weiteren Gesundheitsschaden - hier die Querschnittslähmung - ist dabei nach dem Beweismaßstab des § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZR 432/15, juris Rn. 5). Für die haftungsausfüllende Kausalität, die den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und weiteren Schäden des Verletzten (Sekundärschäden) betrifft, gilt nämlich das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO, d.h. zur Überzeugungsbildung kann eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (, BGHZ 221, 43 Rn. 12 mwN; vom - VI ZR 435/19, VersR 2021, 1497 Rn. 13).
31(2) Dass die als Gesundheitsschaden unstreitige Querschnittslähmung auf die erste Operation der Klägerin mit der Drahtumschlingung zurückzuführen ist, nimmt das Berufungsgericht im Ergebnis an. Es geht dabei jedoch von der unzutreffenden Fragestellung aus, ob es bei Anwendung der Verschraubungsmethode anlässlich des ersten Eingriffs nicht zum Eintritt der Querschnittslähmung gekommen wäre. Es stellt damit auf einen hypothetischen Kausalverlauf ab, für den die Klägerin schon nicht die Darlegungs- und Beweislast trägt. Die Behandlungsseite könnte zwar geltend machen, der gleiche Gesundheitsschaden wäre auch nach einer Operation mit der Verschraubungsmethode entstanden. Nur dann aber, wenn dieser Verlauf feststünde, könnte die Haftung der Beklagten zu 1 für die Folgen ihrer rechtswidrigen Vorgehensweise verneint werden. Dieses Beweisrisiko geht nämlich zu Lasten der Beklagten, die dementsprechend nicht nur die Möglichkeit eines solchen Verlaufs, sondern beweisen müssten, dass derselbe Misserfolg auch nach Wahl einer solchen anderen Behandlungsmethode eingetreten wäre (vgl. , VersR 2024, 1355 Rn. 18; vom - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718, juris Rn. 23 mwN; vom - VI ZR 39/80, VersR 1981, 677, juris Rn. 9).
32Nicht auszuschließen ist zwar, dass der Patient, wenn es für ihn von Vorteil erscheint, beispielsweise wenn er die Kausalität zwischen dem mangels ausreichender Aufklärung rechtswidrigen Eingriff und dem geltend gemachten weiteren Gesundheitsschaden nicht beweisen kann, seine Ansprüche darauf stützt, dass er sich bei zutreffender Aufklärung für die Behandlungsalternative entschieden und diese zu einem besseren Ergebnis geführt hätte. Nur dann aber trägt er auch die Beweislast dafür, dass er sich für die Behandlungsalternative entschieden hätte. So liegt es im Streitfall aber nicht. Das Berufungsgericht hat beide grundsätzlich möglichen Anspruchsbegründungen vermengt und dabei rechtsfehlerhaft für die Konstellation des Streitfalls angenommen, dass die Klägerin beweisen müsste, sie bzw. ihre Eltern hätten sich für die Behandlungsalternative entschieden und diese hätte nicht zu dem weiteren Gesundheitsschaden geführt.
33(3) Im Ergebnis erweist sich die Annahme eines äquivalenten und adäquaten Kausalzusammenhanges (- für den eine überwiegende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 287 ZPO genügt -) auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts aber als zutreffend. Bei der ersten Operation am wurde nach der Gallie-Methode eine Drahtumschlingung eingebracht, die das Risiko einer Lockerung barg. Diese lockerte sich und machte eine Revisionsoperation erforderlich, bei der es zum Eintritt der Querschnittslähmung als Sekundärschaden kam. Von dem Kausalzusammenhang zwischen dieser Revisionsoperation und der Querschnittslähmung hat sich das Berufungsgericht überzeugt, denn es führt aus, dass sich mit dem Eintritt der Querschnittslähmung ein operationsimmanentes Risiko des Revisionseingriffs verwirklicht hat.
34Ob im Übrigen dieser Eingriff (wie möglicherweise auch die zweite Revisionsoperation) mangels ausreichender Aufklärung rechtswidrig war, hat das Berufungsgericht bisher nicht geprüft.
35cc) Soweit das Berufungsgericht annimmt, die Klägerin müsse auch beweisen, dass sich ihre Eltern nach zutreffender und vollständiger Aufklärung für die Operationsalternative mit der Verschraubungsmethode entschieden hätten, beruht dies auf einer Verkennung der Beweislast. Das lässt den Umstand außer Acht, dass die Klägerin bzw. ihre Eltern ohne vollständige Aufklärung über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und deren Erfolgsaussichten und Gefahren nicht wirksam in die Operation eingewilligt haben. Erst eine nach vollständiger und gewissenhafter Aufklärung des Patienten wirksame Einwilligung ("informed consent") macht den Eingriff in seine körperliche Integrität rechtmäßig (vgl. heute § 630d Abs. 1, 2 BGB; vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718, juris Rn. 14 f.). Der Patient muss nicht vortragen und nötigenfalls beweisen, dass er sich für die verschwiegene Alternative entschieden oder dass die Alternative zu einem besseren Ergebnis geführt hätte (vgl. Nußstein, VersR 2017, 1379, 1380), um Ansprüche aus dem rechtswidrigen Eingriff herzuleiten.
36Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Patient sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte, trifft nicht den Patienten, sondern den Arzt (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 363/23, VersR 2024, 1355 Rn. 35 f.; nunmehr § 630h Abs. 2 BGB). Der Arzt ist erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er - wären ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 260/93, VersR 1994, 1302, juris Rn. 11). Das gilt in gleicher Weise, wenn der Arzt den Patienten über mehrere, aus medizinischer Sicht indizierte Behandlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten und Risiken aufzuklären hat. Auch diese Aufklärung über die bestehenden unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten dient - wie erwähnt - dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ist daher Voraussetzung einer rechtmäßigen Behandlung (Senatsurteil vom - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718, juris Rn. 17).
37Anderes ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch der Senatsentscheidung vom (VI ZR 63/11, BGHZ 192, 298 Rn. 8-15) nicht zu entnehmen. Dort bestand vielmehr die Besonderheit, dass die Klageforderung nicht aus der - mangels ordnungsgemäßer Aufklärung - rechtswidrigen Fortsetzung der (konservativen) Behandlung hergeleitet wurde, sondern daraus, dass weitergehende Behandlungsmaßnahmen (Cervixcerclage) unterblieben waren (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 10). Der Kläger musste daher beweisen, dass das "rechtswidrige" Unterbleiben weitergehender Behandlungsmaßnahmen ursächlich für den geltend gemachten Schaden war, denn er begehrte Schadensersatz, weil eine - ihm vertraglich und aufgrund der Übernahme der Behandlung auch deliktsrechtlich geschuldete - Aufklärung nicht erfolgt war und er deshalb weitergehende Behandlungsmaßnahmen nicht verlangt hatte.
383.Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen die Erwägungen des Berufungsgerichts, die fehlende Einwilligung der Eltern der Klägerin in die erste Operation unter Anwendung der Verdrahtungstechnik führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Eingriffs, weil die Behandlungsseite sich auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung berufen habe und die Eltern der Klägerin einen Entscheidungskonflikt nicht plausibel gemacht hätten.
39a) Zwar kann sich der Behandelnde, wenn die Aufklärung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt, darauf berufen, dass der Patient auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte (hypothetische Einwilligung, heute § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB). Auch ist der Behandelnde für seine Behauptung, der Patient hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt, erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er - wäre er ordnungsgemäß und vollständig aufgeklärt worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (vgl. , VersR 2024, 1355 Rn. 35 f.; vom - VI ZR 401/19, NJW-RR 2021, 886 Rn. 14 ff.; vom - VI ZR 277/19, VersR 2022, 245 Rn. 10; jeweils mwN; Senatsbeschluss vom - VI ZR 310/21, VersR 2022, 1161 Rn. 8; nunmehr § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB). Vom Patienten nicht zu verlangen ist dagegen, dass er plausibel macht, er hätte sich im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung tatsächlich gegen die durchgeführte Maßnahme entschieden. Der Patient muss lediglich einen echten Entscheidungskonflikt, nicht hingegen ein anderes Entscheidungsergebnis im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung plausibel machen (vgl. , VersR 2022, 245 Rn. 10; vom - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718, juris Rn. 18). Maßgeblich ist insoweit allein die persönliche Entscheidungssituation des konkreten Patienten aus damaliger Sicht, nicht hingegen, ob ein "vernünftiger" Patient dem entsprechenden ärztlichen Rat gefolgt wäre. Feststellungen hierzu darf der Tatrichter dabei grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen (vgl. , VersR 2024, 1355 Rn. 36; vom - VI ZR 401/19, NJW-RR 2021, 886 Rn. 16; vom - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718, juris Rn. 18; Senatsbeschluss vom - VI ZR 310/21, VersR 2022, 1161 Rn. 10). Dementsprechend hat der Tatrichter dem Patienten vor seiner Anhörung mitzuteilen, welche Aufklärung ihm vor dem maßgeblichen Eingriff richtigerweise hätte zuteilwerden müssen (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 119/18, VersR 2019, 1369, Rn. 18 und 22). Denn Ausgangspunkt der Plausibilitätsprüfung ist die hypothetische Entscheidungssituation des Patienten bei ordnungsgemäßer und vollständiger Aufklärung (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 108/06, VersR 2007, 999 Rn. 24). Angaben, die der Patient in Unkenntnis des Inhalts der ihm geschuldeten Aufklärung macht, sind grundsätzlich nicht geeignet, die Plausibilität von später in Kenntnis der geschuldeten Aufklärung gemachten Angaben in Frage zu stellen (Senatsurteil vom - VI ZR 401/19, NJW-RR 2021, 886 Rn. 16).
40b) Davon ist das Berufungsgericht im Ansatz auch zutreffend für die einwilligungsbefugten Eltern ausgegangen und hat sie als Zeugen vernommen. Mangels Protokollierung der "simulierten Aufklärungssituation", also dessen, was der Sachverständige den Eltern als zutreffende Aufklärung vorgetragen hat, ist allerdings insoweit eine Prüfung durch das Rechtsmittelgericht nur eingeschränkt möglich. Anhand der Entscheidungsgründe rügt die Revision aber zu Recht Verfahrensfehler im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung.
41aa) Die tatrichterliche Beweiswürdigung kann zwar vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden, nämlich darauf, ob der Tatrichter sich den Darlegungen im Urteil zufolge mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Naturgesetze verstößt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteil vom - VI ZR 44/12, NJW 2014, 71 Rn. 13; , NJW 2017, 2819 Rn. 24). Derartige Fehler sind dem Berufungsgericht hier aber unterlaufen.
42bb) Das Berufungsgericht meint, in den Aussagen der Eltern dominiere der Hinweis darauf, dass man den Ärzten vertraue, sich also letztlich auch bei vollständiger Aufklärung doch der Empfehlung der Ärzte für die Gallie-Methode angeschlossen hätte, was ausdrücklich gegen einen Entscheidungskonflikt spreche. Diese Kernaussage der Zeugen werde durch den eher vagen Hinweis darauf, "vielleicht" eine andere Meinung eingeholt zu haben, nicht in einem nachvollziehbaren Maße relativiert, sodass daraus auf einen Entscheidungskonflikt geschlossen werden könnte.
43Damit hat das Berufungsgericht aber das Ergebnis der Beweisaufnahme nur unvollständig gewürdigt (§ 286 Abs. 1 ZPO). Zunächst ist unklar, wie und mit welchem genauen Inhalt der Sachverständige die gebotene vollständige Aufklärung über die Behandlungsalternativen und deren jeweilige Risiken und ggf. Vorzüge dargestellt hat, so dass der Zusammenhang, in dem die Zeugenaussagen gefallen sind, nicht nachvollzogen werden kann. Dies erscheint umso wesentlicher, als der gebotene Hinweis auf das höhere Risiko einer Querschnittslähmung nach allgemeiner Lebenserfahrung besorgte Eltern vor dieser Alternative regelmäßig zurückschrecken lassen würde. Den Angaben des Vaters der Klägerin war jedenfalls die Frage des Beklagtenvertreters vorausgegangen, wie die Eltern sich entschieden hätten, wenn ihnen der behandelnde Arzt angesichts der zur Verfügung gestandenen Alternativen die Fixierung mit Draht empfohlen hätte. Nach den bisher getroffenen Feststellungen (siehe II 1 b) fehlte es aber an einer Grundlage für eine solche Empfehlung. Auch weist die Revision zu Recht darauf hin, dass hier (zunächst) die offenere Frage nach den angestellten Überlegungen und nicht nach der fiktiven Entscheidung zu stellen gewesen wäre, da die Patientenseite gerade nicht darlegen muss, wie sie sich im Ergebnis entschieden hätte, sondern nur einsichtig machen kann und soll, dass sie die vollständige Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob sie zustimmen solle oder nicht (vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 176/90, VersR 1991, 812, juris Rn. 18).
44Verkannt hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung auch, dass sich der Vater der Klägerin bei seiner Aussage, man habe den Ärzten vertraut, auf die das Berufungsgericht wesentlich abstellt, gerade nicht in die Situation der Überlegungen nach zutreffender Aufklärung hineinversetzt hatte. Dies ergibt sich klar aus seiner Aussage, "Ich bin Schlosser. Ich weiß, dass Draht nicht so gut hält. Aber man hat uns ja damals nur vor die Wahl gestellt, entweder die dann letztlich durchgeführte Operation zu akzeptieren oder es sein zu lassen. Von der Sache her haben wir den Ärzten vertraut. Uns blieb ja auch gar nichts anderes übrig." Hier wird deutlich, dass der Zeuge zwar einen Vorbehalt gegen die Stabilität einer Drahtverbindung hatte, aber die Möglichkeit einer anderen Behandlung gar nicht erwogen, sondern sich nur die Situation der tatsächlich erfolgten, unzureichenden Aufklärung vorgestellt hatte. Danach durfte aus seiner Aussage nicht geschlossen werden, ein Entscheidungskonflikt sei nicht plausibel gemacht worden, denn die Beweisaufnahme hätte mit dieser Antwort nicht beendet werden dürfen, eine weitere Aufklärung des Sachverhalts und Hinführung des Zeugen in verständlicher Form wäre vielmehr geboten gewesen. Bereits der erkennbare Vorbehalt gegen eine Drahtverbindung könnte jedenfalls einen Entscheidungskonflikt andeuten.
45cc) Wenn es sich auch bei der ersten Revisionsoperation, in deren Verlauf die Querschnittslähmung eingetreten ist, mangels Aufklärung über die Behandlungsalternative um einen weiteren rechtswidrigen Eingriff handelte, müsste beim Einwand der hypothetischen Einwilligung die Plausibilisierung des Entscheidungskonfliktes vor dem Hintergrund des Wissens der Eltern um die Lockerung der ersten Drahtumschlingung erörtert werden.
464. Ob, wie die Revision meint, wegen des Richterwechsels im Berufungssenat nach der Beweisaufnahme die Verwertung von deren Ergebnissen unter Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme des § 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgte und ob ein etwaiger Verstoß eine Heilung gem. § 295 Abs. 1 ZPO erfahren hat, kann dahinstehen, da das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung erneut in die Beweisaufnahme wird eintreten müssen.
III.
47Danach war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die noch erforderlichen Feststellungen nachholen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es wird bei erneuter Befassung Gelegenheit haben, auch das weitere Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz - insbesondere die Gegenrüge der Beklagten - zu prüfen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:210125UVIZR204.22.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-88187