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BSG Urteil v. - B 6 KA 11/23 R

Instanzenzug: Az: S 43 KA 379/19 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 12 KA 36/21 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten um eine Anstellungsgenehmigung nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs.

2Nach Feststellung von Zulassungsmöglichkeiten im Umfang eines halben Versorgungsauftrags für die Gruppe der Augenärzte im Planungsbereich N (Oberbayern) durch den zuständigen Landesausschuss bewarben sich der Kläger und ein in der Rechtsform der GbR von den Vertragsärzten N und R betriebenes medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), letzteres mit einem Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung der zu 9. beigeladenen Ärztin. Der Zulassungsausschuss erteilte der GbR als Trägerin des MVZ mit Wirkung vom die Genehmigung zur Anstellung der Beigeladenen zu 9. im Umfang von 20 Wochenstunden; den Antrag des Klägers lehnte er ab (Beschluss vom ). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

3Bereits vor der Entscheidung des Zulassungsausschusses hatten N und R vereinbart, ihre Geschäftsanteile an der GbR in eine von ihnen mit Wirkung vom gegründete GmbH, die Beigeladene zu 8., einzubringen, die seither das MVZ betreibt. Insofern stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die Zulassung des MVZ in Trägerschaft der GbR nach § 95 Abs 7 SGB V durch Verzicht mit Wirkung zum ende und ließ das MVZ ab dem am gleichen Standort - nunmehr in der Rechtsform einer GmbH - zur vertragsärztlichen Versorgung zu. Zeitgleich wandelte er die Anstellung der Beigeladenen zu 9. zum in eine Zulassung um, auf welche die Beigeladene zu 9. sogleich zugunsten einer Anstellung bei dem von der zu 8. beigeladenen GmbH betriebenen MVZ verzichtete (Beschlüsse vom ).

4Der beklagte Berufungsausschuss ging davon aus, dass nunmehr die GmbH zutreffender Widerspruchsgegner sei und wies den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück (Beschluss vom /Bescheid vom ).

5Das SG hat den Bescheid des Beklagten vom aufgehoben und den Beklagten verurteilt, über den Widerspruch des Klägers erneut zu entscheiden (Urteil vom ). Hiergegen haben sowohl der Beklagte als auch die Beigeladenen zu 8. und 9. Berufung eingelegt. Die Beigeladene zu 9. hat - nach Beendigung ihrer Anstellung bei der Beigeladenen zu 8. - ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zurückgenommen. Das LSG hat die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 8. als unbegründet zurückgewiesen (Urteil vom ). Die der Beigeladenen zu 8. erteilte Anstellungsgenehmigung sowie die damit verbundene Ablehnung des Antrags des Klägers seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte sei zu Unrecht von einer im Rahmen der Auswahlentscheidung unbeachtlichen identitätswahrenden Umwandlung der GbR in die zu 8. beigeladene GmbH ausgegangen. Die Zulassung des MVZ in der Rechtsform der GbR habe durch Verzicht geendet; zeitgleich habe der Zulassungsausschuss das MVZ in Trägerschaft der Beigeladenen zu 8. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten habe der GbR keine Anstellungsgenehmigung mehr erteilt werden können. Da sich die GmbH nicht fristgerecht beworben habe, könne sie nicht berücksichtigt werden. Der angefochtene Verwaltungsakt habe sich jedoch nicht erledigt. Die Beigeladene zu 8. als ausgewählte Bewerberin habe nicht auf die ihr erteilte Anstellungsgenehmigung verzichtet, sondern gehe davon aus, dass ihr diese als "Rechtsnachfolgerin" der GbR zustehe. Es liege auch kein Fall der Erledigung eines Nachbesetzungsverfahrens vor, der dazu führe, dass sich das gesamte vor den Zulassungsgremien anhängige Verwaltungsverfahren erledige. Der Kläger verbleibe als einziger Bewerber und der Beklagte werde in dem nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren ausschließlich die zulassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Klägers zu prüfen haben.

6Hiergegen wenden sich der Beklagte und die Beigeladene zu 8. mit ihren Revisionen.

7Der Beklagte rügt eine Verletzung des § 39 Abs 2 SGB X. Die angegriffene Entscheidung des Zulassungsausschusses vom habe sich während des bei ihm anhängigen Verfahrens im Sinne dieser Vorschrift erledigt, sodass er mangels sachlicher Zuständigkeit nicht mehr zur Neubescheidung habe verurteilt werden dürfen. Die Zulassung des MVZ in Trägerschaft der GbR habe aufgrund Verzichts mit Wirkung zum geendet. Damit sei der vom Zulassungsausschuss ausgewählte Bewerber mit der Folge entfallen, dass sich nach der Rechtsprechung des BSG das Auswahlverfahren in seiner Gesamtheit erledigt habe. Auch die Beigeladene zu 9. habe auf ihre durch Umwandlung der genehmigten Anstellung im MVZ des GbR entstandene Zulassung zum verzichtet. Ab diesem Zeitpunkt habe die GbR von der ihr erteilten Anstellungsgenehmigung keinen Gebrauch mehr machen können und das Verfahren habe sich auch deswegen erledigt. Er, der Berufungsausschuss, hätte daher eigentlich schon keine Sachentscheidung mehr treffen dürfen. Eine Verurteilung zur erneuten Entscheidung, wie durch das LSG erfolgt, sei ausgeschlossen.

8Die Beigeladene zu 8. rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass lediglich die Umwandlung eines Rechtsträgers eines zugelassenen MVZ nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes keine zulassungsrechtlichen Auswirkungen habe und daher eine zu dessen Gunsten getroffene Auswahlentscheidung nicht berühre. Der Wechsel von der GbR in eine GmbH sei nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes nicht möglich gewesen. Mit der Abtretung der GbR-Gesellschaftsanteile an die GmbH werde im Ergebnis aber - trotz neuer zulassungsrechtlicher Entscheidungen - ebenfalls eine Fortsetzung der Zulassung wie bei der Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz erreicht. Im Rahmen eines laufenden Auswahlverfahrens sei daher das Verfahren vor dem Berufungsausschuss mit dem neuen Rechtsträger fortzusetzen. Hilfsweise schließt sich die Beigeladene zu 8. der Begründung des Beklagten an.

11Der Kläger hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Insbesondere habe sich der angegriffene Bescheid nicht erledigt, da er Grundlage weiterer Entscheidungen geworden sei und damit weiterhin rechtliche Wirkung entfalte. So sei die Anstellungsgenehmigung in eine Zulassung umgewandelt und in das neu zuzulassende MVZ eingebracht worden. Das Recht zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bleibe hierdurch dauerhaft der Entscheidung durch die Zulassungsgremien entzogen. Bei teilweiser Entsperrung eines Planungsbereichs müsste etwas anderes gelten als bei einem Nachbesetzungsverfahren im Rahmen einer Praxisnachfolge.

12Die Anstellungsgenehmigung sei nicht im Wege einer identitätswahrenden Umwandlung nach dem BGB übergegangen. Die GbR sei bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts am vom Gesetzgeber bewusst von der Anwendung des Umwandlungsgesetzes ausgeschlossen worden. Auch sei die vertragsärztliche Anstellungsgenehmigung als höchstpersönliche, öffentlich-rechtliche Genehmigung nicht mittels einer rechtsgeschäftlichen Abtretung übertragbar. Ein MVZ bestehe zudem nicht unabhängig von seinem Rechtsträger.

13Die Beigeladenen zu 1. bis 7. und zu 9. stellen keine Anträge.

Gründe

14A. Die Revisionen sind zulässig. Insbesondere ist die Beigeladene zu 8. durch die Entscheidung des LSG nicht nur formell, sondern auch materiell beschwert (zum Erfordernis einer materiellen Beschwer zB - BSGE 118, 30 = SozR 4-2500 § 85 Nr 81, RdNr 14 mwN; - SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 19 mwN). Denn sie kann aufgrund der Bindungswirkung des vorinstanzlichen Urteils unmittelbar in eigenen Rechtspositionen beeinträchtigt sein (zu dieser Anforderung vgl - BSGE 118, 30 = SozR 4-2500 § 85 Nr 81, RdNr 14 mwN).

15B. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die vorinstanzlichen Urteile des LSG und des SG sowie der Bescheid des Beklagten vom , der grundsätzlich den alleinigen Streitgegenstand des Verfahrens bildet (vgl zB - SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 2 = juris RdNr 13 ff) und zwar auch in Fällen, in denen sich die Entscheidung des Zulassungsausschusses schon vor Anrufung des Berufungsausschusses erledigt hat ( - BSGE 126, 40 = SozR 4-2500 § 95 Nr 34, RdNr 20). Die Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom sind, auch soweit sie die Umwandlung der dem MVZ in der Rechtsform der GbR erteilten Anstellungsgenehmigung betreffen, nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem Beklagten geworden. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob eine Anwendung des § 86 SGG auch ohne ausdrückliche Anordnung im SGB V oder in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) bereits deshalb nicht in Betracht kommt, da es sich bei dem Verfahren vor dem Berufungsausschuss nicht um ein Widerspruchsverfahren gemäß §§ 78, 83 ff SGG, sondern um ein besonderes Verwaltungsverfahren handelt (vgl hierzu zuletzt - BSGE 134, 297 = SozR 4-5520 § 45 Nr 1, RdNr 30 ff; die Anwendbarkeit des § 86 SGG offenlassend SG Magdeburg Urteil vom - S 1 KA 65/20 - juris RdNr 33, Revision anhängig unter dem Az B 6 KA 4/24 R; vgl auch Pawlita in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 97 RdNr 15). Denn der Beschluss des Zulassungsausschusses vom , mit dem dieser die dem MVZ erteilte Anstellungsgenehmigung auf dessen Antrag mit Wirkung vom in eine Zulassung der Beigeladenen zu 9. umgewandelt hat (vgl § 95 Abs 9b iVm Abs 2 Satz 8 Halbsatz 2 SGB V, § 32b Abs 5 iVm § 1 Abs 3 Nr 2 Ärzte-ZV), ändert den Bescheid vom , mit dem der Zulassungsausschuss der GbR eine Anstellungsgenehmigung erteilt hat, nicht. Der Regelungsgegenstand des neuen Bescheides ist nicht mit dem im Verfahren vor dem Beklagten angegriffenen Bescheid identisch. Die Zulassung wurde - anders als die Anstellungsgenehmigung - nicht der GbR, sondern der Beigeladenen zu 9. und damit einem anderen Rechtssubjekt erteilt (vgl zu § 96 SGG und bezogen auf die dem Träger eines MVZ erteilte Anstellungsgenehmigung, die an die Stelle einer dem anzustellenden Arzt zuvor erteilten Sonderbedarfszulassung tritt: - SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21 und - B 6 KA 39/11 R - juris RdNr 22; vgl auch - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 14 RdNr 21; vgl aber für eine Dialysegenehmigung: - SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 23 f; - SozR 4-5540 § 6 Nr 2 RdNr 18). Der Beschluss des Zulassungsausschusses vom über die Zulassung betrifft damit einen neuen Regelungsgegenstand und ändert nicht etwa den Beschluss vom . Der enge Sachzusammenhang der beiden Beschlüsse begründet nicht die erforderliche Identität des Streitgegenstands. Der unterlegene Mitbewerber ist daher grundsätzlich gehalten, die neuen Bescheide gesondert anzufechten.

16C. Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 8. sind auch begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Verurteilung des Beklagten zur Neubescheidung des Klägers durch das SG bestätigt. Das Anfechtungsbegehren des Klägers hatte sich bereits während des bei dem Beklagten anhängigen Verfahrens iS des § 39 Abs 2 SGB X auf andere Art und Weise erledigt (dazu 1.). Da die Beigeladene zu 9. spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das LSG für eine Anstellungsgenehmigung nicht mehr zur Verfügung stand, wäre im Übrigen jedenfalls mit ihrem Ausscheiden Erledigung eingetreten (dazu 2.). Damit hat sich nicht nur der angegriffene Bescheid des Beklagten vom , sondern auch das Auswahlverfahren und das Verpflichtungsbegehren des Klägers insgesamt erledigt (dazu 3.).

171. Die Erledigung des Anfechtungsbegehrens ist bereits mit Wirkung vom eingetreten als das MVZ in Trägerschaft der GbR auf seine Zulassung verzichtete, die ihm erteilte Anstellungsgenehmigung in eine Zulassung der Beigeladenen zu 9. umgewandelt wurde und die Beigeladene zu 9. hierauf zugleich zugunsten einer Anstellung bei dem MVZ in der Trägerschaft der Beigeladenen zu 8. verzichtete, sodass der Beklagte den Antrag des Klägers als unzulässig hätte zurückweisen müssen.

18Nach § 39 Abs 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Von einer Erledigung "auf andere Weise" ist auszugehen, wenn der Verwaltungsakt nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu entfalten oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist ( - BSGE 124, 294 = SozR 4-2500 § 34 Nr 20, RdNr 30). Dies war hier zum Zeitpunkt der zum vollzogenen Änderungen der Fall. Anders als der Kläger meint, entfaltete die angegriffene Anstellungsgenehmigung damit keine rechtliche Wirkung mehr. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Umwandlung in eine Zulassung eine genehmigte Anstellung voraussetzt (vgl § 95 Abs 9b iVm § 95 Abs 2 Satz 8 Halbsatz 2 SGB V). Hierauf kommt es jedoch für die Beurteilung, ob eine Erledigung der Genehmigung eingetreten ist, nicht an.

19Nach stRspr des BSG liegt eine Erledigung eines Verwaltungsakts auf sonstige Weise vor, wenn durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage das Regelungsobjekt des Verwaltungsakts entfällt. Dazu zählen insbesondere Sachverhalte, bei denen für die getroffene Regelung nach der eingetretenen Änderung kein Anwendungsbereich mehr verbleibt bzw bei denen der geregelte Tatbestand selbst entfällt ( - SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 13, juris RdNr 20) und der Verwaltungsakt damit seine regelnde Wirkung verliert. Für die Gegenstandslosigkeit des Verwaltungsakts bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage ist damit maßgeblich, ob er auch für den Fall geänderter Umstände noch Geltung beansprucht oder nicht. Waren Bestand oder Rechtswirkungen des Verwaltungsakts erkennbar an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, wird er gegenstandslos, wenn diese Situation nicht mehr besteht ( - SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24; - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 18 mwN; - SozR 4-3500 § 93 Nr 2 RdNr 11 mwN).

20Diese Voraussetzungen der Erledigung sind hier erfüllt. Die in Streit stehende Anstellungsgenehmigung wurde auf Antrag des MVZ zum in eine Zulassung umgewandelt, deren Inhaber - mangels Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs 3a SGB V - "der bisher angestellte Arzt" (vgl § 95 Abs 2 Satz 8 Halbsatz 2 SGB V), dh die Beigeladene zu 9. und somit eine andere Rechtsperson wurde. Damit stand auch das Ende der genehmigten Anstellung mit dem fest (vgl bereits unter B. zu § 86 SGG). Darüber hinaus erklärte die Beigeladene zu 9. zeitgleich ihren Verzicht auf die (gerade erworbene) Zulassung, um in dem von der Beigeladenen zu 8. betriebenen MVZ angestellt zu werden. Nach § 95 Abs 7 Satz 1 SGB V endet die Zulassung ua mit dem Wirksamwerden eines Verzichts. Ein Verzicht kann jederzeit vom Vertragsarzt erklärt werden und stellt eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung iS des § 130 Abs 1 Satz 1 BGB dar, die rechtsgestaltende Wirkung hat ( - BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 14; zum Wirksamwerden des Verzichts siehe § 28 Ärzte-ZV). Das Zulassungsende tritt als gesetzliche Rechtsfolge ein. Eines konstitutiven Verwaltungsakts bedarf es daher nicht (vgl zu dem Ganzen - GesR 2017, 256 = juris RdNr 19 f mwN). Es findet auch keine "Übertragung" der Zulassung auf das MVZ statt, wenn ein Arzt nach § 103 Abs 4a Satz 1 SGB V zugunsten der Anstellung in einem MVZ auf seine Zulassung verzichtet; ebenso wenig nimmt er diese Zulassung mit in das MVZ (vgl - BSGE 121, 143 = SozR 4-2500 § 103 Nr 20, RdNr 17 f). Vor diesem Hintergrund war der angegriffene Bescheid, der dem MVZ in Trägerschaft der GbR eine Anstellungsgenehmigung erteilt hatte, zum Stichtag in jedem Fall gegenstandslos und das Anfechtungsbegehren des Klägers unzulässig geworden. Allerdings ist einem Drittanfechtenden damit nicht jede Rechtsschutzmöglichkeit genommen (vgl auch unter B. am Ende; zum Eintritt der aufschiebenden Wirkung eines von einem Dritten gegen eine begünstigende Entscheidung erhobenen Rechtsbehelfs bei statusbegründenden Entscheidungen im Vertragsarztrecht erst ex nunc ab Kenntnis des Begünstigten vgl - SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 21).

212. Der Anfechtungsantrag des Klägers gegen den Bescheid des beklagten Berufungsausschusses vom hätte sich im Übrigen auch deswegen erledigt, weil das Anstellungsverhältnis der Beigeladenen zu 9. bei der Beigeladenen zu 8. mittlerweile beendet worden ist (zur Ausrichtung der Anstellung auf die anzustellende Person und nicht auf die dafür anvisierte Stelle s - BSGE 109,182 - SozR 4-2500 § 103 Nr 8, RdNr 14 mwN; - SozR 4-2500 § 103 Nr 30 RdNr 17) und die der Beigeladenen zu 8. für ihre Anstellung erteilte Genehmigung deshalb nunmehr ins Leere geht (zur Gegenstandslosigkeit einer Anstellungsgenehmigung bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses vgl - BSGE 122, 55 = SozR 4-2500 § 103 Nr 22, RdNr 15). Damit hätte die vom Kläger aufrechterhaltene Anfechtungsklage zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG in jedem Fall als unzulässig abgewiesen werden müssen.

223. Mit der Erledigung der der Beigeladenen zu 8. erteilten Anstellungsgenehmigung hat sich auch das Auswahlverfahren in seiner Gesamtheit erledigt.

23Erledigt sich der von einem Mitbewerber angefochtene Verwaltungsakt, mit dem die Zulassungsgremien einem anderen Kandidaten die Zulassung bzw eine Anstellungsgenehmigung erteilt haben, so reduziert sich nach stRspr des Senats nicht etwa die Auswahlentscheidung auf diejenigen Mitbewerber, die die ursprüngliche Entscheidung nicht haben bestandskräftig werden lassen. Vielmehr erledigt sich auch die rechtlich notwendige Folgeregelung, die Zulassung der Mitbewerber abzulehnen und deren Begehren, die Zulassungsgremien zu verpflichten, sie - anstelle des ausgewählten Kandidaten - zuzulassen. Damit ist nach der Erledigung der ursprünglichen Auswahlentscheidung bei den Zulassungsgremien kein Verwaltungsverfahren iS des § 8 SGB X mehr anhängig ( - BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 10 ff, 28, juris RdNr 21 ff, 31 sowie - SozR 4-2500 § 103 Nr 29 RdNr 36 für Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs 4 SGB V; - SozR 4-1500 § 131 Nr 9 RdNr 12 f und - SozR 4-2500 § 103 Nr 30 RdNr 27 für Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs).

24Soweit der Kläger demgegenüber eine unterschiedliche rechtliche Behandlung von Nachbesetzungsverfahren im Rahmen einer Praxisnachfolge einerseits und Zulassungsverfahren bei einer teilweisen Entsperrung andererseits für rechtlich geboten hält, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar ist es zutreffend, dass der Senat in seiner Entscheidung vom auch darauf hingewiesen hat, dass nach der Konzeption des Gesetzes die Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen in überversorgten Planungsgebieten unerwünscht ist ( - BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 19, juris RdNr 30). Diese Ausführungen erfolgten allerdings in einem anderen Kontext; sie standen im Zusammenhang mit der Aussage, dass ein rechtlich geschütztes Interesse eines Bewerbers um einen frei werdenden Vertragsarztsitz nur insoweit besteht, als der einzelne Bewerber bei einer tatsächlich erfolgenden Nachbesetzung nicht unter Verstoß gegen die in § 103 Abs 4 SGB V genannten Kriterien übergangen werden darf, dass ihm jedoch ein Anspruch auf Ausschreibung des Sitzes nicht zusteht.

25Die Begrenzung des Gegenstands der gerichtlichen Überprüfung von Auswahlentscheidungen der Zulassungsgremien hat der Senat dagegen in erster Linie damit begründet, dass ein anderes Verständnis von Gegenstand und Inhalt der Entscheidung der Zulassungsgremien zur Konsequenz hätte, dass sich die Zulassungsgremien auch dann, wenn sich zahlreiche Ärzte um die Zulassung bewerben und von vornherein feststeht oder zumindest nahe liegt, dass ein bestimmter Bewerber vorzuziehen sein wird, vorsorglich mit der Eignung aller anderen Bewerber befassen und dazu eine Entscheidung treffen müssen. Zudem können die unterlegenen Bewerber ihre Prüfung, ob sie Rechtsbehelfe einlegen wollen und ob diese voraussichtlich Erfolg haben würden, nur bezogen auf die konkrete Entscheidung der Zulassungsgremien zugunsten eines bestimmten Bewerbers vornehmen. Entscheidet sich ein Mitbewerber, die Zulassungsentscheidung des zunächst ausgewählten Bewerbers bestandskräftig werden zu lassen, hätte er sich möglicherweise anders verhalten, wenn ein konkurrierender, zunächst ebenfalls erfolgsloser Mitbewerber bevorzugt worden wäre oder in Zukunft bevorzugt würde. Der Senat hat insofern hervorgehoben, dass die Rechtsauffassung, dass sich die Auswahlentscheidung nach dem Wegfall des ursprünglich zugelassenen Arztes auf diejenigen reduziere, die die ursprüngliche Entscheidung nicht haben bestandskräftig werden lassen, zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen würde. Fechten einige konkurrierende Bewerber die Entscheidung zugunsten des von den Zulassungsgremien ausgewählten Arztes nicht an, weil sie dies für nicht aussichtsreich halten, müssten sie im Ergebnis hinnehmen, dass derjenige Arzt, der sich trotz uU auch von ihm so gesehener Aussichtslosigkeit zur Klage entschlossen hat, nunmehr nach einem Verzicht des zunächst zugelassenen Arztes als einziger Bewerber übrig bleibt. Er müsste zugelassen werden, obwohl möglicherweise in Relation zu ihm die Auswahlchancen der ursprünglich konkurrierenden Bewerber sehr viel besser wären. Es kann nicht Sinn der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verwaltungsakten mit Drittwirkung sein, potenzielle Konkurrenten zur - kostenpflichtigen - Einlegung von Rechtsmitteln zu drängen, die sie zunächst selbst für aussichtslos halten und die nur den Zweck erfüllen sollen, sich für den hypothetischen Fall, dass der ausgewählte Bewerber auf sein ihm zuerkanntes Recht verzichtet, eine günstige Ausgangsposition im Streit mit anderen konkurrierenden, ursprünglich ebenfalls nicht berücksichtigten Bewerbern zu erhalten (vgl aaO, RdNr 24 ff).

26Diese Überlegungen gelten unabhängig davon, ob der Auswahlentscheidung ein Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs 4 SGB V oder eine partielle Entsperrung des Planungsbereichs zugrunde liegt. Aus diesem Grund hat der Senat die für den Fall der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes entwickelte Rechtsprechung auch für Konstellationen herangezogen, in denen der zuständige Landesausschuss den Planungsbereich teilweise entsperrt hatte ( - SozR 4-1500 § 131 Nr 9 RdNr 11; - SozR 4-2500 § 103 Nr 30 RdNr 27). Unerheblich ist, dass sich hier von vornherein nur der Kläger und das MVZ auf den freien hälftigen Vertragsarztsitz beworben haben, sodass es keine weiteren unterlegenen Bewerber gab. Die Beurteilung, ob sich ein Auswahlverfahren erledigt hat, kann nicht davon abhängen, wie viele Bewerber in dem konkreten Verfahren ursprünglich zur Auswahl standen.

27Dass die im Falle eines Nachbesetzungsverfahrens bestehende Überversorgung im Planungsbereich es nicht rechtfertigt, den Gegenstand der Überprüfung der von den Zulassungsgremien getroffenen Auswahlentscheidung anlässlich einer partiellen Entsperrung des Planungsbereichs anders zu beurteilen, folgt im Übrigen bereits daraus, dass auch bei Erledigung eines Nachbesetzungsverfahrens grundsätzlich eine erneute Ausschreibung möglich ist, soweit nur weiterhin eine funktionsfähige Vertragsarztpraxis bzw - bei einer BAG - ein funktionsfähiger Praxisanteil des ausscheidenden Arztes vorhanden ist ( - BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 22, juris RdNr 33). Die Erledigung des Auswahlverfahrens führt daher auch in diesem Fall nicht zwangsläufig zu einem Abbau der bestehenden Überversorgung.

28Sofern der Kläger darauf verweist, dass es in den Entscheidungen des Senats vom (B 6 KA 11/03 R) und vom (B 6 KA 31/14 R) nicht um Anstellungsgenehmigungen gegangen sei und ein deutlicher Unterschied zwischen einer Zulassung und einer Anstellungsgenehmigung bestehe, übersieht er, dass bei der von ihm angesprochenen Möglichkeit der Nachbesetzung einer Arztstelle in einem MVZ nach § 103 Abs 4a Satz 5 SGB V gerade kein Auswahlverfahren stattfindet, sodass sich die Frage der Erledigung eines solchen Verfahrens nicht stellt. Auch der Aspekt, dass die Anstellungsgenehmigung dem anstellenden Arzt bzw MVZ und nicht dem angestellten Arzt erteilt wird, rechtfertigt keine unterschiedliche Behandlung im Rahmen eines offensiven Konkurrentenstreits. Das rechtliche Schicksal eines Auswahlverfahrens, an dem auch Bewerber mit einem Antrag auf Genehmigung einer Anstellung teilgenommen haben, kann nicht davon abhängen, ob der erledigte Bescheid - wie hier - zugunsten einer Anstellungsgenehmigung ergangen ist oder zugunsten einer Zulassung (zu Letzterem vgl - SozR 4-2500 § 103 Nr 30, vgl dort auch RdNr 25 zur bedarfsplanungsrechtlichen Gleichbehandlung von Zulassungen und Anstellungsgenehmigungen nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen).

29Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Danach trägt der Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 8. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine eigenen Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl - BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:111224UB6KA1123R0

Fundstelle(n):
QAAAJ-88118