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BGH Beschluss v. - 3 StR 512/24

Instanzenzug: Az: 8 KLs 9/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

3Der Angeklagte fühlte sich in seiner Ehe in sexueller Hinsicht nicht mehr ausgelastet und hegte den Wunsch, wieder „sexuellen Schwung“ in diese zu bringen. Auch wollte er erneut Analverkehr mit seiner Ehefrau praktizieren. Er fasste daher gegen Ende des Jahres 2022 den Entschluss, ihr zu diesem Zweck und ohne ihr Wissen sog. K.O.-Tropfen zu verabreichen. Er begab sich deshalb im Internet auf die Suche und stieß auf das Mittel „Multi Gel Remover“, auch als liquid ecstasy, date-rape-drug oder K.O.-Tropfen bezeichnet. Dieses Mittel enthält in hoher Konzentration GBL (Gamma-Butyrolacton) und ferner GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure). Es wirkt zentral dämpfend und kann bei einem Abusus oder einer Überdosierung schwere, unter Umständen tödliche Intoxikationen verursachen. Die Dosierung, die zu der gewünschten Wirkung führt, ist nur wenig von einer toxischen oder lebensbedrohenden Menge entfernt. Bei gleichzeitigem oder zeitnahem Konsum von Alkohol und/oder anderen dämpfenden Mitteln wie Antidepressiva, welche die Nebenklägerin in Kenntnis des Angeklagten im Tatzeitraum einnahm, rufen auch geringe Mengen des Mittels leicht eine Vertiefung der Bewusstlosigkeit bis hin zum Koma mit lebensgefährlichen Folgen hervor.

4Am Abend des saßen die Eheleute zusammen, schauten fern und tranken beide ein Glas Likör mit Milch. Das Getränk der Nebenklägerin hatte der Angeklagte mittels einer Pipette mit 0,7 ml „Multi Gel Remover“ versetzt. Nachdem sie das präparierte Glas vollständig ausgetrunken hatte, bemerkte sie bereits eine Beeinträchtigung ihres Bewusstseins. Beide Eheleute begaben sich sodann ins Schlafzimmer und entkleideten sich. Anschließend setzte die Erinnerung der Nebenklägerin vollständig aus, was der Angeklagte wahrnahm. Obwohl sie nicht mehr in der Lage war, einen entgegenstehenden Willen zu bilden, was er ebenfalls erkannte, führte er, wie von ihm geplant, den Analverkehr unter Verwendung von Gleitgel aus, was sie aufgrund ihres Zustandes nicht mehr bemerkte. Beim Eindringen verletzte er ihren Schließmuskel. In der Nacht wachte die Nebenklägerin verwirrt auf. Am nächsten Morgen hatte sie Schmerzen sowie Blutungen im Analbereich und fühlte sich nach wie vor benommen. Zudem war ihr übel und sie hatte Kopfschmerzen.

52. Das Landgericht hat den festgestellten Sachverhalt rechtlich als besonders schwere Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 StGB gewürdigt.

II.

6Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die weitergehende Revision ist unbegründet.

71. Auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte der schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 2 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5 StGB schuldig. Die Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB hat hingegen keinen Bestand. Im Einzelnen:

8a) Zu Recht hat die Strafkammer angenommen, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklichte. Daneben wendete er durch die heimliche Verabreichung von GBL-Tropfen Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB an und erfüllte das Regelbeispiel gemäß § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB, indem er den Analverkehr an der Nebenklägerin vollzog. Zugleich ist er aufgrund der Verwendung der K.O.-Tropfen der schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB schuldig (vgl.  BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 382/24, NJW 2024, 3735 Rn. 28; vom - 5 StR 163/16, juris Rn. 3). Tateinheitlich hierzu verwirklichte er eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB, wobei er entgegen der Wertung des Landgerichts nicht die Tatvariante Nr. 2 Alternative 2, sondern diejenigen nach Nr. 1, 3 und 5 erfüllte (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 382/24, NJW 2024, 3735 Rn. 28; vom - 5 StR 163/16, juris Rn. 3; vom - 1 StR 652/09, juris Rn. 5).

9b) Es hält allerdings der materiellrechtlichen Prüfung nicht stand, dass die Strafkammer das Verabreichen von K.O.-Tropfen mittels einer Pipette als ein Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des Qualifikationstatbestands des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alternative 2 StGB gewertet hat (, NJW 2024, 3735 Rn. 12 ff.). Auch belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte eine konkrete Todesgefahr für die Geschädigte im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. b StGB herbeiführte (vgl. , BGHSt 46, 225, 226 f.).

10c) Der Senat ändert aufgrund dessen den Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

112. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der verhängten Freiheitsstrafe. Da der Rechtsfehler die zugrundeliegenden Feststellungen nicht betrifft, können diese bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

Schäfer                         Hohoff                         Anstötz

              Kreicker                         Voigt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:210125B3STR512.24.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-88103