Instanzenzug: OLG Dresden Az: 22 U 1984/22vorgehend LG Chemnitz Az: 2 O 900/17 (2)
Gründe
I.
1Die Klägerin fordert - soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - die Zahlung restlichen Werklohns nach Beendigung eines Bauvertrags.
2Der Beklagte beauftragte die Klägerin auf der Grundlage eines Angebots vom mit der Erbringung von Rohbauarbeiten für ein Umbauvorhaben in A. zu einem Vertragspreis in Höhe von 106.668,73 € brutto. Die Parteien vereinbarten im Januar und Februar 2016 insgesamt drei Nachträge über "Schornstein", "Dacheindeckung" und "Dachfenster" mit einem Gesamtvolumen von 80.495,56 € brutto. Der Beklagte leistete an die Klägerin insgesamt Abschlagszahlungen in Höhe von 136.741,21 €. Der Beklagte zeigte im Juni 2016 Mängel an, unter anderem eine abweichende Dachkonstruktion, und forderte die Klägerin unter Fristsetzung erfolglos zur Beseitigung der Mängel auf. Die Klägerin forderte ihrerseits den Beklagten zwischen Juli 2016 und Februar 2017 mehrfach erfolglos zur Leistung einer Bauhandwerkersicherung auf. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe ihren Anspruch auf Sicherheitsleistung verwirkt, weil sie hierauf verzichtet habe. Die Klägerin hat die Sicherheitsleistung in einem gesonderten Rechtsstreit gegen den Beklagten geltend gemacht, der mit einem Vergleich endete. Die Sicherheit wurde anschließend vom Beklagten geleistet.
3Mit Schreiben vom kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis unter Hinweis darauf, dass ihm jegliches Vertrauen fehle. Der Beklagte untersagte der Klägerin zudem eine alleinige Baustellenbegehung aus jeglichem Grund. Eine Abnahme erfolgte nicht.
4Mit Schlussrechnung vom stellte die Klägerin dem Beklagten einen Betrag in Höhe von 60.308,34 € in Rechnung und setzte eine Frist zur Begleichung der Rechnung bis zum . Der Beklagte verweigerte jegliche Zahlung unter Hinweis auf bestehende Mängel.
5Die Klägerin hat mit der Klage unter Abzug eines Betrags von 5.000 € pauschal für Mängel die Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 55.308,34 € verlangt. Das Landgericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt, wonach sich die Schlussrechnungssumme ohne Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen auf einen Betrag in Höhe von 186.435,50 € reduziere. Die Bruttosanierungskosten für die Beseitigung der beanstandeten Mängel wurden mit 37.500 € ermittelt. Innerhalb der vom Landgericht gesetzten Frist zur Stellungnahme auf das Sachverständigengutachten hat der Beklagte keine weiteren Einwendungen zur Höhe der Schlussrechnung erhoben.
6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 21.552,95 € zuzüglich Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Eine vom Beklagten in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage, die mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht weiterverfolgt wird, hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde möchte der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erreichen.
II.
7DBeschwerde
81. Das Berufungsgericht führt, soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen Folgendes aus:
9nne vom Beklagten für das Bauvorhaben einen Restwerklohn in Höhe von 21.552,95 € verlangen. Schlussrechnung sei - im Abrechnungsverhältnis - gelegt worden; auf eine Abnahme komme es angesichts der Kündigung mit Betretungsverbot nicht an. Die Erklärung vom stelle sich als freie Kündigung des Beklagten dar. Die Klägerin habe sich auf ihr Recht, eine Bauhandwerkersicherung vom Beklagten zu fordern, berufen, dies sei nicht treuwidrig gewesen. Der Anspruch auf Stellung der Sicherheit sei nach § 648a Abs. 7 BGB in der bis zum geltenden Fassung, Art. 229 § 39 EGBGB, (im Folgenden: § 648a BGB a.F.) nicht abdingbar. Solange der Beklagte dieser Forderung nicht nachgekommen sei, habe die Klägerin nicht in Verzug geraten können.
10Die Parteien befänden sich im Abrechnungsverhältnis. Der Beklagte sei nicht mehr gewillt gewesen, dass die Klägerin weiterhin als Werkunternehmerin auf der Baustelle agierte.
11Der Restvergütungsanspruch der Klägerin sei um den infolge von Mängeln entstandenen Minderwert zu kürzen. Soweit die Mängelbeseitigung möglich sei, sei die Vergütung um die Kosten zu kürzen, die notwendig seien, um die Mängel beseitigen zu lassen.
12Auszugehen sei von einer Schlussrechnungssumme in Höhe von 169.833,70 € netto. Anders als der Gerichtssachverständige meine, sei die Summe der Schlussrechnung nicht um einen Betrag in Höhe von 8.345,64 € (Dachfenster) zu kürzen. Denn die Klägerin habe die Velux-Fenster eingebaut, ohne dass vorgeschrieben gewesen sei, in welcher Kombination dies habe erfolgen müssen. Weitere Einwendungen zur Schlussrechnungssumme habe der Beklagte - im Anschluss an das Gerichtsgutachten und den welcher eine Belehrung gemäß § 411 Abs. 4 Satz 2, § 296 Abs. 1 ZPO enthalten habe - nicht erhoben. Unter Berücksichtigung der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten in Höhe von 37.220,91 € und den vom Beklagten geleisteten Abschlagszahlungen ergebe sich noch ein restlicher Werklohnanspruch zugunsten der Klägerin in Höhe von 21.552,95 €.
132. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt, auf einer Verletzung des Rechts des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), soweit das Berufungsgericht den Beklagten in Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung zur Zahlung von restlichem Werklohn in Höhe von 21.552,95 € zuzüglich Zinsen verurteilt hat.
14offenkundig
15b)
16 Beklagten in erster Instanz (vgl. Schriftsatz vom , GA I 82 ff., und vom , GA III 589 ff., Anlage B 19), das dieser in zweiter Instanz aufrechterhalten und wiederholt hat (vgl. Berufungsbegründung vom , GA OLG 63 ff., Schriftsatz vom , GA OLG 129 ff., vom , GA OLG 193 f., vom , GA OLG 218 f., und vom , GA OLG 266 f.), nicht berücksichtigt. Es hat vielmehr ausgeführt, der Beklagte habe weitere Einwendungen gegen die Schlussrechnungspositionen - im Anschluss an das Gutachten des Sachverständigen Lebe und den welcher mit einer Belehrung gemäß § 411 Abs. 4 Satz 2, § 296 Abs. 1 ZPO versehen gewesen sei, - nicht vorgebracht. Hiermit hat es zum Ausdruck gebracht, weiteren Vortrag außerhalb der gesetzten Frist inhaltlich nicht beachten zu können. Das ist eine offenkundig fehlerhafte Anwendung der Präklusionsvorschriften.
17aa) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben nach § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Zu den Angriffs- und Verteidigungsmitteln zählen insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden (vgl. § 282 Abs. 1 ZPO). § 531 Abs. 1 ZPO ist nur anwendbar auf Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in erster Instanz nach § 296 Abs. 1 oder 2 ZPO oder nach § 340 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 296 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen oder nicht zugelassen worden sind (vgl. Rn. 17, BauR 2019, 1207 = NZBau 2019, 365; Beschluss vom - VII ZR 58/12 Rn. 10, BauR 2013, 1146 = NZBau 2013, 433). Macht das Landgericht von der Möglichkeit keinen Gebrauch, Vorbringen einer Partei gemäß § 411 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen, ist § 531 Abs. 1 ZPO in der Berufungsinstanz nicht anwendbar (vgl. Rn. 17, BauR 2019, 1207 = NZBau 2019, 365; Beschluss vom - VII ZR 58/12 Rn. 10, BauR 2013, 1146 = NZBau 2013, 433 m.w.N.).
18bb) Dies hat das Berufungsgericht in offensichtlich verfahrensfehlerhafter Weise verkannt.
19Das Landgericht hat von der Möglichkeit einer Präklusion gemäß § 411 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 296 Abs. 1 ZPO keinen Gebrauch gemacht. Es hat nicht festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Präklusion gemäß § 411 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 296 Abs. 1 ZPO vorlagen. Der bloße Fristablauf genügt allein nicht, um späteres Vorbringen als präkludiert anzusehen. Hinzukommen muss die Feststellung, dass hierdurch der Rechtsstreit verzögert würde und die Partei die Verspätung nicht ausreichend entschuldigt hat. Solche Feststellungen enthält das landgerichtliche Urteil, für dessen Entscheidung es hierauf nicht ankam, nicht.
2021.552,95 Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Bestreitens des Beklagten abgewiesen
21Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es nicht an der Entscheidungserheblichkeit des mit der Beschwerde beanstandeten Gehörsverstoßes, weil der Beklagte es unterlassen hat, sein Vorbringen weiter zu substantiieren, nachdem die Klägerin zu seinen Einwendungen gegen die Schlussrechnungssumme in erster Instanz im Einzelnen Stellung genommen hatte. Ein Gehörsverstoß scheidet zwar aus, wenn das vom Gericht nicht berücksichtigte Vorbringen von seinem Rechtsstandpunkt aus unerheblich oder unsubstantiiert gewesen ist (vgl. Rn. 26, NVwZ-RR 2021, 131; Rn. 7, MDR 2023, 794; Beschluss vom - VII ZR 121/18 Rn. 9, IHR 2019, 201 jeweils m.w.N.). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Beklagten nicht etwa im Hinblick auf den in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin für nicht hinreichend substantiiert gehalten, sondern dieses insgesamt für nicht berücksichtigungsfähig gehalten.
Halfmeier Jurgeleit Graßnack
Sacher Hannamann
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:060325BVIIZR224.23.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-87894