Leitsatz
1. Ist die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht worden, hindert die Unzulänglichkeit einer als Sicherheit erbrachten Bankbürgschaft in einzelnen Punkten den Anspruch auf Ersatz des aus der Befolgung des Unterlassungsgebots entstandenen Schadens grundsätzlich nicht.
2. Wird der aus der Befolgung eines auf eine Patentrechtsverletzung gestützten Unterlassungsgebots entstandene Schaden unter dem Gesichtspunkt entgangenen Gewinns berechnet, ist es dem Geschädigten verwehrt, den vom Vollstreckenden erzielten übersteigenden Gewinn nach Bereicherungsrecht herauszuverlangen.
3. Verpachtet der Vollstreckungsschuldner nach Vollziehung der Unterlassungsverfügung seinen Geschäftsbetrieb an ein verbundenes Unternehmen, so kann er den diesem Unternehmen infolge seines (freiwilligen) Fernbleibens vom Markt entgangenen Gewinn nicht im Wege der Drittschadensliquidation ersetzt verlangen (im Anschluss an , NJW 1994, 1413, 1416; Abgrenzung von , NJW-RR 2023, 1125 Rn. 24).
Gesetze: § 945 ZPO
Instanzenzug: Az: I-2 U 124/22 Urteilvorgehend Az: 4c O 48/21 Urteil
Tatbestand
1Die Beklagte ist als Muttergesellschaft des Konzerns weltweit im Arzneimittelbereich tätig. Im Jahr 2015 wurde ihr Produkt " Injektionslösung in einer Fertigspritze" (im Folgenden auch: ) zur Behandlung Multipler Sklerose zugelassen. Die Beklagte erwirkte auf der Grundlage des deutschen Teils des Patents (im Folgenden auch: Verfügungspatent), welches eine niedrigfrequente Glatirameracetattherapie betrifft, am eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf, mit welcher der Klägerin das Angebot und der Vertrieb einer " Injektionslösung in einer Fertigspritze" (im Folgenden auch: ) zur Behandlung von schubförmig verlaufenden Formen der Multiplen Sklerose untersagt wurde. Nach Hinterlegung einer Bankbürgschaft setzte die Beklagte die einstweilige Verfügung durch, woraufhin die Klägerin den Vertrieb des Arzneimittels Ende Juni 2019 einstellte. Die gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung der Klägerin wurde durch zurückgewiesen.
2Das Verfügungspatent wurde mit Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom widerrufen. Daraufhin verzichtete die Beklagte auf den Unterlassungsanspruch und gab den Vollstreckungstitel an die Klägerin heraus. Danach wurde das Arzneimittel der Klägerin ab Oktober 2020 wieder auf dem deutschen Markt durch die M. GmbH (im Folgenden: M. ), einem Schwesterunternehmen der Klägerin, angeboten und vertrieben. Die M. hatte den Betrieb der Klägerin im Zuge einer konzerninternen Umstrukturierung des Deutschland-Geschäfts mit Wirkung zum gepachtet. Dabei wurde ein Pachtzins von 2 % der Umsatzerlöse der M. vereinbart.
3Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 8.449.909,49 €, die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des weiteren Schadens ab Oktober 2020 und zur Herausgabe des Vollstreckergewinns sowie die Verurteilung der Beklagten zur entsprechenden Rechnungslegung. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 5.177.826 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser und der M. ab Oktober 2020 in Deutschland aus der Vollziehung der unberechtigten einstweiligen Verfügung entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Berufungsgericht die landgerichtliche Entscheidung unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 3.228.535 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Weiter hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren, dieser ab Oktober 2020 in Deutschland aus der Vollziehung der einstweiligen Verfügung entstandenen und zukünftig noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Ferner hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den von ihr oder der GmbH infolge der Vollstreckung der einstweiligen Verfügung erzielten Gewinn an die Klägerin herauszugeben, soweit dieser den nach dem Urteil zu ersetzenden Schaden übersteigt. Schließlich hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Rechnungslegung gegenüber der Klägerin verurteilt, in welchem Umfang sie und die GmbH seit dem das Produkt in Verkehr gebracht haben. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Dagegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen beider Parteien, die - soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist - ihre jeweiligen Begehren weiterverfolgen.
Gründe
4Die Revisionen der Parteien haben Erfolg, soweit das Berufungsgericht über die Zahlungsklage auf Ersatz des eigenen Schadens der Klägerin entschieden, die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe des infolge der Vollstreckung der einstweiligen Verfügung erzielten Gewinns festgestellt sowie die Beklagte zur Rechnungslegung verurteilt hat.
A.
5Das Berufungsgericht, dessen Urteil in GRUR 2023, 1764 veröffentlicht ist, hat im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des ihr durch Vollziehung der einstweiligen Verfügung im Zeitraum bis Ende September 2020 entstandenen Schadens, nachdem das Verfügungspatent rechtskräftig widerrufen worden sei. Die Schadensersatzpflicht des Vollziehungsgläubigers sei nach dem Wortlaut des § 945 ZPO nicht von einem Verschulden abhängig. Weiter setze die Vollziehung nicht voraus, dass die seitens des Gläubigers erfolgte zwangsweise Durchsetzung ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des entgangenen Gewinns ende mit der Verpachtung des Geschäftsbetriebs der Klägerin an die M. . Den Schaden der M. könne die Klägerin nicht im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen, weil es an einer Schadensverlagerung fehle. Ferner wäre eine etwaige Schadensverlagerung aus der Sicht des Schädigers nicht zufällig, sondern beruhe auf einer nach Entstehung des Anspruchs getroffenen bewussten betrieblichen Entscheidung.
6Die Klägerin habe keine Obliegenheit zur Schadensminderung verletzt, indem sie kein Aufhebungsbegehren betrieben habe. Die von der Beklagten beanstandeten Mängel der Bankbürgschaft würden weniger deutlich ins Auge springen, als in dem Fall, in dem als Sicherungsfall nur die Aufhebung oder Abänderung des Unterlassungsausspruchs aus dem landgerichtlichen Urteil genannt gewesen sei. Darüber hinaus sei der Widerruf des Verfügungspatents erst deutlich nach dem Ablauf der Vollziehungsfrist erfolgt.
7Außerdem sei die Klage auf Feststellung, dass die Beklagte den von ihr und der GmbH infolge der Vollziehung der einstweiligen Verfügung erzielten Gewinn der Klägerin zu erstatten habe, aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB berechtigt. Diese Anspruchsgrundlage werde durch § 945 ZPO nicht ausgeschlossen. Eine dem Unterlassen des eigenen Marktauftritts durch die Klägerin gleich zu erachtende bewusste und zweckgerichtete Mehrung des Vermögens der Beklagten sei auch dadurch gegeben, dass die M. adäquat kausal vom Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform abgesehen habe. Der Auskunftsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zur Bezifferung des Vollstreckergewinns folge aus § 242 BGB, weil der Klägerin notwendige Detailkenntnisse unverschuldet fehlten, wohingegen die Beklagte über das erforderliche Wissen verfüge und es der Klägerin in zumutbarer Weise verschaffen könne.
B.
8Das hält rechtlicher Prüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
9I. Zur Revision der Beklagten
101. Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten war keine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung im kartellrechtlichen Prüfverfahren der Europäischen Kommission geboten. Denn eine die Aussetzung gemäß § 148 Abs. 1 ZPO rechtfertigende Vorgreiflichkeit der Entscheidung für den vorliegenden Rechtsstreit bestand nicht.
11a) Nach § 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit die Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus, also dass die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann (, BGHZ 162, 373, 375), also materielle Rechtskraft entfaltet oder Gestaltungs- oder Interventionswirkung (, juris Rn. 6). Es genügt nicht, dass die in dem anderen Rechtsstreit zu erwartende Entscheidung lediglich geeignet ist, einen rein tatsächlichen Einfluss auf die im vorliegenden Fall zu treffende Entscheidung zu haben (vgl. , aaO; vom - IV ZB 36/03, juris Rn. 2).
12b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht eine Aussetzung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt. Eine auch nur teilweise präjudizielle Bedeutung des Prüfverfahrens war nicht gegeben, weil von dem Ergebnis dieses Verfahrens keine materielle Rechtskraft oder Gestaltungswirkung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Obgleich die im vorliegenden Verfahren vorzunehmende Marktabgrenzung auch nach europarechtlichen Maßstäben vorzunehmen ist, muss sie sich mit dem Kartellverfahren nicht decken. Auch wenn die Kommission in einer Entscheidung die genauen Auswirkungen der Zuwiderhandlung bestimmt hat, bleibt es Sache des nationalen Richters, im Einzelfall jeweils den Schaden desjenigen, der eine Schadensersatzklage erhoben hat, zu bestimmen. Diese Beurteilung verstößt nicht gegen Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. EG L 1 S. 1, vgl. , WM 2013, 383 Rn. 66).
13c) Im Übrigen hat die Europäische Kommission während des Revisionsverfahrens zu Ungunsten der Beklagten entschieden. Laut ihrer Pressemitteilung vom … hat sie eine Geldbuße von 462,6 Mio. € wegen Missbrauchs des Patentsystems und Diskreditierung zur Verzögerung des Wettbewerbs mit konkurrierenden Multiple-Sklerose-Arzneimitteln verhängt (https: … ). Diese die Frage der Aussetzung betreffende unstreitige neue Tatsache ist auch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen (vgl. MünchKomm-ZPO/Krüger, 6. Aufl., § 559 Rn. 28).
142. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 945 ZPO bejaht. Erweist sich die Anordnung einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt, so ist nach dieser Vorschrift die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel entsteht. Diese Voraussetzungen liegen vor.
15a) Zutreffend ist das Berufungsgericht insbesondere von der Vollziehung der Unterlassungsverfügung vom ausgegangen. Ein nach § 945 ZPO ersatzfähiger Vollziehungsschaden kann bereits eintreten, wenn der Verfügungskläger mit der Vollziehung lediglich begonnen hat. Bei Unterlassungsverfügungen leitet der Titelgläubiger die Vollstreckung durch die zur Wirksamkeit der Beschlussverfügung erforderliche Parteizustellung (§ 922 Abs. 2 ZPO) ein, wenn der zugestellte Titel - wie hier - die in § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel zugleich androht (, BGHZ 131, 141, 143 f). In diesem Fall tritt die mögliche Schadensersatzansprüche auslösende Zwangswirkung unabhängig von einer Zuwiderhandlung des Verfügungsbeklagten ein. Der durch die Anordnung von Ordnungsmitteln durch den Verfügungskläger aufgebaute Vollstreckungsdruck stellt die innere Rechtfertigung für dessen scharfe, verschuldensunabhängige Haftung dar, wenn sich die einstweilige Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist ( aaO S. 144; vom - IX ZR 94/03, BGHZ 168, 352 Rn. 15).
16b) Ohne Erfolg macht die Revision der Beklagten geltend, es fehle an einer Vollziehung, weil die von ihr gestellte Bankbürgschaft die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auslasse, nur für das erstinstanzliche Verfahren erteilt worden sei, nicht die Kosten einer Vollstreckungsabwendung erfasse und damit nicht alle relevanten Haftungsszenarien abdecke.
17aa) Allerdings war vorliegend die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nach §§ 925, 936 ZPO davon abhängig gemacht worden, dass die Beklagte zuvor eine Sicherheitsleistung erbringt, welche die sich aus § 945 ZPO ergebenden Schadenersatzansprüche der Klägerin absichert (vgl. , juris Rn. 86). In einem solchen Fall ist nach einem (GRUR 2020, 1126 Rn. 5) die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur gewahrt, wenn eine als Sicherheit bereitgestellte Bankbürgschaft vollständig kongruent zu denjenigen gesetzlichen Haftungssituationen ist, die sich, beurteilt nach den Verhältnissen in demjenigen Zeitpunkt, zu dem die Sicherheit geleistet wird, im Streitfall einstellen können.
18bb) Diese Anforderungen können auf den Schadensersatzanspruch gemäß § 945 ZPO nicht übertragen werden. Die etwaige Unzulänglichkeit einer als Sicherheitsleistung erbrachten Bankbürgschaft in einzelnen Punkten - wie im Streitfall - hindert den Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO grundsätzlich nicht. Die Vollziehung im Sinne dieser Vorschrift setzt zwar zumindest einen irgendwie gearteten Vollstreckungsdruck voraus (, BGHZ 180, 72 Rn. 16). Erfüllt der Schuldner ein ihm durch Urteil auferlegtes Unterlassungsgebot, bevor der Gläubiger eine von ihm zu leistende Sicherheit erbracht und ihn darüber informiert hat, so leistet er regelmäßig nicht zur Abwendung der Vollstreckung (vgl. , BGHZ 131, 233, 237 f; vom - Xa ZR 66/10, GRUR 2011, 364 Rn. 19, jeweils zu § 717 Abs. 2 ZPO). Aus Gründen der Rechtsklarheit ist aber in jedem Fall zu verlangen, dass es sich bei der Benachrichtigung des Schuldners über die Sicherheitsleistung um eine in ähnlicher Weise wie bei der Zustellung formalisierte Maßnahme handelt. Zur Vermeidung einer Ungewissheit darüber, ob eine (fristgerechte) Vollziehung stattgefunden hat, kann die Beantwortung der Frage der Vollziehung nicht von den Umständen des Einzelfalls, einer Interessenabwägung oder einer Ermessensentscheidung abhängig gemacht werden (vgl. , BGHZ 120, 73, 87, zur Vollziehung nach § 928 ZPO; vom - IX ZR 115/94, BGHZ 131, 233, 237 f). Auch Sinn und Zweck des § 945 ZPO gebieten es, den Schuldner nicht mit Unklarheiten in Bezug auf eine vom Gläubiger als Sicherheit bereitgestellte Bankbürgschaft zu belasten. Denn die Vorschrift beruht ebenso wie § 717 Abs. 2 und 3, § 302 Abs. 4 Satz 3, § 600 Abs. 2 und § 1065 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass die Vollstreckung aus einem noch nicht endgültigen Titel auf Gefahr des Gläubigers erfolgt (, BGHZ 168, 352 Rn. 40). Schließlich ist eine Besserstellung des Gläubigers, der nicht nur aufgrund einer von Anfang an ungerechtfertigten einstweiligen Verfügung, sondern überdies ohne Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen die angeordnete Maßregel vollzieht, sachlich nicht zu rechtfertigen.
193. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, sie habe beim Vollzug der einstweiligen Verfügung nicht fahrlässig gehandelt. Der Senat kann offenlassen, ob es schuldhaft war, die einstweilige Verfügung zu vollziehen, ohne den Ausgang des gegen die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents geführten Beschwerdeverfahrens abzuwarten. Denn die Haftung aus § 945 ZPO setzt kein Verschulden des Gläubigers voraus (, BGHZ 54, 76, 78; Stein/Jonas/Bruns, ZPO, 23. Aufl., § 945 Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO, 5. Aufl., § 945 Rn. 1).
20Dem steht Art. 9 Abs. 7 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Berichtigung abgedruckt in ABl. EU L 195, S. 16, im Folgenden: Durchsetzungs-Richtlinie) nicht entgegen. Gemäß dem nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-473/22, GRUR 2024, 195) wird die verschuldensunabhängige Haftung durch Art. 9 Abs. 7 der Durchsetzungs-Richtlinie nicht infrage gestellt. Diese Bestimmung ist vielmehr dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die einen Mechanismus zum Ersatz des durch eine einstweilige Maßnahme im Sinne der Bestimmung verursachten Schadens vorsehen, wobei dieser Mechanismus auf der Regelung einer verschuldensunabhängigen Haftung des Antragstellers beruht und - was bei § 945 ZPO der Fall ist - das Gericht im Rahmen dieses Mechanismus befugt ist, die Höhe des Schadensersatzes unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, einschließlich einer etwaigen Beteiligung des Antragsgegners an der Verwirklichung des Schadens, anzupassen ( aaO Rn. 51).
214. Ein mitwirkendes Verschulden der Klägerin an der Schadensentstehung gemäß § 254 BGB durch das Nichtbetreiben eines Aufhebungsbegehrens hat das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.
22a) Auf den Schadensersatzanspruch aus § 945 ZPO sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff BGB anwendbar. Insbesondere ist ein mitwirkendes Verschulden des Vollstreckungsschuldners zu berücksichtigen (, BGHZ 122, 172, 179; vom - IX ZR 134/04, NJW 2006, 2557 Rn. 23). Ein mitwirkendes Verschulden kann auch bei Unterlassen eines aussichtsreichen Rechtsbehelfs in Betracht kommen. Allerdings gebietet es der Normzweck des § 945 ZPO, der das Vollstreckungsrisiko aus dem vorläufigen Titel und die Gefahr der sachlich-rechtlichen Unbegründetheit seines Rechtsschutzbegehrens dem Gläubiger zuweist, dass erhöhte Anforderungen an die Annahme eines mitwirkenden Verschuldens des Schuldners gestellt werden (vgl. , NJW 2017, 1600 Rn. 25 mwN).
23b) Eine in diesem Sinne zu ergreifende Rechtsschutzmöglichkeit hat das Berufungsgericht mit überzeugender Begründung verneint, weil im Zeitpunkt der Vollziehung der einstweiligen Verfügung kein in der Rechtsprechung geklärter Fall einer unzureichenden Sicherheitsleistung gegeben und es außerdem ungewiss war, ob es zu einem Widerruf des Verfügungspatents kommen werde. Die Revision der Beklagten bringt insoweit nichts Erhebliches vor.
245. Die Revisionsangriffe der Beklagten gegen die Bemessung der Schadenshöhe durch das Berufungsgericht haben teilweise Erfolg.
25a) Mit Recht wendet sich die Revision der Beklagten gegen die Schadensbemessung im Teilmarkt "B. ".
26aa) Sie rügt, die Annahme des Berufungsgerichts, unter Geltung eines exklusiven Rabattvertrags hätten Vergleichsprodukte im Teilmarkt "B. " einen Marktanteil von 70 bis 90 % erreicht, entspreche zwar den Schlussfolgerungen im sogenannten ersten M. -Gutachten der Klägerin, werde von den im Gutachten genannten Marktdaten jedoch nicht getragen. Überdies zeige das von der Beklagten vorgelegte sogenannte R. -Gutachten, dass die angegriffene Ausführungsform in den ersten drei Monaten des Rabattvertrags der Klägerin mit der B. (Krankenversicherung) einen wesentlich geringeren Anteil an diesem Teilmarkt erzielt habe als die im ersten M. -Gutachten genannten Vergleichspräparate.
27bb) Die darin zu erkennende Rüge eines Verstoßes gegen § 287 ZPO ist berechtigt.
28(1) In Bezug auf den Vollziehungsschaden gemäß § 945 ZPO kommt dem Kläger die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute (vgl. , NJW 2017, 1600 Rn. 15; MünchKomm-ZPO/Drescher, 6. Aufl., § 945 Rn. 26). Verwertet das Gericht ein Privatgutachten, darf es auch im Rahmen des § 287 ZPO nicht außer Acht lassen, dass es sich nicht um ein Beweismittel im Sinne der §§ 355 ff ZPO, sondern um (qualifizierten) substantiierten Parteivortrag handelt (vgl. , NJW 1993, 2382, 2383; Beschluss vom - II ZR 67/07, WM 2008, 1453 Rn. 3). Eine eigene Beweisaufnahme des Gerichts, insbesondere die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, wird durch ein Privatgutachten nur dann entbehrlich, wenn das Gericht allein schon aufgrund dieses Parteivortrags ohne Rechtsfehler zu einer hinreichend zuverlässigen Beantwortung der Beweisfrage gelangen kann und die dafür erforderliche eigene Sachkunde darlegt (vgl. , BGHZ 210, 321 Rn. 78 mwN). Haben beide Parteien Privatgutachten kompetenter Sachverständiger vorgelegt, die einander in wesentlichen Punkten widersprechen, so darf der Tatrichter, der über keine eigene Sachkunde verfügt, grundsätzlich nicht ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens dem einen Privatgutachten zu Lasten des anderen den Vorzug geben (vgl. , NJW 1993, 2382; vom - VI ZR 76/13, NJW 2015, 411 Rn. 15; Huber/Röß in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl., § 402 Rn. 6).
29(2) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Berufungsgericht ist ohne Darlegung der erforderlichen eigenen Sachkunde dem Sachvortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Privatgutachten bei der Bestimmung des Referenzmarkts wie auch bei der Ermittlung der hypothetischen Entwicklung des Marktanteils der angegriffenen Ausführungsform gefolgt, obgleich die Beklagte den Vortrag der Klägerin bestritten und ihrerseits ein widersprechendes Privatgutachten vorgelegt hat.
30b) Rechtlicher Prüfung hält außerdem nicht stand die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin könne 851.392 € als Ersatz des Werts jener Chargen der angegriffenen Ausführungsform verlangen, die aufgrund ihres Ablaufdatums (absehbar) nicht mehr hätten vertrieben werden können und daher hätten vernichtet werden müssen.
31aa) Im Ausgangspunkt kann es sich hinsichtlich der Einkaufskosten um einen neben dem von der Klägerin beanspruchten entgangenen Gewinn ersatzfähigen Schaden nur handeln, wenn die Klägerin die vernichteten Chargen nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht zur Erzielung des entgangenen Gewinns eingesetzt hätte. Dazu fehlt es an Feststellungen. Hätte die Klägerin die Chargen eingesetzt, ist Schadensersatz nur in Höhe des entgangenen Gewinns und der Entsorgungskosten zu leisten, das heißt entgangener Gewinn und Einkaufskosten dürfen nicht zusammengezählt werden.
32bb) Mit Recht erinnert die Revision, dass das Berufungsgericht den Angaben in der von der Klägerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihres leitenden Angestellten gefolgt ist, obgleich die Beklagte die Angaben der Klägerin zu den vernichteten Chargen mit Nichtwissen bestritten und in den Vorinstanzen eingewandt hatte, die eidesstattliche Versicherung sei als Beweismittel schon formal ungeeignet.
33(1) Über bestrittene Ausgangs- oder Anknüpfungstatsachen hat das Gericht regelmäßig - und so auch hier - Beweis zu erheben (, NJW 2000, 2272, 2275; Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl., § 287 Rn. 32). Eine Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO ist nur in den Fällen zulässig, in denen eine gesetzliche Regelung sie ausdrücklich vorschreibt (MünchKomm-ZPO/Prütting, 7. Aufl., § 294 Rn. 4). Zwar kann eine Privaturkunde, die ein Zeugnis ersetzen soll, auch ohne Zustimmung des Gegners im Wege des Urkundenbeweises beigebracht werden. Der Urkundenbeweis unterliegt allerdings der freien Beweiswürdigung. Ein zwingender positiver Beweiswert kommt der Urkunde nicht zu. Auch wird der Beweiswert der Urkunde oft gering sein, wenn sie die nicht in einem formellen Verfahren gewonnene, sondern gegenüber einer Partei gemachte Äußerung eines Zeugen wiedergibt (, NJW-RR 2007, 1077 Rn. 17). Überdies fehlt es in einem solchen Fall an einem persönlichen Eindruck sowie an der Möglichkeit zu Rückfragen und Vorhalten (MünchKomm-ZPO/Damrau/Weinland, 6. Aufl., § 373 Rn. 24).
34(2) Vorliegend ist das Berufungsgericht der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung gefolgt, ohne sich mit deren Beweiswert auseinanderzusetzen. Es durfte die fraglichen Anknüpfungstatsachen auch nicht als unstreitig behandeln, weil die Beklagte ihr Bestreiten der Tatsachen nicht "erneuert" habe, nachdem die Klägerin ihren diesbezüglichen Vortrag kurz vor der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ergänzt hat. Dazu war die Beklagte schon deshalb nicht gehalten, weil es sich um Tatsachen außerhalb ihres Wahrnehmungsbereichs handelte. Sie konnte es bei dem schon zuvor erfolgten Bestreiten belassen.
35c) Ohne Erfolg rügt die Revision der Beklagten die Ermittlung der maßgeblichen Nettopreise als rechtsfehlerhaft.
36Das Berufungsgericht hat gesehen, dass die Produkteinheiten unterschiedlich viele Spritzen enthielten. Es hat auch berücksichtigt, dass zwischen den Parteien nur die Gesamtzahl der Produkteinheiten unstreitig war, nicht aber die jeweils enthaltenen Spritzen. Unter Berücksichtigung dessen hat das Berufungsgericht - wie zuvor das Landgericht - seine Schadensschätzung auf einen gewichteten Durchschnitts-Nettopreis gestützt. Das ist ein von § 287 ZPO gedecktes Vorgehen, wenn es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Heranziehung von Durchschnittswerten die Wirklichkeit nicht hinreichend erfasst. Die Revision zeigt nicht auf, dass die weltweit im Arzneimittelbereich tätige und daher marktkundige Beklagte die Heranziehung von Durchschnittswerten in den Tatsacheninstanzen infrage gestellt hat. Dabei beruhte der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Durchschnittspreis auch auf der Größe der von ihr bezogenen Produkteinheiten. Auch der Revisionsbegründung der Beklagten sind keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine relevante Abweichung der Durchschnittswerte von der Wirklichkeit zu entnehmen. Insbesondere wird das dort aufgezeigte Szenario nicht mit Angaben zur Größe der von der Beklagten bezogenen Produkteinheiten unterlegt.
37d) Ohne Erfolg macht die Revision der Beklagten ferner geltend, das Berufungsgericht habe Gemeinkosten der Klägerin bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns fehlerhaft nicht in Abzug gebracht.
38Es trifft nicht zu, dass die schadensmindernde Berücksichtigung solcher Kosten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann weiteren Voraussetzungen unterliegen würde, wenn Schadensersatz durch die Herausgabe des Verletzergewinns zu leisten sei. Das Berufungsgericht hat den bei der Ermittlung des Schadensersatzes durch Herausgabe des Verletzergewinns anerkannten Grundsatz, dass Gemeinkosten nur abgezogen werden dürfen, wenn und soweit sie ausnahmsweise den schutzrechtsverletzenden Gegenständen unmittelbar zugerechnet werden können (vgl. , BGHZ 145, 366, 373), sinngemäß auf den Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO übertragen. Es hat erkannt, dass im vorliegenden Fall der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform nur einer von verschiedenen Umsatzträgern der Klägerin war. Deshalb habe sich der Gewinn durch die Vollziehung der Unterlassungsverfügung um genau denjenigen Überschuss des Umsatzes über die produktspezifischen Kosten verringert und wären dieselben Gemeinkosten angefallen und durch die anderweitige Geschäftstätigkeit der Klägerin abgedeckt worden.
396. Im Ergebnis mit Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten gegen die Feststellung einer Pflicht zur Herausgabe des Vollstreckergewinns und ihre Verurteilung zur entsprechenden Rechnungslegung. Die §§ 812 ff BGB begründen keine den Anspruch nach § 945 ZPO auf Ersatz entgangenen Gewinns ergänzende Pflicht des Vollstreckenden zur Herausgabe seines überschießenden Gewinns.
40a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Anwendung der Bereicherungsvorschriften des Bürgerlichen Rechts nach Abschluss des Rechtsstreits durch § 717 Abs. 2 ZPO nicht ausgeschlossen wird (, BGHZ 169, 308 Rn. 23). Hat der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an den Gläubiger geleistet, kommen Ansprüche aus Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB in Betracht (vgl. BAGE 67, 88, 90; Wieczorek/Schütze/Hess, ZPO, 4. Aufl., § 717 Rn. 43).
41b) Ob - wie die Beklagte meint - der Übertragung dieser Rechtsprechung auf § 945 ZPO bei einstweiligen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums die Bestimmung des Art. 9 Abs. 7 Durchsetzungs-Richtlinie entgegensteht, bedarf unter den Umständen des Streitfalls keiner Entscheidung. Dahinstehen kann auch, ob die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs hier vorliegen (vgl. dazu Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 16. Aufl., Kap. I. Rn. 55 iVm 45 ff; vgl. auch Stein/Jonas/Heinze, ZPO, 23. Aufl., § 717 Rn. 53; Nieder, GRUR 2013, 32 ff). Jedenfalls wäre ein solcher Anspruch bei nach § 945 ZPO ersetzt verlangtem entgangenen Gewinn nicht auf Herausgabe eines vom Vollstreckenden etwaig erzielten überschießenden Gewinns gerichtet (aA Kühnen, aaO Rn. 78).
42aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der von einer Schutzrechtsverletzung Betroffene zur Kompensation des ihm durch die Verletzung entstandenen Schadens zwischen drei methodischen Ansätzen wählen: der konkreten, den entgangenen Gewinn einschließenden Schadensberechnung sowie der Geltendmachung einer angemessenen Lizenzgebühr oder der Herausgabe des Verletzergewinns. Bei diesen drei Bemessungsarten handelt es sich um Variationen bei der Ermittlung des gleichen einheitlichen Schadens. Ziel der Methoden ist die Ermittlung desjenigen Betrags, der zum Ausgleich des erlittenen Schadens erforderlich und angemessen ist und damit zur Ermittlung des wirtschaftlichen Werts des Schutzrechts, der in ihm verkörperten Marktchance, die durch den erwarteten, aber entgangenen Gewinn des Schutzrechtsinhabers, durch den tatsächlichen Gewinn des Verletzers oder aber die Gewinnerwartung erfasst wird, die vernünftige Vertragsparteien mit dem Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung des Schutzrechts verbunden hätten (, BGHZ 194, 194 Rn. 16 mwN). Diese Rechtsprechung gilt auch für Schadensersatz aufgrund von Patentverletzungen (vgl. aaO; vom - X ZR 30/21, BGHZ 239, 21 Rn. 20; vom - X ZR 104/22, BGHZ 240, 299 Rn. 32).
43bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass es im Rahmen der dreifachen Schadensberechnung verboten ist, die einzelnen Berechnungsmethoden miteinander zu vermengen (, BGHZ 119, 20, 25; vom - I ZR 52/91, BGHZ 122, 262, 265, vom - I ZR 87/07, GRUR 2010, 237 Rn. 12; jeweils mwN). Zulässig ist es im Grundsatz, ein Schadensersatzbegehren im Eventualverhältnis auf mehrere Berechnungsarten zu stützen, um so zur Anwendung der für den Geschädigten günstigsten Berechnungsart zu gelangen (vgl. , aaO). Unzulässig ist hingegen die Vermischung oder die parallele Geltendmachung verschiedener Berechnungsarten dergestalt, dass die Summe aus den Berechnungsarten ersetzt verlangt wird (vgl. RGZ 156, 65, 67; BeckOK-UWG/Eichelberger, 2025, § 9 UWG Rn. 96; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, UWG, 5. Aufl., § 9 Rn. 294 ff).
44cc) Ob an der Rechtsprechung zum Vermengungsverbot Richtlinie festzuhalten ist, hat der Bundesgerichtshof zuletzt offengelassen (vgl. , GRUR 2010, 237 Rn. 12). Der deutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung der Richtlinie keinen Handlungsbedarf gesehen (BT-Drucks. 16/5048, S. 33). Im Schrifttum wird erwogen, dass in Anbetracht des Wortlauts von Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a der Durchsetzungs-Richtlinie eine (teilweise) Abkehr vom Vermengungsverbot möglich oder sogar geboten sei (vgl. BeckOK-UWG/Eichelberger, 2025, § 9 UWG Rn. 97; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, UWG, 5. Aufl., § 9 Rn. 299; Köhler/Feddersen/Köhler, UWG, 43. Aufl., § 9 Rn. 1.39a).
45c) Die vorstehenden Grundsätze führen dazu, dass es der Klägerin verwehrt ist, den von der Beklagten erzielten Gewinn nach den §§ 812 ff BGB heraus zu verlangen, soweit dieser den ihr entgangenen und nach § 945 ZPO ersetzt verlangten Gewinn übersteigt. Die parallele Geltendmachung des der Klägerin entgangenen Gewinns und des überschießenden Gewinns der vollstreckenden Beklagten verstößt gegen das Vermengungsverbot. Zwar will sich die Klägerin den ihr entgangenen Gewinn auf einen etwaig übersteigenden Gewinn der vollstreckenden Beklagten anrechnen lassen. Unzulässig ist ihr Vorgehen aber deshalb, weil sie dabei mehrere Berechnungsarten miteinander vermischt.
46aa) Der Senat kann offenlassen, ob die dreifache Schadensberechnung auch im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach § 945 ZPO anwendbar ist. Gelangt die dreifache Schadensberechnung zur Anwendung, kann der Geschädigte das daraus folgende Vermengungsverbot nicht dadurch umgehen, dass er parallel einen Bereicherungsanspruch auf der Grundlage einer anderen Berechnungsart geltend macht. Ermöglicht § 945 ZPO die dreifache Schadensberechnung nicht, stellt sich die Lage im Ergebnis nicht anders dar. Die Beschränkung des Anspruchs aus § 945 ZPO auf eine bestimmte Berechnungsart kann nicht zu einer Erweiterung der Rechte des Geschädigten dahingehend führen, dass er parallel eine weitere Berechnungsart über die §§ 812 ff BGB verfolgen kann.
47bb) Die Durchsetzungs-Richtlinie führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die teilweise Abkehr vom Vermengungsverbot wird vor dem Hintergrund des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a der Durchsetzungs-Richtlinie diskutiert. Die Beurteilung des Streitfalls hat sich hingegen an Art. 9 Abs. 7 der Durchsetzungs-Richtlinie auszurichten, der von einem anderen Schadensersatzbegriff ausgeht. Dass dieser auf eine Abkehr vom Vermengungsverbot abzielt, ist nicht ersichtlich. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mehrfach betont, dass insoweit das Gleichgewicht zwischen Sicherungsmaßnahmen und einstweiligen Maßnahmen auf der einen Seite und der Möglichkeit, Schadensersatz zu verlangen, auf der anderen Seite zu beachten ist (vgl. , GRUR 2015, 1035 Rn. 74; vom - C-473/22, GRUR 2024, 195 Rn. 45 f). Eine Abkehr vom Vermengungsverbot würde dieses Gleichgewicht verschieben. Eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
48II. Zur Revision der Klägerin
491. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin die auf Seiten der M. entstandenen Schäden nicht liquideren kann.
50a) Die strenge Haftung gemäß § 945 ZPO besteht - wie diejenige gemäß § 823 BGB - grundsätzlich nur gegenüber dem geschädigten Antragsgegner selbst (, NJW 1994, 1413, 1416 mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 124, 237 ff). Aus dem Wortlaut des § 945 ZPO folgt, dass Inhaber des Schadensersatzanspruchs immer nur der "Gegner" sein kann, also derjenige, der in der einstweiligen Verfügung oder dem Arrest als Antragsgegner oder Schuldner bezeichnet ist oder sich zumindest durch Auslegung als solcher ermitteln lässt (Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO, 5. Aufl., § 945 Rn. 24). Dritte werden im Schrifttum für anspruchsberechtigt gehalten, wenn sich die einstweilige Maßnahme unzulässigerweise unmittelbar gegen diese richtet (Wieczorek/Schütze/Thümmel, aaO; MünchKomm-ZPO/Drescher, 6. Aufl., § 945 Rn. 20; Anders/Gehle/Becker, ZPO, 83. Aufl., § 945 Rn. 19). Nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehören jedenfalls Dritte, in deren Rechtskreis sich der Verfügungsvollzug gegen den Schuldner mittelbar schädigend ausgewirkt hat (Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., § 945 Rn. 13a). Wird daher sonst durch eine Vollziehung in die Rechtsphäre eines Dritten eingegriffen, ist der zwar anspruchsberechtigte, aber nicht geschädigte Antragsgegner der überwiegenden Auffassung im Schrifttum zufolge nicht nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation berechtigt, den Schaden des Dritten mittels des ihm zustehenden Schadensersatzanspruchs gemäß § 945 ZPO geltend zu machen (MünchKomm-ZPO/Drescher, aaO; Stein/Jonas/Bruns, ZPO, 23. Aufl., § 945 Rn. 13; aA Keller/Kellendorfer/Tölle, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl., Kap. 8 Rn. 136).
51b) In der Rechtsprechung ist die Drittschadensliquidation im Rahmen des Schadensersatzes nach § 945 ZPO nur in besonderen, hier nicht einschlägigen Gestaltungen anerkannt worden.
52aa) Nach einer Entscheidung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs können die übrigen Wohnungseigentümer, gegen welche ein Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen Verfügung unter der Geltung des bis zum anwendbaren Rechts die vorübergehende Aussetzung eines Beschlusses erwirkt hat, den der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch die Beschlussaussetzung entstandenen Schaden aufgrund eines Anspruchs aus § 945 ZPO im Wege der Drittschadensliquidation ersetzt verlangen (, NJW-RR 2023, 1125 Rn. 24). Zur Begründung wurde ausgeführt, aus Sicht des Schädigers stelle es einen Zufall dar, dass die mit der Vollziehung der einstweiligen Verfügung verbundenen Schäden nicht bei den Antragsgegnern des Verfügungsverfahrens, sondern bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einträten, weil diese im Außenverhältnis zu den beauftragten Unternehmen zur Zahlung verpflichtet sei ( aaO Rn. 25). Könnten die beschlossenen Maßnahmen infolge der Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht weiter durchgeführt werden, erfolge die Geltendmachung von Verzögerungsschäden durch die Unternehmen gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Auftraggeberin. Aus Sicht des Wohnungseigentümers, der die später aufgehobene einstweilige Verfügung erwirkt habe, stelle es einen Zufall dar, bei wem der Schaden eintrete ( aaO).
53bb) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist die - überdies nicht § 945 ZPO betreffende - Rechtsprechung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Geltendmachung eines dem Lizenznehmer entstandenen Schadens bei Markenverletzung durch den Lizenzgeber als Markeninhaber im Wege der Drittschadensliquidation (vgl. , GRUR 2013, 925 Rn. 57) nicht einschlägig.
54cc) In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist zwar im Einzelfall angenommen worden, der Gegner einer zu Unrecht erlassenen einstweiligen Verfügung könne nach § 945 ZPO im Wege der Drittschadensliquidation auch solche Vermögenseinbußen geltend machen, die bei einem mit ihm konzernverbundenen Unternehmen eingetreten seien, weil die für die Drittschadensliquidation typische Konstellation eines Auseinanderfallens von Schaden (der Muttergesellschaft) und Aktivlegitimation (der Klägerin) aufgrund eines Vertragsverhältnisses (Ergebnisübernahmevertrag) zwischen dem Anspruchsinhaber (Klägerin) und dem Geschädigten (Muttergesellschaft) bestehe (OLG Frankfurt, Urteil vom - 6 U 185/07, juris Rn. 17, 21). Bei zutreffender Betrachtung lag indes ein eigener Schaden der Tochtergesellschaft vor, so dass für die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation von vornherein keine Veranlassung bestand. Denn aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags mit der Muttergesellschaft blieb die Rechtsstellung einer Tochtergesellschaft als Gläubigerin wie auch Schuldnerin von vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen im Verhältnis zu Dritten unangetastet (vgl. , juris Rn. 7).
55c) Für die Zulassung der Drittschadensliquidation ist der Gesichtspunkt maßgebend, dass der Schädiger keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn ein Schaden, der eigentlich bei dem Vertragspartner eintreten müsste, zufällig aufgrund eines zu dem Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses auf diesen verlagert ist (, NJW-RR 2017, 844 Rn. 14). An einer solchen zufälligen Schadensverlagerung fehlt es aus Sicht des Schädigers, wenn der Antragsgegner nach Vollziehung der einstweiligen Verfügung eine Vereinbarung mit einem Dritten abschließt, die dazu führt, dass ein weiterer Schaden bei diesem Dritten eintritt. Ein schutzwürdiges Interesse des Antragsgegners oder des Dritten, auch solche Schäden im Wege der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 945 ZPO liquidieren zu können, ist nicht ersichtlich. Wollte man dies anders sehen, wäre dem Antragsgegner die Möglichkeit eröffnet, nach Vollziehung der einstweiligen Verfügung den Schadensersatzanspruch gegen den Antragsteller durch Vereinbarungen mit Dritten willkürlich zu gestalten und damit die verschuldensunabhängige Haftung unübersehbar auszuweiten. Dieses Ergebnis entspricht auch der Auslegung des Art. 9 Abs. 7 der Durchsetzungs-Richtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Union. Danach stellt eine verschuldensunabhängige Haftungsregelung den abschreckenden Charakter des Systems einstweiliger Maßnahmen nicht infrage, wenn der Entschädigungsanspruch "streng" auf die Schäden beschränkt ist, die dem Antragsgegner durch die ungerechtfertigten einstweiligen Maßnahmen entstanden sind, die der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums beantragt hatte (, GRUR 2024, 195 Rn. 50).
562. Mit Erfolg wendet sich die Revision der Klägerin gegen die Schadenskalkulation des Berufungsgerichts für das Marktsegment "Übrige G. ".
57Insoweit fehlt es an einer tragfähigen Begründung. Das Berufungsgericht hat angenommen, ausgehend von einem Marktanteil von 8 % vor Beginn der Vollziehung entspreche ein (hypothetischer) Anstieg auf 12 % im Zeitraum der Markabstinenz dem gewöhnlichen Lauf der Dinge. Eine Steigerung von mehr als 4 %- Punkten innerhalb des Vollziehungszeitraums, nachdem die angegriffene Ausführungsform innerhalb von eineinhalb Jahren einen Anteil von 8 % erreicht habe, entspreche hingegen nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge. Aufgrund welcher Erkenntnisse das Berufungsgericht zur Beurteilung dieses Verlaufs in der Lage ist, wird nicht erkennbar. Schließlich hat das Berufungsgericht ohne Begründung die von der Klägerin angeführten Gründe für eine weitere Beschleunigung des Wachstums wie Spill-over-Effekte aus dem exklusiven B. -Rabattvertrag, zunehmendes Vertrauen aller Beteiligten in Bezug auf Sicherheit und Qualität der angegriffenen Ausführungsform, geringere Verunsicherung des Markts wegen der Patentsituation und erhöhte Vorratshaltung der angegriffenen Ausführungsform in Apotheken ohne jede Begründung für nicht ausschlaggebend erachtet.
583. Ohne Erfolg wendet sich die Revision der Klägerin gegen die Schadensbemessung des Berufungsgerichts für den Teilmarkt "A. ".
59Das Landgericht ist insoweit aufgrund des exklusiven Rabattvertrags zwischen der A. und einem Wettbewerber der Klägerin von einem von 2 % auf 4 % gesteigerten Marktanteil ausgegangen. Damit ist es dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin gefolgt. Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer Berufung nur hilfsweise gewandt für den Fall, dass der vor Abschluss des Rabattvertrags (zuletzt) bestehende Marktanteil nicht entsprechend ("Open-House-Dynamik") im Rahmen der Schadensschätzung im Marktsegment "Übrige G. " berücksichtigt werde. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag in seine Erwägungen eingestellt. Dass es den Anteil im Teilmarkt "A. " gleichwohl nicht höher bewertet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Revision zeigt insbesondere keinen Vortrag der Klägerin auf, der es als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen könnte, dass die Klägerin trotz des exklusiven Rabattvertrags zwischen der A. und einem Mitbewerber einen Marktanteil von anfänglich 16 % gehabt hätte.
C.
60Das angefochtene Urteil ist danach in Bezug auf die Entscheidung über die Zahlungsklage der Klägerin auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens unter Ausschluss der Ansprüche aus Drittschadensliquidation, über die Herausgabe des infolge der Vollstreckung erzielten Gewinns sowie über die entsprechende Rechnungslegung und im Kostenpunkt aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Schultz Möhring Röhl
Harms Weinland
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:130325UIXZR201.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-87889