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BGH Urteil v. - 4 StR 375/24

Instanzenzug: LG Essen Az: 22 Ks 10/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit „vorsätzlicher“ Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision zu Ungunsten des Angeklagten. Sie beanstandet, dass dieser nicht wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist. Auch die jeweils mit der Sachrüge begründeten Rechtsmittel der Nebenkläger H.            Ö.      , M.         Ö.       und I.           Ö.      erstreben die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes. Dieser rügt mit seiner Revision allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel sind unbegründet.

I.

21. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3Der Angeklagte war seit 2015 mit der Nebenklägerin           A.       – der Tochter der später getöteten S.      Ö.       – verheiratet. Die Eheleute stritten im Laufe ihrer Beziehung zunehmend über den Umgang mit Geld und die Erziehung der zwei gemeinsamen Kinder. Nach dem Empfinden des Angeklagten mischte sich die ihn als Ehemann nicht akzeptierende Schwiegerfamilie zu sehr in seine Ehe ein. Schließlich vollzog seine Ehefrau am Wochenende vor dem Tatgeschehen die Trennung. Ihr Bruder – der Nebenkläger M.          Ö.      – brachte sie zur Wohnung der Eltern. Die fünf und drei Jahre alten Töchter ließ die Nebenklägerin beim Angeklagten zurück. Noch am selben Tag erstattete sie Strafanzeige gegen ihn wegen Körperverletzung, worüber dieser durch die Polizei informiert wurde. In den folgenden Werktagen suchte der Angeklagte Rat und Hilfe bei Dritten. Dabei machte er auch seine Schwiegermutter für die Trennung verantwortlich. Er kümmerte sich um die Töchter, während seine Ehefrau in Gegenwart ihres Bruders M.           Ö.      und der Polizei erschien und die Herausgabe des Schlüssels für das gemeinsame Bankschließfach forderte. Seine Verzweiflung über die familiäre Situation schlug schließlich in Wut um, nachdem es wiederholt zu Schwierigkeiten beim Gebrauch seiner Bankkarte gekommen war. Am Morgen des fuhr der Angeklagte nach einem erneut gescheiterten Versuch der Geldabhebung mit dem Pkw seiner Ehefrau zur Wohnanschrift der Schwiegereltern in der M.              straße in E.     . Dabei führte er das spätere Tatmesser – ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20 cm – und ein kleineres Messer mit kürzerer Klinge auf dem Beifahrersitz sichtbar und griffbereit mit sich. Der Angeklagte parkte das Fahrzeug direkt im Kurvenbereich an der Einmündung zur M.         straße, so dass er einen freien Blick auf den etwa 50 Meter entfernt liegenden Hauseingang hatte. Nach neun Uhr traf S.         Ö.     dort ein. Sie befand sich auf dem Heimweg von ihrer Arbeitsstelle und telefonierte gerade mit ihrer Schwester           B.         .

4Den hierauf folgenden Ablauf konnte die Schwurgerichtskammer nicht vollständig aufklären. Jedenfalls nahm die spätere Geschädigte den Angeklagten wahr, teilte dies ihrer Schwester am Telefon mit und bat sie, nicht „aufzulegen“. Sie sprach den Angeklagte an, was er hier trotz Annäherungsverbots mache. Er gab ihr eine inhaltlich offen gebliebene Antwort. Unmittelbar darauf erkannte S.      Ö.     , dass der Angeklagte ein Küchenmesser bei sich hatte. Sie schrie panisch auf, denn sie befürchtete nun einen Angriff auf Leib und Leben, und lief in Richtung ihrer Wohnung. Der Angeklagte setzte ihr mit dem Tatmesser nach. Auf dem Bürgersteig in Höhe des Wohnhauses M.            straße 1 gelang es S.        Ö.      noch, die ihr entgegenkommende 87 Jahre alte Nebenklägerin                      Br.       , die dort in Begleitung ihrer Schwiegertochter lief, zu ergreifen und zwischen sich und den Angeklagten zu ziehen. Dieser packte die Nebenklägerin und stieß sie heftig zur Seite, die daraufhin das Gleichgewicht verlor, mit dem Hinterkopf gegen die Hauswand prallte und zu Boden ging. Anschließend stürzte sich der Angeklagte auf seine Schwiegermutter, stieß sie zu Boden, kniete sich auf sie und stach mindestens 21 Mal auf ihren Oberkörper ein, um sie zu töten. Er handelte dabei aus Wut und Verzweiflung über das Scheitern seiner Ehe und die aktuelle familiäre Situation, die von Sorgen um die gemeinsamen Töchter und seine finanziellen Mittel geprägt war und für die er „maßgeblich“ seine Schwiegermutter mitverantwortlich machte. Als sich die Geschädigte nicht mehr regte, ließ er von ihr ab und führte im unmittelbaren Anschluss noch zwei Telefonate am Tatort, in denen er sinngemäß äußerte, dass er soeben einen Menschen getötet und das Opfer seine Ehe bzw. seine Familie zerstört habe. Er ließ sich widerstandslos festnehmen. S.       Ö.      war bereits beim Eintreffen der Rettungskräfte nicht mehr ansprechbar und verstarb durch Verbluten in der Notaufnahme. Die Nebenklägerin Br.        erlitt eine potentiell lebensbedrohliche Hirnblutung.

52. Von diesen Feststellungen ausgehend hat die Schwurgerichtskammer den Angeklagten des Totschlags (§ 212 StGB) in Tateinheit mit Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden. Eine heimtückische Tötung hat sie mit der Begründung abgelehnt, dass nicht auszuschließen sei, dass die Getötete nicht mehr arglos gewesen sei, als sich der Angeklagte zur Tötung entschloss und zur Messerattacke ansetzte und das Opfer deshalb noch Verteidigungshandlungen ergreifen konnte. Auch habe der Angeklagte nicht mit dem nötigen Ausnutzungsbewusstsein agiert. Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen hat das Landgericht verworfen, weil der Angeklagte die Tat zwar (auch) aus Wut begangen habe, diese aber ihrerseits Ausdruck seiner Verzweiflung über die konkrete Trennungssituation gewesen sei, für die er seine Schwiegermutter mitverantwortlich machte. Das Vorgehen des Angeklagten gegen die Nebenklägerin                     Br.        hat die Schwurgerichtskammer lediglich als Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB und nicht als qualifizierte Körperverletzung in der Variante einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bewertet, weil sie sich nicht davon zu überzeugen vermochte, dass der auf seine Schwiegermutter fixierte Angeklagte insoweit vorsätzlich gehandelt habe.

II.

Revision der Staatsanwaltschaft

6Das vom Generalbundesanwalt teilweise vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

71. Die Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) bleibt erfolglos. Die Revision beanstandet, das Landgericht habe Lichtbilder von dem beschädigten Mobiltelefon der Geschädigten nebst der durchstochenen, zwischen Handyhülle und -rückseite klemmenden Bankkarte und von deren Auffindesituation sowie eine bebilderte Übersichtskarte zur Spurenlage am vermessenen Tatort rechtsfehlerhaft nicht in seine in den Urteilsgründen niedergelegte Beweiswürdigung einbezogen.

8a) Zwar verlangt § 261 StPO eine umfassende Würdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise. Das Tatgericht ist aber nicht gehalten, in den Urteilsgründen auf jedes Vorbringen einzugehen und jeden erhobenen Beweis zu behandeln. Bleibt ein Beweismittel unerwähnt, ist hieraus nicht zu schließen, dass es übersehen worden ist, denn die Darstellung der Beweiswürdigung im Urteil dient nicht dazu, für alle Sachverhaltsfeststellungen einen Beleg zu erbringen oder mitzuteilen, welche Beweise in der Hauptverhandlung erhoben worden sind. Andererseits dürfen die Urteilsgründe jedoch Umstände, welche geeignet sind, die Entscheidung zu beeinflussen, nicht stillschweigend übergehen (vgl. , NStZ 2018, 158; vom – 3 StR 120/11, NStZ 2012, 49). Entscheidend ist, ob der betreffende Umstand nach der zum Zeitpunkt der Urteilsfindung gegebenen Beweislage erörterungsbedürftig gewesen ist, sich also nach dieser eine Behandlung in den Urteilsgründen aufgedrängt hat (vgl. Rn. 59 mwN; Beschluss vom – 4 StR 406/16, NStZ-RR 2017, 185).

9b) Hieran gemessen hat sich die Schwurgerichtskammer mit den Augenscheinsobjekten nicht weiter gehend als geschehen auseinandersetzen müssen. Dies ergibt sich ungeachtet der nur eingeschränkten Möglichkeiten des Revisionsgerichts, die Beweislage zum Zeitpunkt der Urteilsfindung zu beurteilen, bereits aus der im Urteil dargestellten Beweiswürdigung.

10aa) Die Staatsanwaltschaft macht geltend, die Schwurgerichtskammer wäre unter Berücksichtigung der vorgenannten Beweismittel zu der Feststellung gelangt, dass die Getötete den gegen ihr Leben gerichteten Angriff erst unmittelbar zuvor erkannt hatte, als sie die weitere Geschädigte Br.      vor sich zog, weil die Schilderung der Zeugin B.         zum Abbruch des Telefonats dafür spreche, dass das Gespräch durch das Zerstören des Mobiltelefons beim Angriff unmittelbar nach dem Aufschrei – Ausdruck des Erkennens des Angriffs – abgebrochen sei.

11Das Landgericht hat in den Urteilsgründen den Inhalt der Aussage der Zeugin B.         wiedergegeben, wonach das Telefonat mit ihrer Schwester wenige Sekunden nach deren Aufschrei abgebrochen sei. Einen Grund hierfür habe die Zeugin nicht benennen können, anschließend habe sie nichts mehr gehört. Sodann hat das Landgericht ausgeführt, dass es trotz dieser Angaben der Zeugin B.          keine genauen Feststellungen dazu habe treffen können, wo sich der Angeklagte und die Getötete jeweils befanden, als sie einander wahrnahmen und miteinander sprachen, sowie wann genau sich der Angeklagte zum Angriff entschloss und hierzu ansetzte.

12bb) Das Rügevorbringen verfängt nicht. Zum einen hat die Schwurgerichtskammer die Gegebenheiten am Tatort einschließlich der Parkposition des Pkw des Angeklagten nicht außer Acht gelassen, sondern sich ausweislich der Urteilsgründe durch die Inaugenscheinnahme zahlreicher Lichtbilder sowie der vorerwähnten Übersichtskarte hierüber Kenntnisse verschafft. Es ist deshalb auszuschließen, dass sie bei Würdigung der Aussage der Zeugin B.         und weiterer Augenzeugen die räumlichen Verhältnisse und die Spurenlage am Tatort aus den Augen verloren haben könnte. Zum anderen hat es einer ausdrücklichen Erörterung der Beschädigungen am Mobiltelefon nebst in dessen Hülle steckender Bankkarte nicht bedurft. Denn bereits der daraus erstrebte Schluss der Staatsanwaltschaft auf den Grund des Abbruchs des Telefonats, namentlich, weil das Mobiltelefon zu Boden gefallen und durch Messerstiche beschädigt worden sei, bleibt vor dem Hintergrund des nach dem Angstruf einsetzenden dynamischen Geschehensablaufs spekulativ. Ungeachtet des Beweiswerts der Zeitangabe der vom Verlauf des Telefonats überraschten Zeugin B.        von „wenigen Sekunden“ zwischen Aufschrei und Verbindungsabbruch gelang es der Getöteten noch vor Beginn der Messerattacke, auf die Nebenklägerin Br.       zuzulaufen, diese zu ergreifen und zwischen sich und den Angeklagten zu bringen, bevor dieser seinerseits die Nebenklägerin packte, zur Seite stieß, seine Schwiegermutter zu Boden brachte und sich auf sie kniete. Dass dieser mehraktige und erwartungsgemäß mit Geräuschen einhergehende Ablauf von der Zeugin B.          – nach deren Aussage – akustisch nicht (mehr) wahrgenommen wurde, lässt es ebenso für möglich erscheinen, dass die Telefonverbindung bereits früher abgebrochen war, als von der Staatsanwaltschaft angenommen. Daher musste die Schwurgerichtskammer den Beschädigungen des am Tatort aufgefundenen Mobiltelefons nebst Bankkarte der Getöteten keinen in den Urteilsgründen ausdrücklich erörterungsbedürftigen Beweiswert für die zeitlichen und räumlichen Verhältnisse beimessen.

132. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zu Gunsten oder zu Lasten (§ 301 StPO) des Angeklagten ergeben.

14a) Es ist aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen und belegten Feststellungen das Vorliegen niedriger Beweggründe abgelehnt und den Vorsatz des Angeklagten auf eine mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangenen Körperverletzung der Nebenklägerin                         Br.       verneint hat.

15b) Anders als der Generalbundesanwalt schließt der Senat weiter aus, dass der Schwurgerichtskammer bei Verneinung des Mordmerkmals der Heimtücke ein Rechtsfehler unterlaufen ist.

16aa) Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist ein Opfer, das sich keines Angriffs gegen seine körperliche Unversehrtheit versieht. Die Arglosigkeit führt zur Wehrlosigkeit, wenn das Opfer aufgrund der Überraschung durch den Täter in seinen Abwehrmöglichkeiten so erheblich eingeschränkt ist, dass ihm die Möglichkeit genommen wird, dem Angriff auf sein Leben erfolgreich zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist grundsätzlich der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (st. Rspr.; vgl. Rn. 12 mwN; vom – 2 StR 320/22 Rn. 11; vom – 4 StR 337/20 Rn. 12 mwN).

17Heimtückisches Handeln erfordert dabei aber kein heimliches Vorgehen. Tritt der mit Tötungsvorsatz handelnde Täter seinem bis dahin arglosen Opfer offen feindselig gegenüber, stellt dies die Annahme der Heimtücke jedenfalls dann nicht in Frage, wenn die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff so kurz ist, dass dem Opfer keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. Rn. 8 mwN; vom – 2 StR 320/22 Rn. 12 mwN; vom ‒ 5 StR 288/20 Rn. 28 mwN). Denn ein solcher liegt nicht erst dann vor, wenn der Stich, Schlag oder Schuss selbst geführt oder gelöst wird, sondern umfasst auch die unmittelbar davorliegende Phase. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Heimtücke nur zu bejahen ist, wenn der Täter bei Beginn des ersten Angriffs mit Tötungsvorsatz handelt (vgl. Rn. 5; vom ‒ 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16).

18bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelte der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen nicht heimtückisch, denn die Schwurgerichtskammer konnte nicht sicher feststellen, dass der Angeklagte schon zum Zeitpunkt des „panischen“ Aufschreis der Geschädigten, dem sie deren Verlust der Arglosigkeit beimaß, den festen Entschluss gefasst hatte, seine Schwiegermutter zu töten. Vielmehr hat sie es auch für möglich erachtet, dass das Opfer im Angesicht des Messers aufschrie und wegrannte, noch bevor der Angeklagte sich dazu entschloss, sie anzugreifen und ihr deshalb nachzusetzen. In einer solchen Fallkonstellation, in der das Opfer noch vor Versuchsbeginn seine Arglosigkeit verliert, fehlt es an der den Heimtückemord kennzeichnenden besonderen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die darin liegt, dass der Täter in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tötung ausnutzt, indem er es in hilfloser Lage überrascht und dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu entgehen oder ihn doch wenigstens zu erschweren (vgl. Rn. 6; Beschluss vom – GSSt 3/57, BGHSt 11, 139, 143; Urteil vom – 5 StR 122/91, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 15). Auch eine Sachlage, in der von der Regel, dass das Opfer bei Beginn des Tötungsversuchs arglos sein muss, abzuweichen ist, hat die Schwurgerichtskammer geprüft (vgl. MüKo-StGB/Schneider, 4. Aufl., § 211 Rn. 170 [Vorsatzwechsel] und Rn. 172 [Stellen einer Falle bzw. Locken in einen Hinterhalt] jew. mwN). Sie ist insoweit nicht von einem Vorsatzwechsel mit der Folge eines beim Opfer andauernden Überraschungseffekts ausgegangen. Denn einen zunächst mit bloßem Verletzungsvorsatz geführten Angriff, der zäsurlos in einen solchen mit Tötungswillen umschlug, hat sie nicht festzustellen vermocht. Zudem hat das Landgericht angesichts der offensichtlichen und prominenten Parkposition des Pkw ausgeschlossen, dass der Angeklagte der Geschädigten vor deren Verlust der Arglosigkeit planmäßig und hinterhältig aufgelauert hatte.

19c) Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts, soweit es den Wegfall der Arglosigkeit der Getöteten zeitlich vor Fassung des Tötungsentschlusses nicht auszuschließen vermochte, weist eingedenk des eingeschränkten rechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. nur Rn. 19 mwN; vom – 1 StR 607/15 Rn. 12 mwN) keinen Rechtsfehler auf.

20Das Landgericht hat in einer umfassenden Beweiswürdigung die wesentlichen für die Entscheidungsfindung bedeutsamen Gesichtspunkte erörtert. Insbesondere ist in den Urteilsgründen nachvollziehbar dargelegt, dass es den von der Zeugin B.        am Telefon wahrgenommenen Schrei der Geschädigten als Zeitpunkt des Erkennens der Gefahr bewertet, indes die Zeugenaussage weitere Rückschlüsse, was der Angeklagte in diesem Moment tat und wo er sich befand, nicht erlaube. Die Schwurgerichtskammer hat dabei auch bedacht, dass nach den Schilderungen von Augenzeugen die Zeitspanne zwischen Aufschrei und dem Einholen der flüchtenden Geschädigten relativ kurz gewesen sein muss und es daher naheliegt, dass die Getötete das Messer des Angeklagten erst sah, als dieser bereits zum Angriff angesetzt hatte. Gleichwohl hat es das Landgericht auch für denkbar erachtet, dass die Getötete das Messer sah und damit die Gefahr erkannte, bevor sich der Angeklagte zum Angriff entschloss, weil es der Getöteten noch gelungen war, wegzulaufen und die Nebenklägerin vor sich zu ziehen. In seine Erwägungen hat das Landgericht auch die unklar gebliebene Motivlage des Angeklagten für das Erscheinen an der Wohnanschrift seiner Schwiegereltern einbezogen. Denn es hat nicht belegen können, dass der Angeklagte um die Umstände der Heimkehr seiner Schwiegermutter wusste. Darauf aufbauend hat es für möglich gehalten, dass die Begegnung des Angeklagten mit dem späteren Opfer am Pkw nicht beabsichtigt war bzw. er nur ein „diffuses Bild“ davon hatte, welches Familienmitglied er dort konkret antreffen würde. Ebenfalls hat die Schwurgerichtskammer in Betracht gezogen, dass der Angeklagte eigentlich geplant gehabt habe, auf seine Ehefrau, gegen die er wegen der zugespitzten Trennungssituation große Wut verspürte, im Fahrzeug mit direktem Blick auf den Hauseingang zu warten, und er hierzu die Messer (lediglich) in Bedrohungs- oder Verletzungsabsicht im Pkw mitführte. Von einer Mitnahme der späteren Tatwaffe zum Tatort bereits mit generellem Tötungsvorsatz konnte sich die Schwurgerichtskammer nicht überzeugen. Dabei hat sie nicht nur die den Angeklagten belastenden Indizien und die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt, sondern auch die erforderliche Gesamtwürdigung der erhobenen Beweise in ausreichendem Umfang vorgenommen. Das Landgericht hat die wesentlichen Gesichtspunkte aufgeführt, einander gegenübergestellt und deren jeweiligen Beweiswert vor dem Hintergrund der Einlassung des Angeklagten gewürdigt. Seine insoweit gezogenen Schlüsse sind möglich; darauf, ob sie naheliegend oder gar sicher sind, kommt es für die revisionsrechtliche Beurteilung nicht an.

III.

Revisionen der Nebenkläger

21Die Revisionen der Nebenkläger H.         Ö.     , M.           Ö.       und I.          Ö.      haben aus den unter Ziffer II. 2. genannten Gründen keinen Erfolg.

IV.

22Der Revision des Angeklagten bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.

V.

23Sämtliche Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer jeweils erfolglos gebliebenen Rechtsmittel (§ 473 Abs. 1 StPO). Die durch die Revision der Staatsanwaltschaft verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO). Eine gegenseitige Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten und der Nebenkläger H.        Ö.      , M.           Ö.       und I.           Ö.      findet nicht statt, da ihre Revisionen jeweils verworfen worden sind (vgl. Rn. 34 mwN). Angesichts der Mehrzahl von Nebenklägern und des weiter gehenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft (erstrebte Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von                   Br.       ) erscheint es angemessen, von einer Belastung der revidierenden Nebenkläger mit gerichtlichen Auslagen des Revisionsverfahrens neben der Staatskasse abzusehen (vgl. ). Allerdings haftet die Staatskasse nicht für deren notwendigen Auslagen (vgl. Rn. 52 mwN). Schließlich hat der Angeklagte die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der nicht revidierenden Nebenklägerinnen              A.      und                      Br.       zu tragen. Dem steht nicht entgegen, dass letztere inzwischen verstorben ist (vgl. Rn. 34 mwN).

Quentin                         Maatsch                         Marks

              Tschakert                        Gödicke

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:300125U4STR375.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-87885