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BGH Urteil v. - V ZR 86/24

Leitsatz

1. Wird mit der Beschlussersetzungsklage die Gestattung einer Maßnahme nach § 20 Abs. 3 WEG verlangt, genügt es für die Vorbefassung, dass der Kläger in der Eigentümerversammlung die Beschlussfassung verlangt hat, wie er sie in der Folge von dem Gericht ersetzt verlangt. Die Zulässigkeit der Klage hängt nicht davon ab, dass der Kläger der Eigentümerversammlung weitere Informationen und Unterlagen vorgelegt hat.

2a.    Ob der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Gestattung einer baulichen Veränderung das Einverständnis anderer Wohnungseigentümer voraussetzt, hängt entscheidend davon ab, ob sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (Fortführung von Senat, Beschluss vom - V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 246).

2b.    Von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte Durchbrüche einer tragenden Wand oder Fassadendurchbohrungen sind nicht ohne weiteres als beeinträchtigende bauliche Veränderungen einzuordnen; ob sich andere Wohnungseigentümer durch derartige Eingriffe in die bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums verständlicherweise beeinträchtigt fühlen können, hängt vielmehr von einer tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab (Fortführung von Senat, Beschluss vom - V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 246 ff.).

Gesetze: § 20 Abs 3 WoEigG, § 44 Abs 1 S 2 WoEigG

Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth Az: 14 S 2856/23 WEGvorgehend AG Erlangen Az: 4 C 836/22

Tatbestand

1     Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) und Eigentümer einer im Erdgeschoss gelegenen Wohnung. In einer Eigentümerversammlung im Juni 2022 beantragte er unter Beifügung eines Lichtbildes der geplanten Abdeckung, ihm die Montage von vier Wohnraumentlüftungen mit außenseitig sichtbaren, farblich angepassten Abdeckungen und die hierzu erforderlichen Fassadenbohrungen mit einem Durchmesser von rund 225 mm unter Einhaltung des KfW-Standards zu gestatten. Weitere Unterlagen zu dem Vorhaben hatte der Kläger seinem Antrag nicht beigefügt. In der Versammlung wurden Bedenken über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme auf die Bausubstanz und den KfW-Standard geäußert. Der Antrag wurde anschließend abgelehnt.

2     Mit seiner Klage verlangt der Kläger mit der Begründung, er habe einen Anspruch auf Gestattung der Maßnahme aus § 20 Abs. 3 WEG, die gerichtliche Ersetzung des beantragten Beschlusses. Das Amtsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig sei. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Gründe

I.

3    Das Berufungsgericht hält die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig. Bei einer Beschlussersetzungsklage gelte auch nach neuem Recht das sog. Vorbefassungsgebot, d.h. der Kläger müsse sich grundsätzlich vor der Anrufung des Gerichts um eine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung bemüht haben. Werde - wie hier - die Gestattung einer Maßnahme nach § 20 Abs. 3 WEG verlangt, reiche es allerdings für eine Vorbefassung nicht aus, der Eigentümerversammlung die Thematik zu unterbreiten. Vielmehr müsse der klagende Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern auch die zur Entscheidung notwendigen Informationen einschließlich möglicherweise erforderlicher Privatgutachten zur Verfügung stellen. § 20 Abs. 3 WEG diene der Umsetzung von Individualinteressen, indem dem einzelnen Wohnungseigentümer ermöglicht werde, eine bauliche Veränderung durchzusetzen, soweit diese für die anderen Wohnungseigentümer keine nennenswerten Nachteile habe. Ohne eine hinreichende Tatsachengrundlage könnten die Wohnungseigentümer die Folgen der baulichen Veränderung nicht beurteilen. Nach Sinn und Zweck des § 20 Abs. 3 WEG sei es nicht Aufgabe der GdWE, sich auf eigene Kosten die erforderlichen Informationen zu verschaffen. Die Beschaffung der notwendigen Informationen könne auch nicht in das Beschlussersetzungsverfahren verlagert werden. Mangels Vorlage von Informationen und fachlichen Stellungnahmen über die Auswirkungen der Maßnahme auf die Bausubstanz und den KfW-Standard fehle es hier an einer hinreichenden Vorbefassung.

II.

4    Mit dieser Begründung kann die Entscheidung keinen Bestand haben. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegeben.

5    1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass bei einer Beschlussersetzungsklage das sog. Vorbefassungsgebot gilt. Voraussetzung für eine zulässige Beschlussersetzungsklage ist grundsätzlich, dass sich der Kläger vor der Anrufung des Gerichts um die Beschlussfassung der primär zuständigen Versammlung der Wohnungseigentümer (§ 19 Abs. 1, § 23 Abs. 1 WEG) bemüht. Dies ergibt sich bereits aus § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG, wonach die Klage voraussetzt, dass eine notwendige Beschlussfassung unterbleibt. Dabei handelt es sich um eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 202/21, NJW 2022, 3003 Rn. 28). Eine Vorbefassung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung eine unnötige Förmelei wäre (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 14 f.; Urteil vom - V ZR 69/21, NJW 2023, 63 Rn. 6).

6    2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei einer Klage, welche die gerichtliche Ersetzung der Gestattung einer baulichen Maßnahme nach § 20 Abs. 3 WEG zum Gegenstand hat, sei es für eine hinreichende Vorbefassung erforderlich, dass der den Beschluss verlangende Wohnungseigentümer der Eigentümerversammlung die für die Beschlussfassung erforderlichen Informationen verschafft und ihr in diesem Zusammenhang ggf. auch Privatgutachten vorlegt.

7    a) Nach der Rechtsprechung des Senats genügt es für die Vorbefassung jedenfalls, dass der Kläger in der Eigentümerversammlung die Beschlussfassung verlangt hat, wie er sie in der Folge von dem Gericht ersetzt verlangt (vgl. Urteil vom - V ZR 158/22, NJW-RR 2023, 1242 Rn. 27). Danach liegt hier eine hinreichende Vorbefassung vor, weil der Kläger in der Eigentümerversammlung erfolglos versucht hat, eine Beschlussfassung zu erreichen, wie er sie nun mit der Klage geltend macht.

8    b) Allerdings hat sich der Senat mit der Frage, ob nach neuem Recht besondere Anforderungen an die Vorbefassung zu stellen sind, wenn ein Anspruch aus § 20 Abs. 3 WEG geltend gemacht wird, bisher nicht befassen müssen. Insoweit wird teilweise vertreten, dass bei einem Anspruch aus § 20 Abs. 3 WEG das Vorbefassungsgebot unterlaufen würde, wenn im Prozess um eine Beschlussersetzung erstmals Unterlagen vorgelegt würden, über die die Wohnungseigentümer so nie in der Wohnungseigentümerversammlung hätten befinden können (vgl. Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 447W Fn. 1181 u. Rn. 343); teilweise wird ganz allgemein angenommen, dass die Wohnungseigentümer immer mit allen dem Gericht präsentierten Entscheidungsgrundlagen vorbefasst gewesen sein müssten (vgl. Bärmann/Pick/Fichtner, WEG, 21. Aufl., § 44 Rn. 176).

9    c) Die besseren Argumente sprechen gegen solche zusätzlichen Anforderungen an die Vorbefassung. Wird mit der Beschlussersetzungsklage die Gestattung einer Maßnahme nach § 20 Abs. 3 WEG verlangt, genügt es - wie sonst auch - für die Vorbefassung, dass der Kläger in der Eigentümerversammlung die Beschlussfassung verlangt hat, wie er sie in der Folge von dem Gericht ersetzt verlangt. Die Zulässigkeit der Klage hängt nicht davon ab, dass der Kläger der Eigentümerversammlung weitere Informationen und Unterlagen vorgelegt hat.

10    aa) Wie bereits ausgeführt (Rn. 5), ist das in § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG verankerte Vorbefassungsgebot eine Ausprägung des für die Zulässigkeit einer Klage erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Mit dem Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses als Einschränkung des Justizgewährleistungsanspruchs (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) soll verhindert werden, dass die Gerichte als Teil der Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemüht werden oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausgenutzt wird. Es sollen solche Klagebegehren nicht in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die - gemessen am Zweck des Zivilprozesses - ersichtlich eines staatlichen Rechtsschutzes durch eine materiell-rechtliche Prüfung nicht bedürfen. Rechtsschutz kann unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt deshalb nur unter engen Voraussetzungen versagt werden (st. Rspr., vgl. nur , BGHZ 238, 61 Rn. 21 mwN).

11    bb) Daran gemessen können auch bei einem Anspruch aus § 20 Abs. 3 WEG keine weiteren Anforderungen an die Vorbefassung gestellt werden; insbesondere kann nicht die Vorlage von Unterlagen verlangt werden.

12    (1) Hinge die Vorbefassung davon ab, dass der Kläger der Eigentümerversammlung die für die Entscheidung notwendigen Informationen und Materialien vorlegt, wäre nicht ohne umfangreiche materiell-rechtliche Prüfung ersichtlich, wann die Beschlussersetzungsklage zulässig ist. Ob - und wenn ja welche - Unterlagen und Nachweise als Entscheidungsgrundlage für die Eigentümerversammlung erforderlich und ausreichend sind, hängt nämlich von einer sachlichen Prüfung des Anspruchs im Einzelfall ab. Das Rechtsschutzbedürfnis dient indes nicht dazu, materiell-rechtliche Prüfungen in die Zulässigkeit zu verlagern.

13    (2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Eigentümerversammlung hinreichende Informationen benötigt, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

14    (a) Bei der Entscheidung über eine Beschlussersetzungsklage kommt es nach allgemeinen prozessualen Regeln darauf an, ob der geltend gemachte Anspruch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung besteht; für dieses Klageziel ist es unerheblich, ob bereits bei der Ablehnung des Beschlussantrags eine Handlungspflicht bestand (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 203/17, NZM 2018, 611 Rn. 26). Es ist also nicht zu prüfen, ob die Beschlussfassung zu Recht abgelehnt wurde, weil es an einer hinreichenden Entscheidungsgrundlage fehlte. Deswegen kann die GdWE in einem Beschlussersetzungsverfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG unterliegen, obwohl die Ablehnung des Beschlusses in der Eigentümerversammlung rechtmäßig war. Der Prüfungsrahmen der Beschlussersetzungsklage würde der Sache nach auf die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbeschlusses erstreckt, wenn im Rahmen der Vorbefassung zu prüfen wäre, ob der Eigentümerversammlung bei der Beschlussfassung die für die Entscheidung erforderlichen Informationen vorlagen. Ein Grund hierfür besteht umso weniger, als die Ergebnisse etwaiger von dem Kläger im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens eingeholter Gutachten und Stellungnahmen die anderen Wohnungseigentümer nicht binden und in einem Prozess nicht als ein Beweismittel im Sinne der §§ 355 ff. ZPO, sondern nur als urkundlich belegter Parteivortrag gewürdigt werden dürfen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 131/17, NZM 2018, 399 Rn. 17). Selbst wenn also den Wohnungseigentümern vor der Beschlussfassung umfangreiche Materialien vorgelegt worden sind, kann und muss das Gericht ggf. weitere Beweise erheben, was die Entscheidungsgrundlage des Gerichts gegenüber derjenigen der Eigentümerversammlung verändert und erweitert. Dass die Beweiserhebung durch das Gericht zu Kosten führen kann, die der unterliegende Teil nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen hat, ist ein allgemeines Prozessrisiko.

15    (b) Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten, wenn ein Anspruch aus § 20 Abs. 3 WEG geltend gemacht wird.

16    (aa) Allerdings hängt ein Gestattungsanspruch nach § 20 Abs. 3 WEG davon ab, dass diejenigen Wohnungseigentümer, deren Einverständnis fehlt, nicht beeinträchtigt werden. Dass die bauliche Veränderung von dem Antragssteller gewünscht wird, spricht für die Sichtweise des Berufungsgerichts, wonach es nicht Sache der GdWE ist, die erforderlichen Informationen über mögliche Beeinträchtigungen der anderen Wohnungseigentümer zu beschaffen. Vielmehr liegt es im eigenen Interesse des Antragsstellers, der Eigentümerversammlung möglichst umfassende Informationen und Materialien für eine fundierte Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Denn so erhöht sich seine Chance, die anderen Wohnungseigentümer von seinem Anliegen zu überzeugen und die von ihm gewünschte Beschlussfassung einvernehmlich und ohne ein zeitaufwendiges Gerichtsverfahren zu erreichen.

17    (bb) Diese zutreffenden Überlegungen rechtfertigen es aber, anders als das Berufungsgericht meint, im Ergebnis nicht, die im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfenden Anforderungen an die Vorbefassung zu erweitern. Dies führte nämlich zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Wohnungseigentümers. Zum einen könnte der Wohnungseigentümer nicht sicher wissen, welche Unterlagen er der Eigentümerversammlung vorlegen muss, damit er im Anschluss eine zulässige Beschlussersetzungsklage erheben kann (s.o. Rn. 12). Zum anderen wäre für den Antragsteller vor der Beschlussfassung weder absehbar, welche Unterlagen die anderen Wohnungseigentümer für eine positive Beschlussfassung für erforderlich halten werden, noch könnte er vorhersehen, ob und aus welchen Gründen der beantragte Beschluss - möglicherweise trotz der Vorlage umfangreicher Materialien - abgelehnt werden wird. Es hätte erhebliche Verzögerungen zur Folge, wenn die Eigentümerversammlung nach Vorlage von - ggf. zeitaufwendig beschafften - Unterlagen die Beschlussfassung dennoch ablehnte. Zudem bestünde aufgrund der fehlenden Verwertbarkeit von Privatgutachten im Gerichtsverfahren (s.o. Rn. 14) die Gefahr, dass Gutachten zu einem Thema doppelt eingeholt werden müssten und insoweit auch doppelte Kosten entstünden.

III.

18    Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da der Senat nicht selbst entscheiden kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

19    1. Allerdings hat das Revisionsgericht nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Dabei kann über die sachliche Berechtigung der Klage auch nach deren Abweisung als unzulässig entschieden werden, wenn das Berufungsurteil einen Sachverhalt ergibt, der für die rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet, und bei Zurückverweisung der Sache ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint (vgl. im Einzelnen Senat, Urteil vom - V ZR 19/16, NJW-RR 2018, 719 Rn. 41 ff. mwN - insoweit nicht vollständig in BGHZ 216, 83 abgedruckt).

20    2. Für eine Entscheidung über die Begründetheit der Klage bedarf es weiterer Feststellungen. Insbesondere steht nicht fest, dass sie unbegründet ist. Ein Anspruch des Klägers scheidet nicht ohne weiteres deswegen aus, weil der Kläger die Gestattung einer mit Fassadendurchbohrungen verbundenen Maßnahme beantragt. Allerdings wird teilweise vertreten, dass insbesondere eine Durchbohrung der Außenwand oder des Dachs grundsätzlich eine beeinträchtigende bauliche Veränderung darstelle, mit der alle übrigen Wohnungseigentümer einverstanden sein müssten (vgl. LG Frankfurt a.M., ZWE 2021, 460 Rn. 12; ZWE 2024, 52 Rn. 10 f.). Das trifft jedoch nicht zu.

21    a) Nach § 20 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind. Für die Beurteilung, wann hiernach eine relevante Beeinträchtigung vorliegt, kann im Grundsatz auf die Rechtsprechung zu einer benachteiligenden baulichen Veränderung im Sinne der § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG aF zurückgegriffen werden, da in § 20 Abs. 3 WEG lediglich eine sprachliche Anpassung dahingehend vorgenommen wurde, dass nicht mehr auf einen „Nachteil“, sondern auf eine „Beeinträchtigung“ abgestellt wird (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 65; vgl. auch BeckOGK/Kempfle, WEG [], § 20 Rn. 188; Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 325). Ob der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Gestattung einer baulichen Veränderung das Einverständnis anderer Wohnungseigentümer voraussetzt, hängt entscheidend davon ab, ob sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. zum Nachteil im Sinne der § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG aF Senat, Beschluss vom - V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 246 mwN).

22    b) Der ständigen Senatsrechtsprechung entsprechend sind von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte Durchbrüche einer tragenden Wand oder Fassadendurchbohrungen nicht ohne weiteres als beeinträchtigende bauliche Veränderungen einzuordnen; ob sich andere Wohnungseigentümer durch derartige Eingriffe in die bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums verständlicherweise beeinträchtigt fühlen können, hängt vielmehr von einer tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 246 ff.). Wird die Maßnahme nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst durchgeführt, kann es an einer Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer fehlen; das gilt nicht nur für tragende Innenwände, sondern auch für Außenwände. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG (so aber LG Frankfurt a.M., ZWE 2021, 460 Rn. 11; ZWE 2024, 52 Rn. 10). Denn auf die Eigentumsfreiheit können sich nicht nur die Wohnungseigentümer, die einen Eingriff in die Bausubstanz ablehnen, sondern auch die die Maßnahme verlangenden Wohnungseigentümer berufen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 96/16, ZWE 2017, 224 Rn. 19). Ob ein Wanddurchbruch oder eine Fassadendurchbohrung eine beeinträchtigende bauliche Veränderung darstellt, kann daher nur auf Grund einer fallbezogenen Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen entschieden werden (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 51/03, BGHZ 157, 322, 326 f.; Urteil vom - V ZR 96/16, aaO Rn. 15; jeweils zu § 14 Nr. 1 WEG aF).

Brückner                       Göbel                       Haberkamp

                   Laube                      Grau

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140225UVZR86.24.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-87763