1. Begehren die Kläger auf Grundlage der DSGVO die Übersendung einer Kopie der anonymen Anzeige und hilfsweise die Mitteilung
deren Inhalts, handelt es sich verfahrensrechtlich hierbei um eine allgemeine Leistungsklage im Sinne von § 40 Abs. 1 FGO
kombiniert mit einer Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) gegen den Ablehnungsbescheid.
2. Die AO enthält – anders als zum Beispiel § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – keine Regelung, nach der ein Anspruch
auf Akteneinsicht besteht. Allerdings steht dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen
ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zu, weil diese nicht gehindert ist, in Einzelfällen
Akteneinsicht zu gewähren.
3. Hat die Finanzbehörde bezüglich eines Antrags auf Einsicht in anonyme Anzeigen bei der Ausübung ihres Ermessens die Interessen
der Klägerin, des Anzeigenerstatters und der Allgemeinheit an einer vollständigen Erschließung der Steuerquellen in nicht
zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schutz des Steuergeheimnisses des
Informanten nicht hinter dem Auskunftsbegehren der Klägerin zurücktreten musste, so ist diese Entscheidung auch unter Berücksichtigung
des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht ermessensfehlerhaft.
4. Insbesondere ist die Wertung nicht zu beanstanden, dass durch die wortgetreue Offenbarung des Inhalts der Anzeige eine
Verletzung des Steuergeheimnisses und ein Ausbleiben der Auskunftsbereitschaft Dritter drohe. Denn in vielen Fällen können
aus dem Inhalt einer Anzeige, sei es zum Beispiel aus einer bestimmten Wortwahl, dem Gebrauch einzelner Formulierungen oder
dem konkreten Inhalt der Anzeige mit einiger Wahrscheinlichkeit Rückschlüsse auf den Verfasser der Anzeige gezogen werden
(vgl. , BFH/NV 2007 S. 853).
5. Der Steuerpflichtige hat grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Grundlage der DSGVO auf Übersendung einer Kopie einer anonymen
Anzeige oder auf Mitteilung deren Inhalts, wenn das Interesse der betroffenen Person an der Erteilung der Information gegenüber
dem durch § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO geschützten Geheimhaltungsinteresse des Anzeigenerstatters zurücktreten muss. Dies
erfordert eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragende Interessenabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse
des Anzeigenerstatters einerseits und dem Auskunftsinteresse des hiervon Betroffenen andererseits (im Streitfall: Interessenabwägung
zulasten der Klägerin).
Fundstelle(n): WAAAJ-87601
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FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 25.09.2024 - 16 K 16096/23
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