Verwerfung offensichtlich unbegründeter Anträge im Organstreitverfahren bzgl der Einberufung von Sitzungen des 20. Deutschen Bundestags nach erfolgter Wahl des 21. Deutschen Bundestags
Gesetze: Art 38 Abs 1 S 2 GG, Art 39 Abs 2 GG, Art 39 Abs 3 S 2 GG, Art 39 Abs 3 S 3 GG, Art 68 Abs 1 GG, § 63 BVerfGG, § 64 Abs 1 BVerfGG
Gründe
A.
1Die Antragstellende zu 1. ist eine Fraktion des 20. Deutschen Bundestages. Der Antragstellende zu 2. ist Abgeordneter des 20. Deutschen Bundestages und nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewählter Abgeordneter des 21. Deutschen Bundestages. Die Antragstellende zu 3. ist nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewählte Abgeordnete des 21. Deutschen Bundestages. Die Antragstellenden wenden sich mit ihrer Organklage und ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter anderem gegen die Anberaumung und Durchführung konkreter Sondersitzungen des 20. Deutschen Bundestages zur Änderung des Grundgesetzes nach der bereits erfolgten Wahl zum 21. Deutschen Bundestag, in denen über mögliche Grundgesetzänderungen beraten werden soll (vgl. zum Sachverhalt BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvE 3/25 -, Rn. 2 ff. - Alt-Bundestag I).
I.
2Zur Begründung ihrer Anträge tragen die Antragstellenden vor, die Antragsgegnerin dürfe sich nicht über die Auflösung des 20. Deutschen Bundestages durch den Bundespräsidenten hinwegsetzen. Ihr Einberufungsrecht aus Art. 39 Abs. 3 Sätze 2 und 3 GG gehe allenfalls dahin, den 21. Deutschen Bundestag einzuberufen. Dies sei aus Gründen der Legitimität notwendig, sobald es - wie hier - technisch möglich sei.
3Die Einberufung des 20. Deutschen Bundestages verletze dessen Selbstversammlungsrecht. Sie sei auch deswegen unzulässig, weil das Quorum für ein Einberufungsverlangen nach Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG durch das lediglich von zwei Fraktionen geäußerte Ersuchen nicht erfüllt werde.
4Es stehe dem 20. Deutschen Bundestag generell nicht mehr zu, ohne besondere Eilbedürftigkeit über Änderungen des Grundgesetzes zu beschließen. Dies verstoße gegen das Demokratieprinzip in seiner besonderen Ausformung der Wahrung der sachlichen und personellen Diskontinuität, jedenfalls im Fall einer Auflösung des Parlaments nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG.
5Die nach Ansicht der Antragstellenden verfassungswidrig einberufenen Sondersitzungen des 20. Deutschen Bundestages brächten dessen Abgeordnete in einen Gewissenskonflikt und verletzten ihre Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Die unterlassene Einberufung des 21. Deutschen Bundestages hindere dessen Abgeordnete an der Ausübung ihrer entsprechenden Rechte.
II.
6Die Antragsgegnerin und die Bundesregierung haben Stellung genommen. Der Bundespräsident und der Bundesrat hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
B.
7Die Anträge im Organklageverfahren sind offensichtlich unbegründet.
8Weder einzelne Abgeordnete noch Fraktionen des 20. Deutschen Bundestages noch - soweit dessen Rechte im Wege der Prozessstandschaft geltend gemacht werden sollten - der 20. Deutsche Bundestag selbst können sich auf ein verfassungsmäßiges Recht berufen, dass der Bundestag nicht zu Sitzungen zusammentritt (vgl. dazu BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvE 2/25 -, Rn. 9 - Alt-Bundestag II).
9Soweit die Antragstellenden zu 2. und 3. Rechtsverletzungen dadurch geltend machen, dass die Antragsgegnerin nicht den 21. Deutschen Bundestag einberufe, wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des -, Rn. 15, verwiesen.
10Dem 20. Deutschen Bundestag fehlt es nicht an verfassungsrechtlicher Legitimation. Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG endet die Wahlperiode mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages. Damit wird sichergestellt, dass die Wahlperioden lückenlos aneinander anschließen und der Staat zu keinem Zeitpunkt ohne ein handlungsfähiges Parlament ist (vgl. Schliesky, in: Huber/Voßkuhle, GG, Bd. 2, 8. Aufl. 2024, Art. 39 Rn. 3; Groh, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2021, Art. 39 Rn. 13). Bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages, der nach Art. 39 Abs. 2 GG spätestens am 30. Tag nach der Wahl erfolgen muss, ist der alte Bundestag in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht beschränkt (vgl. Kochsiek, Der Alt-Bundestag, 2002, S. 167 f.; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, 15. Aufl. 2022, Art. 39 Rn. 19; Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 39 Rn. 10 <Dez. 2024>). Dies gilt auch bei einer Auflösung des Parlaments nach Art. 68 Abs. 1 GG (vgl. Groh, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2021, Art. 39 Rn. 12).
C.
11Mit der Ablehnung der Anträge im Organklageverfahren werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos.
D.
12Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen ist abzulehnen. Die Auslagenerstattung richtet sich im Organstreitverfahren nach § 34a Abs. 3 BVerfGG und kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Billigkeitsgründe vorliegen (vgl. BVerfGE 20, 119<133 f.>; 162, 207 <269 Rn. 186> - Äußerungsbefugnisse der Bundeskanzlerin; stRspr). Solche Gründe liegen hier nicht vor.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:es20250313.2bve000525
Fundstelle(n):
QAAAJ-87480