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BGH Urteil v. - VII ZR 133/24

Leitsatz

Zur Frage rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Verbraucherwiderrufsrechts gemäß § 355 Abs. 1, § 312g Abs. 1 BGB (hier verneint).

Gesetze: § 242 BGB, § 312g Abs 1 BGB, § 355 Abs 1 BGB, § 356 BGB, Art 246a § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 BGBEG

Instanzenzug: Az: 20 S 33/22vorgehend AG Bruchsal Az: 4 C 367/21

Tatbestand

1Die Klägerin begehrt von dem Beklagten im Zusammenhang mit einer Verkehrsflächenreinigung die Zahlung von Werklohn in Höhe von 1.975,43 € nebst außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen.

2Durch das Personenkraftfahrzeug des Beklagten kam es am auf der Bundesautobahn 5 im Bereich der Ausfahrt Karlsruhe zu einer Verunreinigung der Verkehrsfläche in Gestalt einer Ölspur. Der Beklagte beauftragte die Klägerin am selben Tag vor Ort schriftlich mit der Reinigung der Fahrbahn. Er unterzeichnete zudem ein ihm ausgehändigtes, gesondertes Blatt mit folgender Widerrufsbelehrung:

"Widerrufsrecht

Sie haben das Recht, binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag und die Einwillung gemäß § 13 DSGVO zu widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab dem Tag des Vertragsschlusses. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.

Folgen des Widerrufs:

Haben Sie verlangt, dass die Dienstleistung während der Widerrufsfrist beginnen soll, so haben Sie uns einen angemessenen Betrag zu zahlen, der dem Anteil der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie uns von der Ausübung des Widerrufsrechts hinsichtlich

dieses Vertrages unterrichten, bereits erbrachten Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen entspricht.

Ich bin einverstanden und verlange ausdrücklich, dass vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der beauftragten Dienstleistung begonnen wird. Mir ist bekannt, dass ich bei vollständiger Vertragserfüllung mein Widerrufsrecht verliere."

3Der Beklagte erhielt im Rahmen der Widerrufsbelehrung weder einen Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular noch wurde ihm ein solches ausgehändigt.

4Die Klägerin reinigte im Anschluss an die Beauftragung die Verkehrsfläche und rechnete hierfür einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.975,43 € brutto ab. Der Beklagte zahlte diesen Betrag nicht. Auf Anraten seines Haftpflichtversicherers, der Streithelferin, erklärte er mit Schreiben vom den Widerruf des mit der Klägerin geschlossenen Vertrags.

5Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 1.975,43 € nebst außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung überwiegend abgeändert und die Klageforderung mit Ausnahme eines Teils der Zinsen zuerkannt. Dagegen wendet sich die Streithelferin des Beklagten mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Gründe

6Die von der Streithelferin für den Beklagten eingelegte Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils - soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist - und insoweit zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

7Auf das Schuldverhältnis der Parteien sind § 312 BGB in der bis zum geltenden Fassung sowie §§ 356, 357 BGB und Art. 246a § 1 EGBGB in der bis zum geltenden Fassung anzuwenden.

I.

8Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, Folgendes ausgeführt:

9Der Klägerin stehe gegen den Beklagten gemäß § 631 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Werklohnzahlung in der geltend gemachten Höhe zu.

10Der von den Parteien geschlossene Werkvertrag sei wirksam. Der Beklagte habe die Klägerin auch ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Träger der Straßenbaulast auf seine Kosten mit der Reinigung der Verkehrsfläche beauftragen können. Als Schädiger wäre er dem Träger der Straßenbaulast ohnehin zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet gewesen. Der Beklagte habe die Leistung der Klägerin konkludent abgenommen. Die gelegte Rechnung entspreche den zwischen den Parteien vereinbarten Preisen und den erbrachten Leistungen.

11Der Beklagte habe den Werkvertrag nicht wirksam widerrufen. Allerdings habe dem Beklagten aufgrund des außerhalb von Geschäftsräumen erfolgten Vertragsschlusses ein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1, § 312g Abs. 1 BGB zugestanden. Der Widerruf vom sei auch innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgt. Da die Klägerin den Beklagten mangels Hinweises auf das Muster-Widerrufsformular und dessen Aushändigung nicht ordnungsgemäß im Sinne von Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht belehrt habe, habe der Lauf der 14-tägigen Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB nicht begonnen, § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die infolgedessen gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB geltende Höchstfrist für den Widerruf von zwölf Monaten und 14 Tagen beginnend mit Vertragsschluss habe der Beklagte eingehalten. Das Widerrufsrecht sei ferner nicht im Hinblick auf eine vollständige Leistungserbringung der Klägerin mit Zustimmung des Beklagten erloschen, § 356 Abs. 4 BGB. Denn ein Erlöschen des Widerrufsrechts nach dieser Vorschrift setze ebenfalls eine ordnungsgemäße Belehrung des Verbrauchers voraus. Dem sei die Klägerin - wie bereits ausgeführt - mangels Hinweises auf das Muster-Widerrufsformular und dessen Aushändigung nicht nachgekommen.

12Der Beklagte sei jedoch nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB daran gehindert, sich auf sein Widerrufsrecht zu berufen. Bei Nassreinigungsarbeiten auf Straßen handele es sich um Arbeiten, die aufgrund des Gefährdungspotentials für andere Verkehrsteilnehmer mit Zeitdruck durchgeführt werden müssten. Bei diesen Arbeiten bestehe nur ein kurzes Zeitfenster - im Streitfall höchstens eineinhalb Stunden - in dem überhaupt ein Widerruf durchgeführt werden könne. Es komme hinzu, dass Nassreinigungsarbeiten üblicherweise vom Träger der Straßenbaulast beauftragt würden; dieser habe sodann gegen den Schädiger einen Anspruch auf Ersatz der Reinigungskosten. Bei einer Beauftragung des Reinigungsunternehmers durch den Träger der Straßenbaulast stehe diesem kein Widerrufsrecht zu. Es wäre daher eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Beklagten, wenn seine Ersatzpflicht als Schädiger nur deshalb entfiele, weil er den Reinigungsunternehmer selbst beauftragt habe und er diesen Vertrag wegen eines kleinen Fehlers bei der Widerrufsbelehrung auch noch nach Ausführung der Leistung widerrufen könne.

II.

13Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

14Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Unrecht einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Werklohn gemäß § 631 Abs. 1 BGB zuerkannt, weil der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß § 355 Abs. 1, § 312g Abs. 1 BGB durch den Beklagten der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegenstehe.

15Ob die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich ist, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden. Diese Bewertung vorzunehmen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. Rn. 10, NJW 2024, 3226; Urteil vom - XI ZR 564/15 Rn. 43, BGHZ 211, 123, jeweils m.w.N.).

16Die Annahme des Berufungsgerichts, die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Beklagten sei rechtsmissbräuchlich, ist - wie die Revision im Ergebnis zutreffend rügt - nach dieser Maßgabe rechtsfehlerhaft.

171. Allerdings ist es weder nach Unionsrecht noch nach nationalem Recht ausgeschlossen, der Ausübung des auf der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU beruhenden Verbraucherwiderrufsrechts gemäß § 355 Abs. 1 BGB im Einzelfall den Einwand des Rechtsmissbrauchs und damit den Einwand der Treuwidrigkeit gemäß § 242 BGB entgegenzuhalten (vgl. z.B. Rn. 43, BGHZ 211, 123 zum Verbraucherdarlehen; Urteil vom - VIII ZR 146/15 Rn. 16, NJW 2016, 1951 zum Fernabsatzvertrag; Urteil vom - IV ZR 18/04 Rn. 25, MDR 2005, 926 zum Versicherungsvertrag; allgemein zum Unionsrecht z.B. , C-47/21, C-232/21 Rn. 281 f., NJW 2024, 809; Urteil vom - C-255/02 Rn. 68 f., Slg. 2006, I-1609, jeweils m.w.N.).

18Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Es setzt der Rechtsausübung dort Schranken, wo sie zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnissen führt. Insbesondere muss § 242 BGB dann in Betracht gezogen werden, wenn die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften einen im Einzelfall bestehenden Interessenkonflikt nicht hinreichend zu erfassen vermag und für einen der Beteiligten ein unzumutbar unbilliges Ergebnis zur Folge hätte (vgl. Rn. 28, MDR 2015, 143 m.w.N.). Dagegen berechtigt § 242 BGB nicht zu einer reinen Billigkeitsjustiz. Gründe der Rechtssicherheit verbieten es vielmehr, Vorschriften des zwingenden Rechts unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben auch dort anzutasten, wo besondere gesetzliche Regelungen den Interessenkonflikten bereits Rechnung tragen (vgl. , WuM 2004, 349, juris Rn. 33, 35; Urteil vom - VIII ZR 119/84, MDR 1985, 752, juris Rn. 14).

19Soll einem Verbraucher wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens die Berufung auf Bestimmungen des Unionsrechts verwehrt werden, müssen die nationalen Gerichte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ferner sicherstellen, dass die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten nach Maßgabe des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes nicht beeinträchtigt wird (vgl. z.B. Rn. 42, 49, GRUR 2014, 368; Urteil vom - C-489/07 Rn. 26, 29, Slg. 2009, I-7315; Urteil vom - C-373/97 Rn. 34 f., Slg. 2000, I-1705; Urteil vom - C-441/93 Rn. 68, Slg. 1996, I-1347; vgl. auch , NJW 2015, 1294).

20Hiervon ausgehend kommt ein Ausschluss des Verbraucherwiderrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB nur ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers, etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer, in Betracht (vgl. Rn. 16, NJW 2016, 1951; Urteil vom - VIII ZR 318/08 Rn. 20, BGHZ 183, 235, jeweils zum Fernabsatzvertrag). Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, dass bereits das gesetzliche Regelungsgefüge zum Verbraucherwiderrufsrecht die als schutzwürdig erkannten Interessen sowohl des Verbrauchers auf der einen als auch des Unternehmers auf der anderen Seite berücksichtigt. Die darin liegenden gesetzlichen Wertungen dürfen nicht durch die Anwendung von § 242 BGB umgangen werden. Auch darf der Sinn des Widerrufsrechts, der darin besteht, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben (vgl. Rn. 16, NJW 2016, 1951; Urteil vom - VIII ZR 318/08 Rn. 17, BGHZ 183, 235), bei der Anwendung des § 242 BGB nicht aus dem Blick geraten.

212. Dies hat das Berufungsgericht verkannt. Es hat den Ausnahmecharakter des Einwands des Rechtsmissbrauchs nicht berücksichtigt und ist insoweit von einem unzutreffenden Wertungsmaßstab ausgegangen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben wegen Rechtsmissbrauchs nicht.

22a) Die vom Berufungsgericht angeführte Dringlichkeit der Reinigungsarbeiten aufgrund des mit der Ölspur verbundenen Gefährdungspotentials sowie die kurze Ausführungsdauer sind keine Umstände, die ausnahmsweise den Einwand rechtfertigen könnten, die Ausübung des Verbraucherwiderrufsrechts durch den Beklagten sei rechtsmissbräuchlich. Das Berufungsgericht verkennt insoweit, dass bereits das Gesetz in § 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB (dringende Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten auf Aufforderung des Verbrauchers) und § 356 Abs. 4 BGB (Erlöschen des Widerrufsrechts bei vollständiger Leistungserbringung) derartige Umstände berücksichtigt und den Interessen des Unternehmers Rechnung trägt, indem es unter den dort geregelten Voraussetzungen ein Widerrufsrecht des Verbrauchers verneint. Liegen in diesen Fällen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verneinung des Widerrufsrechts nicht vor, kann die darin liegende gesetzliche Wertung nicht durch den Rückgriff auf § 242 BGB umgangen werden. Es müssen dann vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die den nur ausnahmsweise in Betracht kommenden Einwand des Rechtsmissbrauchs rechtfertigen können. Solche weiteren Umstände, die eine besondere Schutzbedürftigkeit des Unternehmers begründen, sind in diesem Zusammenhang nicht erkennbar und werden auch nicht geltend gemacht.

23b) Der vom Berufungsgericht weiter herangezogene Umstand, dass üblicherweise der Träger der Straßenbaulast Nassreinigungsarbeiten beauftrage, diesem kein Widerrufsrecht zustehe und er den Schädiger im Anschluss wegen der Kosten der Reinigung nach § 7 StVG oder § 823 BGB in Regress nehmen könne, kann den nur ausnahmsweise eingreifenden Einwand des Rechtsmissbrauchs ebenfalls nicht begründen. Das Berufungsgericht verkennt insoweit, dass sich die Klägerin dafür entschieden hat, die Nassreinigungsarbeiten nicht auf der Grundlage eines Vertrags mit dem Träger der Straßenbaulast durchzuführen, sondern hierüber einen Vertrag mit dem Beklagten als Verbraucher abzuschließen. Sie hat sich damit bewusst dem Regime des Verbrauchervertrags und damit dem Risiko einer Widerruflichkeit der Willenserklärung des Beklagten zu diesem Vertrag ausgesetzt. Eine besondere Schutzbedürftigkeit der Klägerin ist deshalb nicht erkennbar. Die vom Berufungsgericht angenommene Bevorzugung des Beklagten, der durch den Widerruf seiner Inanspruchnahme als Schädiger entgehen könne, ist letztlich die gesetzliche Folge des von der Klägerin gewählten Vorgehens.

24c) Schließlich geht das Berufungsgericht auch insoweit von einem unzutreffenden Wertungsmaßstab aus, als es den Einwand des Rechtsmissbrauchs unter anderem damit begründet, es liege nur ein "kleiner" Belehrungsfehler vor.

25Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheidet eine vorrangige Schutzwürdigkeit des Unternehmers, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen könnte, aus, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht in der gebotenen Weise über sein Widerrufsrecht belehrt hat (vgl. Rn. 40, BGHZ 201, 101 zum Widerspruchsrecht beim Versicherungsvertrag). Die Anforderungen an die gebotene Belehrung im Fall eines Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß § 355 Abs. 1, § 312g Abs. 1 BGB ergeben sich aus Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB. Diese Vorschrift regelt in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben gemäß der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU den gesetzlichen Mindestinhalt einer Widerrufsbelehrung. Danach ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie das Muster-Widerrufsformular aus der Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB zu informieren. Die gesetzlichen Informationspflichten dienen dem vom nationalen Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU verfolgten Zweck, dem Verbraucher eine ungehinderte Ausübung des Widerrufsrechts zu ermöglichen. Der Verbraucher soll durch die Belehrung nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses ohne Schwierigkeiten wirksam auszuüben (vgl. Rn. 40, MDR 2023, 617; Urteil vom - I ZR 169/19 Rn. 64, 67, NJW­RR 2021, 177). Das Muster-Widerrufsformular bezweckt dabei unter anderem die Vereinfachung des Widerrufsverfahrens für den Verbraucher (BT­Drucks. 17/12637, S. 81).

26Danach weist die Widerrufsbelehrung der Klägerin - anders als in der von der Revisionserwiderung herangezogenen Entscheidung des , BGHZ 236, 163) - keinen nur geringfügigen Fehler auf, vielmehr hält sie die gesetzlichen Mindestvorgaben nicht ein. Denn die Klägerin hat nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts in der Widerrufsbelehrung keinen Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular erteilt und dieses dem Beklagten auch nicht ausgehändigt. Eine ungehinderte Ausübung des Widerrufsrechts wird nach der gesetzlichen Wertung aber bereits dann erschwert, wenn dem Verbraucher das Muster-Widerrufsformular weder zur Kenntnis gegeben noch übergeben wird (vgl. Rn. 67, NJW-RR 2021, 177). Die Klägerin hat ihre Informationspflichten auf der Grundlage der nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht in anderer Weise durch eine Belehrung erfüllt, die inhaltlich den in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt. Dies wird auch nicht geltend gemacht.

27Es kann danach dahinstehen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise bei lediglich geringfügigen Belehrungsfehlern eine andere Beurteilung geboten sein kann.

III.

28Das Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen richtig, § 561 ZPO.

291. Denn der Beklagte hat sein Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1, § 312g Abs. 1 BGB wirksam ausgeübt und ist daher nicht an seine auf Abschluss des Vertrags mit der Klägerin gerichtete Willenserklärung gebunden.

30a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der nach seinen Feststellungen geschlossene Vertrag ein Verbrauchervertrag ist, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, und daher die Vorschrift des § 312g BGB anwendbar ist, § 312 Abs. 1 BGB. Das Berufungsgericht hat ferner ein Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1, § 312g Abs. 1 BGB bejaht, da die Parteien den Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen, nämlich noch am Ort des Schadensereignisses auf der Straße, geschlossen haben. Einen Ausschluss des Widerrufsrechts gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB hat das Berufungsgericht verneint. Rechtsfehler sind insoweit nicht erkennbar und werden in der Revisionsinstanz auch nicht geltend gemacht.

31b) Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass der vom Beklagten mit Schreiben vom erklärte Widerruf fristgerecht erfolgt ist. Es hat insoweit nach seinen - in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen - Feststellungen angenommen, dass der Lauf der in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelten 14-tägigen Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht begonnen hat, weil die Klägerin den Beklagten mangels Hinweises auf das Muster-Widerrufsformular und mangels dessen Aushändigung nicht entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet hat. Auch diese Ausführungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Klägerin hat ihre Informationspflichten, wie bereits unter II.2.c) ausgeführt, auch nicht in anderer Weise durch eine Belehrung erfüllt, die inhaltlich den in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt.

32c) Das Widerrufsrecht des Beklagten war - was zwischen den Parteien ebenfalls nicht im Streit steht - im Zeitpunkt des Widerrufs vom nicht gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB erloschen, weil die dort geregelte Höchstfrist von zwölf Monaten und 14 Tagen beginnend mit Vertragsschluss noch nicht abgelaufen war.

33d) Das Berufungsgericht hat zu Recht ein Erlöschen des Widerrufsrechts des Beklagten gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB verneint.

34Allerdings waren die Reinigungsleistungen nach den getroffenen Feststellungen im Zeitpunkt des von dem Beklagten erklärten Widerrufs bereits vollständig von der Klägerin erbracht und diese hatte mit der Ausführung erst nach ausdrücklicher Zustimmungserklärung des Beklagten und Bestätigung seiner Kenntnis vom Erlöschen des Widerrufsrechts nach vollständiger Vertragserfüllung begonnen.

35Ein Erlöschen des Widerrufsrechts nach dieser Vorschrift scheidet - wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt - gleichwohl aus, weil die Klägerin den Beklagten nicht entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet hat. Nach der Rechtsprechung des , NJW-RR 2021, 177) fordert § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB für ein Erlöschen des Widerrufsrechts - neben den ausdrücklich geregelten Voraussetzungen - weiter, dass der Unternehmer den Verbraucher zuvor in der gebotenen Weise so belehrt, dass dieser nicht an der Ausübung des Widerrufsrechts gehindert wird. Dies folgert der Bundesgerichtshof aus dem mit der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU verfolgten Zweck, dem Verbraucher eine ungehinderte Ausübung des Widerrufsrechts zu ermöglichen. Hiermit stünde es nicht in Einklang, wenn ein Verbraucher das ihm grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht gemäß § 356 Abs. 4 BGB verlöre, ohne in der Lage gewesen zu sein, es ungehindert auszuüben (vgl. näher Rn. 58, 64, 67, NJW-RR 2021, 177). Zu der gebotenen Widerrufsbelehrung gehört es danach auch, dass der Verbraucher entsprechend den in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB genannten Anforderungen belehrt wird. Das ist nicht der Fall, wenn der Verbraucher keinen Hinweis auf das der Vereinfachung des Widerrufsverfahrens dienende Muster-Widerrufsformular erhält, ihm dieses nicht ausgehändigt wird und ihm auch keine andere, diesen inhaltlichen Anforderungen entsprechende Belehrung erteilt wird. Denn hierdurch würde ihm die Ausübung des Widerrufsrechts entgegen der Zielsetzung des Gesetzgebers und der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU erschwert. Diesen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung ist die Klägerin, wie bereits ausgeführt, nicht gerecht geworden.

362. Das Urteil ist auch nicht deshalb (teilweise) richtig, weil der Klägerin aus anderen Gründen ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zustehen könnte.

37Ein Anspruch auf Wertersatz gemäß § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB scheidet mangels ordnungsgemäßer Belehrung entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 EGBGB ebenfalls aus, § 357 Abs. 8 Satz 2 BGB (vgl. Rn. 72, NJW-RR 2021, 177). Andere Ansprüche der Klägerin wegen der von ihr erbrachten Reinigungsleistungen bestehen gemäß § 361 Abs. 1 BGB nach Widerruf des Beklagten nicht.

383. Auf die weiteren Rügen der Revision betreffend den Abschluss beziehungsweise die Wirksamkeit des Vertrags kommt es daher nicht mehr an.

IV.

39Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben und die Berufung der Klägerin ist aufgrund des wirksamen Widerrufs des Beklagten zurückzuweisen. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da nach den festgestellten Tatsachen die Sache zur Endentscheidung reif ist und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, § 563 Abs. 3 ZPO.

40Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist.

V.

41Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

Pamp                        Jurgeleit                        Graßnack

             Sacher                        Hannamann

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:200225UVIIZR133.24.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-87295