Suchen
BGH Urteil v. - VIa ZR 388/21

Instanzenzug: Az: 27 U 1463/21vorgehend LG Augsburg Az: 21 O 1969/20

Tatbestand

1 Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im April 2014 von ihr einen gebrauchten Mercedes Benz ML 350 BlueTEC 4MATIC, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.

2 Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zuzüglich Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat im tenorierten Umfang zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge insoweit weiter.

Gründe

3Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Das Landgericht habe zutreffend erkannt, dass keine Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestünden. Der klägerische Vortrag zu einer temperaturabhängigen Steuerung des SCR-Systems und einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung in seinem Fahrzeug biete keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in sittenwidriger Weise und zum Schaden ihrer Kunden das Fahrzeug des Klägers manipuliert habe. Hinsichtlich des unstreitig in der Motorsteuerung des Fahrzeugs zum Einsatz kommenden "Thermofensters" fehle es bereits an einer Darlegung der objektiven Sittenwidrigkeit.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die seitens der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29-32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung des sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22- 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 - 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff. und III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Der angefochtene Beschluss ist im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil er sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

C. Fischer                       Möhring                       Vogt-Beheim

                Katzenstein                    Ostwaldt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:040325UVIAZR388.21.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-87266