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BGH Beschluss v. - V ZR 77/23

Instanzenzug: OLG Dresden Az: 22 U 1253/22vorgehend Az: 7 O 3082/21

Gründe

I.

1    Mit notariellem Vertrag vom erwarben die Kläger von den Beklagten ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu einem Preis von 315.000 € unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Das Haus wurde 1973 errichtet und im Jahr 2000 in Teilen modernisiert. Gestützt auf die Behauptung, sie seien von den Beklagten über das Vorliegen von Mängeln an dem Haus arglistig getäuscht worden, verlangen die Kläger mit dem Klageantrag zu 1 Zahlung von 10.224,70 € nebst Zinsen. Im Einzelnen werden für den Einbau einer neuen Gastherme 7.440,96 €, für die Erneuerung der Elektroinstallation 1.620,48 €, für die Erneuerung des Kamins (defekte Schamottsteine) 1.163,26 € und für die Beseitigung von Müll 1.716,62 € in Ansatz gebracht (rechnerisch korrekt insgesamt: 11.941,32 €). Mit dem Klageantrag zu 2 machen die Kläger einen Mietschaden i.H.v. 2.614,80 € nebst Zinsen geltend. Mit dem Antrag zu 3 möchten sie festgestellt wissen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihnen sämtliche Schäden zu ersetzen, die darauf beruhen, dass das Haus nicht über eine erforderliche Schornsteinlaufanlage verfügt. Der Klageantrag zu 4 ist auf die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen die hiermit verbundene Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

2    Nach Ansicht des Berufungsgerichts stehen den Klägern keine Schadensersatzansprüche zu. Bei der Beurteilung des Gebäudes sei maßgeblich auf den geringen Kaufpreis und den Umstand abzustellen, dass es zu DDR-Zeiten (1973) errichtet worden sei. Dass es im Jahr 2000 modernisiert worden sei, mache es nicht zu einem "neuen Gebäude". Auch hätten die Beklagten persönlich nicht erklärt, dass die Modernisierung in einem umfassenden Umfang stattgefunden habe. Die von den Klägern vorgebrachten Mängel in den Bereichen Elektroinstallation und Kamin beliefen sich auf rund 2.800 € und damit auf 0,8 % des Kaufpreises, so dass es sich allein schon vom Umfang her um geringfügige Mängel handele. Einen Anspruch auf Beseitigung von in dem Haus verbliebenem Müll hätten die Kläger mangels besonderer Regelungen in dem Kaufvertrag nicht. Soweit sie eine neue Gastherme hätten einbauen lassen, handele es sich um eine Modernisierungsmaßnahme, ohne dass insoweit eine relevante Pflichtverletzung der Beklagten als Verkäufer erkennbar sei. Auch die weiteren Positionen (Schadensersatz wegen Mietaufwendungen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) könnten die Kläger nicht verlangen. Für eine Feststellung (gerichtet auf die Haftung für weitere Schäden in der Zukunft) sei kein Raum.

III.

3    Die Nichtzulassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist im Hinblick auf die Bestätigung der Abweisung des Feststellungsantrags (Klageantrag zu 3) gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht insoweit den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Im Übrigen ist sie zurückzuweisen.

4    1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus. Im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (vgl. , juris Rn. 9 mwN).

5    2. Nach diesen Maßgaben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.

6    a) Nach dem von der Nichtzulassungsbeschwerde in Bezug genommenen Vortrag der Kläger in der Klageschrift und in der Berufungsbegründung stützen sie den Feststellungsantrag darauf, dass nach den Mängelberichten des Schornsteinfegers aus den Jahren 2009 und 2017 (Anlagen K 5 und K 6) die Schornsteinlaufanlage auf dem Dach des Hauses nicht ordnungsgemäß sei. Um den Schornstein zu reinigen, müsse das Dach betreten werden. Insoweit fehle es an der erforderlichen Arbeitsschutzeinrichtung auf dem Dach. Die dort befindlichen Tritte hätten einen zu großen Abstand; im Übrigen fehlten Tritte vollständig. Der Schornsteinfeger habe den Beklagten eine Frist zur Beseitigung dieses Zustands bis zum gesetzt. Nach dem weiteren Vorbringen der Kläger verursacht eine ordnungsgemäße Herstellung der Schornsteinlaufanlage Kosten von über 30.000 €. Da bei einem nachträglichen Einbau die vorhandenen Dachplatten zerstört würden, müsse das gesamte Dach neu eingedeckt werden.

7    b) Auf diesen Vortrag geht das Berufungsgericht nicht ein. In der Hinweisverfügung wird zwar in der Sachverhaltsschilderung der Vortrag der Kläger dahingehend wiedergegeben, diese beanstandeten, dass auf dem Dach die erforderliche Arbeitsschutzvorrichtung gefehlt habe. In der Begründung fehlt jedoch eine Auseinandersetzung mit diesem Vortrag. Erörtert werden nur die übrigen von den Klägern geltend gemachten Mängel, während hinsichtlich des Feststellungsantrags lediglich darauf verwiesen wird, dass für eine Feststellung kein Raum sei. Nachdem die Kläger in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis ausdrücklich beanstandet haben, es fehle eine Auseinandersetzung mit der Schornsteinlaufanlage, hat das Berufungsgericht diesen - unter I. a) des Zurückweisungsbeschlusses wiedergegebenen - Einwand unter II. 2.a) mit der Begründung für unbeachtlich erklärt, dass sich der Senat mit den Schadenspositionen "Elektrik/Kamin" befasst und die geltend gemachten Kosten der Beseitigung von 1.620,48 € und 1.163,26 € als geringfügig erachtet habe. Dies belegt, dass dem Berufungsgericht aus dem Blick geraten ist, dass die von den Klägern behaupteten Mängel am Kamin (Defekt an den Schamottsteinen), die in dem Klageantrag zu 1 mit einem Betrag von 1.163,26 € in Ansatz gebracht werden, von den Mängeln an der Schornsteinlaufanlage, die Gegenstand des Feststellungsantrages zu 3 sind und hinsichtlich derer die Kläger von einem - keineswegs geringfügigen - Beseitigungsaufwand von 30.000 € ausgehen, zu unterscheiden sind.

8    3. Der Verstoß gegen den Anspruch auf das rechtliche Gehör ist entscheidungserheblich. Hätte das Berufungsgericht den Vortrag der Kläger bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Feststellungsantrags, an dessen Zulässigkeit (§ 256 Abs. 1 ZPO) angesichts der derzeit nicht möglichen Schadensbezifferung entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Bedenken bestehen, in seine Überlegungen mit einbezogen, ließe sich ein Schadensersatzanspruch der Kläger gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht ausschließen. Dem steht nicht entgegen, dass das von den Klägern erworbene Haus 1973 errichtet worden ist und die Kläger auch unter Berücksichtigung der 2000 erfolgten Modernisierung nicht den Zustand eines "neuen Gebäudes" erwarten konnten. Trifft der Vortrag der Kläger zu, entspricht das Haus deshalb nicht der üblichen und zu erwartenden Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB in der hier gemäß Art. 229 § 58 EGBGB noch anwendbaren, bis zum geltenden Fassung, weil im Hinblick auf die Anordnung des Bezirksschornsteinfegers eine - aktuelle - Pflicht besteht, auf dem Dach eine ordnungsgemäße Schornsteinlaufanlage einzurichten, was nach dem weiteren von den Klägern unter Beweis gestellten Vorbringen mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Die Kläger haben im Hinblick auf die von ihnen vorgelegten Schreiben des Schornsteinfegers auch schlüssig vorgetragen, dass die Beklagten insoweit arglistig gehandelt haben und deshalb der in dem Kaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss nicht eingreift (§ 444 BGB).

9    4. Keinen Erfolg hat die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen, soweit sich die Kläger gegen die Abweisung der übrigen Klageanträge wenden. Insoweit liegt die von ihnen allein geltend gemachte Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht vor, so dass eine Entscheidung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.

IV.

10    1. Der Verstoß gegen den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO im Umfang des Tenors zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

11    2. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass den Klägern bei der der Berechnung des bezifferten Klageantrags zu 1 mit einem Betrag von 10.224,70 € ein offensichtlicher Additionsfehler unterlaufen ist. Addiert man die von den Klägern insoweit in Ansatz gebrachten und von dem Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Einzelbeträge, die auch mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgt werden, ergibt sich eine Gesamtsumme von 11.941,32 € (Therme: 7.440,96 € + Elektrik: 1.620,48 € + Kamin: 1.163,26 € + Müllbeseitigung: 1.716,62 €). Dies ist bei der Festsetzung des Berufungsstreitwerts unberücksichtigt geblieben.

12    3. Da gemäß Nr. 1242 KV GKG Gerichtskosten nur für den zurückgewiesenen Teil der Nichtzulassungsbeschwerde anfallen, bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstands für die Gerichtskosten nach dem erfolglosen Teil der Beschwerde (vgl. nur Senat, Beschluss vom - V ZR 93/22, juris Rn. 20 mwN). Hier ist ein Betrag von 14.556,12 € zugrunde zu legen. Zu dem mit 11.941,32 € zu bewertenden Antrag zu 1 ist der Wert des Antrags zu 2 (2.614,80 €) hinzuzuaddieren. Der Antrag zu 4 (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) bleibt gemäß § 43 Abs. 1 GKG (Nebenforderung) außer Ansatz.

Brückner                                Göbel                                Hamdorf

                            Malik                                 Grau

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:200225BVZR77.23.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-87249