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Online-Nachricht - Donnerstag, 13.03.2025

Einkommensteuer | Kindergeld wegen seelischer Behinderung und Auswahl eines geeigneten Sachverständigen (BFH)

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Finanzgericht die Überzeugung vom Vorliegen einer seelischen Behinderung aufgrund eines retrospektiven Gutachtens eines psychologischen Psychotherapeuten bildet (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht ein Kindergeldanspruch für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Für die Frage, welche Anforderungen an das Vorliegen einer Behinderung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu stellen sind, ist die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) maßgeblich. Danach ist ein Mensch behindert, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Sachverhalt: Streitig ist, ob allein auf der Grundlage eines Gutachtens eines psychologischen Psychotherapeuten eine hinreichende Überzeugungsbildung, insbesondere wenn keinerlei ärztliche Bescheinigungen zu einer Erkrankung oder Behinderung vorliegen, möglich ist (Vorinstanz: ).

Die Richter des BFH urteilten hierzu wie folgt:

  • Das FG durfte auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens davon ausgehen, dass Behinderung vorlag, wegen der ein Selbstunterhalt nicht möglich war. Das Urteil ist weder in rechtsgrundsätzlicher Hinsicht (Möglichkeit der Überzeugungsbildung aufgrund eines psychologisch-psychotherapeutischen Gutachtens) rechtsfehlerhaft noch ist es im Hinblick auf die konkrete Beweiswürdigung revisionsrechtlich zu beanstanden.

  • Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich das FG als das für die tatrichterliche Würdigung zuständige Gericht die Überzeugung vom Vorliegen einer seelischen Behinderung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG auf der Grundlage eines retrospektiven Sachverständigengutachtens eines psychologischen Psychotherapeuten bildet, ohne hierzu eine ergänzende ärztliche Stellungnahme einzuholen.

  • Die für die Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gegebenenfalls notwendige Zuziehung eines Sachverständigen und ebenso dessen Auswahl stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (§ 82 FGO i.V.m. §§ 404, 412 der Zivilprozessordnung; vgl. , BFH/NV 2019, 39, Rz 4).

  • Maßgebliches Kriterium für die Auswahl eines geeigneten Sachverständigen ist dessen Sachkunde in Bezug auf die Beweisfrage.

Quelle: ; NWB Datenbank (lb)

Fundstelle(n):
ZAAAJ-87156