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BFH Urteil v. - V R 6/23

Vorsteuervergütungsverfahren bei Anzahlungsrechnungen

Leitsatz

Betreffen sowohl die Anzahlungsrechnung und die Zahlung als auch die Ausführung der Leistung und die Endrechnung denselben Vergütungszeitraum, gilt ein Antrag auf Vorsteuervergütung auch dann hinsichtlich der auf die Anzahlungsrechnung entfallenden Vergütung im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung als vorgelegt, wenn der Antrag zwar lediglich Angaben zu der Endrechnung enthält und die Endrechnung die in den Anzahlungsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer in Abzug bringt, die beantragte Vergütung aber den Gesamtbetrag der Vorsteuerbeträge umfasst.

Gesetze: UStG § 14 Abs. 5 Satz 2; UStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3; UStG § 18 Abs. 9; UStDV § 59 Satz 1; UStDV § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 2; EGRL 2008/9/EG Art. 8; EGRL 2008/9/EG Art. 9 Abs. 1; EGRL 2008/9/EG Art. 10; EGRL 2008/9/EG Art. 11; EGRL 2008/9/EG Art. 15 Abs. 1; EGRL 2008/9/EG Art. 20;

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der Republik Österreich, stellte einen Antrag auf Vorsteuervergütung im besonderen Verfahren gemäß § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung i.d.F. der Vierten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom (BGBl I 2017, 2360) —UStDV— für den Zeitraum Januar bis Dezember 2017 (Vergütungszeitraum), der am bei dem Beklagten und Revisionskläger (Bundeszentralamt für Steuern —BZSt—) einging. Mit diesem Antrag begehrte sie unter anderem die Vergütung von Vorsteuerbeträgen, die in zwei Endrechnungen für an die Klägerin erbrachte Leistungen ausgewiesen waren. In diesen Endrechnungen wurden als Anzahlungen jeweils im Vergütungszeitraum vor Ausführung der Leistungen ausgestellte und von der Klägerin bezahlte Rechnungen und die hierauf entfallende Umsatzsteuer in Abzug gebracht. Die von der Klägerin beantragte Vergütung umfasste den Gesamtbetrag der Vorsteuerbeträge aus den Endrechnungen einschließlich der Vorsteuerbeträge aus den Anzahlungsrechnungen. Die in der Anlage zum Vergütungsantrag enthaltene Einzelaufstellung der Rechnungen führte nur Angaben zu den beiden Endrechnungen auf. Auch reichte die Klägerin mit dem Vergütungsantrag lediglich die Endrechnungen, nicht jedoch die Anzahlungsrechnungen beim BZSt ein.

2 In der Folge erließ das BZSt einen Vergütungsbescheid, in dem es hinsichtlich der beiden streitgegenständlichen Rechnungen eine Vergütung ausschließlich für die Vorsteuerbeträge gewährte, die auf die sich aus den Endrechnungen ergebenden Restzahlungen entfielen, nicht jedoch für die bereits in den Anzahlungsrechnungen ausgewiesenen Vorsteuerbeträge.

3 Während des hiergegen gerichteten außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens reichte die Klägerin im Januar 2019 Kopien der Anzahlungsrechnungen und Zahlungsbelege bei dem BZSt ein. In der Folge erließ das BZSt aus zwischen den Beteiligten nicht (mehr) streitigen Gründen einen geänderten Vergütungsbescheid und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Ein Vorsteuerabzug sei lediglich in Höhe des Betrags möglich, der auf die in den Endrechnungen ausgewiesenen Restzahlungen entfalle. Gemäß Art. 8 Abs. 2 und Art. 9 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 2008/9/EG) müsse der Vergütungsantrag diverse Angaben zu jeder einzelnen Rechnung enthalten. Daraus folge, dass auch eine Anzahlungsrechnung in der Anlage erfasst und Gegenstand des Vergütungsantrags sein müsse, was vorliegend nicht der Fall sei. Auf diese Verfahrensweise sei die Klägerin bereits für frühere Vergütungszeiträume hingewiesen worden.

4 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zwar müsse ein Vorsteuervergütungsantrag den besonderen Formalien des Vergütungsverfahrens genügen. Gleichwohl sei im Streitfall nach Würdigung der Gesamtumstände von einer wirksamen Antragstellung der Klägerin auch in Bezug auf die Anzahlungsrechnungen auszugehen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) folge, dass die Finanzverwaltung bei unzureichenden Angaben in einem Vorsteuervergütungsantrag die fehlenden Informationen aus den ihr vorliegenden Rechnungen zu entnehmen habe. Soweit die Rechnungen nicht mit dem Antrag eingereicht worden seien, die Finanzverwaltung die Vorlage dieser Unterlagen jedoch für erforderlich halte, sei sie grundsätzlich daran gehindert, den Antrag allein unter Verweis auf fehlende Unterlagen abzulehnen, und stattdessen gehalten, den Antragsteller aufzufordern, die Rechnungsunterlagen nachzureichen.

5 Daher sei es als ausreichend anzusehen, dass die Klägerin mit der Vorlage der Anzahlungsrechnungen als Ergänzung zu den mit dem Antrag eingereichten Endrechnungen dem BZSt alle Informationen und Unterlagen vorgelegt habe, aus denen die Berechtigung der Klägerin zum geltend gemachten Vorsteuerabzug zweifelsfrei ersichtlich sei. Alle Rechnungen seien im Streitzeitraum erstellt worden, so dass der Vorsteuerabzug daraus auch nur mit dem Antrag für den hier maßgeblichen Vergütungszeitraum habe geltend gemacht werden können. Der Umstand, dass die Anzahlungsrechnungen im Antrag selbst nicht explizit erwähnt seien, stehe der Vorsteuervergütung ebenso wenig entgegen wie die Tatsache, dass die Klägerin erst nach Ablauf der Antragsfrist die Anzahlungsrechnungen in Kopie beim BZSt eingereicht habe. Denn dem BZSt lagen jedenfalls aufgrund der vorgelegten Rechnungen alle Informationen vor, um eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob die materiellen Anforderungen für einen Vorsteuerabzug beziehungsweise eine Erstattung gegeben seien. Die vorliegende Konstellation, in der Anzahlungsrechnungen, die zwar nicht im Antrag selbst explizit aufgeführt seien, auf die jedoch in den Endrechnungen, die im Antrag aufgelistet seien, Bezug genommen werde, sei mit den vom EuGH entschiedenen Fallkonstellationen der Nachreichung von für die Vorsteuervergütung erforderlichen Informationen im Sinne von Art. 20 der Richtlinie 2008/9/EG einerseits und der Ergänzung oder Korrektur von Rechnungen andererseits vergleichbar. Es handele sich im Übrigen auch nicht um eine unzulässige Zusammenfassung von mehreren Rechnungen in einer Antragsposition, denn es seien nicht etwa Rechnungen zu verschiedenen Umsätzen schlicht aus Gründen etwa der Praktikabilität oder Ähnlichem unter einer Antragsposition zusammengefasst worden. Vielmehr handele es sich um inhaltlich zusammengehörende Rechnungen.

6 Hiergegen wendet sich das BZSt mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das FG verkenne, dass es in Bezug auf die streitigen Anzahlungsrechnungen an einer wirksamen Antragstellung fehle, worüber auch das Prinzip der Mehrwertsteuerneutralität nicht hinweghelfen könne. Der Vergütungsantrag gelte nur dann als im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UStDV eingereicht, wenn der Unternehmer alle Angaben gemacht habe, die in den Art. 8 und 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG gefordert würden. Als eigenständige Rechnungen im Sinne des § 14 UStG müssten die —insbesondere unter Berücksichtigung des Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG— geforderten Angaben auch separat für jede Anzahlungsrechnung in der Anlage zum Vergütungsantrag aufgeführt werden. Dies sei für die eindeutige und einmalige Identifizierbarkeit der aus einer Anzahlungsrechnung geltend gemachten Vorsteuer und damit für eine insoweit wirksame Antragstellung unerlässlich.

7 Auch die Tatsache, dass die Klägerin die Anzahlungsrechnungen nachträglich, jedoch erst nach Ablauf der Antragsfrist vorgelegt habe, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Es sei zwar nicht erforderlich, die Rechnungen selbst innerhalb der Antragsfrist und zusammen mit dem Vergütungsantrag einzureichen. Umgekehrt stelle die bloße Einreichung von Rechnungen ohne deren Aufnahme in die Anlage zum Vergütungsantrag keine wirksame Antragstellung dar. Soweit der EuGH auf die in Art. 20 der Richtlinie 2008/9/EG enthaltene Monatsfrist zur Ergänzung von Informationen abgestellt habe, liege ein derartiger Fall hier nicht vor, da die Endrechnungen keiner Berichtigung oder Ergänzung bedurft hätten. Dass eine Rechnung auch nach Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist des § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV unter Berücksichtigung des Art. 20 der Richtlinie 2008/9/EG noch nachgereicht werden könne, ändere nichts daran, dass sie dennoch innerhalb der Antragsfrist in der Anlage zum Antrag aufgeführt und dadurch zum Gegenstand des Vergütungsantrags werden müsse. Bei (vollständigem) Fehlen von in der Positionsliste geforderten Mindestangaben, wie Name und Anschrift des Rechnungsausstellers oder Datum und Nummer der Rechnung, liege ein unvollständiger und damit unwirksamer Antrag vor. Die vom FG als verpflichtend angesehene weitergehende Prüfung, ob eine Vergütung der Vorsteuer möglich sei oder ob weitere Informationen zu dieser Prüfung einzuholen seien, könne erst dann relevant werden, wenn eine Antragsposition den Mindestanforderungen von § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV i.V.m. Art. 8 und 9 der Richtlinie 2008/9/EG genüge. Die Gefahr einer Mehrfachvergütung könne nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden. Insoweit sei beispielhaft darauf zu verweisen, dass zu den Anzahlungsrechnungen kein Datensatz vorhanden sei und somit eine doppelte Antragstellung nicht unmittelbar auffallen würde.

8 Das BZSt beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9 Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10 Durch die Erfassung der Endrechnung sei von Anfang an der gesamte strittige Vergütungsbetrag beantragt worden. Ob dieser materiell rechtmäßig zu erstattende Betrag nun in einer Zeile oder in mehreren Zeilen des Antrags aufgeführt sei, noch dazu bei eindeutig zusammengehörenden Anzahlungs- und Endrechnungen, stelle eine rein formale Anforderung dar, die unter Berücksichtigung des Prinzips der Mehrwertsteuerneutralität nicht zur Ablehnung des Antrags führen dürfe. Soweit das BZSt auf die Gefahr von Doppelvergütungen abstelle, sei zu berücksichtigen, dass selbst bei Beantragung von Anzahlungs- und Endrechnungen in mehreren Zeilen ein genauer Abgleich der Rechnungsdokumente unerlässlich sei, um sicherzustellen, dass Vorsteuer nicht in beiden Zeilen mehrfach beantragt werde. Der Kontrollaufwand für den vorliegenden Fall dürfte daher nicht höher sein, als bei der vom BZSt geforderten Beantragung in mehreren Zeilen. Auch sei zu beachten, dass im Streitfall alle Anzahlungs- und Endrechnungen in demselben Erstattungszeitraum ausgestellt worden seien. In dieser besonderen Konstellation erscheine eine wirksame Kontrolle problemlos möglich.

Gründe

II.

11 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Vorsteuervergütung für den Vergütungszeitraum Januar bis Dezember 2017 in der von der Klägerin —zuletzt— begehrten Höhe festzusetzen ist. Betreffen sowohl die Anzahlungsrechnung und die Zahlung als auch die Ausführung der Leistung und die Endrechnung denselben Vergütungszeitraum, gilt ein Antrag auf Vorsteuervergütung auch dann hinsichtlich der auf die Anzahlungsrechnung entfallenden Vergütung im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV als vorgelegt, wenn der Antrag zwar lediglich Angaben zu der Endrechnung enthält und die Endrechnung die in den Anzahlungsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer in Abzug bringt, die beantragte Vergütung aber den Gesamtbetrag der Vorsteuerbeträge umfasst.

12 1. Nach § 18 Abs. 9 UStG, der die Art. 170 f. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in nationales Recht umsetzt, kann das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 UStG und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren regeln. Das BMF hat von dieser Verordnungsermächtigung in §§ 59 ff. UStDV Gebrauch gemacht.

13 a) Gemäß § 59 Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 UStDV ist die Vergütung der abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer abweichend von § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nach den §§ 60 bis 61a UStDV durchzuführen, wenn der Unternehmer im Vergütungszeitraum im Inland keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 UStG ausgeführt hat.

14 b) Der Vergütungsantrag gilt —neben weiteren Voraussetzungen— nur dann als vorgelegt, wenn der Unternehmer alle Angaben gemacht hat, die in den Art. 8 und 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG in der jeweils geltenden Fassung gefordert werden (§ 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UStDV). Die Vergütung ist nach § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, zu beantragen.

15 Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschriften ist Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG, nach dem der Erstattungsantrag dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30.09. des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen muss und nur dann als vorgelegt gilt, wenn der Antragsteller alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG geforderten Angaben gemacht hat.

16 c) Nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG sind für jeden Mitgliedstaat der Erstattung und für jede Rechnung oder jedes Einfuhrdokument verschiedene Angaben zu machen, zu denen unter anderem der Name und die vollständige Anschrift des Lieferers oder Dienstleistungserbringers (Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/9/EG), das Datum und die Nummer der Rechnung oder des Einfuhrdokuments (Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/9/EG), die Steuerbemessungsgrundlage und der Mehrwertsteuerbetrag in der Währung des Mitgliedstaats der Erstattung (Art. 8 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2008/9/EG) sowie die Art der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen aufgeschlüsselt nach den Kennziffern gemäß Art. 9 der Richtlinie 2008/9/EG (Art. 8 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2008/9/EG) gehören.

17 d) Gemäß § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 4 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV sind dem Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege als eingescannte Originale vollständig beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoffen mindestens 250 € beträgt.

18 Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG. Danach kann der Mitgliedstaat der Erstattung unbeschadet der Informationsersuchen gemäß Art. 20 der Richtlinie 2008/9/EG verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht, falls sich die Steuerbemessungsgrundlage auf einer Rechnung oder einem Einfuhrdokument auf mindestens 1.000 € oder den Gegenwert in der jeweiligen Landeswährung beläuft; bei einer Rechnung über Kraftstoff beträgt dieser Schwellenwert 250 € oder den Gegenwert in der jeweiligen Landeswährung.

19 2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Frist des § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV von der Klägerin auch hinsichtlich der Vorsteuerbeträge gewahrt wurde, die in den Anzahlungsrechnungen ausgewiesen und in den Endrechnungen in Abzug gebracht wurden.

20 a) Bei einer Endrechnung, in der nach § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen sind, ergibt sich der Vorsteuerabzug nur aus der dort ausgewiesenen Umsatzsteuer, die nach Abzug der bereits in den Anzahlungsrechnungen enthaltenen Umsatzsteuer verbleibt (, BFHE 266, 425, BStBl II 2022, 696, Rz 19; vgl. auch , BFHE 198, 238, BStBl II 2004, 317, unter II.1.b). Demgemäß gilt der Vergütungsantrag hinsichtlich des Vorsteuerbetrags, der in einer Anzahlungsrechnung ausgewiesen ist, nur dann nach § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UStDV als vorgelegt, wenn der Antrag auch für die Anzahlungsrechnung die in § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UStDV geforderten Angaben enthält, da diese Angaben für „jede“ Rechnung zu machen sind (Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG).

21 b) In Fällen, in denen sowohl die Anzahlungsrechnung und deren Zahlung als auch die nach der Ausführung der Leistung erteilte Endrechnung denselben Vergütungszeitraum betreffen, kann der Antrag aber auch dann die nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG erforderlichen Angaben enthalten, wenn der Antrag —wie im Streitfall— lediglich Angaben zu der Endrechnung, in der die in der Anzahlungsrechnung ausgewiesene Umsatzsteuer in Abzug gebracht wurde, enthält, die beantragte Vergütung aber den Gesamtbetrag der Vorsteuerbeträge einschließlich der sich aus den Anzahlungsrechnungen ergebenden Vorsteuerbeträge —und nicht nur den Restbetrag aus der Endrechnung— umfasst.

22 aa) Das Recht auf Vorsteuerabzug —und damit auch der Erstattungsanspruch— ist integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden (z.B. EuGH-Urteil Sea Chefs Cruise Services vom  - C-133/18, EU:C:2019:354, Rz 36). Insoweit bleiben die Angaben des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG —trotz ihrer Bedeutung für das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems— formelle Voraussetzungen, die unter bestimmten Umständen gemäß den Grundsätzen der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit der Anwendung der materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Erstattung den Vorrang einräumen müssen (vgl. EuGH-Urteil Bundeszentralamt für Steuern vom  - C-346/19, EU:C:2020:1050, Rz 44 zu der nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/9/EG anzugebenden Nummer der Rechnung). Anderes gilt jedoch, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert hat, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom  - C-371/19, EU:C:2020:936, Rz 81 und 88).

23 bb) Die Klägerin ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG auch hinsichtlich des in den Anzahlungsrechnungen gesondert ausgewiesenen Steuerbetrags zum Vorsteuerabzug berechtigt (vgl. , BFHE 266, 425, BStBl II 2022, 696, Rz 19). Da nach den —den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO)— Feststellungen des FG alle Zahlungen im Vergütungszeitraum erfolgten, sind insoweit die materiellen Voraussetzungen des von der Klägerin mit dem streitgegenständlichen Antrag geltend gemachten Vergütungsanspruchs erfüllt. Da hiervon auch die Beteiligten ausgehen, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.

24 cc) Der sichere Nachweis des Bestehens des Anspruchs auf Vergütung der Vorsteuerbeträge aus den Anzahlungsrechnungen wurde im Streitfall durch die Besonderheiten der Antragstellung nicht verhindert.

25 (1) Zwar hat die Klägerin innerhalb der Frist des § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV keine ausdrücklich die Anzahlungsrechnungen betreffenden Angaben gemacht, das heißt, der Vergütungsantrag enthielt insbesondere nicht eigenständig —wie jedoch grundsätzlich nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/9/EG erforderlich— das Datum und die Nummer dieser Rechnungen. Hingegen lagen —was zwischen den Beteiligten unstreitig ist— in Bezug auf die Endrechnungen sämtliche von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG geforderten Angaben vor. Im Hinblick darauf, dass sowohl die Anzahlungsrechnung und deren Zahlung als auch die nach der Ausführung der Leistung erteilte Endrechnung denselben Vergütungszeitraum betrafen, enthielt der den Gesamtbetrag der Vorsteuerbeträge umfassende Antrag der Klägerin damit zugleich in Bezug auf die Anzahlungsrechnungen die sonstigen in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG geforderten Angaben, das heißt insbesondere den Namen und die vollständige Anschrift des Lieferers oder Dienstleistungserbringers (Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/9/EG) und die Art der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen (Art. 8 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2008/9/EG).

26 (2) Da hiermit —vergleichbar dem Fall fehlerhafter Angaben zur Nummer der Rechnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/9/EG im Vergütungsantrag (vgl. EuGH-Urteil Bundeszentralamt für Steuern vom  - C-346/19, EU:C:2020:1050, Rz 51)— sämtliche Angaben vorlagen, die für die Feststellung erforderlich sind, dass der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer schuldet, erfordern die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit, dass das BZSt den Antrag auch hinsichtlich der in den Anzahlungsrechnungen enthaltenen Umsatzsteuer im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG —und damit auch im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV— als „vorgelegt“ betrachtet und die in Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG eingeräumte Befugnis ausübt, zusätzliche Informationen anzufordern.

27 (3) Damit wird zugleich dem Grundsatz der guten Verwaltung Rechnung getragen. Dieser verlangt von einer Verwaltungsbehörde bei der Durchführung von Unionsrecht —und damit auch im Rahmen der Durchführung des in der Richtlinie 2008/9/EG vorgesehenen Vorsteuervergütungsverfahrens (z.B. EuGH-Urteil Slovenské Energetické Strojárne vom  - C-746/22, EU:C:2024:403, Rz 50)—, bei Ausübung der ihr obliegenden Kontrollpflichten eine sorgfältige und unvoreingenommene Prüfung aller relevanten Gesichtspunkte vorzunehmen, so dass sie sicherstellt, dass sie bei Erlass ihrer Entscheidung insoweit über möglichst vollständige und verlässliche Informationen verfügt (z.B. EuGH-Urteil Agrobet CZ vom  - C-446/18, EU:C:2020:369, Rz 44).

28 Daher ist im Vorsteuervergütungsverfahren, im Rahmen dessen dem Antragsteller innerhalb von vier Monaten ab Eingang des Erstattungsantrags mitzuteilen ist, ob die Erstattung gewährt oder der Erstattungsantrag abgewiesen wird (Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG), in Fällen, in denen der in den dem Erstattungsantrag beigefügten Rechnungen ausgewiesene Betrag die beantragte Erstattung übersteigt, der Antragsteller aufzufordern, einen Berichtigungsantrag zu stellen, der als zum Zeitpunkt der Einreichung des ursprünglichen Antrags eingereicht gilt (EuGH-Urteil CHEP Equipment Pooling vom  - C-396/20, EU:C:2021:867, Rz 49 und 53).

29 Ergibt sich —wie im Streitfall— der zur Vergütung gestellte Steuerbetrag aus dem Gesamtbetrag einer Endrechnung, in der Steuerbeträge aus im selben Erstattungszeitraum erteilten Anzahlungsrechnungen abgesetzt wurden, und umfasst die beantragte Erstattung den Gesamtbetrag der Steuerbeträge, folgt aus der vorstehenden Rechtsprechung —gleichsam spiegelbildlich—, dass der Antrag —bei Anwendung von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG und § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV— auch als Antrag in Bezug auf die in den Anzahlungsrechnungen ausgewiesene gesetzlich geschuldete Steuer anzusehen ist, der zudem auch insoweit als fristgerecht gestellt gilt.

30 (4) Abweichendes folgt nicht aus § 60 Satz 4 UStDV. Zwar können danach Unternehmer, die einen Vergütungsantrag für das Kalenderjahr oder für den letzten Zeitraum des Kalenderjahres gestellt haben, für das betreffende Jahr einmalig einen weiteren Vergütungsantrag stellen, in welchem ausschließlich abziehbare Vorsteuerbeträge aufgenommen werden dürfen, die in den gestellten Vergütungsanträgen nicht enthalten sind (sogenannter „fünfter Antrag“, vgl. BRDrucks 535/14, S. 16). Auch können Anzahlungsrechnungen, die dasselbe Kalenderjahr wie die Endrechnung betreffen, zum Gegenstand eines solchen —weiteren— Antrags gemacht werden. Da für diesen jedoch ebenfalls die Frist des § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV maßgeblich ist, kann ein Antragsteller, der erst durch die (Teil-)Ablehnung des auf die Endrechnung bezogenen Antrags über die Erforderlichkeit eines weiteren Antrags in Kenntnis gesetzt würde, hierauf nicht verwiesen werden.

31 3. Dies zu Grunde gelegt, hat das FG der Klage zu Recht stattgegeben. Da —Gegenteiliges ist weder vorgebracht, festgestellt noch ersichtlich— die weiteren Voraussetzungen für eine Vorsteuervergütung vorliegen, ist der von der Klägerin im besonderen Verfahren gemäß § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV geltend gemachte Anspruch auf Erstattung auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Vorsteuerbeträge aus den Anzahlungsrechnungen begründet.

32 a) Es ist —wovon auch das FG ausgegangen ist— für die Beurteilung der Frage, ob die Frist des § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV eingehalten wurde, unerheblich, dass dem Vergütungsantrag die Anzahlungsrechnungen nicht beigefügt wurden.

33 aa) Da Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG ausdrücklich vorsieht, dass „[der] Erstattungsantrag (.) nur dann als vorgelegt [gilt], wenn der Antragsteller alle in den Artikeln 8, 9 und 11 geforderten Angaben gemacht hat“, folgt daraus, dass der Umstand, dass ein Antragsteller unter Verstoß gegen die vom Mitgliedstaat gemäß Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG insoweit auferlegte Pflicht seinem Erstattungsantrag keine Kopie der Rechnung beigefügt hat, nicht dazu führen kann, dass der Erstattungsantrag als nicht vorgelegt angesehen wird (EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom  - C-371/19, EU:C:2020:936, Rz 87).

34 bb) Daher muss der Antrag im Streitfall ebenso in Bezug auf die in Anzahlungsrechnungen enthaltene Umsatzsteuer als „vorgelegt“ und diese damit als Gegenstand des Vergütungsantrags anzusehen sein, wenn dem Vergütungsantrag lediglich die Kopie der Endrechnung beigefügt wurde; darf ein Antrag schon nicht bei einem gänzlichen Fehlen einer nach § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 4 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV beizufügenden Rechnung abgelehnt werden, muss dies erst recht im Streitfall gelten, in dem dem Antrag eine Endrechnung beigefügt wurde, aus der die in den Anzahlungsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer hervorgeht.

35 b) Schließlich steht es dem Klageanspruch nicht entgegen, dass gegebenenfalls Rückfragen seitens des BZSt erforderlich waren, um über den Vorsteuervergütungsantrag abschließend entscheiden zu können. Soweit die Klägerin erst nach Ablauf der Antragsfrist im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren die Anzahlungsrechnungen vorgelegt hat und Angaben zu deren Zahlung gemacht hat, handelt es sich um eine sowohl unabhängig von den Formvorschriften als auch unabhängig von der Antragsfrist noch mögliche Ergänzung der Antragsangaben.

36 4. Ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist nicht veranlasst (vgl. zu den Voraussetzungen EuGH-Urteile CILFIT u.a. vom  - 283/81, EU:C:1982:335, Rz 21; Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi vom  - C-561/19, EU:C:2021:799, Rz 66). Insbesondere bestehen für den Senat keine Zweifel an der Auslegung des Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG, beruht diese doch lediglich auf der Anwendung der in den EuGH-Urteilen Bundeszentralamt für Steuern vom  - C-346/19, EU:C:2020:1050 und Kommission/Deutschland vom  - C-371/19, EU:C:2020:936 aufgestellten Grundsätze auf den Einzelfall.

37 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:U.121224.VR6.23.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-87137