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BMF - IV C 1 - S 2256/00042/064/043

Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung bestimmter Kryptowerte

Bezug: BStBl 2022 I S. 668

Bezug: BStBl 2019 I S. 1269

Bezug: BStBl 2024 I S. 374

Nach Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird das (BStBl 2022 I S. 668) wie folgt neu gefasst. Ausführungen zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und zum Lohnsteuerabzug im Zusammenhang mit der Gewährung von Kryptowerten im Rahmen eines Dienstverhältnisses sind nicht Gegenstand dieses BMF-Schreibens.

I. Erläuterungen

1. Kryptowerte

1Ein Kryptowert ist die digitale Darstellung eines Wertes oder eines Rechts, der bzw. das unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden kann.

2. Differenzierung nach Funktion

2Der technische Aufbau und die technische Entwicklung von Krypowerten sind vielgestaltig. Da die Besteuerung dem zugrunde zu legenden Lebenssachverhalt folgt, §§ 1, 88 Abgabenordnung (AO), ist die ertragsteuerrechtliche Beurteilung nach der Funktion des Kryptowertes vorzunehmen.

3Vor diesem Hintergrund kann zur Unterscheidung von Kryptowerten auf die folgende Differenzierung zurückgegriffen werden:

  • Currency oder Payment Token sind Kryptowerte, die als Tauschmittel eingesetzt, aber auch zu Spekulationszwecken gehalten werden. Sie werden nicht von einer Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert und haben daher nicht den gesetzlichen Status einer Währung, werden aber – wirtschaftlich betrachtet – als Tauschmittel akzeptiert. Zu den bekanntesten Currency Token gehören beispielsweise Bitcoin und Ether. Die Internetseite https://www.coinmarketcap.com/de listet weitere Beispiele auf. In Gebrauch sind ferner die Bezeichnungen „Kryptowährung“ und „virtuelle Währung“;

  • Utility Token sind Kryptowerte, die bestimmte Nutzungsrechte (z. B. Zugang zu einem gegebenenfalls noch zu schaffenden Netzwerk) oder einen Anspruch darauf vermitteln, sie gegen eine bestimmte, gegebenenfalls noch zu schaffende Ware oder Dienstleistung einzutauschen. Utility Token können auch Stimmrechte zur Änderung der Software und damit der Funktionalität der Ware oder der Dienstleistung vermitteln;

  • Security Token sind Kryptowerte, die ihrer Funktion nach mit herkömmlichen Wertpapieren vergleichbar sind.

4Kryptowerte können auch eine Kombination aus den zuvor beschriebenen Kategorien beinhalten (hybride Kryptowerte). Für die ertragsteuerrechtliche Einordnung ist jeder Kryptowert unabhängig von seiner Bezeichnung zu würdigen. So wäre beispielsweise ein Utility Token, der zusätzlich die Funktion eines Tauschmittels hat, bei der Verwendung als Tauschmittel ertragsteuerrechtlich wie ein Currency Token zu behandeln.

5Auf die Besonderheiten nicht-fungibler Kryptowerte (sog. Non-Fungible-Token, NFT) wird in der vorliegenden Fassung des BMF-Schreibens nicht eingegangen. Einem NFT ist ein Individualisierungsmerkmal zugeordnet, während fungible Kryptowerte einer Handelsbezeichnung (z. B. Bitcoin, Ether) jeweils eine Gesamtheit von identischen und untereinander austauschbaren Einheiten bilden. Damit ist ein NFT ein einzigartiger Kryptowert, der nicht mit anderen Kryptowerten fungibel ist. Der Anwendungsbereich von NFT umfasst derzeit insbesondere digitale Kunst und Sammlerstücke, ist darauf aber nicht begrenzt.

3. Blockchain

6Eine Blockchain ist eine in der Regel keiner zentralen Kontrolle unterliegende Datenbank mit mehreren Beteiligten, die die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) verwendet. Ein Distributed Ledger ist ein Informationsspeicher, der über eine Reihe von DLT-Knoten („Nodes“, z. B. ein an das Internet angeschlossener Computer) gemeinsam genutzt und zwischen den DLT-Knoten über einen Konsensmechanismus synchronisiert wird. Er ist so konzipiert, dass die Einträge manipulationssicher und unveränderbar sind und nur Hinzufügungen erlauben. Im Kontext von Kryptowerten ist eine Blockchain eine dezentrale Datenbank auf der Grundlage der DLT, in der insbesondere alle bestätigten Transaktionen festgehalten werden, vergleichbar mit einem dezentral geführten Kassenbuch. Diese Transaktionsdaten werden in Blöcken mit fortzuschreibender Nummerierung zusammengefasst, vergleichbar einer Kette, an deren Ende fortwährend neue Blöcke hinzugefügt werden. Der Block, mit dem die Blockchain beginnt, wird als Genesisblock oder Block 0 bezeichnet. Jeder Block enthält mit dem sogenannten Hash-Wert eine lange kryptografische Zeichenfolge, die sich aus dem Inhalt seines Vorgängerblocks errechnet. In die Berechnung fließt also auch der Hash-Wert des Vorgängerblocks ein, der seinerseits aus dem davorliegenden Block errechnet wurde. Dies hat zur Folge, dass eine spätere Veränderung eines in die Berechnung eingeflossenen Wertes (beispielsweise einer in einem Block aufgeführten Transaktion) dazu führt, dass die Hash-Werte nicht mehr mit denen der unverfälschten Blockchain übereinstimmen und die Manipulation für jeden sichtbar wird.

4. Erwerb von Kryptowerten im Rahmen der Blockerstellung

7Bei vielen Blockchains wird für das Zusammenführen von Transaktionen in neuen Blöcken und das Anfügen derselben an die Blockchain eine Gegenleistung in Form von neu ausgeschütteten Kryptowerten (Block reward, Blockbelohnung) gewährt, die üblicherweise über sogenannte Coinbase-Transaktionen übertragen wird. In diesen Fällen ist die erste Transaktion eines Blocks zugunsten der oder des Blockerstellenden vorformuliert. Regelmäßig vereinnahmen die Blockerstellenden zudem Transaktionsgebühren für in den Block aufgenommene Transaktionen.

8Für das Anhängen eines neuen Blocks gibt es unterschiedliche Verfahren. Derzeit am weitesten verbreitet sind Proof of Work, in Anlehnung an das Goldschürfen Mining genannt, und Proof of Stake. Proof of Stake wird in Abgrenzung zum Mining auch als Forging oder Minting bezeichnet, das heißt als Schmieden oder Prägen, zum Teil auch generalisierend als Staking. Die Blockerstellenden werden beim Proof of Stake Forger oder Validatoren genannt. Das vorliegende Schreiben nutzt für den Fall der Blockerstellung durch Proof of Stake den Begriff des Forging.

a) Proof of Work (Mining)

9Beim sogenannten Proof of Work ist zur Blockerstellung berechtigt, wer zuerst durch Ausprobieren eine Zufallszahl (sogenannte Nonce, „number that can only be used once“) findet, aus der sich zusammen mit den für den Block ausgewählten Transaktionen und dem Hash-Wert des Vorgängerblocks ein Hash-Wert ergibt, der mit einer bestimmten Anzahl von Nullen beginnt. Durch die Festlegung, mit wie vielen Nullen der Hash-Wert anfängt, lassen sich die Schwierigkeit und damit auch die Dauer der Suche steuern.

10Aufgrund der Rechnerleistung, die benötigt wird, um durch Ausprobieren verschiedener Zufallszahlen eine Nonce zu finden, schließen sich die als Miner bezeichneten Blockerstellenden oftmals in Pools zusammen. Sie leisten anteilig ihren Beitrag an der erforderlichen Rechnerleistung, indem sie innerhalb der Spanne der ihnen zugewiesenen möglichen Nonces versuchen, einen Hash-Wert zu finden (Mining-Pool). Werden in einem Mining-Pool Kryptowerte ausgeschüttet, werden diese entsprechend eines festgelegten Schlüssels auf die beteiligten Miner verteilt. Die Betreiberinnen und Betreiber des Mining-Pools übernehmen eine koordinierende Rolle.

11Daneben betreiben Cloud-Mining-Dienste sogenannte Serverfarmen, die auf Mining spezialisiert sind. Sie verkaufen oder vermieten Anteile ihrer Kapazitäten an Personen, die diese dann zum Mining nutzen.

b) Proof of Stake (Forging)

12Beim sogenannten Proof of Stake erfolgt die Auswahl der oder des nächsten Blockerstellenden in der Regel über eine gewichtete Zufallsauswahl. Die Chance, einen Block an die Blockchain anfügen zu dürfen und die Blockbelohnung nebst Transaktionsgebühren zu vereinnahmen, steigt je nach Ausgestaltung z. B. mit der Teilnahmedauer und/oder Zahl der eingesetzten Kryptowerte (dem „Stake“). Beim Stake handelt es sich um eine Anzahl von Kryptowerten, die die Inhaberinnen und Inhaber für einen bestimmten Zeitraum sperren, sodass sie in der Regel nicht auf sie zugreifen können, und mit denen die Blockerstellenden gegenüber dem Netzwerk nachweisen, Interesse an einer ordnungsgemäßen Blockerstellung zu haben. Werden bei der Blockerstellung Fehler gemacht oder Manipulationen vorgenommen, können die als Stake eingesetzten Kryptowerte je nach Ausgestaltung des Protokolls gegebenenfalls eingezogen oder gelöscht werden.

5. (Passives) Staking und die Unterscheidung zur Blockerstellung mittels Proof of Stake (Forging)

13Nach der Grundidee des Proof of Stake nutzen die Blockerstellenden (Forger, auch Validatoren genannt) nur ihre eigenen Kryptowerte als Stake. Vielfach stellen aber auch Personen Kryptowerte für einen Stake bereit, ohne selbst als Forger an der Blockerstellung beteiligt zu sein. In der Regel geschieht dies über die Teilnahme an sogenannten Staking-Pools, die als solche bereits im jeweiligen Blockchain-Protokoll vorgesehen sind. Die Kryptowerte des Stakes werden dabei gesperrt, aber nicht übertragen. Ein Staking-Pool hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, als nächster Forger ausgewählt zu werden. Die Teilnehmenden erhalten eine Vergütung von den Forgern, die die Blockbelohnung und die Transaktionsgebühren vereinnahmen. In der Regel ist ein sogenanntes Claiming erforderlich, das heißt das aktive Einfordern der im System bereitgestellten Vergütung durch den Teilnehmenden. In anderen Fällen wird die Vergütung den Teilnehmenden ohne ihr Zutun unmittelbar gutgeschrieben. Auch einige zentrale Handelsplattformen bieten die Möglichkeit der Teilnahme an einem Staking-Pool (Plattform-Staking). In der Praxis wird teilweise nicht zwischen der Tätigkeit der Forger und der bloßen Bereitstellung eines Stakes ohne Übernahme der Blockerstellung unterschieden und für beide Vorgänge generalisierend der Begriff des Staking verwendet oder lediglich zwischen „aktivem Staking“ und „passivem Staking“ differenziert. Das vorliegende Schreiben nutzt den Begriff des (passiven) Stakings für die Bereitstellung eines Stakes ohne Übernahme der Blockerstellung.

6. Masternode

14Jedes Blockchain-Netzwerk besteht aus unterschiedlichen Nodes (vgl. Randnummer 6), welche die Funktionen des Netzwerks übernehmen, etwa die Speicherung einer vollständigen Kopie einer Blockchain oder die Blockerstellung. Eine Masternode hat darüber hinausgehende zusätzliche Aufgaben wie das Verarbeiten von anonymen und vertraulichen Transaktionen oder von Sofort-Transaktionen. Zudem sind Betreiberinnen und Betreiber einer Masternode oft berechtigt, an Entscheidungsprozessen zu Regelungen für den Aufbau und die Ablauforganisation von Blockchains (Governance) teilzunehmen und Stimmrechte auszuüben. Welche Aufgaben und Stimmrechte eine Masternode vermittelt, kann je nach Blockchain sehr unterschiedlich ausfallen und hängt vom jeweiligen Protokoll ab.

15Abhängig von der Ausgestaltung der jeweiligen Blockchain wird der Betrieb der Masternode auch vergütet. Um eine Masternode zu betreiben, muss in den meisten Fällen eine bestimmte Anzahl von Kryptowerten an sie gekoppelt werden. Werden die Kryptowerte von der Masternode gelöst, verliert diese ihre Funktion und die Betreiberinnen und Betreiber das Recht auf eine Vergütung.

7. Wallets, Schlüssel und Transaktionen; dezentrale Finanzmärkte und Handelsplattformen

16Für das Empfangen, Halten und Transferieren von Kryptowerten wird in der Regel eine Wallet benötigt (siehe aber Randnummer 20 zu zentralen Handelsplattformen).

17Wörtlich übersetzt bedeutet Wallet Geldbörse oder Brieftasche. Eine genauere Übersetzung wäre jedoch Schlüsselbund. In der Wallet selbst werden keine Kryptowerte gehalten, diese verbleiben stets in der Blockchain. Vielmehr handelt es sich um eine Anwendung zum Erzeugen, Verwalten und Speichern privater und öffentlicher Schlüssel.

18Der öffentliche Schlüssel dient der Zuordnung der Kryptowerte in der zugrundeliegenden Blockchain. Er ist mit einer Bankverbindung (IBAN) oder E-Mail-Adresse vergleichbar und fungiert insbesondere als Empfangsadresse für Transaktionen. Bei einer öffentlichen Blockchain kann im Normalfall jeder die Zahl der einem bestimmten öffentlichen Schlüssel zugeordneten Kryptowerte und alle über diesen Schlüssel durchgeführten Transaktionen einsehen. Der private Schlüssel ist nur den Inhaberinnen und Inhabern bekannt. Er dient als Passwort beziehungsweise der Erzeugung digitaler Unterschriften für Transaktionen (vgl. Randnummer 21). Zu jedem privaten Schlüssel kann es mehrere öffentliche Schlüssel geben.

19Die Zahl der Wallets einer Person ist nicht beschränkt. In der Regel wird für jede Blockchain eine eigene Wallet benötigt, da die öffentlichen Schlüssel abhängig von der zugrundeliegenden Blockchain sind. Die Wallet wird auf dem Rechner als Softwareanwendung (Software Wallet) installiert oder steht als sogenannte Hardware Wallet wie eine externe Festplatte oder ein USB-Stick zur Verfügung. Darüber hinaus kann eine Wallet durch einen Ausdruck auf Papier oder als elektronisches Dokument erzeugt werden (Paper Wallet). Es kann auch auf Online-Angebote zurückgegriffen werden, bei denen die Wallet über den Browser aufgerufen wird. In diesen Fällen verwahren teilweise die Anbieter die öffentlichen und privaten Schlüssel; in einigen Fällen wird zudem abweichend von der obigen Darstellung eine gemeinsame Wallet für eine Vielzahl von Personen genutzt.

20Mit Hilfe einer Software-Wallet oder eines Block-Explorers – einer Art Suchmaschine für Blockchains – können die vergangenen Transaktionen verfolgt werden. Allerdings muss der gespeicherte Zu- und Abgang der Kryptowerte nicht mit dem ertragsteuerrechtlich relevanten Anschaffungs- oder Veräußerungszeitpunkt übereinstimmen. Hintergrund ist, dass Kryptowerte regelmäßig über sogenannte zentrale Handelsplattformen (Centralized Exchanges, CEX) wie z. B. Kraken, Coinbase, Bitpanda oder Bison gehandelt werden. Hierbei werden Kryptowerte zum personalisierten Account einer zentralen Handelsplattform transferiert und erst zu einem der Veräußerung beziehungsweise Anschaffung über die Plattform nachgehenden Zeitpunkt zurück in die eigene Wallet gebucht. Für den Anschaffungs- oder Veräußerungszeitpunkt ist dann der Zeitpunkt des Handels über die zentrale Handelsplattform ausschlaggebend. Das Gleiche gilt, wenn Steuerpflichtige keine eigene Wallet verwenden, sondern die Kryptowerte ausschließlich über eine zentrale Handelsplattform halten und handeln.

20aAuf dezentralen Finanzmärkten (oft Decentralized Finance, kurz DeFi, genannt) sollen Marktteilnehmende direkt mit der Blockchain ohne Zwischenschaltung eines Intermediärs interagieren können. Auf solchen dezentralen Finanzmärkten werden finanzwirtschaftliche Dienstleistungen angeboten, die auf der Programmierbarkeit der zugrundeliegenden Blockchain basieren und oft durch sogenannte Smart Contracts implementiert sind. Smart Contracts (wörtlich: „intelligente Verträge“) sind keine Verträge im Rechtssinne. Vielmehr handelt es sich um auf der jeweiligen Blockchain gespeicherte Programmcodes, die bestimmte Interaktionen in Abhängigkeit vom Eintreten vorher definierter Ereignisse automatisiert ausführen, z. B. den Transfer eines bestimmten Kryptowertes A beim Erhalt einer bestimmten Menge an Kryptowerten B. Sogenannte dezentrale Handelsplattformen (Decentralized Exchanges, DEX) stellen lediglich die Infrastruktur der programmierten Blockchain zur Verfügung. Der Handel erfolgt über eine Verkettung von Smart Contracts, die den Nutzerinnen und Nutzern beispielsweise die Bereitstellung von Kryptowerten zum Austausch (Peer-to-Peer, Peer-to-Pool) ermöglichen.

21Im Rahmen einer Blockchain-Transaktion wird zunächst eine Dateneinheit erstellt, die den Hash-Wert des öffentlichen Schlüssels der Empfängerin oder des Empfängers, einen Hash-Wert über die Dateneinheit der vorherigen Transaktion(en) und eine mit dem privaten Schlüssel erzeugte Signatur über beide Hash-Werte enthält. Die so generierte Transaktion wird anschließend an einen (Speicher-)Pool gesendet. Personen, die eine Node (siehe Randnummer 6) mit Blockerstellungsfunktion betreiben, entnehmen von dort die Transaktionsdaten, überprüfen anhand der Signatur die Ordnungsmäßigkeit der Transaktion und fügen sie dann mit einem neuen Block an die Blockchain an, wodurch die Transaktion wirksam wird. Will die Empfängerin oder der Empfänger die Kryptowerte weiter übertragen, ist hierfür eine weitere mit einem privaten Schlüssel bestätigte Transaktion erforderlich.

22Die dargestellten Vorgänge können auch automatisiert ablaufen. Ein praktischer Anwendungsfall liegt in der Nutzung von Debit-Kreditkarten, für deren Nutzung Steuerpflichtige Kryptowerte bereitstellen und auf diese Weise für Zahlungen mit der Kreditkarte nutzen können – das Kreditkartenunternehmen tauscht die Kryptowerte in Euro oder eine andere staatliche Währung und wickelt die Kaufpreiszahlung ab.

8. Bestandsermittlung (UTXO, Accounting)

23Für die Ermittlung des Bestandes der einem öffentlichen Schlüssel zugeordneten Kryptowerte werden insbesondere zwei Methoden eingesetzt. Bei Bitcoin und einigen anderen Kryptowerten (insbesondere Cardano) wird der Bestand als die Summe der „Unspent Transaction Output“ (UTXO) erfasst. Dabei werden die Einnahmen (Inputs) und die Ausgaben (Outputs) gegenübergestellt. Für jeden Input und Output werden Werteinheiten (Coins) gebildet. Wenn nur Teile eines Coins veräußert werden, fließt der verbleibende Teil als „Wechselgeld“ (oder „Change Output“) an den eigenen öffentlichen Schlüssel zurück.

Beispiel:

A hat in einer ersten Transaktion 0,01 Bitcoin und einer weiteren Transaktion 0,02 Bitcoin angeschafft. Der Bestand an Unspent Transaction Outputs (UTXOs) beträgt 0,03 Bitcoin. Nun veräußert A 0,025 Bitcoin an B. Zur Abwicklung sind drei Outputs erforderlich:

(1) Output in Höhe von 0,025 Bitcoin an B

(2) Output in Höhe von 0,001 Bitcoin als Transaktionsgebühr

(3) Output des verbleibenden Bestandes („Wechselgeld“) in Höhe von 0,004 Bitcoin zurück an A

24Die zweite Methode der Bestandsermittlung, die beispielsweise bei Ether, EOS und Tron eingesetzt wird, basiert – ähnlich wie bei einem Bankkonto – auf der Buchung von Ein- und Ausgängen in einem Bestandskonto (Accounting), so dass sich der Bestand fortwährend aus Bestandsmehrungen oder Bestandsminderungen errechnet.

9. Initial Coin Offering (ICO)

25Der Begriff Initial Coin Offering (ICO) orientiert sich an dem englischen Begriff Initial Public Offering (IPO). Unter IPO ist ein Börsengang zu verstehen, bei dem Aktien aus dem Bestand oder aus einer Kapitalerhöhung auf dem Kapitalmarkt angeboten werden. Während bei einer solchen Erstplatzierung jedoch Aktien verkauft werden, geht es bei einem ICO um die Ausgabe von Kryptowerten im Tausch gegen andere Kryptowerte oder Einheiten einer staatlichen Währung (z. B. Euro). Beim ICO wird wie beim Börsengang Kapital eingesammelt.

10. Lending

26Beim Lending werden Kryptowerte gegen eine Vergütung zur Nutzung überlassen.

11. Fork (Hard Fork)

27Fork bedeutet Gabelung oder Aufspaltung einer Blockchain und ihrer Kryptowerte. Im ertragsteuerrechtlichen Bereich ist vorrangig die sogenannte Hard Fork relevant. Kryptowerte beruhen maßgeblich auf der „Open-Source-Idee“. Das heißt, der Quellcode der Blockchain wird veröffentlicht und ist kostenfrei nutz- und veränderbar. Dadurch kann der Quellcode von jedermann eingesehen, heruntergeladen und verändert werden und sich im weiteren Verlauf in eine Richtung entwickeln, welche zwar die ursprünglichen Entwicklerinnen und Entwickler nicht unterstützen möchten, welche aber inzwischen von einer Mehrheit oder zumindest einer relevanten Minderheit favorisiert wird. Es können sich damit innerhalb des Netzwerks Meinungsverschiedenheiten zur weiteren Ausgestaltung der Blockchain herausbilden, die – dem Open-Source-Prinzip folgend – nur im Konsens gelöst werden können. Kann kein Konsens gefunden werden, führt dies zur Aufspaltung der Blockchain. Auf diese Weise entsteht eine zusätzliche Version der Blockchain und damit der Kryptowerte der Blockchain, die neben der ursprünglichen Blockchain und deren Kryptowerten existiert.

Die beiden Blockchains entwickeln sich nach der Spaltung getrennt weiter. Im Zuge der Spaltung erlangen die Inhaberinnen und Inhaber der Kryptowerte der vor der Hard Fork bestehenden Blockchain somit die gleiche Anzahl von Kryptowerten der neuen Blockchain, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen.

28Auch bei einer sogenannten Soft Fork wird die dem jeweiligen Kryptowert zugrundeliegende Blockchain weiterentwickelt. Da in diesen Fällen jedoch alle Nodes weiterhin alle Blöcke verarbeiten können, kommt es zu keiner Spaltung der Blockchain oder ihrer Kryptowerte.

12. Airdrop

29Bei einem Airdrop werden Kryptowerte „unentgeltlich“ verteilt. In der Regel handelt es sich dabei um Marketing-Aktionen, deren Ausgestaltung unterschiedlich sein kann. Mit einem Airdrop kann z. B. die Auflage verbunden sein, dass die Teilnehmenden mehrere Online-Formulare ausfüllen müssen. Auf diese Weise können Kundendaten gesammelt werden. Für andere Airdrops wird gefordert, das Projekt in sozialen Netzwerken zu bewerben. Bei größeren Airdrops erhält mitunter nur ein Teil der die Bedingungen erfüllenden Teilnehmenden die zu verteilenden Kryptowerte, etwa aufgrund einer Zufallsauswahl. Ein Airdrop kann allerdings auch dergestalt stattfinden, dass gänzlich ohne Zutun der Inhaberin oder des Inhabers eines öffentlichen Schlüssels (vgl. Randnummer 18) an diesen Kryptowerte übertragen werden.

13. Transaktionsübersichten

29aZentrale Handelsplattformen und Wallet-Anbieter stellen ihren Nutzerinnen und Nutzern in der Regel Auflistungen der von diesen auf der jeweiligen Handelsplattform oder mit der Wallet getätigten Transaktionen zum Download zur Verfügung (Transaktionsübersichten). Üblich sind dabei sowohl strukturierte (Datenbank-Formate wie z. B. csv-, xml-, db- oder accdb-Dateien) als auch nicht strukturierte Dateiformate (Dokumenten-Format wie z. B. PDF-Datei), wobei letztere in der Regel nach Kryptowerten differenzieren und chronologisch gegliedert sind. Dabei ist es technisch regelmäßig möglich, einzelne Datensätze beim Export zu unterdrücken oder nachträgliche Änderungen vorzunehmen. Bei einigen Anbietern ist die Möglichkeit des Abrufs der Transaktionsübersichten zeitlich beschränkt, sodass die Nutzerinnen und Nutzer auf einen rechtzeitigen Abruf achten müssen.

14. Steuerreports

29bVerschiedene privatwirtschaftliche Anbieter bieten sogenannte Steuerreports an. Sie werben damit, die Einkünfte eines Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit Kryptowerten (z. B. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, sonstige Einkünfte aus Leistungen) zu ermitteln, und ähneln in der äußeren Form Steuerbescheinigungen von Kreditinstituten. Abhängig vom Anbieter sind unterschiedliche Reporteinstellungen wählbar. In der Regel bauen Steuerreports auf Walletinformationen oder Transaktionsübersichten einzelner oder mehrerer Handelsplattformen auf (siehe Randnummer 29a), die von den Steuerpflichtigen ausgewählt und bereitgestellt werden. Ihre Vollständigkeit hängt daher wesentlich von den zugrunde gelegten Daten ab. Die Ergebnisse können von den Steuerpflichtigen manuell angepasst werden, vorrangig zur Korrektur fehlender oder falsch übertragener Werte (z. B. Anschaffungskosten, Anschaffungsdatum), aber mitunter auch in Bezug auf die ertragsteuerrechtlichen Parameter oder Bewertung einzelner Vorgänge.

II. Ertragsteuerrechtliche Einordnung

30Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowerten können, je nach den Umständen des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der nachfolgenden Ausführungen, zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (§ 2 Absatz 1 Satz 1 EinkommensteuergesetzEStG) führen. In Betracht kommen insbesondere Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 EStG) oder sonstige Einkünfte (§ 22 Nummer 3 EStG).

1. Die Wirtschaftsgutqualität von Kryptowerten

31Die einzelnen Kryptowerte sind Wirtschaftsgüter (, BStBl 2023 II S. 571). Sie vermitteln die Möglichkeit, die dem eigenen öffentlichen Schlüssel zugewiesenen vermögenswerten Vorteile einem anderen öffentlichen Schlüssel zuzuweisen. Anhand ihres regelmäßig über Handelsplattformen (z. B. Börse Stuttgart Digital Exchange, Kraken, Coinbase und Bitpanda) und Listen (z. B. https://www.coinmarketcap.com/de und https://www.coingecko.com/de) ermittelbaren Marktpreises sind sie einer selbständigen Bewertung zugänglich.

32Wirtschaftsgüter sind dem Eigentümer zuzurechnen. Wirtschaftlicher Eigentümer ist, wer Transaktionen initiieren und damit über die Zuordnung der Kryptowerte zu öffentlichen Schlüsseln „verfügen“ kann. Dies ist regelmäßig die Inhaberin oder der Inhaber des privaten Schlüssels (, BStBl 2023 II S. 571). Es ist für die Zurechnung an den wirtschaftlichen Eigentümer jedoch unschädlich, wenn Transaktionen über Plattformen initiiert werden, die private Schlüssel verwalten oder auf seine Anweisung hin einsetzen (vgl. Randnummer 19).

2. Einkünfte im Zusammenhang mit der Blockerstellung mittels Proof of Work (Mining) und Proof of Stake (Forging)

33Mining und Forging stellen Anschaffungsvorgänge dar. Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines bestehenden oder bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von Dritten; Herstellen ist dagegen das Schaffen oder Schaffenlassen eines noch nicht existierenden Wirtschaftsguts (, BStBl 2000 II S. 614 und vom , III R 53/84, BStBl 1988 II S. 1009). Die für die Blockerstellung an Blockerstellende ausgeschütteten Kryptowerte werden zwar im Zuge der Blockerstellung erstmalig in Verkehr gebracht, sind aber sämtlich bereits mit der Schaffung des Genesisblocks der Blockchain angelegt. Blockerstellende haben keinen Einfluss auf die Eigenschaften der freiwerdenden neuen Kryptowerte. Damit ist die Blockerstellung vom Fall des Emittenten beim ICO abzugrenzen, der über die Ausgestaltung der zu verteilenden Kryptowerte bestimmt und sie daher auch herstellt. Die Gesamtheit der Personen, die Rechte an der Blockchain haben, gewährt die freigegebenen Kryptowerte im Tausch für die Dienstleistung der Blockerstellenden. Auch die Transaktionsgebühren werden im Tausch für die Dienstleistung der Blockerstellenden geleistet. In beiden Fällen handelt es sich somit um einen entgeltlichen Erwerb von Dritten.

34Mining und Forging können je nach den Umständen des Einzelfalls eine private oder eine gewerbliche Tätigkeit sein. Zu den Einnahmen gehören sowohl die Blockbelohnung als auch die erhaltenen Transaktionsgebühren.

a) Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG

35Sind die Einkünfte aus der Blockerstellung nicht bereits kraft Rechtsform als solche aus Gewerbebetrieb einzuordnen, hängt die Einordnung als gewerbliche Tätigkeit davon ab, ob die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs nach § 15 Absatz 2 EStG vorliegen.

36Die Blockerstellung ist nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist (vgl. H 15.2 (Wiederholungsabsicht) Amtliches Einkommensteuer-Handbuch (EStH) 2023).

37Sie muss auf Dauer dazu geeignet sein, aus dieser Tätigkeit einen Gewinn zu erzielen (vgl. H 15.3 (Totalgewinn) EStH 2023).

38Die Blockerstellenden nehmen bereits dadurch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil, indem sie den Netzwerkteilnehmenden ihre Rechnerleistung für die Verifikation der Transaktionsdaten und deren Aufnahme in einen neu zu erstellenden Block der Blockchain zur Verfügung stellen. Dass das Entgelt von der erfolgreichen Erstellung des Blocks abhängt, steht einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht entgegen.

39Die Blockerstellung stellt keine private Vermögensverwaltung dar. Sowohl beim Mining als auch beim Forging erhalten die Blockerstellenden die Blockbelohnung und die Transaktionsgebühren im Tausch für die Erstellung neuer Blöcke. Die Tätigkeit entspricht damit dem Bild eines Dienstleisters.

40Bei der Blockerstellung über einen Mining-Pool kann je nach vertraglicher Gestaltung im Einzelfall auf Ebene des Mining-Pools eine Mitunternehmerschaft vorliegen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur Annahme einer Mitunternehmerschaft (vgl. H 15.8 (1) (Allgemeines) EStH 2023). Eine Mitunternehmerschaft liegt jedenfalls nicht vor, wenn den Betreiberinnen und Betreibern des Mining-Pools von einzelnen Minern lediglich Rechnerleistung gegen Entgelt im Rahmen eines Dienstleistungsverhältnisses zur Verfügung gestellt wird. Ein Staking-Pool stellt regelmäßig keine Mitunternehmerschaft dar.

aa) Betriebsvermögensvergleich
aaa) Wirtschaftsgut

41Zur Wirtschaftsgutqualität von Kryptowerten vgl. Randnummer 31. Kryptowerte sind nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter materieller Art, die nach den allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen dem Anlage- oder Umlaufvermögen zuzuordnen sind. Sie sind bei Zuordnung zum Anlagevermögen unter Finanzanlagen im Sinne des § 266 Absatz 2 A. III. Handelsgesetzbuch (HGB) und bei Zuordnung zum Umlaufvermögen unter sonstige Vermögensgegenstände im Sinne des § 266 Absatz 2 B. II. 4. HGB auszuweisen.

bbb) Zugangsbewertung

42Die für die Blockerstellung sowie als Transaktionsgebühr zugeteilten Kryptowerte werden angeschafft (tauschähnlicher Vorgang, vgl. auch Randnummer 33).

43Die Anschaffungskosten entsprechen dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung der Kryptowerte (Ableitung aus § 6 Absatz 6 Satz 1 EStG). Als Marktkurs kann der Kurs einer Handelsplattform (z. B. Börse Stuttgart Digital Exchange, Kraken, Coinbase und Bitpanda) oder einer webbasierten Liste (z. B. https://www.coinmarketcap.com/de und https://www.coingecko.com/de) angesetzt werden. Zur Nichtbeanstandung des Ansatzes eines Tageskurses anstelle des Kurses im Zeitpunkt der Anschaffung siehe Randnummer 91.

bb) Einnahmenüberschussrechnung

44Bei Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Absatz 3 EStG führt der Zugang von Kryptowerten im Rahmen eines tauschähnlichen Vorgangs zu Betriebseinnahmen. Kryptowerte sind als mit Wertpapieren vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte als Wirtschaftsgüter im Sinne des § 4 Absatz 3 Satz 4 EStG anzusehen, deren Anschaffungskosten (§ 6 Absatz 6 EStG, vgl. Randnummer 43) erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahmen im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben abzuziehen sind. Die Wirtschaftsgüter sind in die laufend zu führenden Verzeichnisse nach § 4 Absatz 3 Satz 5 EStG aufzunehmen.

b) Sonstige Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG

45Einkünfte aus der Blockerstellung, die keiner anderen Einkunftsart zugerechnet werden können, sind als Leistung nach § 22 Nummer 3 EStG steuerbar. Das kann z. B. der Fall sein, wenn mangels Nachhaltigkeit keine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Absatz 2 EStG vorliegt (vgl. Randnummer 36). Sie sind nicht einkommensteuerpflichtig, wenn sie zusammen mit anderen Einkünften aus Leistungen weniger als 256 € im Kalenderjahr betragen haben (§ 22 Nummer 3 Satz 2 EStG).

46Als Leistung kommt jedes wie auch immer geartete aktive, passive oder nichtwirtschaftliche Verhalten der Steuerpflichtigen in Betracht. Bei der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ist kein synallagmatisches (gegenseitiges) Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erforderlich. Die Leistenden (hier: die Blockerstellenden) müssen nicht bereits beim Erbringen ihrer Leistung eine Gegenleistung erwarten. Ausreichend ist vielmehr, dass sie eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit ihrem Verhalten (Tun, Dulden, Unterlassen) gewährte (Gegen-)Leistung als solche annehmen. Auf diese Weise ordnen sie ihr Verhalten der erwerbswirtschaftlich und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu (, BStBl 2012 II S. 581). Insoweit ist nicht zwischen der Blockbelohnung und den Transaktionsgebühren zu unterscheiden. Dies gilt auch bei der Teilnahme an Mining- und Staking-Pools und bei einer Beteiligung an einem Cloud-Mining-Dienst.

47Die im Wege der Blockerstellung erlangten Kryptowerte sind nach § 8 Absatz 2 Satz 1 EStG mit dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung anzusetzen (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses und der Nichtbeanstandung eines Tageskurses Randnummern 43 und 91). Als Werbungskosten können beispielsweise Aufwendungen für den Erwerb der erforderlichen Hard- und Software (gegebenenfalls in Form von Absetzungen für Abnutzung) sowie für den Stromverbrauch berücksichtigt werden.

3. Einkünfte aus der Verwendung von Kryptowerten für (passives) Staking

48Einnahmen aus (passivem) Staking im hier verwandten Begriffsverständnis der Bereitstellung eines Stakes ohne selbst als Forger an der Blockerstellung beteiligt zu sein (Teilnahme an einem Staking-Pool, Plattform-Staking; siehe Randnummer 13) unterliegen in der Regel als der privaten Vermögensverwaltung unterfallende Fruchtziehung der Besteuerung nach § 22 Nummer 3 EStG. Die Steuerpflichtigen erhalten im Tausch für ihre Leistung (temporärer Verzicht auf die Nutzung der Kryptowerte) eine Gegenleistung in Form von zusätzlichen Kryptowerten (vgl. Randnummer 46). Die erlangten Kryptowerte sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung anzusetzen (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses und der Nichtbeanstandung eines Tageskurses Randnummern 43 und 91).

48aAus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn unterjährig als Zeitpunkt der Anschaffung beziehungsweise des Zugangs der beim (passivem) Staking erhaltenen Kryptowerte der Zeitpunkt der Einbuchung in der Wallet (Claiming, siehe Randnummer 13) angenommen wird. Der Zugang noch nicht geclaimter Kryptowerte ist spätestens zum Ende des Wirtschaftsjahres/Kalenderjahres zu berücksichtigen.

49Soweit die gesperrten Kryptowerte zum Betriebsvermögen gehören, stellen die Gegenleistungen Betriebseinnahmen dar. Die für das (passive) Staking erhaltenen Kryptowerte sind im Zeitpunkt des Zugangs mit dem Marktkurs (gewinnerhöhend) zu aktivieren (vgl. Randnummern 43, 48a und 91).

4. Einkünfte aus dem Betrieb einer Masternode

50Soweit Steuerpflichtige Erträge aus einer Master- oder sonstigen Node erzielen, gelten die Ausführungen zur Blockerstellung im Wege des Proof of Stake der Randnummern 33 bis 39 entsprechend.

5. Einkünfte aus der Veräußerung von Kryptowerten

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

51Sind die Kryptowerte Betriebsvermögen, sind die Veräußerungserlöse Betriebseinnahmen. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns sind die individuellen – gegebenenfalls fortgeführten – Anschaffungskosten der veräußerten Kryptowerte abzuziehen. Davon kann abgewichen werden, wenn die individuellen Anschaffungskosten im Einzelfall nicht ermittelt und individuell zugeordnet werden können. In diesem Fall können diese mit den durchschnittlichen Anschaffungskosten bewertet werden.

52Werden Kryptowerte wiederholt angekauft und verkauft (einschließlich des Tausches gegen andere Kryptowerte), kann ein solcher Handel eine gewerbliche Tätigkeit darstellen. Für die Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung können die Kriterien zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel herangezogen werden (vgl. H 15.7 (9) (An- und Verkauf von Wertpapieren) EStH 2023).

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen

53Kryptowerte sind „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG (, BStBl 2023 II S. 571; vgl. Randnummer 31). Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten können daher Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG darstellen, wenn der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt (für die ertragsteuerrechtlichen Besonderheiten von Utility und Security Token vgl. Randnummern 77 ff.). Die Einkünfteerzielungsabsicht ist dabei nicht zu prüfen, da sie bereits aufgrund der Veräußerung innerhalb der Frist objektiviert vorliegt. Die Gewinne bleiben jedoch nach § 23 Absatz 3 Satz 5 EStG steuerfrei, wenn die Summe der aus sämtlichen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne (Gesamtgewinn) weniger als 1.000 € (bis Veranlagungszeitraum 2023: 600 €) beträgt.

54Erforderlich sind ein Anschaffungs- und ein Veräußerungsvorgang. Unter einer Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb von Dritten zu verstehen. Dies umfasst insbesondere die im Zusammenhang mit der Blockerstellung (vgl. Randnummer 42) und gegebenenfalls die durch einen ICO oder Airdrop (vgl. Randnummer 75) erlangten Kryptowerte. Entgeltlich erworben sind zudem alle Kryptowerte, die Steuerpflichtige im Tausch gegen Einheiten einer staatlichen Währung (z. B. Euro), Waren oder Dienstleistungen sowie gegen andere Kryptowerte erworben haben, sowie die durch Lending und (passivem) Staking erlangten Kryptowerte. Spiegelbildlich zur Anschaffung stellt die entgeltliche Übertragung des angeschafften Wirtschaftsguts auf Dritte eine Veräußerung dar. Der Tausch von Kryptowerten in Einheiten einer staatlichen Währung (z. B. Euro), Waren oder Dienstleistungen sowie in andere Kryptowerte führt demgemäß zu einer Veräußerung.

55Die Veräußerungsfristen des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG beginnen nach jedem Tausch neu. Für die Ermittlung der Jahresfrist ist bei einer Anschaffung oder Veräußerung über eine zentrale Handelsplattform auf die dort aufgezeichneten Zeitpunkte abzustellen. Bei einem Direkterwerb oder einer Direktveräußerung ohne Zwischenschaltung von Intermediären, etwa über eine dezentrale Handelsplattform, ist aus Vereinfachungsgründen in der Regel auf die Zeitpunkte abzustellen, die sich aus der Wallet ergeben. Soll für die Frage, ob die Jahresfrist überschritten ist, das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft maßgebend sein, müssen die Steuerpflichtigen den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch geeignete Unterlagen nachweisen.

56Wenn Steuerpflichtige Kryptowerte veräußern, deren Bestand nach dem UTXO-Modell ermittelt wird und bei denen für einen nicht veräußerten Teilbetrag „Wechselgeld“ (oder „Change Output“) an den eigenen öffentlichen Schlüssel zurückfließt (vgl. Beispiel in Randnummer 23), werden für diesen Teilbetrag für steuerliche Zwecke die ursprünglichen Anschaffungsdaten der veräußerten Kryptowerte fortgeführt.

aa) Ermittlung des Veräußerungsgewinns

57Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Kryptowerten ermittelt sich aus dem Veräußerungserlös abzüglich der Anschaffungs- und der Werbungskosten. Dabei sind Werbungskosten auf steuerbare und nicht steuerbare private Veräußerungsgeschäfte aufzuteilen. Nicht steuerbare private Veräußerungsgeschäfte liegen z. B. vor, wenn die Veräußerung außerhalb der Fristen des § 23 EStG erfolgt (siehe Randnummer 55).

58Als Veräußerungserlös ist bei einer Veräußerung in Euro der vereinbarte Kaufpreis zu berücksichtigen. Werden Kryptowerte gegen andere Kryptowerte getauscht, ist als Veräußerungserlös der hingegebenen Kryptowerte der Marktkurs der erlangten Kryptowerte im Tauschzeitpunkt anzusetzen (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses und der Nichtbeanstandung eines Tageskurses Randnummern 43 und 91). Kann ein Marktkurs der erlangten Kryptowerte nicht ermittelt werden, wird es nicht beanstandet, wenn stattdessen der Marktkurs der hingegebenen Kryptowerte angesetzt wird.

59Der Marktkurs der hingegebenen Kryptowerte – zuzüglich eventuell gezahlter Anschaffungsnebenkosten – stellt zugleich die Anschaffungskosten der erhaltenen Kryptowerte dar. Die im Zusammenhang mit der Veräußerung aufgewendeten Transaktionsgebühren sind als Werbungskosten zu berücksichtigen.

60Werden Kryptowerte im Tausch gegen eine Dienstleistung oder eine Ware hingegeben, ist als Veräußerungserlös der hingegebenen Kryptowerte das in Euro vereinbarte Entgelt anzusetzen. Wurde ein Entgelt nicht ausdrücklich beziffert, ist als Veräußerungserlös der Marktkurs der hingegebenen Kryptowerte anzusetzen.

bb) Verwendungsreihenfolge

61Für die Bestimmung der Verwendungsreihenfolge der veräußerten Kryptowerte gilt der Grundsatz der Einzelbetrachtung (vgl. Randnummer 51). Ist eine Einzelbetrachtung nicht möglich, gelten für die Zwecke der Haltefrist die zuerst angeschafften Kryptowerte einer Handelsbezeichnung (z. B. Bitcoin oder Ether) als veräußert und ist für die Wertermittlung die Durchschnittsmethode anzuwenden (, BStBl II 1994 S. 591). Aus Vereinfachungsgründen kann für die Zwecke der Wertermittlung unterstellt werden, dass die zuerst angeschafften Kryptowerte einer Handelsbezeichnung zuerst veräußert wurden (First in First out, FiFo).

62Es gilt eine walletbezogene Betrachtung. Innerhalb einer Wallet ist die gewählte Methode bis zur vollständigen Veräußerung aller Kryptowerte einer Handelsbezeichnung in dieser Wallet beizubehalten. Nach einer vollständigen Veräußerung der in der Wallet vorhandenen Kryptowerte einer Handelsbezeichnung und anschließendem Neuerwerb von Kryptowerten dieser Handelsbezeichnung kann die Methode gewechselt werden (Wahlrecht). Beim Halten von Kryptowerten mit abweichenden Handelsbezeichnungen über eine Wallet besteht jeweils ein gesondertes Wahlrecht.

cc) Keine Verlängerung der Veräußerungsfrist auf zehn Jahre

63Bei Currency oder Payment Token (vgl. Randnummer 3) kommt die Verlängerung der Veräußerungsfrist nach § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 4 EStG nicht zur Anwendung.

6. Einkünfte aus der Verwendung von Kryptowerten für Lending

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

64Erträge aus der Überlassung von dem Betriebsvermögen zuzuordnenden Kryptowerten stellen Betriebseinnahmen dar. Für die Nutzungsüberlassung erhaltene Kryptowerte werden angeschafft und sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Zugangs zu bewerten (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses und der Nichtbeanstandung eines Tageskurses Randnummern 43 und 91, zum Claiming siehe Randnummer 48a). Zur Einnahmenüberschussrechnung vgl. Randnummer 44.

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen

65Einkünfte aus dem Lending sind gemäß § 22 Nummer 3 EStG steuerbar. Die Erzielung von Einkünften mit der Nutzungsüberlassung auf Zeit erfolgt aufgrund einer Leistung der Steuerpflichtigen. Für die Nutzungsüberlassung erhaltene Kryptowerte werden angeschafft und sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Zuflusses zu bewerten (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses und der Nichtbeanstandung eines Tageskurses Randnummern 43 und 91, zum Claiming siehe Randnummer 48a). Zur Veräußerung der für die Nutzungsüberlassung erhaltenen Kryptowerte wird auf die Ausführungen der Randnummern 53 ff. verwiesen.

7. Ertragsteuerrechtliche Behandlung der durch Hard Forks erhaltenen Kryptowerte

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

66Sind Kryptowerte Betriebsvermögen und entstehen aufgrund einer Hard Fork Kryptowerte einer neuen Blockchain, die ebenfalls Betriebsvermögen sind, stellen die Kryptowerte der verschiedenen Blockchains unterschiedliche Wirtschaftsgüter dar.

67Steuerpflichtige erhalten mit Kryptowerten stets die Möglichkeit, im Zuge einer Hard Fork der zugrundeliegenden Blockchain die gleiche Anzahl zusätzlicher Kryptowerte der neuen Blockchain zu erhalten. Im Falle einer Anschaffung von Kryptowerten (siehe insbesondere Randnummer 42) liegt folglich immer auch ein Anschaffungsvorgang hinsichtlich der durch eine spätere Hard Fork entstandenen Kryptowerte der neuen Blockchain vor. Die Anschaffungskosten der vor der Hard Fork existierenden Kryptowerte sind auf diese Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Der Aufteilungsmaßstab richtet sich dabei nach dem Verhältnis der Marktkurse der verschiedenen Kryptowerte im Zeitpunkt der Hard Fork (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses und der Nichtbeanstandung eines Tageskurses Randnummern 43 und 91). Soweit nach einer Hard Fork den Kryptowerten der neuen Blockchain kein Wert beigemessen werden kann, verbleiben die Anschaffungskosten bei den vor der Hard Fork existierenden Kryptowerten. Zur Einnahmenüberschussrechnung vgl. Randnummer 44.

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen

68Eine Hard Fork führt nicht zu Einkünften aus § 22 Nummer 3 EStG. Werden die aufgrund einer Fork entstandenen neuen Kryptowerte jedoch veräußert, sind die dabei erzielten Gewinne als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG zu versteuern, sofern die vor der Hard Fork bestehenden Kryptowerte angeschafft wurden und der Zeitraum zwischen der Anschaffung der ursprünglichen Kryptowerte und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt (vgl. Randnummern 67 und 53 ff.). Zur Aufteilung der Anschaffungskosten vgl. Randnummer 67. Der Anschaffungszeitpunkt der neuen Kryptowerte entspricht dem Anschaffungszeitpunkt der vor der Hard Fork existierenden Kryptowerte.

8. Ertragsteuerrechtliche Behandlung der durch Airdrops erhaltenen Kryptowerte

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

69Soweit der Erhalt von Kryptowerten betrieblich veranlasst ist, liegen Betriebseinnahmen vor. Die Kryptowerte sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Zugangs zu bewerten (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses und der Nichtbeanstandung eines Tageskurses Randnummern 43 und 91). In Fällen, in denen im Zeitpunkt des Zugangs noch kein Marktkurs ermittelbar ist, wird es nicht beanstandet, wenn die im Rahmen eines Airdrops erhaltenen Kryptowerte mit 0 € angesetzt werden. Zur Einnahmenüberschussrechnung vgl. Randnummer 44.

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen
aa) Sonstige Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nummer 3 EStG

70Der Erhalt zusätzlicher Kryptowerte kann zu sonstigen Einkünften aus einer Leistung im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG führen. Das ist trotz des Marketingcharakters vieler Airdrops der Fall, wenn von den Interessenten eine Leistung (vgl. Randnummer 46) zu erbringen ist, insbesondere also bei aktivem Tun wie der Nennung des Airdrops, der Projektinitiatorin oder des Projektinitiators in Beiträgen in sozialen Medien. Eine Leistung im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG erbringen Steuerpflichtige zudem, wenn sie eigene Bilder, Fotos oder Videos auf einer Plattform hochladen und hierfür Kryptowerte erhalten, auch wenn das Eigentum an den Bildern, Fotos oder Videos bei den Steuerpflichtigen verbleibt.

71Hängt die Zuteilung der Kryptowerte davon ab, dass Steuerpflichtige Daten von sich zur Verfügung stellen, die über die Informationen hinausgehen, die für die schlichte technische Zuteilung oder Bereitstellung erforderlich sind, liegt in der Datenüberlassung eine Leistung der Steuerpflichtigen im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG, für die sie als Gegenleistung Kryptowerte erhalten. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Steuerpflichtigen verpflichtet sind oder sich bereit erklären müssen, im Zusammenhang mit einem Airdrop personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen. Anders als bei der Teilnahme an klassischen Rabattsystemen oder Glücksspielen, für die unter anderem die Angabe einer Postadresse aus Identifikationsgründen notwendig ist, reicht für die Zuteilung eines Airdrops der öffentliche Schlüssel der Steuerpflichtigen aus.

72Ist der Airdrop darauf ausgerichtet, dass neben einer Leistung auch „der Zufall“ über den Erhalt von Kryptowerten entscheidet (vgl. Randnummer 29), wird der Zurechnungszusammenhang von Leistung und Gegenleistung durch das „Zufallselement“ unterbrochen oder überlagert.

73Die Kryptowerte sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Erwerbs anzusetzen (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummern 43 und 91). In Fällen, in denen im Zeitpunkt des Erwerbs noch kein Marktkurs ermittelbar ist, wird es nicht beanstandet, wenn die im Rahmen eines Airdrops erhaltenen Kryptowerte mit 0 € angesetzt werden.

74Erfolgt die Zuteilung nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Leistung, kommt eine Schenkung in Betracht, für die die schenkungsteuerrechtlichen Regelungen zu beachten sind.

bb) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG

75Erfolgt die Zuteilung von Kryptowerten aufgrund einer Leistung im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG, liegt auch eine Anschaffung vor. Die Anschaffungskosten sind mit dem Wert der hingegebenen Daten oder der vorgenommenen Handlung anzusetzen. Dabei kann widerlegbar vermutet werden, dass der Wert der hingegebenen Daten oder der vorgenommenen Handlung dem Marktkurs der Gegenleistung entspricht (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses und der Nichtbeanstandung eines Tageskurses Randnummern 43 und 91 sowie zum Ansatz mit 0 € im Falle eines nicht ermittelbaren Marktkurses Randnummer 73). Aufgrund der Anschaffung kann die spätere Veräußerung der zugeteilten Kryptowerte der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft unterliegen (sofern nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen); auf die Ausführungen der Randnummern 53 ff. wird verwiesen. Bei unentgeltlichem Erwerb ist die Anschaffung des Rechtsvorgängers maßgebend (§ 23 Absatz 1 Satz 3 EStG).

9. Initial Coin Offering (ICO)

76Beim ICO werden Kryptowerte vom Emittenten selbst herausgegeben. Im Betriebsvermögen des Emittenten können sie – je nach Ausgestaltung – sowohl Eigenkapital (Kapitalüberlassung auf Dauer) als auch Fremdkapital (Kapitalüberlassung auf Zeit) darstellen. Sie sind ertragsteuerrechtlich nach ihrem rechtlichen Gehalt einzuordnen. Die ertragsteuerrechtliche Behandlung folgt den allgemeinen Grundsätzen. Die emittierten Kryptowerte sind beim Emittenten selbst hergestellte Wirtschaftsgüter, die mit den Herstellungskosten zu aktivieren sind. Bei ihrem Tausch z. B. gegen andere Kryptowerte oder Veräußerung realisiert der Emittent einen Gewinn oder einen Verlust, soweit nicht entsprechende Verbindlichkeiten oder Kapitalbeträge zu passivieren sind. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob aus den Ausgabebedingungen der Kryptowerte vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Inhaberinnen und Inhabern der Kryptowerte resultieren, die – soweit die Voraussetzungen erfüllt werden – als Verbindlichkeit oder Rückstellung auszuweisen wären.

10. Ertragsteuerrechtliche Besonderheiten von Utility und Security Token

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

77Für die ertragsteuerrechtliche Beurteilung ist zu unterscheiden, ob die Kryptowerte den Inhaberinnen und Inhabern eine besondere Rechtsposition einräumen. Sie können als Wirtschaftsgüter unter den Finanzanlagen oder als Forderungen zu bilanzieren sein. Für die weitere Beurteilung gelten die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze. Zur Einnahmenüberschussrechnung vgl. Randnummer 44.

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen

78Die ertragsteuerrechtliche Einordnung der Erträge hängt davon ab, welche Rechte und Ansprüche im Einzelfall vermittelt werden.

aa) Utility Token

79Werden Utility Token eingelöst, ist dies ertragsteuerrechtlich unbeachtlich (, BStBl 2018 II S. 525). Eine Veräußerung liegt nicht vor, da es an einer entgeltlichen Übertragung auf Dritte fehlt, wenn lediglich die in den Utility Token verkörperten Ansprüche auf ein Produkt oder eine Dienstleistung eingelöst werden und unter Nutzung der Utility Token die Ware oder die Dienstleistung erhalten wird.

80Werden angeschaffte Utility Token veräußert, können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG vorliegen. Dies gilt auch, wenn Utility Token als Tauschmittel (hybride Token) verwendet werden. Auf die entsprechenden Ausführungen der Randnummern 53 ff. wird verwiesen.

bb) Security Token

81Je nach Ausgestaltung können Kryptowerte auch als Wertpapiere oder andere Finanzinstrumente anzusehen sein.

82Die ertragsteuerrechtliche Einordnung der laufenden Einkünfte unter § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 7 EStG und der Veräußerungsgewinne unter § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 7 EStG hängt von der Ausgestaltung der Kryptowerte im Einzelfall ab.

83Handelt es sich bei dem vermittelten Recht um eine Schuldverschreibung, kommt es für die ertragsteuerrechtliche Einordnung der hieraus resultierenden Erträge beziehungsweise Gewinne darauf an, ob insoweit eine Kapitalforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG oder ein bloßer Sachleistungsanspruch begründet wird.

84Vermittelt die Schuldverschreibung ausschließlich einen Anspruch auf Lieferung einer beim Emittenten hinterlegten festgelegten Menge von Kryptowerten oder einen Anspruch auf Auszahlung des Erlöses aus ihrer Veräußerung durch den Emittenten, liegt keine Kapitalforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG, sondern ein Sachleistungsanspruch vor. Die BFH-Rechtsprechung zu Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen (, BStBl 2015 II S. 834 und VIII R 4/15, BStBl 2015 II S. 835, , BStBl 2018 II S. 525) und die BFH-Rechtsprechung zu Gold-Bullion-Securities (, BStBl II 2021 S. 9) sind entsprechend anzuwenden.

85Die Veräußerung einer solchen Schuldverschreibung führt gegebenenfalls zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG. Auf die entsprechenden Ausführungen der Randnummern 53 ff. wird verwiesen. Leistungen des Emittenten während der Laufzeit der Schuldverschreibung stellen beim Anleger sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG dar. Die zugewendeten Kryptowerte sind im Zeitpunkt des Zuflusses zu bewerten.

86Stellt die Schuldverschreibung hingegen eine Kapitalforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG dar, führen während der Haltezeit vereinnahmte Erträge zu Einkünften aus Kapitalvermögen (laufende Kapitalerträge). Eine Veräußerung der Schuldverschreibung fällt in den Anwendungsbereich des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 EStG. Bei nicht in Euro erhaltenen Einnahmen sind § 20 Absatz 3 und § 20 Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG zu beachten.

III. Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten

1. Allgemeines

87Auch hinsichtlich der Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten sind die technischen Besonderheiten von Kryptowerten zu berücksichtigen. So können etwa Transaktionen unmittelbar „on chain“ erfolgen, das heißt im Netzwerk durch eine Transaktion – im Falle der Blockbelohnung: durch das Protokoll – veranlasst und in einem neuen Block dokumentiert werden (siehe Randnummer 21). Dieser unmittelbare Blockchain-Zugriff liegt ebenso dezentralen Handelsplattformen (DEX, siehe Randnummer 20a) zugrunde. Die auf diese Weise in einer öffentlichen Blockchain dokumentierten Informationen sind in der Regel für jedermann einsehbar, lassen jedoch aufgrund der Pseudonymisierung durch öffentliche Schlüssel (siehe Randnummer 18) keine direkten Schlüsse auf die Identität einzelner Steuerpflichtiger zu. Die entsprechenden Informationen unterfallen weiterhin der Informationssphäre der insoweit beweisnäheren Steuerpflichtigen. Die alleinige Überlassung des öffentlichen Schlüssels ohne weitere Angaben ist für die ertragsteuerrechtliche Nachweisführung daher nicht ausreichend. Bei ergänzender Mitteilung des öffentlichen Schlüssels kann dieser jedoch dazu genutzt werden, die Richtigkeit und Vollständigkeit von Angaben und Aufzeichnungen zu prüfen. Werden Kryptowerte auf einer zentralen Handelsplattform (CEX, siehe Randnummer 20) gehandelt, erfolgt in der Regel keine Dokumentation einzelner Transaktionen in der Blockchain, sondern lediglich in den Aufzeichnungen der Handelsplattform über die Bestände der Nutzerkonten. Auch diese Informationen fallen in die Sphäre der Steuerpflichtigen.

88Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen (§ 150 Absatz 2 AO). Die Steuerpflichtigen sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet (vgl. §§ 90, 93, 97 AO und § 12 Steueroasenabwehrgesetz (StAbwG)). Die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegende Amtsermittlungspflicht der Finanzbehörde (§ 88 AO) und die Mitwirkungspflicht der Beteiligten stehen dabei grundsätzlich nebeneinander (, BStBl 1989 II S. 462).

89Werden Kryptowerte über zentrale Handelsplattformen eines ausländischen Betreibers erworben oder veräußert, wird dadurch nach § 90 Absatz 2 AO eine erweiterte Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen begründet. Über die nach § 90 Absatz 1 AO geschuldete Offenlegung der erheblichen Tatsachen und Angabe der bekannten Beweismittel hinaus haben die Steuerpflichtigen in diesen Fällen den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Dies umfasst insbesondere den regelmäßigen und vollständigen Abruf der Transaktionsübersichten zentraler Handelsplattformen (CEX, siehe Randnummern 20 und 29a). Fehlende Aufzeichnungen und Datenverluste (z. B. wegen Insolvenz der Handelsplattform oder aufgrund eines Hacker-Angriffs) gehen zu Lasten der Steuerpflichtigen. § 90 Absatz 2 AO gilt im Regelfall ebenso, wenn Kryptowerte über dezentrale Handelsplattformen (DEX, siehe Randnummer 20a) erworben oder veräußert werden. Denn auch hier kommt es aufgrund der internationalen Verortung von Netzwerkknoten einer Blockchain und der nicht an die Ansässigkeit anknüpfenden Auswahl der Tauschpartner in der Regel zu einer Beteiligung ausländischer Akteure.

90Nutzen Steuerpflichtige Steuerreports, gilt vorbehaltlich der Kapitel III 2 und III 3 Folgendes: Einkünfte müssen vollständig und richtig erklärt werden und für die Finanzbehörde nachvollziehbar sein. Einkünfte sind für die Finanzbehörde nachvollziehbar, wenn diese sie anhand vorliegender Unterlagen und Angaben ermitteln und berechnen kann. Die Nachvollziehbarkeit kann im Rahmen der Veranlagung auch über Steuerreports gewährleistet werden, wenn diese bei der Bearbeitung plausibel erscheinen, weil keine Hinweise auf eine Unvollständigkeit vorliegen (z. B. offenkundiges Fehlen einzelner Anschaffungskosten, Wallets oder Handelsplattformen), sie in sich schlüssig sind (z. B. weil Angaben sich nicht widersprechen) und nicht im äußeren Widerspruch zu sonstigen Erkenntnissen der Finanzbehörde stehen (z. B. zu übrigen Einkünften, der Mittelherkunft, weiteren Steuerreports oder Transaktionsübersichten). Für eine ausreichende Plausibilität sind außerdem regelmäßig Auszüge der Reporteinstellungen zur Bestimmung der Tatsachen, welche diesen zugrunde liegen (z. B. angesetzte Kurse und genutzte Verbrauchsfolgeverfahren wie FiFo, siehe Randnummer 61), sowie Ausführungen zu den zugrundeliegenden ertragsteuerrechtlichen Wertungen erforderlich. Anpassungen und Korrekturen stehen der Plausibilität in der Regel nicht entgegen, wenn sie kenntlich gemacht wurden und nachvollziehbar begründet sind (z. B. wegen fehlender Anschaffungskosten oder –daten bei Übertragungen auf andere Handelsplattformen). Ein plausibel erscheinender Steuerreport kann der Veranlagung zugrunde gelegt werden. Die Finanzbehörde kann in diesen Fällen auf die Notwendigkeit weiterer Sachverhaltsermittlungen verzichten oder sich auf die Prüfung einzelner Vorgänge (insbesondere manuell angepasster Einträge) beschränken. §§ 88 Absatz 2 Satz 1, 145 ff. AO sowie die Möglichkeit einer weitergehenden Überprüfung (insbesondere im Außenprüfungsverfahren) bleiben unberührt.

91Werden Marktkurse nicht zum Zeitpunkt der Anschaffung bzw. des Tauschvorgangs, sondern mit nach dokumentierten Vorgaben ermittelten Tageskursen bewertet, so können diese von der Finanzbehörde bis auf Weiteres als Besteuerungsgrundlage berücksichtigt werden, solange eine gleichmäßige Wertermittlung gewährleistet ist. Der Tageskurs kann insbesondere dem Tagesdurchschnittskurs, Tageszeitkurs oder Tagesschlusskurs entsprechen. Der Tagesdurchschnittskurs entspricht dem Durchschnitt aller Marktkurse eines Kryptowertes einer Kursquelle (siehe Randnummer 43) eines Kurstages; der Tageszeitkurs entspricht dem Marktkurs eines Kryptowertes einer Kursquelle zu einem gleichbleibendem Tageszeitpunkt; der Tagesschlusskurs entspricht dem letzten Marktkurs eines Kryptowertes einer Kursquelle eines Kalendertages. An der Gleichmäßigkeit der Wertermittlung fehlt es etwa dann, wenn sowohl für Anschaffungskosten als auch für Veräußerungspreise Tageskurse angesetzt werden, für deren Ermittlung jedoch auf unterschiedliche Quellen oder Zeitpunkte abgestellt wird (z. B. Ansatz der Anschaffungskosten nach der webbasierten Liste mit den höchsten und Ansatz der Veräußerungspreise nach der webbasierten Liste mit den niedrigsten Marktkursen, siehe Randnummer 43). Die Gleichmäßigkeit in der Regel unberührt lassen Korrekturen einzelner Werte, die beispielsweise aufgrund abweichender Bezeichnungen in der genutzten Quelle unzutreffend ermittelt wurden. Nutzen Steuerpflichtige Steuerreports mehrerer Anbieter, ist für die Gleichmäßigkeit der Wertermittlung jeder Steuerreport gesondert zu beurteilen.

92Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gem. § 162 AO zu schätzen. Das gilt insbesondere dann, wenn Steuerpflichtige keine ausreichenden Angaben gemacht oder keine ausreichende Aufklärung über ihre Angaben gegeben haben und die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen auch nicht auf andere Weise mit hinreichender Sicherheit ermitteln kann. Ziel der Schätzung ist es, den tatsächlichen Verhältnissen möglichst nahe zu kommen (, BStBl 2008 II S. 933). Fehlen vereinzelte Angaben oder Nachweise, sind die im Übrigen vom Steuerpflichtigen zur Plausibilität vorgelegten Unterlagen und Daten jedenfalls im Rahmen der Schätzung zu würdigen. Anhaltspunkt für eine realitätsnahe Schätzung können im Einzelfall daher auch von Handelsplattformen oder Wallet-Anbietern bereitgestellte Transaktionsübersichten und Steuerreports (siehe Randnummern 29a bis 29b) sein. Eine Schätzung darf nicht dazu dienen, Steuerpflichtige zu sanktionieren.

2. Mitwirkungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten im Betriebsvermögen

93Steuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ergeben sich sowohl aus der Abgabenordnung (z. B. § 90 Absatz 3, §§ 141, 143 bis 144 AO), dem Steueroasenabwehrgesetz (§ 12 StAbwG) als auch aus Einzelsteuergesetzen (z. B. § 22 UStG und § 4 Absatz 3 Satz 5 EStG bei der Einnahmenüberschussrechnung).

94Nach § 140 AO sind die außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, welche für die Besteuerung von Bedeutung sind, auch für das Steuerrecht zu erfüllen. Außersteuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ergeben sich insbesondere aus den §§ 238 ff. HGB und aus den dort bezeichneten handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB).

95Neben den außersteuerlichen und steuerlichen Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen zu Geschäftsvorfällen sind alle Unterlagen aufzubewahren, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind. Dazu zählen neben Unterlagen in Papierform auch alle Unterlagen in elektronischer Form (z. B. Daten, Datensätze und elektronische Dokumente), die dokumentieren, dass die Ordnungsvorschriften umgesetzt und deren Einhaltung überwacht wurden.

96Für die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, die sonst erforderlichen Aufzeichnungen und die zu ihrem Verständnis erforderlichen Unterlagen sowie ihre Aufbewahrung gelten die §§ 145 bis 147 AO. Insbesondere sind die Buchungen und erforderlichen Aufzeichnungen nach § 146 Absatz 1 Satz 1 AO einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet und nach § 146 Absatz 4 AO nicht in einer Weise vorzunehmen, die Veränderungen an ihnen nicht mehr feststellen lässt.

97Weitere Erläuterungen ergeben sich aus den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD, BStBl 2019 I S. 1269, geändert durch BStBl 2024 I S. 374).

98Wird zur Erfüllung der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten im Zusammenhang mit Kryptowerten spezielle Software genutzt, ist für diese neben der Einhaltung der sonstigen GoBD eine Verfahrensdokumentation zu erstellen, vgl. Randziffer 32 und 151 ff. der GoBD, und es sind insbesondere die Grundsätze der Unveränderbarkeit und Vollständigkeit zu beachten (siehe § 146 Absatz 4 AO und Randziffer 107 ff. der GoBD).

99Wer nach § 147 Absatz 1 AO aufbewahrungspflichtige Bücher, Aufzeichnungen und Unterlagen ganz oder teilweise mittels eines Datenverarbeitungssystems führt, hat im Rahmen einer Außenprüfung (§ 193 Absatz 1 AO) die Vorschrift zum Datenzugriffsrecht nach § 147 Absatz 6 AO zu beachten. Auch spezielle Software (siehe Randnummer 98) fällt unter das Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung nach § 147 Absatz 6 AO, wenn und soweit damit Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungspflichten erfüllt werden. Darüber hinaus kann bei einer Außenprüfung die Herausgabe nicht aufbewahrungspflichtiger Unterlagen zwecks Feststellung des steuererheblichen Sachverhalts nach § 200 Absatz 1 Satz 1 und 2 AO verlangt werden.

3. Mitwirkungs- und Aufbewahrungspflichten im Privatvermögen

100Vorbehaltlich der Randnummer 105 gelten im Privatvermögen die allgemeinen Mitwirkungspflichten der Randnummern 87 bis 92. Die Finanzbehörde kann Steuerpflichtige unter Beachtung der allgemeinen Beweislastregeln zur Nachweisführung auffordern, etwa durch den Einsatz von Fragebögen.

101Der Nachvollziehbarkeit der seitens der Steuerpflichtigen erklärten Einkünfte durch die Finanzbehörde können insbesondere plausibel erscheinende Steuerreports (siehe Randnummern 29b und 90) dienlich sein. Die Finanzbehörde kann die zur Erstellung der Steuerreports genutzten Unterlagen und Dateien (z. B. Transaktionsübersichten oder CSV-Dateien) anfordern. Zur Überprüfung einzelner Angaben (z. B. eines bestimmten Anschaffungsvorgangs) ist nach dem Ausschöpfen der eigenen Ermittlungstätigkeiten, z. B. der Nutzung eines Block Explorers (siehe Randnummer 20), auch die Anforderung von Screenshots etwa aus einer Wallet oder dem Account einer zentralen Handelsplattform verhältnismäßig.

102Der Nachvollziehbarkeit der Angaben der Steuerpflichtigen können neben Steuerreports auch strukturierte Auflistungen oder Tabellen dienen. Dies umfasst eigene Übersichten der Steuerpflichtigen ebenso wie Transaktionsübersichten von zentralen Handelsplattformen und Wallet-Anbietern (siehe Randnummer 29a). Sie sollten beim Handel von Kryptowerten für die zutreffende Ermittlung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften sicherstellen, dass sich jedes private Veräußerungsgeschäft einzeln und für sich betrachtet nachvollziehen lässt, mindestens also den Klarnamen oder das Kürzel sowie die Zahl der jeweils betroffenen Kryptowerte, den Gewinn unter Angabe der Anschaffungskosten und des Veräußerungserlöses bzw. des Zeitpunkts und jeweiligen Kurses der An- und Verkäufe sowie ihre Haltedauer erkennen lassen. Bei sonstigen Einkünften aus Leistungen (z. B. Lending) ist es vorbehaltlich der Anerkennung eines Steuerreports für die zutreffende steuerrechtliche Ermittlung erforderlich, dass Überlassungsbeginn, –ende, –gegenstand, –entgelt und –konditionen bekannt sind. Randnummer 101 gilt entsprechend.

103Abhängig von der Komplexität und der Anzahl der Vorgänge können die Darstellungen der Steuerpflichtigen nach Randnummer 102 darüber hinaus z. B. folgende Unterlagen und Daten sowie die dazugehörigen Belege umfassen und fehlende Angaben von den Finanzämtern angefordert werden:

  • Anschaffungszeitpunkt, angeschaffte Menge und Art des Anschaffungsvorgangs (z. B. Kauf/Tausch, ICO, Mining/Forging, (passives) Staking, Lending, bei Airdrop zur Bestimmung des Vorliegens einer Leistung die Darstellung der Bedingungen, welche für die Zuteilung der Kryptowerte maßgeblich waren) sowie genutzte Handelsplattform (siehe Randnummern 70 ff.);

  • Anschaffungs-, Anschaffungsneben- (z. B. Transaktionsgebühren) und sonstige Kosten (z. B. für die Einrichtung eines Accounts) in Euro; Angabe des Marktkurses und der Handelsplattform bzw. der webbasierten Liste (z. B. https://www.coinmarketcap.com/de und https://www.coingecko.com/de), der dieser entnommen wurde, soweit Anschaffung nicht in Euro erfolgt;

  • Veräußerungszeitpunkt, veräußerte Menge und Art des Veräußerungsvorgangs (Verkauf/Tausch) sowie genutzte Handelsplattform;

  • Veräußerungserlös und Veräußerungskosten (z. B. Transaktionsgebühren) in Euro; Angabe des Marktkurses und der Handelsplattform bzw. der webbasierten Liste (z. B. https://www.coinmarketcap.com/de und https://www.coingecko.com/de), der dieser entnommen wurde, soweit Veräußerung nicht in Euro erfolgt;

  • Unterlagen über Kauf- und Tauschvorgänge über Waren und Dienstleistungen unter Verwendung von Kryptowerten zur Ermittlung des für diese anzusetzenden Veräußerungserlöses (im Zusammenhang mit Kreditkarten ist regelmäßig die entsprechende Kreditkartenabrechnung ausreichend);

  • Dokumentation der gewählten Verwendungsreihenfolge (Einzelbetrachtung, Durchschnitts- oder FiFo-Methode) für die jeweilige Wallet und/oder einzelne Kryptowerte;

  • Dokumentation von Umschichtungen innerhalb von Wallets zur walletbezogenen Anwendung der Durchschnitts- oder FiFo-Methode;

  • entsprechende Dokumentation von sonstigen Einkünften aus Mining, Forging, (passivem) Staking, Lending und/oder der Teilnahme an Airdrops und ähnlichen Vorgängen.

104Von den Steuerpflichtigen im Einzelfall angeforderte Informationen zur Mittelherkunft, zu Wallet-Beständen an Stichtagen wie dem 31. Dezember des Veranlagungszeitraums und des Vorjahres, zu genutzten Wallet-Adressen und Transaktions-Hash-Werten (bei direktem Handel unter anderem über dezentrale Handelsplattformen) oder Account-Angaben zu den genutzten Handelsplattformen ermöglichen der Finanzbehörde die Überprüfung der Angaben.

105Steuerpflichtige, bei denen die Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung oder aus sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 EStG (Überschusseinkünfte) mehr als 500.000 € (ab : 750.000 €) im Kalenderjahr beträgt, haben die Aufbewahrungsvorschriften des § 147a AO zu beachten. Dies bedeutet, dass sie die Aufzeichnungen und Unterlagen über die den Einkünften zugrundeliegenden Einnahmen und Werbungskosten sechs Jahre aufzubewahren haben. Die Aufzeichnungen und Unterlagen können die Steuerpflichtigen auch auf Datenträgern aufbewahren (§ 147 Absatz 2 AO gilt entsprechend). Sofern ein Datenverarbeitungssystem oder eine spezielle Software zur Erfüllung der Aufbewahrungspflichten eingesetzt wird, kann im Rahmen einer Außenprüfung (§ 193 Absatz 1 AO) ein Datenzugriff nach § 147 Absatz 6 in Verbindung mit § 147a Absatz 1 Satz 5 AO auf diese Systeme verlangt werden.

IV. Anwendungs- und Nichtbeanstandungsregelung

106Dieses Schreiben ist ab dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil I auf alle offenen Fälle anzuwenden. Kursbestimmungen gemäß den bis zur Veröffentlichung des vorliegenden BMF-Schreibens im Bundessteuerblatt Teil I geltenden Vorgaben der Randnummern 43 und 58 sowie der auf diese verweisenden Randnummern des BMF-Schreibens in der Fassung vom und von den Randnummern 87 ff. abweichende Aufzeichnungen außerhalb des Anwendungsbereichs der GoBD werden für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2024 nicht beanstandet.

Schlussbestimmungen

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht.

Anlage:

English version - courtesy translation - Questions regarding the income tax treatment of specific crypto-assets in Germany

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BMF v. - IV C 1 - S 2256/00042/064/043

Fundstelle(n):
FAAAJ-86960