Instanzenzug: Az: 21 U 2421/21vorgehend LG Ingolstadt Az: 31 O 2246/20
Tatbestand
1 Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2 Er erwarb im Februar 2016 - teilweise darlehensfinanziert - einen Audi Q7 Quattro 3.0 TDI, der mit einem V6 Monoturbodieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.
3 Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises nebst Finanzierungskosten und Verzugszinsen abzüglich einer bezifferten Nutzungsentschädigung sowie Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu verurteilen. Er hat ferner die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Verzugszinsen begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Gründe
4Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
6Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Hinsichtlich der Verwendung einer temperaturabhängigen Reduktion der Abgasrückführung könne zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass ein solches Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, da die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung für sich genommen nicht geeignet sei, dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme eines bewussten Gesetzesverstoßes der Beklagten durch die Verwendung eines Thermofensters habe der Kläger nicht aufgezeigt. Soweit der Kläger die Verwendung weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen in seinem Fahrzeug behaupte, habe er keine konkreten Indizien für eine solche gezielte Manipulation vorgetragen.
II.
7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
81. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
10Danach kann dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Das Berufungsgericht hätte die Berufung des Klägers bei richtiger rechtlicher Bewertung mithin nicht zurückweisen dürfen, ohne ihm Gelegenheit zu geben, den von ihm geltend gemachten Schaden im Sinne des Differenzschadens darzulegen.
III.
11Die Berufungsentscheidung ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
C. Fischer Brenneisen Messing
Katzenstein F. Schmidt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:190225UVIAZR231.21.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-86852