Instanzenzug: LG Essen Az: 26 KLs 1/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur „unerlaubten“ Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die erweiterte Einziehung von Taterträgen in Höhe eines Betrages von 76.700,00 € angeordnet sowie Tatmittel eingezogen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie hinsichtlich der Einziehung von Tatmitteln nach § 74 Abs. 1 und 3 StGB keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
32. Der Einziehungsausspruch hält hingegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer gegen den Angeklagten die erweiterte Einziehung sichergestellten Bargelds gemäß § 73a Abs. 1 StGB angeordnet hat.
4a) Nach den Feststellungen stellten die Ermittlungsbehörden im Rahmen der Festnahme des Angeklagten am Bargeld im Wert von 76.700,00 € sicher, welches er in einem Koffer mitführte. Die Barmittel hatte der Angeklagte aus nicht konkret feststellbaren Betäubungsmittelverkäufen erlangt. Die Strafkammer ist „in Anbetracht des zeitlichen Abstands zur letzten Tat“ davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Geldmittel nicht durch eine der verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelstraftaten erlangte.
5b) Dies vermag die gegen den Angeklagten angeordnete erweiterte Einziehung des sichergestellten Bargelds nicht zu tragen.
6aa) Die erweiterte Einziehung von Vermögenswerten, die aus einer nicht verfahrensgegenständlichen Tat stammen, setzt voraus, dass diese (oder ein Surrogat) bei der Begehung der abgeurteilten Anknüpfungstat im Vermögen des Angeklagten gegenständlich vorhanden waren (vgl. zum erweiterten Verfall nach § 73d StGB aF BT-Drucks. 11/6623, S. 4, 8). Dies gilt nicht nur für die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen (§§ 73a, 73c StGB; vgl. hierzu Rn. 54; Beschluss vom – 3 StR 132/23 Rn. 13; Urteil vom – 3 StR 238/21 Rn. 13; Beschluss vom – 4 StR 114/22 Rn. 18; Urteil vom – 1 StR 312/21 Rn. 12; Beschluss vom – 5 StR 238/21 Rn. 4; Beschluss vom – 5 StR 447/20 Rn. 10), sondern auch für die erweiterte Einziehung noch vorhandener Taterträge (§ 73a Abs. 1 StGB; vgl. Rn. 14; Beschluss vom – 2 StR 501/23 Rn. 5; Beschluss vom – 2 StR 3/23 Rn. 12; Beschluss vom – 4 StR 450/23 Rn. 11; Beschluss vom – 4 StR 221/22 Rn. 6; krit. Rn. 13 ff.).
7Dem Gesetz sind insoweit unterschiedliche Anordnungsvoraussetzungen nicht zu entnehmen. Vielmehr decken sich – ebenso wie im Rahmen der Einziehung von Taterträgen nach §§ 73, 73c StGB – die Zugriffsobjekte bei der gegenständlichen und der ggf. an ihre Stelle tretenden wertmäßigen Einziehung (vgl. auch bereits Rn. 6 zu § 73d StGB aF). Abgeschöpft werden kann somit auch im Wege der erweiterten (gegenständlichen) Einziehung von Taterträgen nur das illegal Erlangte, das der Angeklagte zur Tatzeit der abgeurteilten Delikte in seiner Verfügungsgewalt hatte. Das später Erlangte unterfällt der erweiterten Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB hingegen nicht (vgl. Rn. 6 mwN).
8bb) Das Landgericht hat diese Maßgaben aus dem Blick verloren und nicht geprüft, ob die nach § 73a Abs. 1 StGB eingezogenen Geldmittel zumindest während der zuletzt begangenen abgeurteilten Tat schon im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren (vgl. auch Rn. 4; s. zudem zur Einziehung von Bargeld Rn. 7). Die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung gehen vielmehr dahin, dass der Angeklagte erst nach den abgeurteilten Straftaten die sichergestellten Erträge aus anderen rechtswidrigen Taten vereinnahmte. Deshalb vermag auch die Anknüpfungstat im Fall II. 8. der Urteilsgründe, bei der das Kokain wenige Tage vor der Festnahme des Angeklagten übergeben worden ist, die Annahme von dessen rechtzeitiger Verfügungsgewalt über das eingezogene Bargeld nicht zu tragen. Damit kommt es hier nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer bei ihrer Überzeugungsbildung zur Herkunft des sichergestellten Bargelds den engen zeitlichen Zusammenhang zur vorstehend genannten Tat nicht bedacht hat.
9c) Der aufgezeigte Rechtsfehler bedingt die Aufhebung der Anordnung über die erweiterte Einziehung mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).
103. Insoweit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
11Sollte sich das neue Tatgericht davon überzeugen, dass der Angeklagte das in Rede stehende Bargeld (teilweise) aus den abgeurteilten Taten erlangt hat, steht der Einziehung der Taterträge nach § 73 StGB (oder deren Wertes nach §§ 73, 73c StGB) hier das tatbezogene Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegen (vgl. Rn. 25; Beschluss vom – 2 StR 324/23 Rn. 8; s. zur Verrechnung im Vollstreckungsverfahren Rn. 52 mwN).
12Die – gegenüber §§ 73, 73c StGB subsidiäre – Vorschrift des § 73a Abs. 1 StGB ist hingegen im neuen Rechtsgang auch insoweit anwendbar, wie nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht aufklärbar ist, ob die Vermögenswerte aus den Anknüpfungs- oder aus anderen Taten stammen, die Herkunft aus rechtswidrigen Taten aber feststeht (vgl. Rn. 8; Beschluss vom – 4 StR 108/22 Rn. 4; jeweils mwN). Ließe sich für diesen Fall (oder bei einer Überzeugungsbildung von der sicheren Herkunft aus anderen rechtswidrigen Taten) das weitere Erfordernis des § 73a Abs. 1 StGB nicht belegen, dass die Barmittel zumindest bei der Begehung der letzten abgeurteilten Tat im Vermögen des Angeklagten gegenständlich vorhanden waren, wird das neue Tatgericht zu erwägen haben, ob insofern die Voraussetzungen des – seinerseits gegenüber § 73a StGB subsidiären – § 76a Abs. 4 StGB i.V.m. § 435 StPO vorliegen könnten (vgl. hierzu auch Rn. 19 ff.).
Quentin Sturm Maatsch
Scheuß Marks
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:270125B4STR486.24.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-86619