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BGH Urteil v. - 1 StR 107/24

Instanzenzug: LG Memmingen Az: 1 KLs 401 Js 10121/22 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen das Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf Verfahrens- und Sachbeanstandungen gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

21. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, im Mai 2021 in zwei Fällen mit Marihuana (fünf Kilogramm Marihuana im Fall II. 1. 1. der Anklage und 13 Kilogramm Marihuana im Fall II. 1. 3. der Anklage) und in zwei weiteren Fällen mit Kokain (38,8 Gramm Kokain im Fall II. 1. 2. der Anklage und 88 Gramm Kokain im Fall II. 1. 4. der Anklage) gehandelt zu haben. Das Marihuana soll einen Wirkstoffgehalt von je acht Prozent Tetrahydrocannabinol und das Kokain einen solchen von 40 Prozent bzw. 91,8 Prozent Kokainhydrochlorid enthalten haben.

32. Das Landgericht hat zu den Anklagevorwürfen keine näheren Feststellungen getroffen. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung auf sein Schweigerecht berufen. Die Erkenntnisse aus dem sichergestellten Chatverkehr des Angeklagten über den Krypto-Messengerdienst Anom, auf die sich die Anklagevorwürfe maßgeblich stützen, hat das Landgericht als unverwertbar angesehen.

II.

4Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

51. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechen und daher unzulässig sind.

6a) Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau darzulegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und – in der Regel durch wörtliche Zitate beziehungsweise eingefügte Abschriften oder Ablichtungen – zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 5 mwN).

7b) Die Staatsanwaltschaft wird dem für keine der erhobenen Verfahrensbeanstandungen gerecht.

8aa) Soweit sie eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) mit der Begründung rügt, das Landgericht habe die für die Prüfung des Beweisverwertungsverbots erforderlichen Prozesstatsachen nur unzureichend aufgeklärt, legt sie bereits nicht dar, weshalb sich dem Landgericht das Rechtshilfeersuchen an die US-amerikanischen Behörden zur Erlangung weiterer Informationen zur Identität des Drittlandes mit Blick auf die Beweisaufnahme aufdrängen musste. Nach den durch die Strafkammer in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden sieht sich das Federal Bureau of Investigation (FBI) weder jetzt noch in der Zukunft in der Lage, die Identität des Drittlandes freizugeben (vgl. Schreiben des US-Justizministeriums vom ). Aus dem Schreiben des US-Justizministeriums vom ergibt sich zudem, „dass das FBI keine Zusicherung hinsichtlich zusätzlicher Unterstützung (…) macht, die das FBI oder der ursprüngliche Eigentümer der Informationen, wenn dies nicht das FBI ist, bereit sein könnte, zu leisten, um die Verwendung der Information in solchen Gerichtsverfahren zu erleichtern“. Anhaltspunkte, die aus der Sicht der Strafkammer eine hiervon abweichende Auskunft des US-Justizministeriums hinsichtlich der Identität des Drittlandes bzw. einer etwaigen deutschen Beteiligung erwarten ließen, lässt die Revisionsbegründung nicht erkennen. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Beantwortung der in dem Verfahren                             der Generalstaatsanwaltschaft F.                            gestellten Rechtshilfeersuchen. Denn diese betrafen nach dem Revisionsvortrag die Zurverfügungstellung der vom FBI erhobenen Beweismittel sowie Ausführungen zu der Rechtmäßigkeit der Maßnahme aus amerikanischer Sicht und gerade nicht Informationen zu dem Drittland, das um Vertraulichkeit gebeten hatte.

9bb) Die Beanstandung der Verletzung des § 261 StPO in Form einer Ausschöpfungsrüge mit der Begründung, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, die Erkenntnisse aus dem sichergestellten Chatverkehr des Angeklagten über den Krypto-Messengerdienst Anom seien nicht verwertbar, ist bereits deshalb unzulässig, weil die Revision keinen vollständigen Vortrag dazu enthält, ob die Chat-Nachrichten zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemacht worden sind (vgl. unter 1.; vgl. auch Sander in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 261 Rn. 266). Die Beschwerdeführerin trägt lediglich vor, dass das Selbstleseverfahren durchgeführt und die „ANOM-Chats (…) als Urkunden im Selbstleseverfahren gemäß § 249 Abs. 2 StPO eingeführt wurden“, ohne die Protokollierung des Abschlusses der Selbstlesung (§ 249 Abs. 2 Satz 3 StPO) mitzuteilen. Dieser Vortrag wäre aber zur Prüfung einer Verletzung des § 261 StPO durch Nichtausschöpfung zu berücksichtigender Beweismittel erforderlich gewesen; denn dem Tatgericht ist es ohne die abschließende Feststellung (§ 249 Abs. 2 Satz 3 StPO) verwehrt, die Urkunde zur Urteilsfindung heranzuziehen (vgl. , BGHSt 58, 61 Rn. 9). Erst durch die Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO wird beweiskräftig vollzogen, dass der außerhalb der Hauptverhandlung erhobene Urkundsbeweis dennoch als Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 StPO der Überzeugungsbildung des Gerichts zugrunde gelegt werden kann (vgl. Rn. 10).

102. Das Urteil hält auch sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.

11a) Das Urteil genügt dem Darstellungserfordernis des § 267 Abs. 5 StPO. Grundsätzlich muss das Landgericht bei freisprechenden Urteilen zwar zunächst die Umstände feststellen, die es für erwiesen hält, und dazu die Begründung so abfassen, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung ermöglicht wird. Diese Maßstäbe dürfen jedoch nicht schematisch angewandt werden. Dies gilt insbesondere, wenn – wie hier – weitere Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen nicht möglich sind, da dem Tatgericht für seine Überzeugungsbildung das die Tatvorwürfe maßgeblich stützende Beweismittel wegen eines Verwertungsverbotes nicht zur Verfügung stand (vgl. Rn. 3 und 18 sowie vom – 5 StR 441/04 Rn. 8 mwN).

12b) Auf die Sachrüge hin ist dem Revisionsgericht eine Überprüfung der sachlich-rechtlich nicht gebotenen Feststellungen und Wertungen des Tatsachengerichts zum angenommenen Beweisverwertungsverbot nicht eröffnet (vgl. Rn. 19 und vom  – 2 StR 131/18 Rn. 15 ff.).

Jäger                         Fischer                         Wimmer

               Bär                             Leplow

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:220125U1STR107.24.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-86265