Instanzenzug: Az: 6 KLs 545 Js 61245/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 18 Fällen, davon in zwei Fällen im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 901.897,25 Euro, davon in Höhe von 714.736,29 Euro gesamtschuldnerisch mit der nicht revidierenden Mitangeklagten Z. , angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte ab März 2014 ein chinesisches Buffetrestaurant als Einzelunternehmen. Ab dem übernahm die Ehefrau des Angeklagten, die Mitangeklagte Z. , das Restaurant und betrieb dieses bis zum nach außen als Alleininhaberin; aber auch der Angeklagte traf weiterhin grundlegende Entscheidungen und vertrat im Außenverhältnis das Einzelunternehmen. Durch eine Manipulation des Kassensystems wurden bis September 2018 die im Restaurantbetrieb erzielten Einnahmen nicht vollständig erfasst; die tatsächlich erzielten Umsätze fanden keinen Eingang in die Buchführung. Infolgedessen erklärte der Angeklagte in den Gewerbesteuererklärungen für das Jahr 2014 und das Rumpfjahr 2015 (nur Januar und Februar 2015 betreffend vor wirksamem Betriebsübergang) zu niedrige Gewinne, in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015 zu niedrige Einkünfte aus dem Restaurantbetrieb; dabei gab der Angeklagte die Einkommensteuererklärung für 2014 erst im August 2016 nach einem durch das Finanzamt erlassenen Schätzungsbescheid ab. Im Übrigen gaben der Angeklagte und die Mitangeklagte Z. gemäß dem gemeinsamen Tatplan weder für das Unternehmen Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen noch Einkommensteuererklärungen ab. Insgesamt verkürzte der Angeklagte 173.416,95 Euro an Gewerbe-, 474.533,10 Euro an Umsatz- und 300.368,71 Euro an Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag.
32. Die Revision ist teilweise begründet.
4a) Eine Tat der Steuerhinterziehung durch eine Falscherklärung des Angeklagten (Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2014) aus dem Jahr 2016 (Fall II. Ziffer 2 der Urteilsgründe) wird nicht von der – insoweit unverändert zugelassenen – Anklage erfasst. Da es somit an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt, ist das Verfahren insoweit einzustellen (§ 206a Abs. 1 StPO; § 354 Abs. 1 Variante 2 StPO).
5Dem Angeklagten ist unter Ziffer 1 der Anklageschrift vom eine Einkommensteuerverkürzung für das Jahr 2014 durch eine Nichtabgabe der Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) zur Last gelegt worden. Nach den Urteilsgründen erließ das zuständige Finanzamt am einen Schätzungsbescheid. Mit Zugang des Bescheids beim Angeklagten war die Steuerverkürzung nicht nur vollendet, sondern beendet. Die Tat vom stellt damit gegenüber dem im April 2016 abgeschlossenen Sachverhalt einen neuen prozessualen Sachverhalt dar, der von der Anklage nicht umfasst wird. Um verfahrensgegenständlich zu werden, hätte die Anklage diese Falscherklärung aufnehmen müssen (vgl. Rn. 9 mwN).
6b) Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Berechnung des Umfangs der verkürzten Steuer erweist sich als rechtsfehlerhaft, so dass der Senat den die jeweilige Strafhöhe bestimmenden Schuldumfang nicht nachvollziehen kann. Allein der Schuldspruch hat Bestand, da auszuschließen ist, dass kein Verkürzungsbetrag verbleibt. In den Unterlassensfällen nach Betriebsübergang (§ 5 Abs. 2, § 2 Abs. 5 GewStG) trägt § 35 AO die Annahme einer strafbewehrten Erklärungspflicht.
7aa) Bezüglich der Gewerbe- und nachfolgend der Einkommensteuer kann der Senat den Urteilsfeststellungen nicht hinreichend sicher entnehmen, auf welche Art der Angeklagte seinen Gewinn (§ 7 Satz 1 GewStG; § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) ermittelte. Der Senat kann überdies infolge der Lückenhaftigkeit der Feststellungen vor allem nicht ausschließen, dass dem Angeklagten bzw. nachfolgend der Angeklagten aufgrund des Umfangs des Restaurants und dessen Umsätzen bei der Ermittlung des Gewinns überhaupt kein Wahlrecht zustand, sondern sie bilanzieren mussten (§ 140 AO; §§ 238, 241a, 5, 1 HGB). Schon dies hat zur Folge, dass der vom Landgericht angenommene Schuldumfang einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist.
8(a) Für Gewinneinkünfte sieht § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich die Ermittlung des Gewinns aufgrund des (bilanziellen) Bestandsvergleichs vor (vgl. Rn. 13). Ein Gewinnermittlungssubjekt, das nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, kann seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG wahlweise auch durch Einnahmeüberschussrechnung ermitteln. Trifft ein nicht buchführungs- und abschlusspflichtiger Steuerpflichtiger keine Wahl, so verbleibt es bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (vgl. , BFHE 273, 119 Rn. 57 mwN). Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung ( Rn. 58; , BFHE 254, 118 Rn. 19 und vom – IV R 3/20, BFHE 273, 119 Rn. 60).
9(b) Auf der Grundlage der insoweit widersprüchlichen Feststellungen ist nicht nachvollziehbar, auf welche Weise der Angeklagte bzw. später seine Ehefrau den Gewinn ermittelte; dies lässt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen. So findet sich unter dem Gliederungspunkt „Buchführung“ (UA S. 11) der Verweis auf Aufzeichnungen, die im Wesentlichen einer Gewinn- und Verlustrechnung entsprachen, was eher für eine Gewinnermittlung aufgrund einer Bilanzierung spricht. Später heißt es dann aber, die Angeklagten hätten ihren Gewinn stets über eine „Einnahmeüberschussrechnung“ ermittelt und eine solche auch bei der – von dem Senat wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellten – Tat II. Ziffer 2 der Urteilsgründe abgegeben.
10(c) Die Wahl der Gewinnermittlungsart kann auch steuerstrafrechtlich nicht dahinstehen, da sich die Betriebsergebnisse nach § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG einerseits und nach § 4 Abs. 3 EStG andererseits nicht decken müssen. Insbesondere ist die Auswirkung der hinterzogenen Umsatzsteuer auf die Höhe der Gewinne zu beachten. Denn nur im Falle einer Bilanzierung würde der Betrag der nachzuentrichtenden Umsatzsteuer den Betriebsgewinn in demselben Besteuerungszeitraum vermindern; bei einer Einnahmeüberschussrechnung würde sich die gleichzeitige Umsatzsteuerverkürzung mangels Abflusses entsprechender Zahlungen hingegen nicht auswirken (vgl. zum Ganzen BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 328/23 und vom – 1 StR 207/23 Rn. 11-13; jeweils mwN).
11bb) Schon um dem Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu den Ausgangsumsätzen des Unternehmens zu ermöglichen, hebt der Senat auch die Strafaussprüche in den Fällen der hinterzogenen Umsatzsteuer (Fälle II. Ziffer 4, 7, 9, 12, 15, 18 der Urteilsgründe) auf. Die Fälle II. Ziffer 7, 9, 12 und 15 der Urteilsgründe wären – wie das Landgericht selbst offengelegt und der Generalbundesanwalt zutreffend in seiner Antragsschrift ausgeführt hat – in den Einzelstrafaussprüchen auch deswegen aufzuheben, weil das Landgericht die bereits auf der Grundlage von Voranmeldungen abgeführte Umsatzsteuer bei der Bemessung des Schuldumfangs nicht berücksichtigt hat.
12c) Die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs zieht die Aufhebung der an den Verkürzungsumfang anknüpfenden Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) in Höhe der erzielten Ersparnis von Aufwendungen nach sich. In den beiden Versuchsfällen ist eine Einziehung ohnehin von vornherein ausgeschlossen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 336/22 Rn. 6 und vom – 1 StR 515/21 Rn. 15; jeweils mwN). Im Umfang der Aufhebung des Urteils hebt der Senat auch die zugrundeliegenden Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).
13d) Die genannten Rechtsfehler betreffen die Mitangeklagte Z. in den gemeinsam begangenen Fällen in gleicher Weise, so dass die Aufhebung der Strafaussprüche und der Einziehungsentscheidung in den Fällen II. Ziffer 5 sowie 8 bis 17 der Urteilsgründe auf die Revision des Angeklagten nach § 357 Satz 1 StPO auf sie zu erstrecken ist. Die Aufhebung der Strafaussprüche in den vorgenannten Fällen entzieht auch der gegen die Mitangeklagte Z. verhängten Gesamtstrafe die Grundlage. Im Übrigen haben die Einzelstrafen in den Fällen II. Ziffer 18 bis 30 der Urteilsgründe und die jeweils zugehörige Einziehung Bestand.
Jäger Leplow Allgayer
Munk Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:121224B1STR112.24.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-86179