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BGH Beschluss v. - 6 StR 481/24

Instanzenzug: Az: 24 KLs 20/23

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten R.               und W.          jeweils wegen bewaffneten Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in elf Fällen und wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt, den Angeklagten R.              unter Einbeziehung einer früher gegen ihn verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und den Angeklagten W.            zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten. Den Angeklagten G.        hat das Landgericht wegen bewaffneten Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs tateinheitlichen Fällen, wegen bewaffneten Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Außerdem hat es Einziehungsentscheidungen und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Dagegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten; die Angeklagten G.       und W.          beanstanden zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben jeweils in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die von den Angeklagten G.        und W.         erhobenen Verfahrensrügen dringen aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.

32. Die auf die Sachrügen gebotene umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat im Hinblick auf die Angeklagten R.               und W.            nur zum Schuldspruch im Fall B.III der Urteilsgründe und betreffend den Angeklagten G.         lediglich zum Einziehungsausspruch Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

4a) Die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten R.                und W.          wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen im Fall B.III der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5Nach den insoweit getroffenen Feststellungen beabsichtigte der Angeklagte R.            , gemeinsam mit dem Angeklagten W.            die Nebenklägerin gewaltsam zur Zahlung von 300 Euro zu veranlassen, die sie ihm aus Drogengeschäften „schuldete“. Zu diesem Zweck verschafften sich beide Zutritt zu der Wohnung des Zeugen Rö     , in der sich die Nebenklägerin zur Tatzeit aufhielt. R.               schrie die Nebenklägerin an, ihm das Geld zu geben und schlug mehrmals auf sie ein, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Außerdem drückte er sie zu Boden, würgte sie und hielt ihr eine scharfe Schusswaffe vor das Gesicht, so dass die Nebenklägerin direkt in den Lauf der Waffe sah. W.         schlug währenddessen wiederholt auf den Zeugen Rö.     ein, wobei er ihn auch mit einer Schreckschusswaffe gegen den Kopf schlug. Im weiteren Verlauf des Geschehens zwangen R.               und W.           die Nebenklägerin und Rö.    unter ständiger Bedrohung mit den Waffen dazu, sie zu einer Bankfiliale zu begleiten, dort jeweils Bargeld von ihren Konten abzuheben und R.               zu übergeben.

6Diese Feststellungen tragen die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten R.               und W.           wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen nicht. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner den Angeklagten R.                 betreffenden Antragsschrift ausgeführt:

„Der Angeklagte hat die Körperverletzung nicht mittels einer Waffe im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen. Zwar hat er eine scharfe Schusswaffe dabeigehabt und die Geschädigte Gr.          damit bedroht, indem er ihr die Waffe vor das Gesicht gehalten hat. Jedoch reicht dies für den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht aus. Denn das Tatmittel muss unmittelbar auf den Körper der geschädigten Person einwirken und dadurch die Körperverletzung herbeiführen (…).

Nach den getroffenen Feststellungen (…) schlug der Angeklagte mehrmals auf die Geschädigte Gr.        ein, drückte sie zu Boden und würgte sie. Damit hat der Angeklagte – anders als der Mitangeklagte W.         im Hinblick auf den Geschädigten Rö.     – die Geschädigte Gr.        gerade nicht mit der Waffe geschlagen. Es kann auch dahinstehen, ob das Vorhalten einer Waffe eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellt, wenn das Opfer z.B. dadurch einen Schock erleidet, welcher geeignet ist, erhebliche Verletzungen (z.B. einen Herzinfarkt) herbeizuführen (…). Die vom Landgericht festgestellten Tatfolgen bei der Geschädigten Gr.         in Form von Übelkeit, Fieber und Schlafproblemen (…) reichen dafür nicht aus.

Es liegt auch keine gemeinschaftliche Begehungsweise nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB vor. Zwar hat der Angeklagte gemeinschaftlich im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB mit dem Mitangeklagten W.        gehandelt, jedoch reicht dies allein für die Verwirklichung von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht aus. Denn die Vorschrift setzt dem Grund der Strafschärfung entsprechend ein einverständliches Zusammenwirken von mindestens zwei Angreifern in dem Sinne voraus, dass diese dem Geschädigten körperlich gegenüberstehen und jener deshalb in seiner Verteidigungsmöglichkeit tatsächlich oder vermeintlich eingeschränkt ist. Dafür kann genügen, dass ein Beteiligter die Wirkung der Körperverletzungshandlung des anderen bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten verschlechtert. An dem erforderlichen Zusammenwirken fehlt es jedoch, wenn sich mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden (vgl. dazu etwa Senat, Beschluss vom – 6 StR 490/23, juris Rn. 7; , juris Rn. 8).

So verhält es sich hier. Das Landgericht hat festgestellt (…), dass sich der Angeklagte nach dem Öffnen der Wohnung zur Geschädigten Gr.       begab und diese schlug und würgte. Der Mitangeklagte W.         schlug währenddessen wiederholt – auch mit der Waffe – auf den Geschädigten Rö.      ein. Anschließend begaben sich die Angeklagten mit den Geschädigten zur Sparkasse. Eine Situation, in welcher beide Angeklagte auf dasselbe Opfer einwirkten und das Opfer dadurch in seiner Verteidigungsmöglichkeit eingeschränkt war, wurde nicht festgestellt.

Durch das Schlagen und Würgen der Geschädigten Gr.        , welche dadurch nicht unerhebliche Schmerzen erlitten hat (…), hat der Angeklagte eine Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB begangen. Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung wird insoweit bejaht (§ 230 Abs. 1 Satz 1 StGB).

Die gefährliche Körperverletzung des Mitangeklagten W.           (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) durch das Schlagen des Geschädigten R.        mit der Waffe (…), ist dem Angeklagten über § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen, da die Angeklagten wussten, dass sie jeweils eine Waffe mitführten und diese auch zum Einsatz kommen sollte (…).

Der Senat wird aufgrund der Gesamtschau der Urteilgründe ausschließen können, dass noch weitere Feststellungen getroffen werden können, welche eine gefährliche Körperverletzung des Angeklagten zum Nachteil der Geschädigten Gr.         begründen würden. Mithin kann der Senat den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst ändern.“

7Diesen, für den Angeklagten W.         entsprechend geltenden Ausführungen vermag sich der Senat nicht zu verschließen. Er ändert die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich die Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

8Die Strafaussprüche bleiben davon unberührt. Das Landgericht hat jeweils nur die tateinheitliche Begehung einer gefährlichen Körperverletzung zu Lasten der Angeklagten R.              und W.           berücksichtigt, nicht jedoch, dass diese zum Nachteil von zwei Geschädigten unter Verwirklichung zweier Varianten begangen wurde. Deshalb kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht auf der Grundlage der geänderten Schuldsprüche einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB angenommen oder auf niedrigere Strafen erkannt hätte.

9b) Die gegen den Angeklagten G.       angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 6.960 Euro hat nur in Höhe von 3.694 Euro Bestand. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass G.         aus den abgeurteilten Betäubungsmittelgeschäften insgesamt 6.960 Euro erlangte. Es hat aber nicht berücksichtigt, dass er auf die Rückgabe eines bei ihm sichergestellten Bargeldbetrages von 3.266 Euro wirksam verzichtet hat, so dass der staatliche Einziehungsanspruch nach § 73c StGB in dieser Höhe erloschen und die Einziehung insoweit ausgeschlossen ist (vgl. , Rn. 7 mwN). Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.

103. Der Senat sieht sich zu folgendem Hinweis veranlasst:

11Es ist nicht sachgerecht, dass das Landgericht die Adhäsionsentscheidung gesondert und unter erneuter Bezeichnung als „Urteil“ zum Gegenstand der Urteilsurkunde gemacht hat; die Adhäsionsentscheidung nach § 406 StPO ist Gegenstand eines einheitlichen Urteils, in dem auch über die Schuld- und Straffrage entschieden wird (vgl. LR-StPO/Wenske, 27. Aufl., § 406 Rn. 28).

Bartel                         Tiemann                         Wenske

          von Schmettau                   Arnoldi

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:070125B6STR481.24.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-85847