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BAG Urteil v. - 2 AZR 275/23

Befristeter Arbeitsvertrag - Probezeitkündigung

Leitsatz

Die Vereinbarung einer Probezeit, die der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses entspricht, ist in der Regel unverhältnismäßig.

Instanzenzug: ArbG Lübeck Az: 4 Ca 1903/22 Versäumnisurteilvorgehend ArbG Lübeck Az: 4 Ca 1903/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Az: 3 Sa 81/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob und gegebenenfalls wann ihr Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung des Beklagten aufgelöst wurde.

2Der Kläger arbeitete auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom beim Beklagten, der ein Autohaus betreibt. Der Vertrag beinhaltet ua. folgende Regelungen:

3Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom zum . Das Kündigungsschreiben wurde von einem Boten am selben Tag gegen 13:00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingelegt.

4Mit seiner rechtzeitig beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt. Die Kündigung sei unwirksam, da im bis zum befristeten Arbeitsvertrag keine Kündigungsmöglichkeit wirksam vereinbart worden sei. Die dort geregelte Probezeit stehe nicht im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit. Der Beklagte habe zudem nicht ordentlich gekündigt, sondern eine Kündigung eigener Art in der Probezeit zum erklärt. Eine hilfsweise Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt habe der Beklagte nicht ausgesprochen, weshalb das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestehe. Die Kündigung sei dem Kläger erst am zugegangen, da er mit einer Zustellung nach 12:00 Uhr nicht habe rechnen müssen.

5Der Kläger hat - soweit in der Revision von Bedeutung - sinngemäß beantragt

6Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

7Am hat das Arbeitsgericht auf entsprechenden Antrag des Beklagten ein klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet, gegen das der Kläger noch am Tag der Zustellung Einspruch eingelegt hat. Das das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er seinen Klageantrag weiter.

Gründe

8Die zulässige Revision des Klägers ist nur teilweise begründet und war im Übrigen zurückzuweisen. Die Kündigung des Beklagten hat das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des aufgelöst. Insoweit war das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern, das Versäumnisurteil teilweise aufzuheben (§ 343 Satz 2 ZPO) und der Klage in diesem Umfang stattzugeben. Im Übrigen war das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten (§ 343 Satz 1 ZPO).

9I. Die Kündigung gilt nicht nach § 7 Halbs. 1 KSchG als rechtswirksam. Der Kläger hat sie mit einer den Anforderungen des § 4 Satz 1 KSchG genügenden Klage angegriffen. Der vom Landesarbeitsgericht keiner Auslegung entsprechend § 133 BGB unterzogene, missverständliche Klageantrag ist nach der gegebenen Klagebegründung dahin zu verstehen, dass sich der Kläger gegen eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche Kündigung an sich wendet und nicht nur gegen eine Beendigung zum . Bei dem auf die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bezogenen Zusatz handelt es sich, mangels näherer Begründung des Klägers hierzu, um ein überflüssiges unselbständiges Anhängsel ohne eigene prozessrechtliche Bedeutung iSv. § 256 Abs. 1 ZPO (vgl.  - Rn. 13).

10II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Beklagte nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung den befristeten Arbeitsvertrag durch eine ordentliche Kündigung beenden konnte. Zwar verstieß die Vereinbarung einer Probezeit von sechs Monaten in dem auf sechs Monate befristeten Arbeitsverhältnis gegen § 15 Abs. 3 TzBfG. Dies lässt aber die in § 1 des Arbeitsvertrags vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche Kündigung (§ 15 Abs. 4 TzBfG) als solche unberührt, sondern führt lediglich dazu, dass der Beklagte dieses nicht mit der kurzen Frist des § 622 Abs. 3 BGB beenden konnte.

111. Die Parteien haben in § 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 des Arbeitsvertrags eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart.

12a) Die Vereinbarung einer Probezeit iSv. § 622 Abs. 3 BGB, § 15 Abs. 3 TzBfG folgt aus der Überschrift von § 1 des Arbeitsvertrags („Beginn des Arbeitsverhältnisses, Probezeit“) und den Formulierungen in § 1 Nr. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags („nach Ablauf der Probezeit“) sowie in § 1 Nr. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrags, wonach das Arbeitsverhältnis „während der Probezeit“ gekündigt werden kann.

13b) Die Dauer der Probezeit ist im Vertragstext zwar nicht ausdrücklich formuliert. In einer Zusammenschau mit der Regelung in § 1 Nr. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags, wonach die Einstellung „zunächst zur Probe bis zum “ erfolgt, ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, dass sich hieraus - neben der Befristung - eindeutig eine Probezeitdauer von sechs Monaten bis zum ergebe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch hier stellt der Kläger lediglich seine Ansicht gegen die des Berufungsgerichts, ohne diesbezügliche Rechtsfehler aufzuzeigen. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Vertragsklausel führt nicht automatisch zu deren Intransparenz (vgl.  - Rn. 30; - 5 AZR 128/22 - Rn. 55, BAGE 179, 9).

142. Die vereinbarte Probezeit von sechs Monaten ist unverhältnismäßig iSv. § 15 Abs. 3 TzBfG und damit unwirksam. Endet das Arbeitsverhältnis durch eine Befristung, darf eine vereinbarte Probezeit jedenfalls ohne Hinzutreten von besonderen Umständen nicht der gesamten Befristungsdauer entsprechen.

15a) Nach der vor Abschluss des Arbeitsvertrags mit Wirkung zum erfolgten Neufassung von § 15 Abs. 3 TzBfG muss eine für ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbarte Probezeit im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Durch die Regelung werden die Vorgaben des entsprechend formulierten Art. 8 Abs. 2 Satz 1 aus Kapitel III („Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen“) der Richtlinie (EU) 2019/1152 (im Folgenden Arbeitsbedingungen-RL) umgesetzt (vgl. BT-Drs. 20/1636 S. 34).

16b) Weder Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen-RL noch § 15 Abs. 3 TzBfG enthalten nach ihrem Wortlaut ausdrückliche Regelungen zur zulässigen absoluten oder relativen Dauer einer Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis. Ein Änderungsantrag im Europäischen Parlament, wonach bei befristeten Arbeitsverträgen mit einer Dauer von weniger als zwölf Monaten die Probezeit höchstens 25 % der erwarteten Vertragsdauer betragen dürfe (EP-Bericht A8-0355/2018 Änderungsantrag Nr. 91), wurde nicht Inhalt der Richtlinie (vgl. APS/Backhaus 7. Aufl. TzBfG § 15 Rn. 15e). Die sich daraus ergebende Unbestimmtheit der unionsrechtlichen Vorgaben hat auch der deutsche Gesetzgeber bei ihrer Umsetzung erkannt, sich aber nicht zu einer näheren Ausgestaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 TzBfG entschließen können (BR-Drs. 154/1/22 S. 4, Plenarprotokoll der 1021. Sitzung des Bundesrats S. 182).

17c) Im Schrifttum wird die Frage des angemessenen Verhältnisses von Befristungsdauer und Probezeit unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine Probezeitdauer von regelmäßig 50 % im Verhältnis zur Befristungsdauer bis hin zu maximal sechs Monaten als angemessen erachtet, wobei im Einzelfall Abweichungen in beide Richtungen aufgrund der Art der Tätigkeit möglich sein sollen (vgl. Becker GWR 2022, 231 f.; BeckOK ArbR/Bayreuther Stand TzBfG § 15 Rn. 13a). Nach anderer Ansicht dürfe eine Probezeit nur 25 % der Befristungsdauer betragen (vgl. Maul-Sartori NZA 2019, 1161, 1167; MüKoBGB/Engshuber 9. Aufl. TzBfG § 15 Rn. 27b; HK-TzBfG/Joussen 7. Aufl. TzBfG § 15 Rn. 53). Teilweise wird angenommen, dass die Höchstdauer der Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen proportional anzupassen sei, wobei die Probezeit in jedem Fall weniger als sechs Monate betragen solle (EuArbRK/Kolbe 5. Aufl. RL (EU) 2019/1152 Art. 8 Rn. 2; Picker/Rathmann RdA 2022, 61, 71; Stiegler DB 2020, 2577, 2580). Ferner wird vertreten, dass jedenfalls bei einer Befristungsdauer von weniger als zwölf Monaten eine Probezeit von sechs Monaten nicht mehr pauschal möglich sei (Bayreuther NZA 2022, 951, 955; HWK/Rennpferdt 11. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 20). Schließlich wird unter Berufung auf die gesetzlichen Wertungen von § 622 Abs. 3 BGB und § 1 Abs. 1 KSchG der Standpunkt eingenommen, eine sechsmonatige Probezeit solle auch im befristeten Arbeitsverhältnis immer angemessen sein (Preis/Schulze NJW 2022, 2297, 2301).

18d) Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, nach welchen Grundsätzen sich das Verhältnis zwischen der Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses und der für dieses vereinbarten Probezeit bestimmt. Es kann insbesondere dahinstehen, ob die Gerichte für Arbeitssachen angesichts der bewusst unbestimmt gehaltenen Ausgestaltung von § 15 Abs. 3 TzBfG berechtigt sind, feste Bezugsgrößen für die maßgeblichen Parameter (Probezeit-/Befristungsdauer) zu bestimmen. Jedenfalls ist nach den normativen Vorgaben ohne Hinzutreten von besonderen Umständen die Vereinbarung einer Probezeit unwirksam, die - wie vorliegend - der gesamten Dauer der vereinbarten Befristung entspricht.

19aa) Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 TzBfG gibt vor, dass die Probezeitdauer „im Verhältnis“ zur Befristungsdauer stehen muss. Das lässt allein eine Auslegung zu, wonach die Probezeit - unabhängig von der Art der Tätigkeit - nur einen Teil der Befristung, nicht aber ihre gesamte Dauer umfassen kann. Eines „Ins-Verhältnis-setzen“ von Probezeitdauer zur Befristungsdauer bedürfte es nicht, wenn beide gleich lang sein könnten.

20bb) Dieses Ergebnis wird durch die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung (vgl.  - [Energotehnica] Rn. 63) insbesondere mit Blick auf die Normsystematik bestätigt. In Art. 8 Abs. 1 der Arbeitsbedingungen-RL ist geregelt, dass die Probezeit generell - auch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis - nicht länger als sechs Monate betragen soll, wobei Art. 8 Abs. 3 der Arbeitsbedingungen-RL für Ausnahmefälle längere Probezeiten ermöglicht, jedoch keine Ausnahmeregelung für das Verhältnis von Probezeit- und Befristungsdauer enthält. Wäre eine solche Probezeit auch in auf diese Dauer befristeten Arbeitsverhältnissen angemessen, hätte es der Regelung des Art. 8 Abs. 2 der Arbeitsbedingungen-RL, wonach die Probezeitdauer im Verhältnis zur erwartbaren Befristungsdauer stehen muss, nicht bedurft. Der Erwägungsgrund 28 der Arbeitsbedingungen-RL, in dem zunächst eine generelle Höchstdauer der Probezeit in zahlreichen Mitgliedstaaten zwischen drei und sechs Monaten referiert wird, und sodann für befristete Arbeitsverhältnisse von unter zwölf Monaten ausdrücklich die Angemessenheit der Probezeit und das Verhältnis zur Befristungsdauer hervorgehoben werden, zeigt umso mehr, dass eine Probezeit kürzer als die Befristungsdauer sein muss.

21cc) Nach Erwägungsgrund 27 der Arbeitsbedingungen-RL gestattet es die Probezeit, den Parteien des Arbeitsverhältnisses zu überprüfen, ob der Arbeitnehmer und die Stelle, für die er eingestellt worden ist, miteinander vereinbar sind, und dem Arbeitnehmer in dieser Zeit zugleich begleitende Hilfe anzubieten. Der Eintritt in den Arbeitsmarkt oder der Übergang auf eine neue Stelle soll nicht mit einer längeren Ungewissheit einhergehen. Wie in der europäischen Säule sozialer Rechte festgelegt, sollen Probezeiten daher eine angemessene Dauer haben.

22dd) Auch der nationale Gesetzgeber ist bei der (inhaltsgleichen) Übernahme des Unionsrechts ersichtlich von keinem anderen Normverständnis ausgegangen. Nach der Gesetzesbegründung setzt § 15 Abs. 3 TzBfG die Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen-RL um (vgl. BT-Drs. 20/1636 S. 34). Von dieser Vorgabe abweichende Regelungen sind damit weder beabsichtigt noch erfolgt.

23ee) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das normative Gebot der Verhältnismäßigkeit von Probezeit- und Befristungsdauer gelte nicht für den „vorliegenden Sonderfall einer Probebefristung mit bereits von Anfang an bestehender vertraglicher Verschränkung mit einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung“, steht nicht in Einklang mit dem Wortlaut von § 15 Abs. 3 TzBfG, seiner Entstehungsgeschichte sowie seinem Normzweck.

24(1) Nach dem insoweit übereinstimmenden Normtext von Unionsrecht und nationalem Recht sowie dem Willen beider Normgeber sind bei der Bestimmung einer zulässigen Probezeit in einem befristeten Arbeitsvertrag als maßgebliche Parameter ausschließlich die vereinbarte Befristungsdauer sowie die Art der Tätigkeit berücksichtigungsfähig. Letzteres Merkmal knüpft - entgegen der Ansicht

des Berufungsgerichts - nicht an Vertragsbedingungen für den Fall einer (ungewissen) Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das Befristungsende hinaus an, sondern nur an die nach dem Vertrag auszuübende Tätigkeit des Arbeitnehmers während der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses.

25(2) Gegen die Möglichkeit, die Probezeit auf die gesamte Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrags zu erstrecken, spricht zudem der Normzweck von § 15 Abs. 3 TzBfG. Beide Vertragsparteien sollen nach einer angemessenen Beschäftigungszeit, in der sie Gelegenheit hatten, die Vereinbarkeit des Arbeitnehmers für die eingenommene Stelle zu erproben, nicht mehr berechtigt sein, das Arbeitsverhältnis mit einer kurzen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist zu beenden. Wenn für ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht nur eine Kündbarkeit, sondern für die Gesamtdauer der Befristung auch eine unter Berufung auf Erprobungsgründe verkürzte Kündigungsfrist vereinbart werden könnte, sähe sich der Arbeitnehmer entgegen der Intention der Norm in besonderer Weise mit der Unsicherheit einer kurzfristigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch vor Ablauf der Befristung ausgesetzt. Dessen ungeachtet verbietet sich ein Gleichlauf einer vereinbarten Probezeit mit der Befristungsdauer auch schon deshalb, weil die Möglichkeit, den Arbeitsvertrag mit einer verkürzten Kündigungsfrist aufzulösen, bei Ausspruch einer Kündigung kurz vor dem Ende der Befristung wegen der einzuhaltenden (Probezeit)Kündigungsfrist ohnehin zu keiner kürzeren Vertragszeit als der vereinbarten Befristung führt.

26(3) Der Senat muss nicht entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Probezeit der Befristungsdauer (weitgehend) entsprechen darf, weil die Anforderungen des Arbeitsplatzes und/oder die besonderen Verhältnisse des einzustellenden Arbeitnehmers eine zuverlässige Beurteilung seiner Eignung in kürzerer Zeit nicht zulassen (vgl. Bayreuther NZA 2022, 951, 954). Solche Tatsachen hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

27(4) Weder das Vorhandensein von vertraglichen Bestimmungen für den Fall der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das Befristungsende hinaus noch die in § 1 Nr. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Regelung, dass das Arbeitsverhältnis bei Fortsetzung nach Ablauf der Probezeit als auf unbestimmte Zeit begründet gilt, ändern etwas daran, dass die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben. Die Regelung in § 1 Nr. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags gibt ohnehin nur die für befristete Arbeitsverhältnisse nach § 15 Abs. 6 TzBfG bestehende Gesetzeslage wieder.

28(5) Eines auf den Streitfall bezogenen Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen-RL bedarf es nicht. Es ist schon nicht ersichtlich oder von den Parteien näher ausgeführt, welche konkrete Frage zur Auslegung des Unionsrechts sich vorliegend entscheidungserheblich stellen könnte. Die Vorgaben in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen-RL lassen den Mitgliedstaaten und deren Gerichten bewusst einen weiten und einzelfallbezogenen Spielraum bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Probezeit- zur Befristungsdauer (vgl.  - [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi] Rn. 48). Unionsrechtliche Rechtspositionen außerhalb der Arbeitsbedingungen-RL, die diesen Raum begrenzen oder erweitern könnten, sind nicht erkennbar.

29e) Die Vereinbarung einer am Maßstab des § 15 Abs. 3 TzBfG zu langen Probezeit lässt die darauf bezogene Vereinbarung entfallen. Sie ist vorliegend nicht auf die zulässige Dauer zu verkürzen. Bei dem von den Parteien verwandten Arbeitsvertragsformular handelt es sich nach den insoweit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB oder jedenfalls um vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (sog. Einmalbedingungen), weshalb eine geltungserhaltende Reduktion der arbeitsvertraglichen Vereinbarung auf das angemessene Maß zu unterbleiben hat (ErfK/Müller-Glöge 25. Aufl. TzBfG § 15 Rn. 12). Dies führt dazu, dass es an den Voraussetzungen für die Anwendung des § 622 Abs. 3 BGB fehlt.

303. Die Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung lässt vorliegend die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses unberührt.

31a) Weder § 15 Abs. 3 TzBfG noch Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen-RL regeln die Rechtsfolgen einer unzulässig langen Probezeitvereinbarung. Allerdings geht der Gesetzgeber nach der zu § 15 Abs. 3 TzBfG gegebenen Begründung davon aus, dass bei einer unverhältnismäßigen Dauer der Probezeit, diese „nicht wirksam vereinbart wurde und damit die verkürzte Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB nicht greift“ (BT-Drs. 20/1636 S. 34). Diese Sichtweise entspricht der mehrheitlich im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Schaub ArbR-HdB/Rennpferdt 20. Aufl. § 38 Rn. 42; ErfK/Müller-Glöge 25. Aufl. TzBfG § 15 Rn. 12; Becker GWR 2022, 231 f.; Preis/Schulze NJW 2022, 2297, 2301). Teilweise wird - unter Verweis auf § 139 BGB - aber auch vertreten, dass die Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung zum Wegfall der Kündbarkeit des Vertrags führt (HK-TzBfG/Joussen 7. Aufl. TzBfG § 15 Rn. 54; BeckOK ArbR/Bayreuther Stand TzBfG § 15 Rn. 13a). Nach einer vermittelnden Auffassung soll die Kündbarkeit jedenfalls dann nicht entfallen, wenn die darauf bezogene Vereinbarung neben der Probezeitabrede getroffen wurde. Vielmehr mache die Vereinbarung der Kündbarkeit für beide Vertragsparteien weiter Sinn, weshalb nicht anzunehmen ist, dass sie nicht ohne die Probezeit vereinbart worden wäre. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 TzBfG lägen aber nicht vor, wenn keine gesonderte Vereinbarung der Kündbarkeit getroffen wurde und sich diese allein aus der Abrede über eine „Probezeit“ durch Auslegung ergeben soll (APS/Backhaus 7. Aufl. TzBfG § 15 Rn. 15g).

32b) Der letztgenannten Auffassung ist zu folgen. Für die Frage, ob bei einer nach § 15 Abs. 3 TzBfG unverhältnismäßigen Probezeitvereinbarung das Recht zur ordentlichen Kündigung während der Befristung (§ 15 Abs. 4 TzBfG) insgesamt entfällt oder ob es mit den längeren gesetzlichen oder vertraglichen Fristen ausgeübt werden kann, kommt es auf die konkrete Ausgestaltung der Vertragsbedingungen an. Ist neben oder in einer Vereinbarung über die Probezeit eine Abrede über die Kündbarkeit getroffen, bleibt deren Wirksamkeit von der Unwirksamkeit einer unverhältnismäßig langen Probezeit unberührt.

33aa) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB) und sein Inhalt richtet sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Eine geltungserhaltende Reduktion von einheitlichen Klauseln auf den zulässigen Inhalt durch die Gerichte findet grundsätzlich nicht statt. Demgegenüber kann eine teilbare Formularklausel mit ihrem zulässigen Teil aufrechterhalten werden. Die Regelungen müssen allerdings nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich trennbar sein. Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils (sog. Blue-pencil-Test) zu ermitteln. Verbleibt nach der Streichung der unwirksamen Teilregelung und des unwirksamen Klauselteils eine verständliche Regelung, behält diese ihre Gültigkeit (vgl.  - Rn. 37 mwN). Die Rechtsfolgen von § 306 BGB kommen nicht nur zur Anwendung, wenn sich die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel aus den §§ 305 ff. BGB selbst ergibt, sondern auch dann, wenn sie gegen sonstige Verbote verstößt (vgl.  - Rn. 18).

34bb) Nach diesen Grundsätzen und angesichts des in der Begründung der Norm zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens (Rn. 31) liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 TzBfG auch bei einer unwirksamen Abrede über die Dauer der Probezeit noch vor, wenn nur eine Kündbarkeit während der vertraglich vorgesehenen Probezeit oder der Dauer des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart ist. Damit ist für einen verständigen Arbeitnehmer ausreichend klargestellt, dass während der Dauer des befristeten Arbeitsvertrags die Möglichkeit seiner vorzeitigen Beendigung durch eine ordentliche Kündigung besteht (vgl.  - Rn. 14 ff.).

35c) Vorliegend haben die Parteien in § 1 Nr. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrags eine von der Vereinbarung in § 1 Nr. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags sprachlich und inhaltlich unabhängige Abrede über die Kündbarkeit während der Befristung getroffen.

364. Das Landesarbeitsgericht hat indes rechtsfehlerhaft (§ 563 Abs. 3 ZPO) angenommen, dass der Beklagte den Arbeitsvertrag mit einer Frist von zwei Wochen gemäß § 622 Abs. 3 BGB kündigen konnte. Eine Kündigung war nur mit der Frist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats möglich.

37a) Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt zwar gemäß § 15 Abs. 4 TzBfG nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist. Nach § 1 Nr. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrags waren beide Parteien aber berechtigt, das Arbeitsverhältnis auch „während der Probezeit“ zu kündigen.

38b) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Beklagte den Arbeitsvertrag ordentlich gekündigt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte keine ordentliche Kündigung iSv. § 15 Abs. 4 TzBfG, sondern - wie der Kläger meint - eine „Kündigung eigener Art in der Probezeit“ ausgesprochen hat, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Hinsichtlich der revisionsrechtlich nur eingeschränkten Nachprüfbarkeit der Auslegung des Kündigungsschreibens (vgl.  - Rn. 16, BAGE 125, 208) zeigt der Kläger keine Rechtsfehler auf, sondern setzt nur seine Meinung gegen die des Landesarbeitsgerichts.

39c) Wegen der Unwirksamkeit der vertraglich vorgesehenen Probezeitvereinbarung konnte die Kündigung mit Schreiben vom das Arbeitsverhältnis nicht zum beenden. Sie kann aber als ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt mit der Frist des § 622 Abs. 1 BGB zum ausgelegt werden, da sich aus ihr ein unbedingter Beendigungswille des Beklagten unter Beachtung der - seiner Ansicht nach zulässigen - vertraglich vereinbarten Fristen und nicht nur ein Wille der Beendigung zum ergibt (vgl.  - Rn. 24 ff., BAGE 116, 336).

405. Angesichts der im vorliegenden Fall anwendbaren Kündigungsfrist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats kommt es auf die vorinstanzlich behandelte Frage, ob die Kündigung dem Kläger am oder erst am Folgetag zugegangen ist, nicht an.

416. Auf andere Gründe, aus denen sich die Kündigung als unwirksam oder zu einem späteren Zeitpunkt als dem wirkend erweisen könnte, hat sich der Kläger nicht berufen.

42III. Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits entsprechend ihrem Obsiegen und Unterliegen verhältnismäßig zu tragen, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis auch nach der vom Kläger vertretenen Auffassung spätestens mit Ablauf der Befristung am geendet hätte. Es bedurfte keiner Entscheidung über die durch die erstinstanzliche Säumnis des Klägers entstandenen Kosten gemäß § 344 ZPO, da diese vom Arbeitsgericht zulasten der Landeskasse niedergeschlagen worden sind.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:051224.U.2AZR275.23.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-85837