Suchen
BFH Urteil v. - III R 28/23

Zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Finanzamts für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags

Leitsatz

NV: Ein Gewerbesteuermessbescheid ist nicht wegen der sachlichen Unzuständigkeit eines Finanzamts (FA) aufzuheben, wenn bei Bezügen zu einem Stadtstaat und einem Flächenstaat für die Messbetragsfestsetzung in beiden Bundesländern (zum Beispiel in Berlin und Brandenburg) das FA zuständig ist; eine örtliche Unzuständigkeit kann in einem solchen Fall gemäß § 127 der Abgabenordnung unbeachtlich sein (Bestätigung der Entscheidungen des , BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751 und vom  - IV B 64/11, BFH/NV 2013, 512).

Gesetze: AO § 16; AO § 17; AO § 22; AO § 26; AO § 127; FVG § 2 Abs. 1 Nr. 4; FVG § 17 Abs. 2 Satz 1; GG Art. 106 Abs. 6; GG Art. 108 Abs. 4

Instanzenzug: ,

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten über den vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA— X) festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag für den Erhebungszeitraum 2014 (Streitjahr), insbesondere bezüglich der Behördenzuständigkeit sowie der Zurechnung und Höhe des Gewerbeertrags.

2 Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zur Insolvenz im Jahr 2004 als Einzelunternehmer tätig. Er erhielt Generalvollmacht für die im Jahr 2005 in das britische Handelsregister eingetragene B Ltd. (Limited), deren Gesellschafter seine Eltern waren. Die Limited betrieb in Berlin im Zuständigkeitsbereich des FA Y ein Gewerbe. Steuerlich wurde die Limited nicht angemeldet. Nach Löschung im britischen Handelsregister im Jahr 2007 wurde sie zunächst unverändert fortgeführt. Im Jahr 2008 gründeten die Eltern des Klägers die F GbR (GbR), die das Unternehmen der Limited weiterführte und für die der Kläger als Handlungsbevollmächtigter auftrat.

3 Im Jahr 2010 erwarb die GbR das Grundstück . in G (Brandenburg). Im Jahr 2014 schloss der Kläger mit seinen Eltern einen Notarvertrag zur Regelung der Vermögensnachfolge über den Erwerb der GbR. Infolgedessen wurde der Kläger als Eigentümer des Grundstücks in G im Grundbuch eingetragen. Ab dem Streitjahr führte er das Unternehmen als Einzelunternehmer zunächst in Berlin fort. Seit dem Jahr 2015 ist der Kläger in G gemeldet, später meldete er dorthin auch sein Gewerbe um.

4 Die Veranlagung des Klägers zur Umsatzsteuer und Gewerbesteuer sowie zusammen mit seiner damaligen Ehefrau zur Einkommensteuer war durch das FA Z erfolgt. Zu einem Zuständigkeitswechsel kam es wegen der Zusammenveranlagung mit der weiterhin in Z wohnhaften Ehefrau und des vorerst beibehaltenen Betriebssitzes in Berlin zunächst nicht.

5 Im Jahr 2016 führte das FA Z beim Kläger eine Außenprüfung unter anderem für das Streitjahr durch. Anlass waren vorangegangene Strafverfahren. Im ersten Strafverfahren war der Kläger durch einen Strafbefehl unter anderem wegen Hinterziehung der Gewerbesteuer für den Zeitraum . als Verantwortlicher der Limited und für . als Einzelunternehmer des Gewerbes verurteilt worden. Im zweiten Strafverfahren war er wegen Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerhinterziehung verurteilt worden, in der Berufungsinstanz stellte das Landgericht das Verfahren wegen Gewerbesteuerhinterziehung 2008 gemäß § 154 der Strafprozessordnung und das Verfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung 2008 wegen Verjährung ein; wegen Umsatzsteuerhinterziehung für . wurde der Kläger verurteilt.

6 Im Rahmen der Außenprüfung legte der Kläger erstmals eine Einnahmenüberschussrechnung für das Streitjahr vor (einheitlich für sämtliche Tätigkeiten). Laut Prüfungsbericht führte die Prüfung im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass dem Kläger Einnahmen aus dem Gewerbe für das gesamte Streitjahr und auch insoweit zuzurechnen seien, als die Kundenzahlungen auf . entfallen sollten. Ferner seien zahlreiche weitere Betriebsausgaben nicht anzuerkennen, insbesondere für das Grundstück in G.

7 Mit Bescheid vom änderte das FA Z die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung. Der Kläger legte Einspruch ein und legte zur Begründung eine geänderte Einnahmenüberschussrechnung vor. Ferner stützte er sich insbesondere darauf, dass er im Rahmen des . allein als Vermittler tätig geworden sei, weshalb ihm nur die Provisionen (. %) zuzurechnen seien.

8 Vor dem Hintergrund der Verlegung des Betriebssitzes nach G änderte nunmehr das FA X mit Bescheid vom die Gewerbesteuermessbetrag-Festsetzung für das Streitjahr und berücksichtigte hierbei einen geminderten Gewinn aus Gewerbebetrieb. Dieser Bescheid wurde zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Mit der Einspruchsentscheidung vom setzte das FA X den Gewerbesteuermessbetrag noch einmal herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

9 Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg gab der Klage durch das in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2024, 998 veröffentlichte Urteil vom  - 15 K 1216/19 statt. Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2014 sei aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. Der Bescheid sei aufzuheben, da er durch die sachlich unzuständige Behörde erlassen worden sei.

10 Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA X die Verletzung von Bundesrecht.

11 Das FA X beantragt,

das aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise dieses Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

12 Der Kläger ist nicht vertreten.

Gründe

II.

13 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und mangels Spruchreife zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

14 1. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der streitgegenständliche Gewerbesteuermessbescheid rechtswidrig und deshalb aufzuheben sei, weil er durch die sachlich unzuständige Behörde erlassen worden sei. Die sachliche Zuständigkeit des FA X lag vielmehr vor.

15 a) Die sachliche Zuständigkeit beschreibt gegenständlich den Tätigkeitsbereich einer Behörde, also die Zuordnung einer bestimmten Aufgabe des materiellen Sachrechts an eine Verwaltungseinheit (Senatsurteil vom  - III R 36/19, BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712, Rz 21, m.w.N.). Eine Behörde darf nur im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeit tätig werden (, BFHE 154, 304, BStBl II 1989, 3; Senatsurteil vom  - III R 36/19, BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712, Rz 21 f., m.w.N. auch zur Bedeutung). Gemäß § 16 der Abgabenordnung (AO) richtet sich die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Finanzverwaltungsgesetz (FVG). Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 FVG sind die Finanzämter als örtliche Landesbehörden im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 FVG —abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen— für die Verwaltung der Steuern (sachlich) zuständig, soweit die Verwaltung nicht auf Grund des Art. 108 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 des Grundgesetzes (GG) den Bundesfinanzbehörden oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen worden ist.

16 Für die den Gemeinden (Gemeindeverbänden) allein zufließenden Steuern, wie zum Beispiel die Gewerbesteuer (Art. 106 Abs. 6 GG), kann die den Landesfinanzbehörden (Finanzämtern) zustehende Verwaltung durch die Länder gemäß Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG ganz oder zum Teil den Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen werden. Die (partielle) Übertragung der sachlichen Zuständigkeit besteht im Bereich der Gewerbesteuer in den meisten Bundesländern für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer (vgl. Krumm in Tipke/Kruse, § 17 FVG Rz 4 i.V.m. § 1 AO Rz 44, mit Nachweisen zum Landesrecht der Flächenstaaten; vgl. auch § 1 Abs. 2 AO). So erfolgte in Brandenburg durch § 1 Abs. 1 des Realsteuerverwaltungsübertragungsgesetzes (RealStÜG) unter anderem die Übertragung der Zuständigkeit für die Festsetzung der Gewerbesteuer auf die Gemeinden. Gemäß § 1 Abs. 2 RealStÜG kann das FA für die Bekanntgabe der in seiner Zuständigkeit verbliebenen Steuermessbescheide die Hilfe der hebeberechtigten Gemeinden in Anspruch nehmen.

17 Soweit der Landesgesetzgeber die Verwaltungskompetenz in diesem Sinne nur partiell auf die Gemeinden überträgt, verbleibt die sachliche Zuständigkeit für die übrigen Verwaltungsaufgaben (zum Beispiel die Ermittlung des Gewerbeertrags und die Festsetzung und Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags) bei den Finanzämtern als Landesfinanzbehörden (vgl. Krumm in Tipke/Kruse, § 1 AO Rz 44; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 1 AO Rz 65). Während für die Festsetzung der Gewerbesteuer in diesen Fällen die Gemeinden sachlich zuständig sind, liegt die sachliche Zuständigkeit für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags bei den Finanzämtern.

18 b) Die örtliche Zuständigkeit ist die Kompetenz, in einem räumlich begrenzten Wirkungsbereich (Bezirk) tätig werden zu dürfen und zu müssen. Aus den Regelungen hierzu folgt, welche von mehreren sachlich zuständigen Behörden derselben hierarchischen Stufe die Verwaltungstätigkeit durchzuführen hat (vgl. Senatsurteil vom  - III R 36/19, BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712, Rz 23). Soweit nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit gemäß § 17 AO nach den §§ 18 ff. AO (vgl. § 18 AO zu gesonderten Feststellungen und § 22 AO zu den Realsteuern wie die Gewerbesteuer, § 3 Abs. 2 AO; zum Zuständigkeitswechsel § 26 AO).

19 Nach § 127 AO, der auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten ist, kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Von vornherein nicht anwendbar ist die Vorschrift des § 127 AO —wovon auch das FG zutreffend ausgegangen ist— im Fall einer Verletzung der sachlichen Zuständigkeit, ein diesbezüglicher Verfahrensfehler ist stets beachtlich (, BFH/NV 2012, 1411, Rz 13; vom  - III R 36/19, BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712, Rz 44; vom  - III R 2/22, BFHE 279, 20, BStBl II 2023, 626, Rz 28).

20 c) Im Hinblick auf Gewerbesteuermessbescheide hatte der (BFHE 142, 544, BStBl II 1985, 607) entschieden, dass das FG verpflichtet sei, den von einem örtlich unzuständigen FA erlassenen Gewerbesteuermessbescheid ersatzlos aufzuheben. Begründet wurde dies mit der Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids für den Gewerbesteuerbescheid (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO, vgl. § 184 Abs. 3 AO zur Mitteilung an die für die Steuerfestsetzung zuständige Gemeinde).

21 Durch das Urteil vom  - I R 88/02 (BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751) hat der BFH diese Rechtsprechung jedoch ausdrücklich aufgegeben und erklärt, dass er an seiner früheren Rechtsprechung nicht mehr festhalte. Das Gesetz unterscheide zwischen Messbetrags- und Zuteilungsverfahren (§ 184 und § 190 AO). Die Bestimmung der hebeberechtigten Gemeinde sei regelmäßig nicht Bestandteil des Gewerbesteuermessbescheids, sondern eigenständig als materiell-rechtliche Voraussetzung beim Erlass des Gewerbesteuerbescheids zu prüfen. Anders verhalte es sich nur bei Vorliegen eines Zuteilungsbescheids nach § 190 AO; auch dann beschränke sich die Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids aber auf die Entscheidung über die persönliche und sachliche Steuerpflicht. Die Hebeberechtigung werde nicht von der Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids erfasst (, BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751, Rz 21 f.).

22 Dass mit der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags nicht über die Frage der Steuerberechtigung (Hebeberechtigung) entschieden wird, hat der BFH in jüngerer Zeit unter anderem unter Berufung auf das (BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751) bekräftigt (vgl. , BFH/NV 2023, 1206, m. Anm. Graw, juris PraxisReport Steuerrecht 39/2023 Anm. 1).

23 Ebenfalls unter Berufung auf dieses Urteil hat der BFH anlässlich der Zurückverweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des FG Berlin-Brandenburg außerdem bereits bestätigt, dass die Aufhebung eines Gewerbesteuermessbescheids gemäß § 127 AO nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil dieser unter Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist (, BFH/NV 2013, 512). Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Rechtsprechungsgrundsätze nicht auch dann gelten sollten, wenn in Stadtstaaten wie Berlin die Finanzämter nicht nur für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, sondern auch für die Festsetzung der Gewerbesteuer zuständig seien. Auch in diesem Fall handle es sich bei dem Gewerbesteuermessbescheid und dem Gewerbesteuerbescheid um zwei selbständige Verwaltungsakte. Die Bestimmung des Steuergläubigers (der hebeberechtigten Gemeinde) als materiell-rechtliche Voraussetzung sei daher eigenständig beim Erlass des Gewerbesteuerbescheids zu prüfen und bei Bedarf in einem gegen diesen Bescheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahren zu klären, sofern sie nicht Gegenstand eines Zuteilungsbescheids (§ 190 AO) oder Zerlegungsbescheids (§ 188 AO) sei. Dem vom FG erwogenen Aspekt einer „Verknüpfung von Sachnähe und sachlicher Zuständigkeit“ maß der BFH keine Bedeutung zu.

24 d) Die Kommentarliteratur teilt überwiegend die Auffassung des BFH (vgl. BeckOK AO/Füssenich, 29. Ed. , AO § 127 Rz 36.1; Koenig/Vorbeck, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 127 Rz 15; Klein/Ratschow, AO, 18. Aufl., § 127 Rz 8; Rozek in HHSp, § 127 AO Rz 32; Seer in Tipke/Kruse, § 127 AO Rz 10 f.; kritisch von Wedelstädt in Gosch, AO § 127 Rz 12.1; a.A. Frotscher in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 127 AO Rz 10).

25 2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht entschieden, dass das FA X im Streitfall für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags sachlich unzuständig gewesen sei. Dies trifft nicht zu und lässt sich auch nicht mit den vom FG angeführten BFH-Entscheidungen begründen. Denn anders als bei der Festsetzung der Gewerbesteuer liegt die sachliche Zuständigkeit für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags sowohl in Brandenburg als auch in Berlin bei den Finanzämtern. Erst auf der Ebene der Steuerfestsetzung (Folgebescheid) fällt die sachliche Zuständigkeit in dem Sinne auseinander, dass in Brandenburg die Gemeinden, in Berlin hingegen die Finanzämter für die Gewerbesteuerfestsetzung zuständig sind.

26 a) In dem vom FG zitierten Senatsbeschluss vom  - III S 12/15 (BFH/NV 2015, 1421) hatte der Senat gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 FGO zu bestimmen, ob das Niedersächsische FG oder das FG Bremen zuständig war. Mit Blick auf die Gewerbesteuer stellte der Senat fest, dass der Stadtstaat Bremen die Zuständigkeit für die Verwaltung der Gewerbesteuer nicht nach Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG den Gemeinden (Städte Bremen und Bremerhaven) übertragen hat, sondern die Landesfinanzbehörden (Finanzämter) dort auch für die Gewerbesteuer zuständig sind. Vor diesem Hintergrund führte der Senat aus, dass im Fall der Betriebsverlegung nach Niedersachsen die Gewerbesteuer-Zuständigkeit auf die dort belegene hebeberechtigte Gemeinde übergegangen wäre und dass sich insoweit jedenfalls auch die sachliche Zuständigkeit geändert hätte. Diese Aussage zur sachlichen Zuständigkeit bezog sich auf die Gewerbesteuer, nicht auf den Gewerbesteuermessbetrag (die vom FG zitierte Fundstelle Klein/Rätke, AO, 16. Aufl., § 22 Rz 3 ist insofern etwas irreführend). Unzutreffend ist aus diesem Grund die vom FG aus dem Senatsbeschluss vom  - III S 12/15 (BFH/NV 2015, 1421) abgeleitete Schlussfolgerung, dass bei einer Verlegung des Betriebssitzes wie im Streitfall (das heißt von einem Stadtstaat mit FA-Zuständigkeit für die Gewerbesteuerfestsetzung in einen Flächenstaat mit Gemeinde-Zuständigkeit für die Gewerbesteuerfestsetzung) die Anknüpfung des Gewerbesteuermessbetrags an den Betriebssitz nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit tangiere.

27 b) Das vom FG zitierte (BFH/NV 2015, 468) betrifft die gesonderte Gewinnfeststellung gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO und die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 AO geregelte Zuständigkeit des Tätigkeitsfinanzamts bei Einkünften aus selbständiger Arbeit (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO zur Zuständigkeit des Betriebsfinanzamts bei gewerblichen Betrieben). Dem Urteil ist jedoch keine Aussage zur örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zu entnehmen. Angesichts der insoweit einschlägigen, in der Vorentscheidung übergangenen BFH-Rechtsprechung (vgl. oben II.1.c) ist das BFH-Urteil I R 71/13 nicht auf den Gewerbesteuermessbetrag zu erstrecken. Der diesem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt war zudem dadurch gekennzeichnet, dass der erforderliche Grundlagenbescheid des Tätigkeits- beziehungsweise Betriebsfinanzamts (gesonderte Gewinnfeststellung) unterblieben war.

28 c) Auch die vom FG angestellten Erwägungen zur „Verknüpfung von Sachnähe und sachlicher Zuständigkeit“ sowie „zur verwaltungsorganisatorischen Dimension der Betriebsverlegung“ tragen im Streitfall nicht die Unanwendbarkeit des § 127 AO, da sowohl in Berlin als auch in Brandenburg für den Erlass der Gewerbesteuermessbescheide die Finanzämter sachlich zuständig sind und es an einer Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids für die Bestimmung des Steuergläubigers fehlt.

29 3. Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags unter Verletzung der Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit zustande gekommen sei. Die Vorentscheidung ist aus diesem Grund aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Sie ist nicht spruchreif, da das FG —auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung konsequent— keine Feststellungen zu dem für die Beurteilung relevanten Sachverhalt getroffen hat (zum Beispiel zur Höhe des Gewerbeertrags, zur Zurechnung ab dem und zur Einkünfteerzielungsabsicht für das Grundstück in N). Die für die Entscheidung erforderlichen Feststellungen lassen sich auch nicht aus den im FG-Urteil in Bezug genommenen Dokumenten herleiten (Notarvertrag vom und Prüfungsbericht vom ). Dem FG wird aufgegeben, sie im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

30 4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:U.071124.IIIR28.23.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-85729