Arbeitsrecht | Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde wegen unzureichender Beachtung der Tarifautonomie bei tariflichen Nachtzuschlägen (BVerfG)
Das BVerfG hat den
Verfassungsbeschwerden zweier Arbeitgeberinnen stattgegeben, die sich
insbesondere gegen die gerichtlich zuerkannte Zahlung höherer als der tariflich
vereinbarten Nachtzuschläge wenden, und die Verfassungsbeschwerden der Verbände
verworfen, die die betroffenen Tarifnormen vereinbart hatten (; veröffentlicht am
).
Sachverhalt: Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen zwei Urteile des BAG. Dieses verurteilte die beschwerdeführenden verbandsangehörigen Arbeitgeberinnen jeweils zur Zahlung höherer als tarifvertraglich vereinbarter Zuschläge an die in Nachtschichtarbeit beschäftigten Kläger der Ausgangsverfahren. Die differenzierenden Nachtarbeitszuschlagsregelungen seien mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und die tariflichen Zuschlagsregelungen in der Folge „nach oben anzupassen“. Die Verbände, deren Tarifnormen für mit der Verfassung unvereinbar befunden wurden, waren im Verfahren vor den Arbeitsgerichten nicht beteiligt.
Der gegen diese Entscheidungen gerichtete Verfassungsbeschwerde der Arbeitgeberinnen wurde stattgegeben:
Die Verfassungsbeschwerden der Verbände gegen diese Entscheidungen sind unzulässig.
Die Entscheidungen des BAG verletzen aber die beschwerdeführenden Arbeitgeberinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG.
Die Auslegung des BAG, wonach die tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen über die Nachtschichtarbeit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar seien und auf Rechtsfolgenebene die Zuschlagsregelungen zur Nachtarbeit Anwendung fänden („Anpassung nach oben“), berücksichtigt die Koalitionsfreiheit nicht in verfassungsrechtlich zutreffender Weise.
Zwar müssen die in kollektiver Privatautonomie handelnden Tarifvertragsparteien bei der Tarifnormsetzung den Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG beachten. Bei der Prüfung der Tarifverträge hat das BAG aber die Bedeutung der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 GG für die Reichweite dieser Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG wie auch für die Folgen seiner Verletzung nicht ausreichend beachtet.
Bei Tarifnormen, deren Gehalte im Kernbereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen liegen und bei denen spezifische Schutzbedarfe nicht erkennbar sind, ist die gerichtliche Kontrolle am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG angesichts der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Spielräume der Tarifvertragsparteien auf eine Willkürkontrolle beschränkt.
Die und v. – 10 AZR 600/20 wurden aufgehoben und die Sachen an das BAG zurückverwiesen.
Weitere Informationen zum Verfahren können Sie der ausführlichen Pressemitteilung des BVerfG sowie dem Entscheidungsvolltext entnehmen.
Quelle: BVerfG, Pressemitteilung Nr. 17/2025 v. (lb)
Fundstelle(n):
PAAAJ-85694