Leitsatz
Beamte sind aufgrund des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses verpflichtet, Besoldungsmitteilungen bei wesentlichen Änderungen der dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und dem Dienstherrn Überzahlungen anzuzeigen.
Ein Verstoß gegen diese Prüf- oder Anzeigepflicht ist nur bei Vorsatz disziplinarwürdig.
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein Az: 14 LB 2/23 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Az: 17 A 7/20 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung.
2Die Klägerin ist seit 2002 Lehrerin im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. Seit November 2007 ist sie im Krankenhausunterricht an der Klinik ... des ...klinikums Schleswig-Holstein tätig, das seit Januar 2012 an das Förderzentrum einer Schule angebunden ist. Zuletzt ist sie mit Wirkung vom zur Sekundarschullehrkraft mit dem Schwerpunkt Sekundarstufe I (BesGr. A 13 LBesO SH) ernannt worden.
3In der Zeit vom bis zum erhöhte sich der Beschäftigungsumfang der Klägerin vorübergehend um wöchentlich vier auf 25/27 Unterrichtsstunden. Dementsprechend erhielt die Klägerin für die Zeit ab Februar 2016 erhöhte Besoldungsleistungen. (Erst) Im Mai 2018 stellte das Dienstleistungszentrum Personal des Landes Schleswig-Holstein (DLZP) fest, dass die Klägerin aufgrund eines internen Buchungsfehlers auch für den Zeitraum ab dem bis zum monatlich wiederkehrend Dienstbezüge für einen Beschäftigungsumfang von 25 Unterrichtsstunden erhalten hatte und es hierdurch zu einer Überzahlung von 16 338,90 € brutto gekommen war. Daraufhin erließ das DLZP der Klägerin mit Bescheid vom aus Billigkeitsgründen ca. ein Drittel der überzahlten Bezüge und forderte sie zur Rückzahlung von 10 892,60 € auf. Der Rückforderungsbetrag wird seitdem anteilig von den Dienstbezügen der Klägerin einbehalten.
4Mit Disziplinarverfügung vom sprach der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Verweis aus, weil diese die Überzahlung nicht angezeigt habe. Auf die von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom die Disziplinarverfügung aufgehoben. Mit Urteil vom hat das Berufungsgericht auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihre Dienstpflichten grob fahrlässig und damit schuldhaft verletzt, weil sie ihre Dienstbezüge nach Reduzierung des Beschäftigungsumfangs nicht auf Überzahlungen überprüft habe. Blieben Besoldungsmitteilungen trotz besoldungsrelevanter Änderungen aus, träfen den Beamten Erkundigungspflichten.
5Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin wie bereits zuvor geltend, die Besoldungsmitteilungen nicht erhalten zu haben. Überdies sei sie zur Überprüfung von Besoldungsmitteilungen oder Dienstbezügen nicht verpflichtet; eine Rechtsgrundlage für eine entsprechende Dienstpflicht fehle. Außerdem erschwerten regelmäßige Änderungen der Besoldungshöhe die Überprüfbarkeit von Besoldungsmitteilungen.
6Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom zurückzuweisen.
7Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gründe
8Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt § 133 BGB und § 6 Satz 1 des Landesdisziplinargesetzes Schleswig-Holstein (LDG SH) i. d. F. der Bekanntmachung vom (GVOBl. S. 154). Bei den Vorschriften des Landesdisziplinargesetzes handelt es sich um spezifische beamtenrechtliche Vorschriften des Landesrechts i. S. d. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG i. V. m. § 127 Nr. 2 BRRG ( 2 C 12.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 53 Rn. 10, vom - 2 C 21.19 - BVerwG 168, 74 Rn. 13 und vom - 2 C 9.21 - BVerwG 174, 273 Rn. 21). Das Oberverwaltungsgericht hat den von dem Beklagten gegenüber der Klägerin erhobenen disziplinarischen Vorwurf unter Verstoß gegen revisibles Recht ausgetauscht (1.). Die Entscheidung stellt sich auch nicht i. S. d. § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar (2.).
91. Der vom Berufungsgericht zum Ausgangspunkt seiner Würdigung gemachte Vorwurf, die Klägerin habe im Zeitraum von Juli 2016 bis Juni 2018 ihre Besoldungsmitteilungen und Dienstbezüge nicht kontrolliert und deshalb Überzahlungen der auszahlenden Stelle nicht festgestellt, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung der Disziplinarverfügung des Beklagten vom , die den sich aus § 133 BGB ergebenden Anforderungen nicht genügt und gegen § 6 Satz 1 LDG SH verstößt.
10a) Die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen im Wege der Auslegung gilt revisionsrechtlich als Tatsachenfeststellung i. S. d. § 137 Abs. 2 VwGO. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht an den vom Tatsachengericht festgestellten Erklärungsinhalt gebunden, wenn dieses Gericht sein Ergebnis rechtsfehlerfrei begründet hat. Die Bindung tritt aber nicht ein, wenn die Auslegung auf einer unvollständigen Würdigung der festgestellten Tatsachen, einem Rechtsirrtum, einem Verstoß gegen eine Auslegungsregel oder einem Verstoß gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz oder ein Denkgesetz beruht. In diesem Rahmen unterliegt eine vorinstanzliche Auslegung von Willenserklärungen der revisionsgerichtlichen Nachprüfung und ist dem Revisionsgericht eine eigene Auslegung nicht verwehrt (stRspr, vgl. 2 C 86.08 - BVerwGE 137, 138 Rn. 14, vom - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 14, vom - 2 C 65.11 - Buchholz 237.8 § 59 RhPLBG Nr. 1 Rn. 16, vom - 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 15 und vom - 2 C 20.19 - BVerwGE 168, 236 Rn. 41).
11Nach der Auslegungsregel des § 133 BGB, die auf öffentlich-rechtliche Erklärungen und demzufolge auch auf Verwaltungsakte Anwendung findet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 6.16 - juris Rn. 9 und vom - 7 B 6.21 - juris Rn. 9), ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es kommt darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (stRspr, 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 15 und vom - 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 16; Beschluss vom - 2 B 42.22 - juris Rn. 19).
12b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Disziplinarverfügung vom genügt in Anbetracht der Regelung des § 6 Satz 1 LDG SH nicht den sich aus § 133 BGB ergebenden Anforderungen.
13Nach § 6 Satz 1 LDG SH ist der Verweis der schriftliche Tadel eines bestimmten Verhaltens des Beamten. Das "bestimmte Verhalten" wird durch den Dienstherrn festgelegt, der die Disziplinarverfügung erlässt und hierbei - anders als bei der Disziplinarklage (vgl. § 34 und § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG SH i. V. m. § 60 Abs. 1 Satz 1 des Bundesdisziplinargesetzes [- BDG a. F. -] i. d. F. der Bekanntmachung vom [BGBl. I S. 1510]) - die angemessene Disziplinarmaßnahme selbst bestimmt (vgl. § 33 LDG SH). Die Disziplinarverfügung ist mithin unmittelbare Grundlage für die Sanktionierung des pflichtwidrigen Verhaltens des Beamten (vgl. 2 C 18.23 - juris). Bezogen auf Disziplinarklagen hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden dürfen, die dem Beamten in der Klage (oder der Nachtragsdisziplinarklage) als Dienstvergehen zur Last gelegt werden (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG SH i. V. m. § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG a. F.). Hierdurch soll u. a. gewährleistet werden, dass sich der Beamte gegen die gegen ihn erhobenen disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann (vgl. 2 B 12.22 - juris Rn. 8). Es liegt auf der Hand, dass bei Disziplinarverfügungen nichts anderes gelten kann. Das Gericht hat folglich bei der Prüfung von Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG SH i. V. m. § 60 Abs. 3 BDG a. F.) das vom Dienstherrn dem Beamten zum Vorwurf gemachte "bestimmte Verhalten" zum Gegenstand seiner rechtlichen Würdigung zu machen, sofern es dieses als erwiesen ansieht.
14Das der Klägerin in der Disziplinarverfügung vorgeworfene und durch einen eingerückten Absatz optisch kenntlich gemachte "bestimmte Verhalten" besteht darin, dass diese "die offensichtliche monatliche Überzahlung [i]hrer Dienstbezüge" nicht gegenüber den zuständigen Stellen angezeigt hat (vgl. Disziplinarverfügung vom , S. 2 und 5). Im Gegensatz hierzu hat das Berufungsgericht der Disziplinarverfügung den Vorwurf entnommen, die Klägerin habe im Zeitraum von Juli 2016 bis Juni 2018 ihre Besoldungsmitteilungen und Dienstbezüge nicht kontrolliert und deshalb Überzahlungen der auszahlenden Stelle nicht festgestellt. Dieser Erklärungsinhalt kann der Disziplinarverfügung nicht entnommen werden. Die unterbliebene Überprüfung von Besoldungsmitteilungen und Dienstbezügen ist dort lediglich ein Begründungselement.
152. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar setzt die disziplinare Ahndung einer Dienstpflichtverletzung nicht deren ausdrückliche gesetzliche Normierung voraus (a). Auch sind Beamte verpflichtet, eine Überzahlung von Besoldungsleistungen gegenüber dem Dienstherrn anzuzeigen (b). Ein Verstoß hiergegen ist jedoch nur bei Vorsatz disziplinarwürdig (c). Die angegriffene Disziplinarverfügung stellt sich vor diesem Hintergrund als rechtswidrig dar und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil der Klägerin der Vorwurf vorsätzlichen Handelns nicht gemacht werden kann (d).
16a) Die disziplinare Ahndung eines Verstoßes gegen die einen Beamten treffenden Dienstpflichten steht nicht unter dem Vorbehalt ihrer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung.
17Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die disziplinare Ahndung der schuldhaften Verletzung von nur über Generalklauseln - hier § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (s. auch § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) - erfassten Dienstpflichten mit einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarstrafen auch unter Anlegung des strengen Maßstabs des Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden, weil eine vollständige Aufzählung der mit einem Beruf verbundenen Pflichten nicht möglich und in der Regel auch nicht nötig ist; denn es handelt sich um Normen, die nur den Kreis der Berufsangehörigen betreffen, sich aus der ihnen gestellten Aufgabe ergeben und daher für sie im Allgemeinen leicht erkennbar sind (vgl. - BVerfGE 26, 186 <203 f.>; - BVerfGK 13, 531 Rn. 24; s. auch BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 34.20 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 80 Rn. 17 und vom - 2 B 66.20 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 83 Rn. 50).
18b) Zu diesen Dienstpflichten des Beamten zählt es, eine Überzahlung von Besoldungsleistungen gegenüber dem Dienstherrn anzuzeigen. Dem liegt die Verpflichtung zugrunde, Besoldungsmitteilungen anlassbezogen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (aa). Erhält der Beamte trotz besoldungsrelevanter Änderungen keine Besoldungsmitteilungen (bb) oder ist die Besoldungshöhe offenkundig fehlerhaft (cc), treffen den Beamten Erkundigungs- und Anzeigepflichten.
19aa) Das Beamtenverhältnis ist ein verfassungsrechtlich verankertes (Art. 33 Abs. 4 und 5 GG) und wechselseitig bindendes besonderes Dienst- und Treueverhältnis (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <346 ff.> und vom - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384>; 2 C 19.17 - BVerwGE 162, 253 Rn. 29). Hieraus ergibt sich die Dienstpflicht des Beamten, Besoldungsmitteilungen bei wesentlichen Änderungen der dienstlichen (z. B. Beschäftigungsumfang) oder persönlichen (z. B. Personenstand) Verhältnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und Überzahlungen gegenüber dem Dienstherrn anzuzeigen.
20Dabei ist von jedem Beamten zu erwarten, dass er die Grundprinzipien des Beamtenrechts, sein eigenes statusrechtliches Amt nebst besoldungsrechtlicher Einstufung und Beschäftigungsumfang sowie die ihm zustehenden Besoldungsbestandteile wie Grundgehalt, Familienzuschlag und sonstige ihm dem Grunde nach zustehende besoldungsrechtliche Zulagen kennt. Von juristisch vorgebildeten oder mit Besoldungsfragen befassten Beamten sind ausgehend von den Umständen des Einzelfalls weitergehende Kenntnisse zu erwarten (vgl. 2 A 5.03 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 31 S. 19 und vom - 2 C 7.19 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 38 Rn. 17).
21bb) Aus dem beamtenrechtlichen Treueverhältnis resultiert zugleich die Dienstpflicht des Beamten, sich beim Dienstherrn nach dem Verbleib von Besoldungsmitteilungen zu erkundigen, wenn diese trotz besoldungsrelevanter Änderungen in den dienstlichen oder persönlichen Verhältnissen ausbleiben. Denn nur so kann der Beamte seiner anlassbezogenen Überprüfungspflicht genügen.
22cc) Unabhängig vom Vorliegen besoldungsrelevanter Änderungen in den dienstlichen und persönlichen Verhältnissen treffen den Beamten - wie vom Beklagten angenommen - Erkundigungs- und Anzeigepflichten, wenn die Höhe der ausgezahlten Besoldung offenkundig fehlerhaft ist. Eine Offenkundigkeit wird in der Regel zu bejahen sein, wenn eine Abweichung von mindestens 20 % über dem zu beanspruchenden Besoldungsniveau vorliegt (vgl. 16a DZ 12.433 - juris Rn. 6).
23c) Ein Verstoß gegen vorgenannte Dienstpflichten hat jedoch nur bei Vorsatz disziplinarrechtliche Relevanz.
24Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 LDG SH findet das Landesdisziplinargesetz Anwendung auf die von Beamten während ihres Beamtenverhältnisses begangenen Dienstvergehen. Der Zweck des Disziplinarrechts besteht darin, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und das Ansehen des öffentlichen Dienstes aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen. Daher werden Disziplinarmaßnahmen im Unterschied zu Kriminalstrafen nicht verhängt, um begangenes Unrecht zu vergelten. Vielmehr sollen Disziplinarmaßnahmen, die - wie der hier in Rede stehende Verweis - durch Disziplinarverfügung ausgesprochen werden, den aktiven Beamten die Bedeutung der verletzten Dienstpflichten für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung vor Augen führen und sie dazu anhalten, sich künftig pflichtgemäß zu verhalten. Sie sind darauf gerichtet, den ordnungsgemäßen Betrieb der öffentlichen Verwaltung sicherzustellen und weitere Funktions- oder Ansehensbeeinträchtigungen zu vermeiden (vgl. 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f. m. w. N.).
25Der von § 2 Abs. 1 Nr. 1 LDG SH in Bezug genommene § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sieht vor, dass Beamte ein Dienstvergehen begehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Dienstvergehen setzt deshalb voraus, dass der Beamte gegen die Dienstpflicht vorsätzlich oder fahrlässig verstoßen hat (vgl. 2 C 17.15 - BVerwGE 156, 159 Rn. 15; Beschlüsse vom - 2 B 31.12 - juris Rn. 5 und vom - 2 B 60.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 15).
26Im Hinblick auf die Disziplinarwürdigkeit eines Verstoßes gegen die Dienstpflicht, dem Dienstherrn überzahlte Besoldungsleistungen anzuzeigen, ist zu berücksichtigen, dass der Landesgesetzgeber mit § 15 Abs. 2 des Gesetzes des Landes Schleswig-Holstein über die Besoldung der Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter (Besoldungsgesetz Schleswig-Holstein - SHBesG) i. d. F. der Bekanntmachung vom (GVOBl. S. 153) die Rückforderung überzahlter Bezüge geregelt und den Beamten einer verschärften Haftung unterworfen hat. Dies wirkt einer Funktions- oder Ansehensbeeinträchtigung des öffentlichen Dienstes bereits entgegen. Die Dienstpflichtverletzung erreicht folglich nur dann die Stufe der Disziplinarwürdigkeit, wenn sie über einen bloßen Sorgfaltsverstoß hinausgeht, mithin die gegenüber dem Dienstherrn unterbliebene Anzeige überzahlter Dienstbezüge auf Vorsatz beruht.
27d) Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die vom Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und für den Senat daher bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO), hat die Klägerin gegen ihre Dienstpflicht, dem Dienstherrn eine Überzahlung von Dienstbezügen anzuzeigen, nicht vorsätzlich verstoßen. Die angegriffene Disziplinarverfügung kann folglich keinen Bestand haben.
28Eine disziplinare Ahndung des vom Beklagten gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwurfs, ihre Dienstpflicht verletzt zu haben, weil sie die offensichtliche monatliche Überzahlung ihrer Dienstbezüge nicht angezeigt habe, scheidet aus. Denn bei einer Überzahlung von Dienstbezügen in Höhe von etwa 15 % kann von einer Offenkundigkeit in der Regel noch nicht ausgegangen werden. Besondere Umstände, die bezogen auf den vorliegenden Fall die Überzahlung gleichwohl als offensichtlich erscheinen lassen, lassen sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen.
29Sofern das Berufungsgericht das Dienstvergehen der Klägerin darin gesehen hat, dass diese ihre Dienstbezüge nicht anlassbezogen überprüft hat, hat es die Grenzen der Dienstpflicht verkannt. Denn die bloße Höhe der zur Auszahlung kommenden Dienstbezüge lässt ohne Besoldungsmitteilungen regelmäßig keinen Schluss dahingehend zu, ob von einer Überzahlung auszugehen ist. Ungeachtet dessen hat das Berufungsgericht nach den für den Senat bindenden Feststellungen nur grobe Fahrlässigkeit der Klägerin angenommen (UA S. 9).
30Zu der Frage, ob die Klägerin - was diese von Beginn an in Abrede gestellt hat - Besoldungsmitteilungen erhalten hat (UA S. 11), hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, sondern diesen Umstand im Ergebnis ausdrücklich offengelassen. Soweit es alternativ eine Erkundigungspflicht der Klägerin angenommen hat, ist es nicht von einem vorsätzlichen Pflichtenverstoß ausgegangen.
313. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühren aus dem gesetzlich bestimmten streitwertunabhängigen Gebührenbetrag ergibt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG SH, § 78 Satz 1 BDG i. V. m. Nr. 16 und 30 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu § 78 BDG).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:051224U2C3.24.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-85606