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BGH Urteil v. - V ZR 236/23

Leitsatz

Sieht die Gemeinschaftsordnung eine objektbezogene Kostentrennung vor, so dass nur diejenigen Wohnungseigentümer, deren Sondereigentum (bzw. Sondernutzungsrecht) sich in dem jeweiligen Gebäudeteil (bzw. in dem jeweiligen separaten Gebäude) befindet, die darauf entfallenden Kosten zu tragen haben (hier: Kosten der Tiefgarage), widerspricht es in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung, durch Beschluss auch die übrigen Wohnungseigentümer an den auf diesen Gebäudeteil (bzw. auf das separate Gebäude) entfallenden Erhaltungskosten zu beteiligen; anders kann es nur dann liegen, wenn ein sachlicher Grund für die Einbeziehung der übrigen Wohnungseigentümer besteht.

Gesetze: § 16 Abs 2 S 2 WoEigG

Instanzenzug: LG Braunschweig Az: 6 S 47/23 Urteilvorgehend AG Clausthal-Zellerfeld Az: 44 C 5/22 (XIII) Urteil

Tatbestand

1     Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Zu der Anlage gehört eine Tiefgarage mit 15 Stellplätzen. Die Gemeinschaftsordnung als Bestandteil der Teilungserklärung aus dem Jahr 1971 ordnet die Nutzung der Stellplätze ausschließlich bestimmten Wohneinheiten zu. Die Einheit der Klägerin verfügt nicht über ein solches Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz. Zu den Kosten der Tiefgarage enthält die Gemeinschaftsordnung folgende Regelung:

„Die Kosten für die Instandhaltung sowie Rücklagen für alle Fälle eventueller Erneuerungen und erforderlicher Reparaturen des gemeinschaftlichen Eigentums in und an der Garagenhalle einschließlich des Wagenwaschraumes werden im Verhältnis der Wohnungseigentümer ausschließlich von den Berechtigten der Einstellplätze im Garagentrakt […] gemeinsam getragen […]“

2     In einer Wohnungseigentümerversammlung im April 2022 wurde zu TOP 1 die Beauftragung einer Firma mit der Sanierung des Flachdachs oberhalb der Tiefgarage gemäß einem Angebot vom zu einem Preis von 427.534,62 € zuzüglich möglicher Preissteigerungen und zu TOP 2 die Beauftragung eines Ingenieurbüros mit den Baubetreuungsleistungen beschlossen. Die entstehenden Kosten sollten jeweils von sämtlichen Wohnungseigentümern nach Miteigentumsanteilen getragen werden. Unter TOP 3 wurde beschlossen, dass der zur Finanzierung der Maßnahmen erforderliche Betrag zum Teil der Erhaltungsrücklage entnommen und im Übrigen eine Sonderumlage nach Miteigentumsanteilen erhoben werden soll.

3     Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschlussmängelklage der Klägerin. Das Amtsgericht hat die Beschlüsse für ungültig erklärt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

I.

4    Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in ZMR 2024, 326 f. veröffentlicht ist, meint, die beschlossene Kostenverteilung weiche von der vereinbarten Regelung ab, indem sie die Wohnungseigentümer ohne Stellplatz erstmalig mit Kosten für die Garage belaste. Für eine derartige Änderung der Kostenverteilung bestehe keine Beschlusskompetenz, weil es § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht ermögliche, bislang von der Kostentragung freigestellte Wohnungseigentümer erstmalig mit Kosten zu belasten. Die Beschlüsse seien daherentsprechend § 139 BGB insgesamt für ungültig zu erklären. Da es schon an der Beschlusskompetenz fehle, könne offenbleiben, ob die Beschlüsse deswegen ordnungsmäßiger Verwaltung widersprächen, weil sich die kostenbefreiten Wohnungseigentümer auf die bisherige Regelung verlassen dürften und eine erstmalige Belastung ihre Interessen nicht angemessen berücksichtige.

II.

5    Die Revision hat Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.

6    1. Nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sollte die beschlossene Verteilung der Kosten nach Miteigentumsanteilen die Kostenverteilung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG konstitutiv ändern. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass es einer solchen Beschlussfassung auch bedurfte, weil die Kostenverteilung, anders als die Revision meint, von der Gemeinschaftsordnung abweicht. Diese Auslegung der Gemeinschaftsordnung hält der insoweit uneingeschränkten Nachprüfung durch den Senat (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 12/14, NJW-RR 2015, 847 Rn. 12 mwN) stand. Nach objektiver und nächstliegender Auslegung (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 139/23, NZM 2024, 760 Rn. 13 mwN) enthält die Gemeinschaftsordnung eine umfassende objektbezogene Kostentrennung (vgl. hierzu Senat, Urteil vom - V ZR 204/20, ZWE 2022, 123 Rn. 19 u. 26), die auch die bei der Sanierung der Abdichtung des Daches oberhalb der Tiefgarage entstehenden Kosten umfasst.

7    a) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Kostenregelung in der Gemeinschaftsordnung umfasse nicht bei der Errichtung der Anlage angelegte Mängel sowie Schadensereignisse, die von außen kommend auf die Garage einwirkten. Die Regelung, wonach die Kosten für die Instandhaltung sowie Rücklagen für alle Fälle eventueller Erneuerungen und erforderlicher Reparaturen des gemeinschaftlichen Eigentums in und an der Garagenhalle ausschließlich von den Nutzungsberechtigten der Stellplätze zu tragen sind, lässt keine derartigen Einschränkungen erkennen. Der Begriff der Instandhaltung in einer Gemeinschaftsordnung umfasst, wenn in dieser - wie hier - nicht zwischen Instandhaltung und Instandsetzung unterschieden wird, in der Regel alle Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 2 WEG (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 124/16, NJW-RR 2017, 527 Rn. 19). Hier ergibt sich insbesondere aus der Formulierung „für alle Fälle eventueller Erneuerungen und erforderlicher Reparaturen“ zweifelsfrei, dass bei der Kostenverteilung nicht nach der Ursache, die die Maßnahme erforderlich macht, differenziert werden soll.

8    b) Soweit sich die Revision zur Begründung ihres Auslegungsergebnisses erstmals in dritter Instanz auf weitere Passagen in der Gemeinschaftsordnung stützt, sind diese revisionsrechtlich nicht verwertbar. Das Berufungsgericht hat insoweit keine Feststellungen getroffen, die der Senat nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugrunde legen kann. Die Revision zeigt auch keinen Vortrag in den Vorinstanzen auf, der auf eine Verfahrensrüge hin nach § 559 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 551 Abs. 3 Nr. 2 lit. b ZPO zu einer Berücksichtigung weiterer Tatsachen führen könnte.

9    2. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht aber die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer.

10    a) § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG begründet - wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat - auch dann die Kompetenz der Wohnungseigentümer, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der GdWE eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem Wohnungseigentümer erstmals mit Kosten belastet werden; dies gilt auch dann, wenn - wie hier - eine in der Teilungserklärung enthaltene Kostenregelung abgeändert wird (näher Senat, Urteil vom - V ZR 81/23, NJW 2024, 1587 Rn. 8 ff.). Die Beschlusskompetenz des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG umfasst auch die Verteilung von Kosten der erstmaligen mangelfreien Herstellung des Gemeinschaftseigentums. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die erstmalige mangelfreie Herstellung keine bauliche Veränderung im Sinne des § 20 Abs. 1 WEG (zu § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG aF Senat, Urteil vom - V ZR 250/14, NJW 2016, 2181 Rn. 10 mwN), so dass § 16 Abs. 3 WEG, der eine Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ausschließt, nicht eingreift.

11    b) Der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG steht auch nicht entgegen, dass die bisherige Kostenregelung vor dem Inkrafttreten des WEMoG zum vereinbart worden ist. Übergangsvorschriften für Altvereinbarungen hat der Gesetzgeber nämlich nicht vorgesehen; vielmehr kommt in § 47 WEG der eindeutige Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, bei der Auslegung von Vereinbarungen im Zweifel dem neuen Recht zur Geltung zu verhelfen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 90/22, NJW 2023, 3654 Rn. 16; Urteil vom  - V ZR 141/23, NJW 2024, 2173 Rn. 18).

III.

12    Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sie für eine Endentscheidung nicht reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

13    1. Das Berufungsgericht wird - auf der Grundlage der innerhalb der Klagebegründungsfrist (§ 45 Satz 1 Hs. 2 WEG) vorgetragenen Gründe - zu prüfen haben, inwieweit die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels, mit der von der in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Kostentrennung abgewichen wurde, ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dabei wird es Folgendes zu beachten haben:

14    a) Im Ausgangspunkt dürfen - wie der Senat bereits entschieden hat - Wohnungseigentümer bei einer Änderung der Kostenverteilung jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt. Dabei dürfen an die Auswahl eines angemessenen Kostenverteilungsschlüssels nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden (vgl. Senat, Urteil vom  - V ZR 81/23, NJW 2024, 1587 Rn. 14 ff. mwN). Ein sachlicher Grund ist für eine Änderung der Kostenverteilung im Allgemeinen nicht erforderlich; sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ der Änderung dürfen lediglich nicht willkürlich sein (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 282/19, ZWE 2021, 90 Rn. 13 mwN zu § 16 Abs. 3 WEG aF).

15    b) Inwieweit es ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, von Kosten befreite Wohnungseigentümer, deren Sondereigentum (oder Sondernutzungsrecht) sich in einem anderen Gebäudeteil befindet, abweichend von einer Vereinbarung durch Beschluss erstmals an Erhaltungskosten zu beteiligen, lässt sich allerdings aus der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht herleiten. Diese Frage stellte sich bislang nicht, weil das bis zum geltende Recht insoweit keine Öffnungsklausel enthielt und ein vereinbarungsändernder Beschluss schon mangels Beschlusskompetenz nichtig war (vgl. Senat, Urteil vom - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158, 168). Die in § 16 Abs. 4 WEG aF enthaltene Öffnungsklausel ermöglichte es nur, für Erhaltungskosten im Einzelfall eine an dem Gebrauch oder der Gebrauchsmöglichkeit orientierte Kostenverteilung zu beschließen. Sie erlaubte es schon nach ihrem Wortlaut nicht, Wohnungseigentümer, deren Sondereigentum (oder Sondernutzungsrecht) sich - wie hier - nicht in dem betroffenen Gebäudeteil befand, entgegen der bestehenden Vereinbarung mit Erhaltungskosten zu belasten. Was die Verteilung von Betriebskosten anging, sah die in § 16 Abs. 3 WEG aF eingeräumte Beschlusskompetenz eine derartige Einschränkung zwar nicht vor. Sie erstreckte sich nach der Rechtsprechung des Senats aber gleichwohl nicht auf die erstmalige Kostenbelastung zuvor kostenbefreiter Wohnungseigentümer (vgl. Senat, Urteil vom  - V ZR 225/11, NZM 2012, 615 Rn. 12 f.). Da entsprechende Beschlüsse über die Verteilung von Betriebskosten ohne Weiteres nichtig waren, kam es auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung nicht an.

16    c) Nunmehr ergibt sich aus § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Kompetenz, abweichend von einer Vereinbarung die erstmalige Kostenbelastung von Wohnungseigentümern zu beschließen (vgl. oben Rn. 10 f.), ohne dass dabei - wie zuvor - der Gebrauch oder die Gebrauchsmöglichkeit berücksichtigt werden muss. Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, inwieweit eine erstmalige Belastung zuvor von Kosten befreiter Wohnungseigentümer ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann. Hierzu werden unterschiedliche Ansichten vertreten.

17    aa) Zum Teil wird angenommen, dass eine erstmalige Belastung der durch Vereinbarung von Kosten befreiten Wohnungseigentümer grundsätzlich ordnungsmäßiger Verwaltung widerspreche, weil sie deren schützenswerten Interessen nicht angemessen berücksichtige. Etwas anderes könne nur gelten, wenn die bisherige Kostenbefreiung sachlich nicht oder nicht mehr gerechtfertigt bzw. unbillig sei (vgl. BeckOGK/Falkner, WEG [], § 16 Rn. 230; Jennißen in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 16 Rn. 88; MüKoBGB/Scheller, 9. Aufl., § 16 WEG Rn. 53; Fichtner in Müller/Fichtner, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 24 Rn. 52; in diese Richtung wohl auch Bärmann/Becker, WEG, 15. Aufl., § 16 Rn. 146; Elzer in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 13 Rn. 16).

18    bb) Nach anderer Ansicht kann das schutzwürdige Vertrauen eines Wohnungseigentümers in den Bestand der Vereinbarung nur eines von mehreren Abwägungskriterien im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung sein (vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 7 Rn. 66).

19    d) Der Senat entscheidet die Frage für die - hier gegebene - Konstellation, in der die Gemeinschaftsordnung eine objektbezogene Kostentrennung vorgibt, so dass nur diejenigen Wohnungseigentümer, deren Sondereigentum (bzw. Sondernutzungsrecht) sich in dem jeweiligen Gebäudeteil (bzw. in dem jeweiligen separaten Gebäude) befindet, die darauf entfallenden Kosten zu tragen haben, dahingehend, dass es in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, durch Beschluss auch die übrigen Wohnungseigentümer an den auf diesen Gebäudeteil (bzw. auf das separate Gebäude) entfallenden Erhaltungskosten zu beteiligen; anders kann es nur dann liegen, wenn ein sachlicher Grund für die Einbeziehung der übrigen Wohnungseigentümer besteht.

20    aa) Für die entgegengesetzte Fallkonstellation, in der Kosten von Erhaltungsmaßnahmen (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG), die zuvor von allen Wohnungseigentümern zu tragen waren, durch Beschluss einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt werden, hat der Senat entschieden, dass dies dann ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt (vgl. Senat, Urteil vom  - V ZR 81/23, NJW 2024, 1587 Rn. 14). Zwar macht das Gesetz - anders als § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG aF - die Änderung der Kostenverteilung durch Mehrheitsbeschluss nicht mehr davon abhängig, dass der Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt wird. Auch ist es grundsätzlich nicht unbillig, wenn ein Wohnungseigentümer für die Kosten nach Miteigentumsanteilen aufkommen muss, obwohl er die betreffenden Teile des Gemeinschaftseigentums nicht nutzt oder nicht nutzen kann (vgl. Senat, Urteil vom  - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 31). Denn der Gesetzgeber hat mit dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel in § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG eine pauschalierende und Rechtsklarheit schaffende Regelung getroffen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 69/21, NJW 2023, 63 Rn. 41); deshalb kann ein einzelner Wohnungseigentümer einen Änderungsbeschluss über die Kostenverteilung nach Gebrauchsmöglichkeit nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen von § 10 Abs. 2 WEG beanspruchen (ausführlich hierzu Senat, Urteil vom - V ZR 69/21, aaO Rn. 39 ff. mwN). Unverändert bildet der Gebrauch bzw. die Gebrauchsmöglichkeit aber jedenfalls einen rechtssicheren und in der Praxis weithin als sinnvoll anerkannten Maßstab für die Kostenverteilung, nicht zuletzt deshalb, weil dieser Maßstab die Wohnungseigentümer zu einem sorgsamen Umgang mit dem gemeinschaftlichen Eigentum anhält (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 24).

21    bb) Sind die Kosten von Erhaltungsmaßnahmen durch Vereinbarung objektbezogen verteilt, ist in typisierender Betrachtung davon auszugehen, dass die vereinbarte Kostentrennung für die konkrete Anlage grundsätzlich angemessen ist. Die in § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG gesetzlich vorgesehene Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen wird mit einer derartigen Vereinbarung nämlich typischerweise deshalb durch eine an dem ebenfalls als sinnvoll anerkannten Maßstab des Gebrauchs bzw. der Gebrauchsmöglichkeit orientierte objektbezogene Kostentrennung ersetzt, weil dies der konkreten Struktur der GdWE angemessen Rechnung trägt. Regelmäßig wird die objektbezogene Kostentrennung deshalb vereinbart, weil sich Gebrauch bzw. Gebrauchsmöglichkeiten besonders stark unterscheiden, wie es insbesondere in Anlagen mit unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen oder in Mehrhausanlagen der Fall ist.

22    cc) Infolgedessen hat ein Beschluss, der in einer solchen Konstellation von der vereinbarten Kostentrennung abweicht, indem er die übrigen Wohnungseigentümer erstmals mit Kosten belastet, in der Regel eine mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung unvereinbare ungerechtfertigte Benachteiligung der zuvor kostenbefreiten Wohnungseigentümer zur Folge. Es bedarf in dieser Fallkonstellation - anders als bei üblichen Beschlüssen über die Änderung der Kostenverteilung (dazu oben Rn. 14) - eines sachlichen Grundes, damit die Kosten auf alle Wohnungseigentümer verteilt werden dürfen. Ob das auch dann gilt, wenn die Kostentrennung ihrerseits nicht durch Vereinbarung, sondern durch einen Änderungsbeschluss gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG eingeführt worden ist, kann dabei offenbleiben. Jedenfalls auf vereinbarte Kostentrennungen dieser Art dürfen sich die Wohnungseigentümer grundsätzlich verlassen. Es verhält sich anders als in dem umgekehrten Fall, bei dem die Kosten durch Beschluss nach dem (alleinigen) Gebrauch (bzw. der alleinigen Gebrauchsmöglichkeit) statt - wie vereinbart - nach Miteigentumsanteilen verteilt werden (zu dem insoweit fehlenden Vertrauensschutz vgl. Senat, Urteil vom  - V ZR 81/23, NJW 2024, 1587 Rn. 17). Dort wird nämlich der allgemeine Kostenverteilungsschlüssel in § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG durch eine Orientierung an dem alleinigen Gebrauch (bzw. der alleinigen Gebrauchsmöglichkeit) ersetzt, während hier eine für die konkrete GdWE als angemessen vereinbarte Kostentrennung aufgehoben wird. Darin, dass in typisierender Betrachtung anzunehmen ist, dass eine - wie hier - vereinbarte Kostentrennung für die konkrete GdWE angemessen ist (vgl. oben Rn. 21), liegt darüber hinaus ein entscheidender Unterschied zu der (zulässigen) Änderung einer an unterdimensionierten Miteigentumsanteilen orientierten Kostenverteilung (vgl. dazu Senat, Urteil vom - V ZR 128/23, zur Veröffentlichung bestimmt).

23    dd) Wann ein sachlicher Grund für die Einbeziehung der übrigen Wohnungseigentümer besteht, hängt von der jeweiligen Fallgestaltung ab und lässt sich nicht abschließend vorgeben, zumal es hier an näheren tatsächlichen Feststellungen fehlt. Ausreichend kann es jedenfalls sein, wenn - wie es hier die Beklagte nach dem in dem landgerichtlichen Urteil wiedergegebenen Parteivortrag geltend macht - die Kosten der Beseitigung von Schäden dienen, die von dem übrigen Gemeinschaftseigentum außerhalb der Tiefgarage herrühren. Dann stellt die „Sozialisierung“ der Kosten keine ungerechtfertigte Benachteiligung der zuvor kostenbefreiten Wohnungseigentümer dar, sondern bildet die Verantwortung der gesamten GdWE für die Schadensursache ab. Ebenso kann ein sachlicher Grund für eine abweichende Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen gegeben sein, wenn sich das Problem, für dessen Beseitigung die Kosten anfallen, auf die gesamte Anlage erstreckt, und aus diesem Grund eine Gesamtsanierung der Anlage unter Beteiligung aller Wohnungseigentümer beschlossen wird. Hingegen stellt es bei einer - wie hier - vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung zwischen Tiefgarage und Gebäude für sich genommen keinen sachlichen Grund dar, dass die Kosten Teile des Gemeinschaftseigentums in der Tiefgarage betreffen, die auch für das übrige Gemeinschaftseigentum - insbesondere aus Gründen der Statik - von Bedeutung sind. Richtig ist zwar, dass konstruktive Teile des Gebäudes im Grundsatz dem Gebrauch aller Wohnungseigentümer dienen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 16 mwN). Das ist bei einer - wie hier - vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung aber deshalb anders geregelt, weil die Kosten für den Erhalt dieser Teile in der Regel bei einer Bauweise ohne Tiefgarage nicht angefallen wären (vgl. hierzu Senat, Urteil vom  - V ZR 204/20, ZWE 2022, 123 Rn. 25 ff.; zu entsprechenden Überlegungen bei Balkonklauseln vgl. Senat, Urteil vom  - V ZR 9/12, NJW 2013, 681 Rn. 9; Urteil vom  - V ZR 163/17, NJW-RR 2018, 1419 Rn. 13); auch insoweit ist daher in typisierender Betrachtung davon auszugehen, dass die vereinbarte Kostentrennung für die konkrete Anlage grundsätzlich angemessen ist. Daher darf eine derartige Kostentrennung nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil sie auch statisch relevante Gebäudeteile umfasst.

24    e) Das Berufungsgericht wird die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben, um nach den dargestellten Maßstäben entscheiden zu können, ob die veränderte Kostenverteilung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht oder zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung der zuvor kostenprivilegierten Wohnungseigentümer führt.

25    2. Sollte es noch darauf ankommen, werden ggf. weitere fristgerecht geltend gemachte Beschlussmängel zu prüfen sein; damit musste sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befassen.

Brückner                        Göbel                        Haberkamp

                   Hamdorf                       Laube

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140225UVZR236.23.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-85599