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BGH Urteil v. - 5 StR 514/24

Instanzenzug: LG Berlin I Az: 520 KLs 21/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus dem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen; zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen die Verurteilung richtet sich der Angeklagte mit der Sachrüge, während die Staatsanwaltschaft den Freispruch mit Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts angreift. Während die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg hat, bleibt diejenige des Angeklagten erfolglos.

I.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte zwischen dem 6. April und dem mit einem Kryptohandy des Anbieters EncroChat unter den Namen (Accounts) „m.               “ und „g.             “ wie folgt mit Betäubungsmitteln: Am bestellte er beim EncoChat-Nutzer „d.            “ 500 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 390 Gramm Kokainhydrochlorid (KHC) für 16.500 Euro, um dieses gewinnbringend weiterzuverkaufen; zu einer Lieferung kam es nicht. Zwischen dem 20. und erwarb der Angeklagte vom EncroChat-Nutzer „l.                “ mindestens 500 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 390 Gramm KHC für 15.500 Euro und verkaufte dieses weiter; er übergab selbst die Betäubungsmittel an seinen Käufer und erhielt hierfür 16.500 Euro. Am bestellte der Angeklagte bei dem EncroChat-Nutzer „I.                     “ 500 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 390 Gramm KHC für 15.500 Euro, um dieses gewinnbringend weiterzuverkaufen; zu einer Lieferung kam es nicht. Diesen Feststellungen liegt ein Geständnis des Angeklagten nebst Schätzung des Wirkstoffgehalts des gehandelten Kokains zugrunde; zudem wurde der Angeklagte als Nutzer der genannten EncroChat-Accounts identifiziert.

32. Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom liegt dem Angeklagten zur Last, zwischen dem 2. April und dem in 19 weiteren Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben, wobei dieser Handel ausschließlich Cannabisprodukte betrifft. Insoweit hat die Strafkammer den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil der Tatnachweis nicht mit prozessual zulässigen Mitteln gelinge. Da die Tatnachweise maßgeblich auf die EncroChat-Kommunikation des Angeklagten gestützt würden, komme es entscheidend auf die Verwertbarkeit dieser Chats an. Sie seien aber unverwertbar, weil sie ausschließlich den Handel mit Cannabis in nicht geringer Menge betreffen. Hinsichtlich solcher Straftaten sei nach Maßgabe des Beschlusses des Senats vom (BGHSt 67, 29) von der Unverwertbarkeit der EncroChat-Daten auszugehen, weil diese Taten nach der Gesetzesänderung durch das Cannabisgesetz vom (BGBl. I 2024 Nr. 109) ab dem nicht mehr dem Katalog des § 100b Abs. 2 StPO unterfielen.

II.

4Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Sie zeigt keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.

III.

5Die Revision der Staatsanwaltschaft führt schon auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Freispruchs, so dass es auf die Verfahrensrüge nicht ankommt. Die Revisionsführerin beanstandet zu Recht, dass das Urteil den rechtlichen Anforderungen an ein freisprechendes Urteil nicht entspricht.

61. Insoweit gilt: In einem aus tatsächlichen Gründen freisprechenden Urteil oder Urteilsteil ist zunächst anzugeben, welche Straftaten dem Angeklagten nach Ort, Zeit und Begehungsweise zur Last gelegt werden (vgl. mwN). In einer geschlossenen Darstellung sind sodann die zu den Anklagevorwürfen als erwiesen angesehenen Tatsachen festzustellen. Hiervon ausgehend ist anschließend in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (vgl. Rn. 23 mwN). Grundlage dieser Beweiswürdigung müssen – wie stets – alle hierfür relevanten Umstände sein, wozu beim Teilfreispruch auch zum Beleg der verurteilten Taten herangezogene Umstände gehören können. Auch beim freisprechenden Urteil ist – wie bei allen anderen Urteilen – zu Beginn der Beweiswürdigung anzugeben, wie sich der Angeklagte eingelassen hat (vgl. , NStZ 2020, 625 mwN). Es ist Aufgabe der Urteilsgründe, dem Revisionsgericht auf diese Weise eine umfassende Nachprüfung der freisprechenden Entscheidung zu ermöglichen (vgl. mwN).

72. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

8a) Das Urteil teilt schon nicht mit, wie sich der Angeklagte hinsichtlich der freigesprochenen Tatvorwürfe zur Sache eingelassen hat. Dies stellt – auch bei einem Freispruch – einen auf die Sachrüge hin zu beachtenden Fehler der Beweiswürdigung dar (vgl. ; allgemein , NStZ 2020, 625 mwN). Darauf beruht der Freispruch auch (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich aus einer etwaigen Einlassung des Angeklagten Anhaltspunkte zum Beleg der Tatvorwürfe ergeben hätten oder ein Teilschweigen – zulässigerweise – vom Landgericht in Zusammenhang mit anderen Beweismitteln zu seinem Nachteil hätte verwertet werden können (vgl. hierzu , NStZ 2022, 761). Dass die vom Landgericht insoweit für unverwertbar gehaltene EncroChat-Kommunikation das einzige Beweismittel in Hinblick auf die Tatvorwürfe gewesen wäre, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht ohne weiteres, die lediglich auf deren „Maßgeblichkeit“ abstellen.

9b) Es kann deshalb dahinstehen, ob es zudem einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellt, dass das Urteil zu den freigesprochenen Tatvorwürfen keinen eigenen Feststellungsteil enthält, so dass unklar bleibt, von welchem Geschehensablauf sich das Landgericht insoweit überzeugt hat und wovon es sich nicht überzeugen konnte.

103. Soweit das Urteil hinsichtlich der Freisprüche etwaige Feststellungen enthält, waren solche aufzuheben, weil der Angeklagte sie nicht angreifen konnte.

114. Zur Verwertbarkeit der EncroChat-Daten bei Cannabisfällen wie den angeklagten verweist der Senat auf sein Urteil vom heutigen Tage (5 StR 528/24).

Cirener                          Mosbacher                          Resch

               von Häfen                              Werner

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:300125U5STR514.24.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-85496