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BGH Beschluss v. - XII ZB 549/23

Feststellung der Rechtswidrigkeit der Betreuerbestellung für einen verstorbenen Betroffenen

Leitsatz

Im Verfahren der Beschwerde gegen eine Betreuungsanordnung kann nach dem Tod des Betroffenen von den gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdeberechtigten Angehörigen kein Feststellungsantrag nach § 62 FamFG gestellt werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom - XII ZB 404/12, FamRZ 2013, 29).

Gesetze: § 62 FamFG, § 303 Abs 2 Nr 1 FamFG, Art 1 Abs 1 GG

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 4 T 28/23vorgehend AG Schwetzingen Az: 1 XVII 301/21

Gründe

I.

1Das Verfahren betrifft die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Betreuerbestellung für die verstorbene Betroffene.

2Die 1935 geborene Betroffene hatte den Beteiligten zu 4, ihren Enkel, mit notarieller Urkunde vom umfassend bevollmächtigt, ihre Vermögens- und Gesundheitsangelegenheiten zu besorgen, sollte sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sein.

3Mit notariellen Verträgen vom übertrug die Betroffene, vertreten durch den Beteiligten zu 4, diesem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den hälftigen Miteigentumsanteil an ihrem Grundstück gegen Zahlung eines Ausgleichsbetrags von 20.000 € sowie ihren hälftigen Erbteil ohne Gegenleistung.

4Das Amtsgericht hat die zunächst zur Kontrollbetreuerin bestellte Beteiligte zu 1 zur beruflichen Betreuerin mit dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge, insbesondere die Geltendmachung von Ansprüchen der Betroffenen gegenüber dem Bevollmächtigten O. S. [und] Teilwiderruf von Vollmachten beschränkt auf den Aufgabenbereich der Vermögenssorge“ bestellt.

5Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 4 Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens ist die Betroffene verstorben. Daraufhin hat der Beteiligte zu 4 zuerst beantragt festzustellen, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs ihn in seinen Rechten verletzt habe. Später hat er geltend gemacht, die Betroffene sei durch die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs in ihren Rechten verletzt worden.

6Das Landgericht hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 4 mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

7Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

81. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 4 folgt für das Verfahren der Rechtsbeschwerde daraus, dass er die Erstbeschwerde im eigenen Namen eingelegt hat und diese verworfen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 283/22 - FamRZ 2023, 1154 Rn. 7 mwN).

9Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung ist die Erstbeschwerde allein im Namen des nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als Enkel der Betroffenen beschwerdeberechtigten Beteiligten zu 4 eingelegt worden. Dies ergibt sich unmissverständlich aus der von einem Rechtsanwalt verfassten Beschwerdeschrift. Auch im Text der Beschwerdebegründung ist der Beteiligte zu 4 von dem ihn vertretenden Rechtsanwalt mehrfach als „unser Mandant“ bezeichnet worden. Folgerichtig hat der Beteiligte zu 4 nach dem Tod der Betroffenen ausdrücklich die Feststellung begehrt, „dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat“. Die Ausführungen des Beteiligten zu 4 in dem nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangenen Schriftsatz vom führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

102. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

11a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der vom Beteiligten zu 4 zuletzt gestellte Feststellungsantrag sei bereits deshalb unzulässig, weil ihm für einen Antrag nach § 62 FamFG die erforderliche Antragsberechtigung fehle. Zwar habe sich die angefochtene Entscheidung mit dem Tod der Betroffenen in der Hauptsache erledigt, weil von diesem Zeitpunkt an keine Sachentscheidung mehr darüber ergehen könne, ob und welche Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen ergriffen werden müssten. Antragsbefugt nach § 62 Abs. 1 FamFG sei jedoch allein derjenige Beteiligte, dessen eigene Rechtssphäre betroffen sei und der auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse habe. Auch aus § 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG könne nicht abgeleitet werden, dass der Vorsorgebevollmächtigte dazu befugt sei, einem von ihm im Namen des Betroffenen eingeleiteten Beschwerdeverfahren durch einen Feststellungsantrag gemäß § 62 FamFG über den Tod des Betroffenen hinaus mit dem Ziel einer Sachentscheidung Fortgang zu geben. Der Antrag sei deswegen als unzulässig zu verwerfen.

12b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

13aa) Das Verfahren betreffend die Anordnung einer Betreuung erledigt sich insgesamt mit dem Tod des Betreuten, weil von diesem Zeitpunkt an nicht mehr entschieden zu werden braucht, ob und welche Maßnahmen zum Schutz des Betroffenen ergriffen werden müssen. Verstirbt der Betroffene daher im Laufe des Beschwerdeverfahrens, wird die ursprünglich zulässige Beschwerde eines weiteren Verfahrensbeteiligten gegen eine in der Vorinstanz angeordnete Betreuung infolge der durch den Tod des Betroffenen eingetretenen Erledigung regelmäßig unzulässig, weil eine Sachentscheidung durch das Beschwerdegericht nicht mehr ergehen kann (Senatsbeschluss vom - XII ZB 404/12 - FamRZ 2013, 29 Rn. 6).

14bb) Der Beteiligte zu 4 war auch nicht befugt, durch Umstellung seiner Anträge im Beschwerdeverfahren nach dem Versterben der Betroffenen eine Sachentscheidung über einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG herbeizuführen, denn für diesen Antrag fehlt ihm nach der zutreffenden Ansicht des Landgerichts die erforderliche Antragsberechtigung (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 404/12 - FamRZ 2013, 29 Rn. 6).

15(1) Wie der Senat bereits entschieden hat, kann im Verfahren der Beschwerde gegen eine Betreuungsanordnung nach dem Tod des Betroffenen von den gemäß § 303 FamFG beschwerdeberechtigten Angehörigen, zu denen der Beteiligte zu 4 als Enkel der Betroffenen zählt (§ 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), kein Feststellungsantrag nach § 62 FamFG gestellt werden. Das Recht zur Einlegung der Beschwerde gegen die Anordnung der Betreuung umfasst nicht gleichzeitig die Antragsbefugnis nach § 62 Abs. 1 FamFG. Denn § 62 Abs. 1 FamFG setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der „Beschwerdeführer“ selbst durch die erledigte Maßnahme in seinen Rechten verletzt worden ist. Demgemäß kann nur derjenige Beteiligte nach § 62 Abs. 1 FamFG antragsbefugt sein, dessen eigene Rechtssphäre betroffen ist und der ein berechtigtes Feststellungsinteresse nach § 62 Abs. 2 FamFG hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 355/19 - FamRZ 2020, 1588 Rn. 14; vom - XII ZB 623/15 - juris Rn. 4; vom - XII ZB 205/14 - FamRZ 2014, 1916 Rn. 7 und vom - XII ZB 404/12 - FamRZ 2013, 29 Rn. 7 f.).

16(2) Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es nicht geboten, Angehörigen eines verstorbenen Betroffenen durch einen Fortsetzungsfeststellungsantrag die Geltendmachung eines postmortalen Rehabilitationsinteresses zu ermöglichen.

17(a) Zwar stellt die gerichtliche Bestellung eines Betreuers für den Betroffenen einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar. Denn die Einrichtung einer Betreuung kann den Betreuten nicht nur in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) beschränken, sondern sie greift auch gewichtig in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG ein. Mit der Einrichtung der Betreuung ist notwendigerweise die Einschätzung verbunden, dass der Betroffene zumindest in einem bestimmten Rahmen nicht in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln und gegebenenfalls seinen Willen frei zu bilden; hierdurch wird sein Persönlichkeitsbild negativ geprägt und beeinträchtigt. Aus diesem Grunde kann der Betroffene sein Rehabilitationsinteresse in einem erledigten Betreuungsverfahren regelmäßig durch einen Feststellungsantrag nach § 62 FamFG zur Geltung bringen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 404/12 - FamRZ 2013, 29 Rn. 10). Daraus folgt allerdings nicht, dass auch den nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdeberechtigten Angehörigen eines Betreuten die Möglichkeit gegeben werden müsste, dessen Rehabilitationsinteressen nach seinem Tode weiterverfolgen zu können.

18(b) Ein Verstorbener wird durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht mehr geschützt, weil Träger dieses Grundrechts nur lebende Personen sein können. Zwar folgt aus der Garantie der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG auch ein postmortales Persönlichkeitsrecht. Dessen Schutzwirkungen sind jedoch nicht vergleichbar mit den Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lebender Personen, welches sich aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG ergibt. Durch das postmortale Persönlichkeitsrecht sind zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, und zum anderen der sittliche, personale und soziale Wert geschützt, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat. Durch den Umstand, dass zu seinen Lebzeiten eine rechtliche Betreuung eingerichtet worden ist, wird ein verstorbener Betroffener weder in seinem allgemeinen Achtungsanspruch herabgesetzt noch erniedrigt. Ein besonderes Bedürfnis zur Geltendmachung eines postmortalen Rehabilitationsinteresses besteht daher in Betreuungsverfahren nicht (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 404/12 - FamRZ 2013, 29 Rn. 12 mwN).

19(c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich das für einen Antrag nach § 62 Abs. 1 FamFG erforderliche Feststellungsinteresse im vorliegenden Fall auch nicht mit Blick auf das Grundrecht auf Eigentum und den sich ebenfalls aus Art. 14 Abs. 1 GG ergebenden postmortalen Schutz der Testierfreiheit. Durch die Bestellung der Beteiligten zu 1 zur Betreuerin für den Aufgabenbereich der Vermögensangelegenheiten wurde weder der postmortale Schutz der Testierfreiheit, den die Betroffene als Erblasserin auch nach ihrem Tode beanspruchen kann (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 43/23 - FamRZ 2023, 1382 Rn. 10), noch die ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Befugnis der Betroffenen, zu Lebzeiten über ihr Eigentum zu verfügen und auch Verfügungen im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge vorzunehmen, eingeschränkt.

20Durch die Bestellung eines Betreuers wird dem Betreuten im Rahmen des Erwachsenenschutzes eine Person zur Seite gestellt, die dessen rechtliche Angelegenheiten gemäß § 1821 BGB im erforderlichen Umfang und entsprechend seinen Wünschen zu erledigen hat. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, räumt § 1823 BGB dem Betreuer im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises die Stellung eines gesetzlichen Vertreters des Betreuten ein. Nach der Konzeption des Gesetzes wird deshalb durch die Bestellung eines Betreuers die Möglichkeit des Betreuten, auch eigenständig rechtliche Handlungen vorzunehmen, nicht eingeschränkt. Vielmehr hat der Betreuer gemäß § 1821 Abs. 1 Satz 2 BGB den Betreuten hierbei zu unterstützen. Insbesondere nimmt die Bestellung eines Betreuers für sich gesehen dem Betroffenen nicht die Geschäftsfähigkeit. Geschäftsunfähig ist der volljährige Betreute nur, soweit die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB vorliegen.Im Übrigen tritt eine Einschränkung der rechtsgeschäftlichen Handlungsfähigkeit des Betreuten nur ein, wenn ein Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1825 BGB angeordnet wird (vgl. MünchKommBGB/Schneider 9. Aufl. § 1814 Rn. 130). Ebenso wenig hat die Bestellung eines Betreuers Auswirkungen auf die Testierfähigkeit (MünchKommBGB/Schneider 9. Aufl. § 1814 Rn. 133; BeckOGK/Schmidt-Recla, [Stand: ] BGB § 1814 Rn. 6).

21(d) Schließlich folgt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne des § 62 Abs. 1 FamFG auch nicht daraus, dass das Grundbuchamt aufgrund der mit Beschluss vom eingerichteten Kontrollbetreuung die in den notariellen Verträgen vom vorgenommenen Verfügungen im Grundbuch nicht vollzogen hat. Der Beschluss, mit dem die Kontrollbetreuung eingerichtet worden ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und kann somit auch nicht zur Begründung eines Feststellungsinteresses iSv § 62 Abs. 1 FamFG herangezogen werden.

22c) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der gestellte Feststellungsantrag auch dann als unzulässig zu verwerfen gewesen wäre, wenn der Beteiligte zu 4 als Vorsorgebevollmächtigter die Erstbeschwerde im Namen der Betroffenen eingelegt hätte (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 43/23 - FamRZ 2023, 1382 Rn. 3 ff. mwN).

Guhling                        Günter                        Nedden-Boeger

                 Pernice                     Recknagel

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:080125BXIIZB549.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 8 Nr. 10
NJW-RR 2025 S. 515 Nr. 9
NJW-RR 2025 S. 517 Nr. 9
KAAAJ-85486