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BGH Beschluss v. - XII ZB 66/24

Abänderung der Dauerbewilligung der Betreuervergütung

Leitsatz

1. Die formelle Rechtskraft der abzuändernden Entscheidung ist eine im Rahmen des Verfahrens nach § 48 Abs. 1 FamFG von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung.

2. Bei der Bekanntgabe eines Beschlusses durch Aufgabe zur Post nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 FamFG ist entsprechend § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO in den Akten zu vermerken, zu welcher Zeit und unter welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde. Der Vermerk muss vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unterschrieben werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom - XII ZB 283/15, FamRZ 2016, 296).

3. Zur Beschwerdeberechtigung des Betreuers bei Anfechtung eines Vergütungsfestsetzungsbeschlusses.

Gesetze: § 15 Abs 2 S 1 Alt 2 FamFG, § 41 Abs 1 S 1 FamFG, § 45 FamFG, § 48 Abs 1 FamFG, § 59 Abs 1 FamFG, § 59 Abs 2 FamFG, § 292 Abs 2 FamFG, § 184 Abs 2 S 4 ZPO, § 9 Abs 3 VBVG, § 15 Abs 2 VBVG

Instanzenzug: LG Lüneburg Az: 8 T 1/24vorgehend AG Uelzen Az: 9 XVII L 529

Gründe

1Die Beteiligte zu 1 ist seit Februar 2018 als berufsmäßige Betreuerin des Betroffenen bestellt, der seit einigen Jahren in einer Außenwohngruppe eines Alten- und Pflegeheims lebt. Ihren Vergütungsanträgen legte sie bis zum stets zugrunde, dass der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung bzw. einer gleichgestellten Wohnform habe. Die auf dieser Grundlage berechnete Vergütung wurde jeweils antragsgemäß durch Kassenanweisung ohne förmliche Festsetzung an die Beteiligte zu 1 ausgezahlt.

2Auf ihren Antrag vom hat das Amtsgericht die Vergütung der Beteiligten zu 1 am für die Zeit vom 20. Februar bis zum auf insgesamt 306 € gegen die Staatskasse (Beteiligte zu 2) festgesetzt und für zukünftige Zeiträume eine Dauerbewilligung in Höhe von quartalsweise 306 € ausgesprochen. Es hat eine Überprüfungsfrist von zwei Jahren bestimmt und zur Bekanntgabe des Beschlusses dessen Aufgabe zur Post veranlasst.

3Am hat die Beteiligte zu 1 die Änderung der Dauerbewilligung für die Zeit ab dem beantragt und hierzu geltend gemacht, die Einrichtung, in der der Betroffene lebe, sei als „andere Wohnform“ iSd § 9 Abs. 3 VBVG anzusehen, weshalb sie Anspruch auf die hierfür geltenden höheren Vergütungssätze habe. Hiervon ausgehend hat sie mit Anträgen vom 22. und die Auszahlung einer weitergehenden Vergütung gemäß Nr. C5.2.1 der Vergütungstabelle der Anlage zu § 8 Abs. 1 VBVG für den Zeitraum vom bis zum begehrt und mit Antrag vom eine Vergütung in Höhe von 513 € für den Zeitraum vom 20. Mai bis zum beansprucht.

4Das Amtsgericht hat diese Anträge zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht die Vergütung der Beteiligten zu 1 für den Zeitraum vom bis zum unter Zugrundelegung der höheren Pauschale auf insgesamt 1.513,70 € festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Abänderung der Dauerbewilligung und die Festsetzung der höheren Vergütungssätze weiterverfolgt.

II.

5Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

6Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Beschwerdegericht ohne tragfähige Tatsachengrundlage angenommen hat, dass die für die Anfechtung des Festsetzungsbeschlusses maßgebliche Beschwerdefrist bei Eingang des Änderungsantrags der Beteiligten zu 1 am und der den Vergütungszeitraum vom 20. Februar bis zum betreffenden Festsetzungsanträge vom 22. August und vom bereits abgelaufen gewesen sei. Auf dieser Grundlage ist es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Festsetzungsbeschluss formell rechtskräftig gewesen sei, es daher für die von der Beteiligten zu 1 begehrte Änderung der Dauervergütungsfestsetzung für die Zeit ab dem auf die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 FamFG ankomme und auch der Neufestsetzung für den Zeitraum vom bis zum die Rechtskraft des Beschlusses entgegenstehe.

71. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass es sich bei dem Festsetzungsbeschluss um eine Entscheidung mit Dauerwirkung iSd § 48 Abs. 1 FamFG handelt, soweit er eine Bewilligung der Betreuervergütung auch für künftige Zeiträume nach § 15 Abs. 2 VBVG iVm § 292 Abs. 2 FamFG zum Gegenstand hat (vgl. hierzu BT-Drucks. 19/24445 S. 398 f.).

82. Das Beschwerdegericht ist jedoch von formeller Rechtskraft des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses ausgegangen, ohne die hierfür erforderlichen Feststellungen zu treffen. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Anwendung des § 48 Abs. 1 FamFG.

9a) Ein Antrag nach § 48 Abs. 1 FamFG ist statthaft, wenn Ziel der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung die Abänderung einer formell rechtskräftigen Entscheidung mit Dauerwirkung ist. Bei der formellen Rechtskraft handelt es sich dabei schon nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 FamFG - anders als bei § 323 ZPO, wo die formelle Rechtskraft gerade keine Voraussetzung für eine Abänderung ist (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 94, 145 = FamRZ 1985, 690 mwN; MünchKommZPO/Gottwald 6. Aufl. § 323 Rn. 9) - um eine Verfahrensvoraussetzung des Abänderungsverfahrens, die der Abgrenzung zu dem ansonsten zulässigen Rechtsmittel der Beschwerde dient (vgl. auch Prütting/Helms/Abramenko FamFG 6. Aufl. § 48 Rn. 3). Verfahrensmängel, die sich auf Verfahrens- und Sachentscheidungsvoraussetzungen beziehen, die Zulässigkeit der (Erst-)Beschwerde betreffen oder einen Mangel der Beschwerdeentscheidung (§ 69 FamFG) begründen, sind grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 98/15 - FamRZ 2015, 1603 Rn. 12 mwN). Um eine Verfahrensvoraussetzung in diesem Sinne handelt es sich bei der formellen Rechtskraft, weil von ihr die (Un-)Zulässigkeit der Erstbeschwerde und die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags nach § 48 Abs. 1 FamFG abhängig sind. Der Senat hat sie daher ohne Rüge und ohne Bindung an die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen von Amts wegen zu prüfen, und zwar unabhängig davon, ob es um die Zulässigkeit der Erstbeschwerde (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom - XII ZB 283/22 - FamRZ 2023, 1154 Rn. 26 mwN) oder aber die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags nach § 48 Abs. 1 FamFG geht.

10b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann jedenfalls derzeit nicht von formeller Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses ausgegangen werden.

11aa) Die formelle Rechtskraft eines Beschlusses setzt nach § 45 FamFG voraus, dass die Beschwerdefrist ungenutzt abgelaufen ist. Diese Frist beträgt regelmäßig einen Monat nach Bekanntgabe der vollständig abgefassten Entscheidung, § 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 FamFG.

12bb) Die nach § 41 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Bekanntgabe eines Beschlusses erfolgt gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG - nach ermessensgebundener Wahl des Gerichts - entweder durch Zustellung gemäß der §§ 166 ff. ZPO oder dadurch, dass das Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird. Wenn letzterer Weg gewählt wird, ist der Zeitpunkt der Aufgabe zur Post entsprechend § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO in den Akten zu vermerken. Dies beinhaltet die Angabe, zu welcher Zeit und unter welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 283/15 - FamRZ 2016, 296 Rn. 23 mwN).

13Den Vermerk hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu erstellen. Er muss zwar das Schriftstück nicht selbst zur Post aufgeben; vielmehr reicht es aus, wenn er auf Grund einer Erklärung des Justizwachtmeisters oder eines sonstigen Gehilfen das Datum der Aufgabe und die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks beurkundet. Der Vermerk hat mit Blick auf die Rechtsmittelfristen und damit den Eintritt der formellen Rechtskraft ebenso weitreichende Rechtsfolgen wie eine Zustellungsurkunde nach § 182 ZPO. Wie diese ist er eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 ZPO und deshalb vom Urkundsbeamten zu unterschreiben. Ein Vermerk eines Justizwachtmeisters oder sonstigen Gehilfen ist hingegen nicht ausreichend (Senatsbeschluss vom - XII ZB 283/15 - FamRZ 2016, 296 Rn. 24 mwN).

14cc) Diesen Anforderungen genügt der bei den Akten befindliche „Auftrag für eine Zustellung gemäß § 184 ZPO durch Aufgabe zur Post durch eine(n) Justizwachtmeister(in)“ nicht. Unschädlich ist allerdings, dass dieses Formular nicht auf § 15 FamFG, sondern auf § 184 ZPO zugeschnitten ist, weil es grundsätzlich die notwendigen tatsächlichen Vermerke ermöglicht. Der in den Akten vorhandene Vermerk enthält zwar die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschriebene Angabe, welchen Inhalt die dem Justizwachtmeister zum Zwecke der Zustellung durch Aufgabe zur Post gegebene Sendung hatte und an welche Person und Anschrift diese zuzustellen sei. Ebenso ist der an den Justizwachtmeister gerichtete Auftrag, die Sendung umgehend einem Postbeförderungsunternehmen zu übergeben und die Übergabe zu bescheinigen, dem Vermerk zu entnehmen. Die Übergabe der Sendung an ein Postunternehmen am hat der Justizwachtmeister auch bescheinigt. Indes fehlt es an einem Vermerk, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Verantwortung für die Richtigkeit dieser Angabe übernommen hat. Denn der im Formular vorgesehene - durch die Urkundsbeamtin auszufüllende - weitere Abschnitt über die Beurkundung der Zustellung ist nicht ausgefüllt und unterschrieben.

15Der Nachweis der Aufgabe des Festsetzungsbeschlusses zur Post ist damit nicht erbracht. Das Beschwerdegericht ist mithin ohne tragfähige Grundlage davon ausgegangen, dass die Beschwerdefrist für die Beteiligte zu 1 gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 FamFG durch Bekanntgabe drei Tage nach Aufgabe des Beschlusses am in Gang gesetzt wurde und mit Ablauf des geendet hat. Danach ist nicht auszuschließen, dass bei Eingang des Änderungsantrags vom die Beschwerdefrist noch lief, der Festsetzungsbeschluss noch nicht in formelle Rechtskraft erwachsen und damit eine Abänderung der Dauerbewilligung noch ohne Weiteres möglich gewesen ist. Auch eine Änderung der Vergütungsfestsetzung für den Zeitraum vom bis zum kann mit der vom Beschwerdegericht gewählten Begründung daher nicht versagt werden.

163. Die angefochtene Entscheidung kann mithin keinen Bestand haben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil noch weitere Ermittlungen durchzuführen sind, so dass die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

17a) Zur Klärung der Frage, ob der Festsetzungsbeschluss bei Eingang der Änderungsanträge der Beteiligten zu 1 vom 9. und vom sowie des Antrags vom in formelle Rechtskraft erwachsen war, wird das Beschwerdegericht zu ermitteln haben, ob die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts nachträglich die Verantwortung für die Richtigkeit des Vermerks über den Zeitpunkt der Aufgabe des Beschlusses zur Post übernimmt. Ein solcher Vermerk des Urkundsbeamten zum Nachweis der Aufgabe einer Entscheidung zur Post zum Zwecke der Bekanntgabe kann noch nachträglich - auch im Beschwerdeverfahren - erstellt werden. Der Beteiligten zu 1 steht aber gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 FamFG die Möglichkeit offen, glaubhaft zu machen, dass ihr der Beschluss nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 283/15 - FamRZ 2016, 296 Rn. 31 mwN).

18b) Wäre nach den nunmehr vom Beschwerdegericht zu treffenden Feststellungen zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Festsetzungsbeschlusses die Beschwerdefrist nicht vor Eingang der Änderungsanträge der Beteiligten zu 1 abgelaufen, käme eine Auslegung als Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss in Betracht. Leitlinie einer jeden Auslegung muss sein, dem Begehren des Antragsstellers nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Im Zweifel ist daher dasjenige als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 409/22 - FamRZ 2023, 1142 Rn. 14 mwN). Die Änderungsanträge der Beteiligten zu 1 könnten daher als Beschwerden zu behandeln sein, wenn nur dies ihrem Rechtsschutzziel zum Erfolg verhelfen könnte.

19c) Die Beteiligte zu 1 wäre jedenfalls beschwerdebefugt (§ 59 Abs. 1 FamFG). Dass ihrem Vergütungsantrag mit dem Festsetzungsbeschluss umfassend entsprochen worden ist, stünde ihrer Beschwerdeberechtigung nicht entgegen. Da das Verfahren auf Festsetzung der Betreuervergütung gemäß § 292 Abs. 1 FamFG auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitet werden kann, bedarf es für die Beschwerdeberechtigung keiner formellen Beschwer, sondern gemäß § 59 Abs. 1 FamFG allein der Möglichkeit einer Beeinträchtigung in eigenen Rechten (materielle Beschwer), etwa durch Festsetzung einer hinter den gesetzlich vorgesehenen Vergütungssätzen zurückbleibenden Vergütung. Nichts Anderes gilt für eine Dauerbewilligung, auch wenn das Bewilligungsverfahren für diesen Fall dahin modifiziert ist, dass diese gemäß § 292 Abs. 2 FamFG nur auf Antrag des Betreuers ergehen kann. Das Antragserfordernis bezieht sich nicht auf die Höhe der Vergütung, weil diese nicht beziffert werden muss (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 314/13 - FamRZ 2015, 1880 Rn. 15), sondern nur auf die Form der Bewilligung als Dauerentscheidung. Dies ergibt sich nicht nur systematisch aus dem Verweis in § 292 Abs. 2 FamFG auf Absatz 1 der Regelung, sondern auch aus dem Zweck der Vergütungsfestsetzung, dem hoheitlich bestellten Betreuer ohne Bindung an dessen in einem etwaigen Vergütungsantrag zum Ausdruck gekommene Vorstellung von der Vergütungshöhe die gesetzlich vorgesehene Vergütung zuteil werden zu lassen. Das Antragserfordernis dient insoweit allein dem Ausschluss einer Festsetzung mit Dauerwirkung gegen den Willen des Betreuers. Hinsichtlich der Höhe der Vergütung verbleibt es indes dabei, dass mangels Notwendigkeit eines bezifferten Antrags keine formelle Beschwer nach § 59 Abs. 2 FamFG erforderlich ist, sondern eine materielle Beschwer genügt.

20d) Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Guhling                      Nedden-Boeger                      Botur

               Pernice                                Recknagel

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:041224BXIIZB66.24.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-85366