Betriebsrente - Höchstbegrenzung nach 25-jähriger Dienstzeit
Instanzenzug: ArbG Rheine Az: 3 Ca 1050/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 4 Sa 444/23 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.
2Der Kläger war vom bis zum bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit dem bezieht er eine gesetzliche Altersrente.
3Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erteilte dem Kläger mit Schreiben vom eine Versorgungszusage (nachfolgend Versorgungszusage 1991). Darin heißt es auszugsweise:
4Mit Schreiben vom modifizierte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Zustimmung des Klägers die Versorgungszusage 1991 wie folgt (nachfolgend Änderungsvereinbarung 2002):
5Seit dem zahlt die Beklagte an den Kläger eine monatliche Altersrente iHv. 300,00 Euro brutto. Mit seiner Klage hat der Kläger über den gezahlten Betrag hinaus eine zusätzliche monatliche Betriebsrente iHv. 156,00 Euro ab Juli 2022 verlangt.
6Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe bei insgesamt 38 Dienstjahren neben dem Grundbetrag nach Nr. 1 Abs. 2 der Änderungsvereinbarung 2002 iHv. 120,00 Euro brutto für weitere 28 Dienstjahre ein Steigerungsbetrag iHv. 336,00 Euro brutto, insgesamt also eine Betriebsrente iHv. 456,00 Euro monatlich zu. Die Änderungsvereinbarung 2002 sehe im ersten Absatz von Nr. 1 für die monatliche Altersrente nach einer Dienstzeit von mehr als 25 Jahren keine Höchstbegrenzung auf 300,00 Euro monatlich vor. Damit sei lediglich ein Berechnungsbeispiel angeführt worden. Eine Obergrenze hätte - vergleichbar zu der Regelung des Weihnachtsgeldes in der Versorgungszusage 1991 - vielmehr sprachlich klargestellt werden müssen. Gegen eine Höchstbegrenzung spreche auch Sinn und Zweck der Versorgungszusage, der darin liege, lange Betriebszugehörigkeiten zu honorieren und die Arbeitnehmer zur weiteren Beschäftigung zu motivieren. Auch in anderem Zusammenhang - bei Bonuszahlungen und nach einer ursprünglichen allgemeinen Versorgungsordnung - leiste die Beklagte ohne dienstzeitabhängige Höchstgrenzen. Jedenfalls gingen Auslegungszweifel nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten der Beklagten als Verwenderin. Schließlich sei die Klausel intransparent nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
7Der Kläger hat beantragt,
8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und den Standpunkt eingenommen, Nr. 1 der Änderungsvereinbarung 2002 begrenze die monatliche Altersrente nach einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren auf einen Höchstbetrag von 300,00 Euro.
9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
10Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet.
11I. Die Klage ist zulässig.
121. Mit dem Zahlungsantrag macht der Kläger hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) die zwischen den Parteien streitige monatliche Betriebsrentendifferenz iHv. 156,00 Euro für den Zeitraum von Juli 2022 bis Dezember 2022 - also für sechs Monate - mit einem Gesamtbetrag iHv. 936,00 Euro nebst Zinsen geltend.
132. Der Feststellungsantrag zu 2. ist - wie der Kläger in der Senatsverhandlung bestätigt hat - dahin auszulegen, dass die Verpflichtung der Beklagten geltend gemacht wird, an den Kläger monatlich über den unstreitigen Betrag iHv. 300,00 Euro hinaus weitere Betriebsrente iHv. 156,00 Euro zu zahlen. Damit richtet sich der Antrag auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO, nämlich den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten (vgl. - Rn. 24), über deren Höhe zwischen den Parteien Streit besteht, weshalb der Kläger auch ein Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung hat (vgl. - Rn. 25).
14II. Die Klage ist mit beiden Anträgen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer um 156,00 Euro erhöhten monatlichen Betriebsrente hat.
151. Nach Nr. 1 Abs. 2 der Änderungsvereinbarung 2002 steht dem Kläger zunächst aufgrund der Erfüllung der 10-jährigen Wartezeit der Grundbetrag iHv. 40 % von 300,00 Euro, also 120,00 Euro zu. Dieser Betrag erhöht sich nach Nr. 1 Abs. 3 der Änderungsvereinbarung 2002 für jedes weitere Dienstjahr um 12,00 Euro (4 % von 300,00 Euro), nicht jedoch über den monatlichen Betrag iHv. 300,00 Euro hinaus. Das ergibt die Auslegung der Änderungsvereinbarung 2002.
16a) Die Änderungsvereinbarung 2002, auf die der Kläger seinen Anspruch stützt, enthält nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Deren Auslegung durch das Landesarbeitsgericht ist in der Revisionsinstanz voll überprüfbar (st. Rspr., - Rn. 13). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischem Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., - Rn. 21 mwN).
17b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist Nr. 1 der Änderungsvereinbarung 2002 dahin zu verstehen, dass die zugesagte monatliche Betriebsrente nach 25 Dienstjahren auf einen Höchstbetrag von 300,00 Euro begrenzt ist.
18aa) Der Wortlaut der Zusage regelt eine Höchstbegrenzung der monatlichen Betriebsrente auf 300,00 Euro zwar nicht ausdrücklich, spricht aber maßgeblich für eine solche. Insbesondere der Umstand, dass nach Nr. 1 Abs. 1 der Änderungsvereinbarung 2002 „die monatliche Altersrente“ nach 25 Dienstjahren 300,00 Euro „beträgt“, lässt im Zusammenspiel mit dem Hinweis auf ihre Berechnung aus dem Grundbetrag und Steigerungsbeträgen für rechtsunkundige, verständige und redliche Vertragspartner erkennen, dass nach Erreichen dieser Dienstzeit keine weitere Steigerung mehr eintreten soll. Grund- und Steigerungsbeträge ergeben nach Nr. 1 Abs. 2 und 3 der Änderungsvereinbarung 2002 zusammen genau 100 % „dieser Rentenleistung“ von 300,00 Euro. Dieser Umstand und das Fehlen von Anhaltspunkten im Wortlaut der Versorgungszusage dafür, dass die Altersrente mehr als 100 % des genannten Betrags ausmachen kann, sprechen für ein Verständnis, dass der Steigerungssatz nur für „jedes weitere Dienstjahr“ bis zur Vollendung des 25. Dienstjahres erdient wird. Wäre hingegen - wie der Kläger meint - die Angabe, die Betriebsrente betrage nach 25 Dienstjahren 300,00 Euro, im ersten Absatz der Nr. 1 der Änderungsvereinbarung 2002 nur im Rahmen eines Berechnungsbeispiels erfolgt, hätte es nahegelegen, dies durch einen Zusatz (wie „z. B.“ oder „beispielsweise“) deutlich zu machen. Zudem wäre es ungewöhnlich, eine Beispielsberechnung an den Anfang der Abrede/Zusage zu stellen.
19bb) Zieht man die Systematik und die Historie der Änderungsvereinbarung 2002 und der Versorgungszusage 1991 hinzu, wird unter Berücksichtigung des Verständnisses der beteiligten Verkehrskreise erkennbar, dass es sich bei dem in der Änderungsvereinbarung 2002 genannten Betrag von 300,00 Euro um einen Höchstbetrag handelt. Bei anderem Verständnis wäre die konkrete Bezifferung der gerade nach 25 Dienstjahren erreichten Altersrente nur im Rahmen einer Beispielsrechnung naheliegend. Unter dieser Prämisse ließe sich - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt - jedoch nicht mehr plausibel erklären, weshalb in der Änderungsvereinbarung 2002, mit der der Steigerungssatz von 3 % aus der Versorgungszusage 1991 auf 4 % hochgesetzt wurde, eine Änderung der möglichen Beispielsrechnung vorgenommen wurde. Bei einer reinen Beispielsrechnung wäre es bei der Änderung der ursprünglichen Versorgungszusage nicht erforderlich gewesen, neben der Anpassung der Bezugsgröße für die Bestimmung von Grund- und Steigerungsbetrag und des prozentualen Steigerungssatzes auch die vermeintliche Beispielsrechnung so zu korrigieren, dass diese bei nun einer 25-jährigen Dienstzeit erneut genau 100 % des Grund- und Steigerungsbetrags erreicht. Mit der Änderung durch die Änderungsvereinbarung 2002 war damit offenkundig beabsichtigt, die angehobene (300,00 Euro statt vorher 500,00 DM) - der Höhe nach begrenzte - Rentenanwartschaft frühzeitiger erdienen zu können und im Gegenzug das Weihnachtsgeld entfallen zu lassen. Entgegen der Ansicht des Klägers steht dem Ergebnis in systematischer Hinsicht nicht entgegen, dass - im Gegensatz zur Altersrente - in der Versorgungszusage 1991 im Zusammenhang mit dem zusätzlichen Weihnachtsgeld ausdrücklich ein Höchstbetrag genannt ist („höchstens jedoch DM 140,- nach 25 Dienstjahren“), der abgewandelt auch in der für den klägerischen Anspruch maßgeblichen Änderungsvereinbarung 2002 enthalten ist („höchstens jedoch € 71,50 jährlich“). Dies schließt nicht aus, dass auch der in Nr. 1 der Änderungsvereinbarung 2002 genannte Betrag von 300,00 Euro als Obergrenze zu verstehen ist. Vielmehr kann dies dadurch erklärt werden, dass der Wert des Weihnachtsgeldes nicht in Prozentsätzen, sondern in absoluten Zahlen ausgedrückt wird.
20cc) Soweit der Kläger darauf verweist, die Beklagte habe im Rahmen von Bonuszahlungen regelmäßig auch Zahlungen „oberhalb von 100 %“ geleistet, so ist das schon deshalb unbeachtlich, weil es sich nicht um solche Umstände handelt, die typischerweise den Abschluss vergleichbarer Versorgungszusagen begleiten, und die daher zur Auslegung der vorliegend im Wege von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgten Versorgungszusage nicht herangezogen werden können (vgl. - Rn. 33; - 7 AZR 291/15 - Rn. 15). Gleiches gilt, soweit die Revision auf die allgemeine Versorgungsordnung der Rechtsvorgängerin der Beklagten verweist und ausführt, dieser sei keine Begrenzung in Bezug auf die Dienstjahre zu entnehmen. Ungeachtet dessen kann der Kläger nach der auch durch die Änderungsvereinbarung 2002 nicht abgeänderten Präambel der ursprünglichen Versorgungszusage 1991 aus der allgemeinen Versorgungsordnung keine Ansprüche herleiten.
21dd) Sinn und Zweck der Versorgungszusage im Sinne von typischerweise von redlichen Geschäftspartnern verfolgten Zielen (vgl. - Rn. 51, BAGE 165, 132) stehen dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Der im ersten Absatz der Versorgungszusage 1991 verlautbarte und durch die Änderungsvereinbarung 2002 nicht abgeänderte Regelungszweck - die Honorierung vergangener Leistungen und künftiger Betriebstreue - erfordert nicht zwingend, künftige Dienstjahre unbegrenzt zu berücksichtigen.
22ee) Die Änderungsvereinbarung 2002 begegnet mit diesem Auslegungsergebnis auch keinen rechtlichen Bedenken. Die Höchstbegrenzung der Altersrente auf 300,00 Euro nach einer Dienstzeit von 25 Jahren führt nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 und 2, § 7 AGG. Sie bewirkt zwar, dass nach 25 Dienstjahren allein durch weitere Betriebszugehörigkeitszeiten keine weiteren Versorgungsanwartschaften mehr erworben werden können. Darin liegt aber keine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters. Die Höchstbegrenzung für den Erwerb von Versorgungsanwartschaften auf 25 Dienstjahre führt nicht dazu, dass Beschäftigungszeiten, die vor Erreichen eines bestimmten Lebensalters zurückgelegt werden, hinsichtlich des Erwerbs von Rentenanwartschaften eine andere Wertigkeit erhalten als solche, die danach zurückgelegt werden (vgl. - Rn. 35).
23c) Nach den vorstehenden Ausführungen sind die vertraglichen Regelungen nicht mehrdeutig iSd. § 305c Abs. 2 BGB. Bei Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsmethoden bestehen im Entscheidungsfall keine erheblichen Zweifel (vgl. zu dieser Anforderung: - Rn. 22; - 5 AZR 9/23 - Rn. 35).
242. Die Höchstbegrenzung in der Bestimmung zur Berechnung der Altersrente in der Änderungsvereinbarung 2002 ist - ungeachtet der Rechtsfolgen einer gegenteiligen Annahme - hinreichend transparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Unschädlich für die erforderliche Bestimmtheit der Vertragsregelung ist, dass sich ihr Inhalt erst im Wege der Auslegung ermitteln lässt. Die Gefahr, dass die betroffenen Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen ihre Rechte nicht wahrnehmen, bestand vorliegend nicht (zu dieser Anforderung: - Rn. 59; - 10 AZR 84/14 - Rn. 33 mwN, BAGE 150, 286).
25II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:221024.U.3AZR11.24.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-85074