Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - sachlicher Zusammenhang - objektivierte Handlungstendenz - betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung - Betriebssport - betriebliches Fußballturnier - Werbeplattform - sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - formelle Rechtswidrigkeit - sachliche Zuständigkeit des Rentenausschusses - Bescheid über isolierte (Nicht-)Feststellung eines Arbeitsunfalls - Bekanntgabe nach dem
Gesetze: § 8 Abs 1 S 1 SGB 7, § 36a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 4
Instanzenzug: SG Duisburg Az: S 6 U 518/18 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 17 U 210/20 Urteil
Tatbestand
1Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls im Zusammenhang mit einem Fußballturnier streitig.
2Der Kläger ist bei der Firma b GmbH & Co KG als Kommissionierer beschäftigt. Die Unternehmensgruppe hatte im Wirtschaftsjahr 2017/2018 europaweit über 11 000 Mitarbeiter, davon in Deutschland 6150 Beschäftigte in 115 Niederlassungen. Einmal jährlich findet ein Fußballturnier statt, an dem Mannschaften teilnehmen, die sich aus Mitarbeitern der Unternehmensgruppe rekrutieren. Das Turnier wird von Mitarbeitern der Niederlassung veranstaltet, deren Team das vorjährige Turnier gewonnen hat. Am fand das "21. Internationale b*Fußballturnier" statt. An ihm nahmen 80 Unternehmensangehörige teil, darunter der Kläger, der sich bei einem Spiel das rechte Knie verdrehte.
3Die Beklagte lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall zu entschädigen (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (; ). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfalls habe nicht in einem sachlichen Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit gestanden. Der Kläger sei weder seiner Beschäftigung als Kommissionierer nachgegangen noch sei das Fußballturnier Bestandteil des von der Beschäftigtenversicherung umfassten Betriebssports oder einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung gewesen. Die Veranstaltung habe dem Unternehmen auch nicht als Werbeplattform gedient.
4Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 2 Abs 1 Nr 1, § 8 Abs 1 SGB VII. Die Teilnahme an dem Fußballturnier habe wegen dessen Unternehmensbezugs unter Unfallversicherungsschutz gestanden. Die sportliche Veranstaltung sei durch das Unternehmen als Bühne für Werbezwecke genutzt worden, um die Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen.
5Der Kläger beantragt,den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis vom ein Arbeitsunfall war.
6Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen.
7Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.
Gründe
8Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 3, § 56 SGG) ist nicht nur insoweit unbegründet, als der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls hat (dazu 2.). Auch der Umstand, dass der Rentenausschuss der Beklagten einen Verwaltungsakt über die (Nicht-)Feststellung eines Arbeitsunfalls erlassen hat, führt in der hier streitigen Zeit noch nicht zur Aufhebung des Bescheides (dazu 1.).
91. Die gegen den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom erhobene Anfechtungsklage hat nicht wegen sachlicher Unzuständigkeit des den Bescheid erlassenden Rentenausschusses Erfolg.
10§ 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV ermächtigt die Unfallversicherungsträger, durch Satzung bestimmte Leistungsentscheidungen, insbesondere solche über Renten, auf besondere Ausschüsse (sog Rentenausschüsse) zu übertragen. Macht ein Unfallversicherungsträger - wie hier die Beklagte - davon Gebrauch, wird insoweit die Entscheidungskompetenz des Geschäftsführers für die laufenden Verwaltungsgeschäfte (§ 36 Abs 1 SGB IV) verdrängt. Obwohl § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV - wie auch seine Vorgängerregelungen - nur die Übertragung von Entscheidungen über bestimmte Leistungen vorsieht, hat der Senat früher eine sachliche Zuständigkeit des Rentenausschusses auch für die isolierte Anerkennung eines Versicherungsfalls und seiner Folgen angenommen, weil diese wesentliche Voraussetzung für eine spätere Rentengewährung ist ( - juris RdNr 15, vom - B 2 U 24/98 R - juris RdNr 23, vom - 2 RU 80/82 - BSGE 55, 287, 292 = SozR 1200 § 42 Nr 2 S 5 und vom - 2 RU 113/63 - BSGE 24, 162,165 f = juris RdNr 37, 39).
11An dieser Rechtsprechung hat der Senat mit Urteil vom (B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70) nicht mehr festgehalten und die isolierte Ablehnung eines Versicherungsfalls nicht mehr dem Kompetenzbereich des Rentenausschusses zugeordnet. Denn § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV zählt abschließend die Entscheidungen auf, die in der Unfallversicherung auf besondere Ausschüsse übertragen werden können. Dazu gehören Entscheidungen über Renten sowie bestimmte andere Leistungen, nicht aber Entscheidungen über die (Nicht-)Feststellung eines Versicherungsfalls, auch wenn diese im Einzelfall die Entscheidung über die (Nicht-)Gewährung einer Verletztenrente präjudizieren (BSG aaO RdNr 13). Im konkreten Rechtsstreit war indes die Nichtanerkennung eines Versicherungsfalls ohnehin materiell rechtswidrig. Daher konnte offenbleiben, ob der Bescheid des Rentenausschusses wegen formeller Rechtswidrigkeit aufzuheben war, weil dieser bei seiner Beschlussfassung außerhalb seines Kompetenzrahmens handelte (BSG aaO RdNr 43). Mit seinem obiter dictum hat der Senat seinerzeit angekündigt, wie er in künftigen Fällen die Kompetenzen der Rentenausschüsse der Unfallversicherungsträger beurteilen wird (zur Zulässigkeit von Ankündigungsrechtsprechung vgl - BSGE 111, 1 = SozR 4-4300 § 144 Nr 23, RdNr 22, vom - B 4 RS 7/06 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 11 RdNr 21, vom - B 6 KA 71/04 R - BSGE 95, 141 RdNr 40 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 48 und vom - B 6 KA 33/01 R - BSGE 89, 259, 268 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 34 S 196 f).
12Ab welchem Zeitpunkt diese Änderung wirksam werden soll, hat der Senat auch in der Folge nicht zu entscheiden brauchen. Soweit von Rentenausschüssen erlassene Bescheide über die (Nicht-)Feststellung eines Versicherungsfalls streitgegenständlich waren, kam es auf deren formelle Rechtmäßigkeit nicht entscheidungserheblich an (vgl - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 49 vorgesehen - juris RdNr 34, vom - B 2 U 8/21 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-5671 Anl 1 Nr 1301 Nr 1 vorgesehen - juris RdNr 46, vom - B 2 U 8/20 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 11, vom - B 2 U 7/19 R - BSGE 131, 297 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 11 und vom - B 2 U 17/19 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 28 RdNr 21).
13Hier hat die Klage allerdings weder aus materiellen Gründen Erfolg (dazu 2.) noch hat der Rentenausschuss (auch) über Leistungen iS des § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV entschieden. Zwar hat er es in dem Bescheid vom abgelehnt, den Unfall vom als Arbeitsunfall zu entschädigen. Darin ist aber keine Ablehnung aller in Betracht kommenden Leistungsansprüche zu erblicken, sondern nur - wie es auch im Widerspruchsbescheid vom zum Ausdruck kommt - die Ablehnung der Anerkennung eines Versicherungsfalls (zur Auslegung pauschaler Leistungsablehnungen vgl - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 45 f und vom - B 2 U 7/19 R - BSGE 131, 297 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 11 ff sowie - B 2 U 17/19 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 28 RdNr 21 ff; Roos/Karmanski/Karl/Wahl/Schmitt, WzS 2024, 231 ff). Infolgedessen ist es hier entscheidungserheblich, ob der Rentenausschuss außerhalb seines Kompetenzrahmens gehandelt hat.
14Der Senat präzisiert seine geänderte Auffassung zum begrenzten Kompetenzrahmen der Rentenausschüsse dahingehend, dass sie erst auf Bescheide Anwendung findet, die nach dem bekanntgegeben (§ 37 SGB X) worden sind. Zu diesem Zeitpunkt war das Urteil vom (B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70) bereits Gegenstand von Besprechungen in der Fachliteratur (vgl Geckeler, NZS 2020, 681). Bis dahin blieb den Unfallversicherungsträgern genügend Zeit, ihre Verwaltungspraxis an die angekündigte Rechtsprechung des Senats anzupassen (zur Umsetzbarkeit in der Verwaltungspraxis: Ricke NZS 2022, 132, 134). Dies bedeutet für den hier streitgegenständlichen Bescheid vom , dass er nicht deswegen aufzuheben ist, weil dem Rentenausschuss die Kompetenz zu einer isolierten Entscheidung über die (Nicht-)Feststellung eines Arbeitsunfalls fehlte.
15Zur Klarstellung weist der Senat auf Folgendes hin: Hat ein Rentenausschuss unter Überschreitung seiner Kompetenzen eine isolierte Entscheidung über die Anerkennung oder Ablehnung eines Versicherungsfalls getroffen, so führt dies nicht zur Nichtigkeit seines Verwaltungsakts, sondern nur zu dessen Rechtswidrigkeit ( - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 14 und nachfolgend vom - B 2 U 13/21 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 49 vorgesehen - juris RdNr 15). Dieser Fehler ist auch weder nach § 41 Abs 1 SGB X unbeachtlich noch nach § 42 Satz 1 SGB X folgenlos (Spellbrink/Karmanski, SGb 2021, 461, 466 f; aA Bayerisches - juris RdNr 216). Vielmehr führt die fehlende sachliche Zuständigkeit des Rentenausschusses - wie auch bei anderen Behörden - nicht nur zur formellen Rechtswidrigkeit des von ihm erlassenen Verwaltungsakts, sondern auch dazu, dass dieser unabhängig davon aufzuheben ist, ob die Maßnahme materiell rechtmäßig ist (vgl - zur Veröffentlichung in SozR 4-2600 § 8 Nr 4 vorgesehen - juris RdNr 39 f, vom - B 7/14 AS 25/21 R - SozR 4-4200 § 44b Nr 7 RdNr 30, vom - B 12 KR 9/16 R - BSGE 123, 180 = SozR 4-2400 § 26 Nr 4, RdNr 30 und vom - B 8 SO 2/16 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 20 RdNr 17).
162. Auch die zusammen mit der Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls, weil die Teilnahme an dem unfallbringenden Fußballspiel nicht seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist.
17Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt (Unfallkausalität) und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; stRspr; vgl zB - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 64 vorgesehen - juris RdNr 13, vom - B 2 U 14/20 R - BSGE 135, 155 = SozR 4-2700 § 2 Nr 60, RdNr 10, vom - B 2 U 4/21 R - BSGE 133, 180 = SozR 4-2700 § 8 Nr 78, RdNr 12 und vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 20; jeweils mwN). Unerheblich ist, ob die Verletzung den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität; stRspr; zB - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 15 mwN).
18Der innere bzw sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (stRspr; vgl - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 15, vom - B 2 U 1/21 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 19, vom - B 2 U 7/17 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 66 RdNr 11 und vom - B 2 U 29/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 16 RdNr 11; jeweils mwN). Maßgeblicher Zurechnungsgesichtspunkt ist die objektivierte Handlungstendenz (stRspr; zB - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 37 und vom - B 2 U 8/20 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 13). Danach besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen der abstrakt-generell versicherten Tätigkeit und der konkret-individuellen Verrichtung, wenn das objektiv beobachtbare Verhalten des Verletzten zumindest auch dem Unternehmen dienen, nutzen bzw zugute kommen sollte, diese subjektive Ziel- und unternehmensdienliche Zweckrichtung in den realen Gegebenheiten eine Stütze findet, dh objektivierbar ist, und die schadenstiftende Verrichtung den objektiven Interessen des Unternehmers zumindest mutmaßlich entsprach ( - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 17). Handelte der Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus seinem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtung, ist der innere Zusammenhang unmittelbar zu bejahen ( - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 20 mwN). Bei gesetzlich (vgl § 8 Abs 2 SGB VII) oder aufgrund der Rechtsprechung anerkannten Erweiterungen des Versicherungsschutzes (zB auf Dienstreisen, bei Betriebssport, bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen) sind weitere Voraussetzungen zu erfüllen ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 13 und vom - B 2 U 22/08 R - juris RdNr 14; jeweils mwN).
19Die Teilnahme des Klägers am "21. Internationalen b*Fußballturnier" und an dem unfallbringenden Fußballspiel ist nicht seiner versicherten Tätigkeit als Kommissionierer bei der Firma b GmbH & Co KG zuzurechnen. Zwar gehörte der Kläger als Beschäftigter kraft Gesetzes nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII zum grundsätzlich versicherten Personenkreis. Seine Verrichtung zur Zeit des geltend gemachten Unfallereignisses - das Fußballspielen - stand aber nicht in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Das Fußballturnier war nicht Bestandteil der versicherten Beschäftigung (dazu a). Es war der Beschäftigung auch nicht als (regelmäßiger) Betriebssport (dazu b) oder (einmalige) betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung (dazu c) zuzurechnen. Ebenso wenig stand die Teilnahme am Fußballturnier unter dem Gesichtspunkt der Werbung unter Versicherungsschutz (dazu d).
20a) Der Kläger ging während des Fußballspiels nicht seiner Beschäftigung bei der Firma b GmbH & Co KG nach. Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit im Rahmen einer Beschäftigung wird ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, insbesondere einem Arbeitsverhältnis, zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 21, vom - B 2 U 8/20 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 15, vom - B 2 U 15/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 77 RdNr 14 und vom - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff). Mit seiner Teilnahme an dem Fußballturnier und am konkreten Fußballspiel erfüllte der Kläger weder objektiv eine geschuldete Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis als Kommissionierer noch konnte er subjektiv davon ausgehen, eine solche Pflicht zu erfüllen.
21b) Der Kläger ist bei dem zum Unfall führenden Fußballspiel nicht unter dem Gesichtspunkt des Betriebssports versichert gewesen. Dem Turnier mit dem Ziel der Ermittlung des besten Teams innerhalb der Unternehmensgruppe fehlte es sowohl an dem mit dem Betriebssport in erster Linie bezweckten Ausgleich für die beruflichen Belastungen als auch an der für den Versicherungsschutz erforderlichen Regelmäßigkeit der sportlichen Betätigung. Stattdessen stand der Wettkampfcharakter im Vordergrund, der den Versicherungsschutz insoweit nach gefestigter Senatsrechtsprechung ausschließt ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 18, vom - B 2 U 29/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 16 RdNr 14 ff und vom - B 2 U 16/04 R - SozR 4-1500 § 163 Nr 1 RdNr 6). Nur gelegentlich stattfindenden Wettkampf- und Freundschaftsspielen (auch innerhalb desselben Unternehmens), bei denen ein Training praktisch nicht stattfindet, kann bereits aufgrund des zeitlichen Abstandes eine Ausgleichsfunktion für die tägliche betriebliche Arbeitsbelastung nicht mehr beigemessen werden ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 18 und vom - B 2 U 29/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 16 RdNr 15).
22c) Das Fußballturnier stand auch nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter Versicherungsschutz. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen müssen im Interesse des Arbeitgebers liegen und einen betrieblichen Zweck verfolgen. Die von der Unternehmensleitung getragene und in ihrem Einvernehmen durchgeführte Veranstaltung muss darauf abzielen, die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern. An diesem betrieblichen Zusammenhang fehlt es, wenn es sich um eine rein sportliche Veranstaltung handelt, die von vornherein so geplant ist, dass aufgrund ihrer Eigenart ein nennenswerter Teil der Belegschaft nicht teilnehmen wird. Ebenso besteht kein hinreichender betrieblicher Zusammenhang, wenn nicht die Stärkung des "Wir-Gefühls" der Beschäftigten im Vordergrund der Veranstaltung steht, sondern stattdessen Freizeit, Unterhaltung, Erholung oder die Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen. Eine "echte" betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung erfordert zudem ein für die Teilnehmenden verbindliches Programm. Für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist eine Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände erforderlich ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 19, vom - B 2 U 12/15 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 37 RdNr 20 und vom - B 2 U 19/14 R - BSGE 121, 297 = SozR 4-2700 § 2 Nr 36, RdNr 14; jeweils mwN). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelte es sich bei dem Fußballturnier schon deshalb nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, weil es nicht allen Beschäftigten offenstand. Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihrer Programmgestaltung her geeignet sein, dadurch zur Förderung des Gemeinschaftsgedankens im Unternehmen beizutragen, dass sie die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Teil anspricht ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 37 RdNr 22 und vom - B 2 U 19/14 R - BSGE 121, 297 = SozR 4-2700 § 2 Nr 36, RdNr 17). Ein Fußballturnier steht daher nur dann als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter Versicherungsschutz, wenn es im Rahmen einer Veranstaltung stattfindet, die möglichst alle Betriebsangehörigen einbezieht, nicht jedoch wenn es sich nur an einen eng begrenzten Teilnehmerkreis richtet ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 21). Nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG, richtete sich die Einladung nur an alle fußballinteressierten Mitarbeiter der Unternehmensgruppe, die sich zu einer Mannschaft zusammenfinden und mitspielen wollten. Folglich handelte es sich um eine rein sportliche Veranstaltung, die von vornherein eingeschränkt nur aktive, dh mitspielende, Fußballinteressierte einbezog und selbst unter diesen von vornherein nur auf einen begrenzten Teil der Belegschaft ausgerichtet war (so zu einem gleichgelagerten Fall: - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 22). Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass von Unternehmerseite während des Turniers Lebensmittel und Getränke angeboten sowie eine Hüpfburg bereitgestellt wurde. Dies führt nicht dazu, dass das Turnier in ein weiter zu verstehendes Veranstaltungsprogramm einbezogen gewesen wäre, welches sich an alle Beschäftigten richtete.
23d) Die Teilnahme an dem Fußballturnier ist schließlich auch nicht unter Werbungsgesichtspunkten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
24Anders als dies früher in der Rechtsprechung angenommen worden war ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 11 RdNr 14, vom - B 2 U 52/02 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 2 RdNr 13 und vom - 2 RU 68/68 - juris RdNr 25), ist die Werbewirksamkeit einer Veranstaltung für das Unternehmen bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer versicherten betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung erfüllt sind, ohne Belang. Denn als solche steht nicht jede betriebliche Veranstaltung unter Versicherungsschutz, die für das Unternehmen insgesamt - etwa auch unter Werbungsgesichtspunkten - wertvoll ist ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 37 RdNr 26). Eine Werbewirkung hat mit den Zwecken einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung - Stärkung und Pflege der Verbundenheit unter den Betriebsangehörigen - nichts zu tun. Sie kann aber unabhängig von den Grundsätzen zur betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung Unfallversicherungsschutz begründen.
25Bei versicherten Unternehmern hat sich die Rechtsprechung wiederholt mit der Frage zu beschäftigen gehabt, welche Werbemaßnahmen unter Unfallversicherungsschutz stehen. Gerade bei Unternehmern gestaltet sich die Abgrenzung versicherter von unversicherten Tätigkeiten nicht selten schwierig, weil ihnen für die Art und Weise, wie sie ihr Unternehmen führen, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zusteht und bei ihnen der Kreis der Verrichtungen, die als unternehmensdienlich angesehen werden können, mit weiten Teilen des Privatlebens verwoben ist ( - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 16 und vom - B 2 U 9/16 R - BSGE 124, 93 = SozR 4-2700 § 8 Nr 63, RdNr 17 mwN; Keller in Hauck/Noftz, 6. Ergänzungslieferung 2024, § 8 SGB VII RdNr 164). Dies führt indes nicht dazu, dass ein Unternehmer bei jeder Tätigkeit, die auch nur entfernt im Zusammenhang mit seinem Unternehmen steht, versichert ist. An Werbung von Unternehmern bei privaten Veranstaltungen oder Anlässen hat das BSG daher schon früh einen strengen Maßstab angelegt und für den Unfallversicherungsschutz einen engen Zusammenhang mit dem Unternehmen verlangt ( - juris RdNr 17 und vom - 2 RU 54/54 - BSGE 1, 258, 261 = juris RdNr 13), der nur in Betracht kommt, wenn die Verfolgung eines unternehmerischen Zwecks erkennbar im Vordergrund steht ( 8/8a RU 58/80 - SozR 2200 § 548 Nr 57 S 153).
26Auch bei Beschäftigten ist an den sachlichen Zusammenhang ein strenger Maßstab anzulegen. Gehört die Werbung für das Unternehmen zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Beschäftigten und ist die unfallbringende Verrichtung davon erfasst, steht er auch in den Fällen unter Unfallversicherungsschutz, in denen der Unternehmer wegen des fehlenden engen Zusammenhangs mit der betrieblichen Tätigkeit nicht versichert wäre ( - juris RdNr 26). Gehört die Werbung dagegen nicht zum Aufgabenkreis des Beschäftigten und handelt er auch nicht auf Weisung seines Arbeitgebers, muss die Erzielung unternehmensbezogener Werbeeffekte durch die Verrichtung im Vordergrund stehen und ihr das Gepräge geben, um sie der versicherten Tätigkeit wertend zurechnen zu können.
27Ausgehend hiervon kann die Teilnahme von Beschäftigten an einer Sportveranstaltung dann unter Unfallversicherungsschutz stehen, wenn sie wesentlich dadurch geprägt ist, die besondere Ausstrahlung des Sports zum Zwecke der Werbung für das Beschäftigungsunternehmen zu nutzen. Wer dabei für sein Beschäftigungsunternehmen als Werbeträger auftritt, ohne hierzu verpflichtet zu sein, kann versichert sein. Nutzt ein Unternehmen eine Sportveranstaltung gezielt als Werbeplattform, um über die Teilnahme von Unternehmensmitarbeitern oder -teams die Öffentlichkeit auf sich als Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen oder als Arbeitgeber aufmerksam zu machen, kann bei den sportlichen Aktivitäten der teilnehmenden Beschäftigten ein sachlicher Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit bestehen ( - juris RdNr 25 ff; - juris RdNr 28 ff). Dem Unfallversicherungsschutz steht in einem solchen Fall - anders als beim Betriebssport (dazu oben 2b) - der Wettkampfcharakter der Sportveranstaltung an sich nicht entgegen. Erforderlich ist aber immer eine intendierte Öffentlichkeits- oder Medienwirksamkeit. Sportliches Auftreten im öffentlichen Raum bei Veranstaltungen mit breitem Zuschauer- und Medieninteresse weist dies regelmäßig auf. Dies kann auch bei unternehmensinternen Veranstaltungen der Fall sein, wenn diese von vornherein so konzipiert und gezielt darauf gerichtet sind, über die mediale Präsentation der sportlichen Aktivitäten wesentliche Werbeeffekte für das Unternehmen zu erzielen. Die bloße nachträgliche Berichterstattung über ein unternehmensinternes Sportereignis genügt hingegen nicht; diese mag zwar für die Außendarstellung des Unternehmens nützlich sein, ein damit bezweckter Werbeeffekt stellt jedoch nicht mehr als einen rechtlich unwesentlichen Reflex dar (vgl - juris RdNr 21 f; Krasney, SGb 2006, 69, 70 f).
28Die Teilnahme des Klägers an dem Fußballturnier kann hier nicht unter dem Gesichtspunkt der Werbung seiner versicherten Tätigkeit als Beschäftigter zugerechnet werden. Das Fußballturnier war nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) eine unternehmensinterne Veranstaltung. Es fanden ausschließlich Fußballspiele zwischen Mannschaften statt, die sich aus Mitarbeitern der Unternehmensgruppe rekrutierten. Neben den Turnierspielen gab es keine weiteren Programmpunkte. Die Teilnahme einer breiteren Öffentlichkeit zum Zwecke der Außendarstellung des Unternehmens bzw der Unternehmensgruppe war weder vorgesehen noch war die Veranstaltung hierfür ausgelegt. Das Turnier wurde nicht vom Unternehmen, sondern von Beschäftigten der Niederlassung organisiert, deren Team das vorjährige Turnier gewonnen hatte. Die Unternehmensgruppe unterstützte die Veranstaltung lediglich und beteiligte sich finanziell, indem sie Verpflegung und Getränke stellte sowie eine Hüpfburg bezahlte. Zudem erstellte sie nachträglich eine Pressemitteilung, die in einem örtlichen Wochenblatt veröffentlicht wurde. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände war das Fußballturnier nicht dadurch geprägt, für das Unternehmen oder die Unternehmensgruppe zu werben. Das Fußballturnier wurde von der Unternehmensgruppe nicht zielgerichtet in der Öffentlichkeit als Werbeplattform genutzt. Der mit der nachträglichen Presseberichterstattung bezweckte Werbeeffekt war nur von untergeordneter Bedeutung und nicht mehr als ein rechtlich unwesentlicher Reflex.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:260924UB2U1422R0
Fundstelle(n):
OAAAJ-84974