Leitsatz
Einer erstinstanzlichen Kostenentscheidung nach § 81 FamFG in einem Nachlassverfahren, die sich darin erschöpft, dass ein Antrag "kostenpflichtig zurückgewiesen" wird oder der Antragsteller die "Kosten des Verfahrens" zu tragen hat, ist - sofern eine Auslegung anhand der Entscheidungsgründe nichts Abweichendes ergibt - regelmäßig nicht die Anordnung der Erstattung der zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen weiterer Beteiligter zu entnehmen.
Gesetze: § 81 FamFG
Instanzenzug: Az: I-3 Wx 191/23 Beschlussvorgehend AG Mönchengladbach Az: 15 VI 648/21
Gründe
1I. Die Beteiligten, zwei von sieben Kindern des am verstorbenen Erblassers, haben um dessen Erbfolge gestritten. Das Amtsgericht - Nachlassgericht - hat den auf Erteilung eines Alleinerbscheins gerichteten Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1, dem der Beteiligte zu 2 anwaltlich vertreten entgegengetreten war, mit Beschluss vom (im Folgenden: Hauptsacheentscheidung) "kostenpflichtig zurückgewiesen". In den Gründen hat es ausgeführt: "Der Antrag des Antragstellers war daher zurückzuweisen, wobei er die Kosten des Verfahrens zu tragen hat."
2Das Nachlassgericht hat in der Folge auf den Antrag des Beteiligten zu 2 die diesem aufgrund der Hauptsacheentscheidung von dem Beteiligten zu 1 zu erstattenden Kosten auf 4.142,99 € (Rechtsanwaltsgebühren, Auslagen und Umsatzsteuer) nebst Zinsen festgesetzt. Das Oberlandesgericht hat auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1, der meint, die Hauptsacheentscheidung verpflichte ihn nur zur Tragung der Gerichtskosten, den Kostenfestsetzungsbeschluss des Nachlassgerichts aufgehoben und den Antrag des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.
3Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Kostenfestsetzungsbeschlusses verfolgt.
4II. Die zulässige, insbesondere nach § 85 FamFG in Verbindung mit §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZB 12/24, juris Rn. 4; , NJW-RR 2014, 186 Rn. 9-12 m.w.N.) hat keinen Erfolg.
51. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in ZEV 2024, 316 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, eine Verpflichtung zur Erstattung notwendiger Aufwendungen anderer Beteiligter sei dem Ausspruch der Hauptsacheentscheidung weder ausdrücklich noch im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe zu entnehmen. In einem Fall, in dem sich die Kostenentscheidung in einem Erbscheinserteilungsverfahren darin erschöpfe, dass der Erbscheinsantrag "kostenpflichtig zurückgewiesen" werde, beziehungsweise dass der Antragsteller "die Kosten des Verfahrens zu tragen hat", enthalte diese lediglich eine Kostengrundentscheidung betreffend die Gerichtskosten.
62. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Der Beteiligte zu 2 hat keinen Anspruch auf gerichtliche Festsetzung seiner notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen gegen den Beteiligten zu 1 als Erbscheinsantragsteller.
7a) Der Hauptsacheentscheidung ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, weder ausdrücklich noch im Wege der Auslegung eine Auferlegung der außergerichtlichen Aufwendungen des Beteiligten zu 2 auf den Beteiligten zu 1 zu entnehmen. Der Tenor der Hauptsacheentscheidung ("Der Erbscheinsantrag […] wird kostenpflichtig zurückgewiesen.") verhält sich nicht zu den außergerichtlichen Aufwendungen des Beteiligten zu 2. Maßgebend für die daher erforderliche Auslegung ist der Wortlaut der Kostengrundentscheidung unter Heranziehung der Entscheidungsgründe (vgl. OLG München ZEV 2022, 285 Rn. 11; vgl. auch , NJW-RR 2021, 1003 Rn. 12 zur Kostenregelung in einem Vergleich). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen, der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen, beinhalten ihrerseits nicht ausdrücklich die notwendigen Aufwendungen des Beteiligten zu 2. Das Rubrum der Hauptsacheentscheidung, das den Beteiligten zu 1 als "Antragsteller und Erbe", den Beteiligten zu 2 als "Antragsgegner und Erbe" und zwei weitere Geschwister jeweils nur als "Erbe" bezeichnet, ergibt insoweit - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - ebenfalls nichts anderes. Aus der unterschiedlichen Bezeichnung der dem Erbscheinsantrag entgegentretenden beziehungsweise nicht entgegentretenden Beteiligten folgt nichts für die Frage, ob dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des so bezeichneten Antragsgegners dem Grunde nach auferlegt worden sind.
8b) Die Frage, ob einem erstinstanzlichen Ausspruch in Nachlasssachen, insbesondere im Erbscheinsverfahren, der sich darin erschöpft, dass ein Antrag "kostenpflichtig zurückgewiesen" wird, und bei dem sich aus den Entscheidungsgründen nichts Abweichendes ergibt, neben der Auferlegung der Gerichtskosten regelmäßig auch die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten weiterer Beteiligter zu entnehmen ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten (vgl. bereits Senatsbeschluss vom - IV ZB 12/24, juris Rn. 9).
9aa) Einige Oberlandesgerichte vertreten die Auffassung, eine solche Kostenentscheidung sei anhand der Definition in § 80 FamFG dahingehend auszulegen, dass davon sowohl die Gerichtskosten als auch die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erfasst seien (vgl. OLG Brandenburg MDR 2023, 443 [juris Rn. 10-14]; OLG Hamm ErbR 2019, 706 [juris Rn. 9, 14 f.]; aus dem Schrifttum Schneider, NJW-Spezial 2021, 189; vorsichtig Marx, ErbR 2022, 1080, 1081; A. Weber in Sternal, FamFG 21. Aufl. § 81 Rn. 8, für tenorierte "Kosten des Verfahrens", anders dagegen für "kostenpflichtige" Zurückweisung eines Antrags).
10bb) Nach anderer Ansicht umfasst diese Tenorierung nicht die Erstattung außergerichtlicher Kosten, was vor allem mit den Besonderheiten des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie der nach § 81 Abs. 1 FamFG flexiblen Kostenverteilung im Wege einer Ermessensentscheidung begründet wird (vgl. OLG München ZEV 2022, 285 Rn. 9 ff., zu den "Kosten dieses Antrags", Rn. 12, mit zustimmender Anmerkung Kroiß, ZEV 2022, 287 f.; OLG Düsseldorf ZEV 2021, 263 Rn. 9, 12; OLG Köln FGPrax 2012, 282 [juris Rn. 12]; aus dem Schrifttum Gierl in Burandt/Rojahn, Erbrecht 4. Aufl. § 352e FamFG Rn. 241; Feskorn in Prütting/Helms, FamFG 6. Aufl. § 81 Rn. 8; Mayr in jurisPK-BGB 10. Aufl. § 2353 Rn. 88; M. Weber in BeckOK FamFG § 81 Rn. 11 [Stand: ]; Zimmermann in Sternal, FamFG 21. Aufl. § 352e Rn. 102).
11cc) Der Senat hat diese Frage zuletzt offengelassen (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZB 12/24, juris Rn. 10). Sie ist im Sinne der letztgenannten Auffassung zu beantworten. Einer erstinstanzlichen Kostenentscheidung nach § 81 FamFG in einem Nachlassverfahren, die sich darin erschöpft, dass ein Antrag "kostenpflichtig zurückgewiesen" wird oder dass der Antragsteller die "Kosten des Verfahrens" zu tragen hat, ist - sofern eine Auslegung anhand der Entscheidungsgründe nichts Abweichendes ergibt - regelmäßig nicht die Anordnung der Erstattung der zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen weiterer Beteiligter zu entnehmen.
12Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Mit der Regelung des § 81 Abs. 1 FamFG hat der Gesetzgeber dem Gericht ein weites Ermessen eingeräumt (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZB 35/15, ZEV 2016, 95 Rn. 11). Zwar wurde die in § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG enthaltene Regel, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte grundsätzlich seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, aufgegeben (vgl. Senatsbeschluss vom aaO m.w.N.). Fehlt es an einer hinreichend klaren Ermessensentscheidung des Gerichts zur Auferlegung der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen auf einen anderen Beteiligten, verbleibt es aber dabei, dass diese von demjenigen zu tragen sind, bei dem sie angefallen sind. Anders als für die Gerichtskosten, deren Schuldner ohne eine Entscheidung des Gerichts hierzu nach § 22 Abs. 1 GNotKG nur der Antragsteller bleibt (vgl. BTDrucks. 16/6308 S. 215 noch zur KostO), bedürfte es, sollte der Antragsteller auch die Kosten weiterer Beteiligter zu tragen haben, insoweit einer diese Kostentragung rechtfertigenden (Billigkeits-)Entscheidung des Gerichts (vgl. auch I-15 W 273/14, juris Rn. 20 f.; OLG Jena, Beschluss vom - 6 W 549/13, juris Rn. 23; OLG München FGPrax 2010, 307 [juris Rn. 22]; Feskorn in Prütting/Helms, FamFG 6. Aufl. § 81 Rn. 9), in welche das Gericht sämtliche in Betracht kommenden Umstände einzubeziehen hat (vgl. Senatsbeschluss vom aaO Rn. 16). Der schlichten Entscheidung einer "kostenpflichtigen" Antragszurückweisung ist eine derartige Ermessensausübung zur Auferlegung außergerichtlicher Kosten anderer Beteiligter nicht zu entnehmen.
13Eine generelle Auslegung der kostenpflichtigen Zurückweisung eines Antrags als Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten entspräche dagegen der im Zivilprozessrecht bestehenden starren Kostenregelung des § 91 ZPO. Diese soll aber im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerade nicht gelten. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG ermöglicht und gebietet vielmehr eine flexible Kostenverteilung (vgl. OLG München ZEV 2022, 285 Rn. 15; OLG Düsseldorf ZEV 2021, 263 Rn. 12).
14(1) Ein Einschluss außergerichtlicher Kosten ergibt sich nicht aus einem Rückgriff auf die Definition des Begriffs der "Kosten" anhand von § 80 Satz 1 FamFG (a. A. OLG Brandenburg MDR 2023, 443 [juris Rn. 10 f.]; OLG Hamm ErbR 2019, 706 [juris Rn. 9]). Danach gehören zu den Kosten zwar neben den Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) auch die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Daneben ist aber auch der Wortlaut des die Kostengrundentscheidung selbst regelnden § 81 FamFG zu berücksichtigen. Nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG kann das Gericht von der Erhebung "der Kosten" absehen. Dies bezieht sich nur auf die Gerichtskosten (BTDrucks. 16/6308 S. 215 re. Sp.; vgl. Feskorn in Prütting/Helms, FamFG 6. Aufl. § 81 Rn. 15); auf den Anfall außergerichtlicher Kosten der Beteiligten hat das Gericht naturgemäß keinen Einfluss. Angesichts dieser Bedeutungsdifferenz ist insbesondere vor dem Hintergrund der Besonderheit der Kostenentscheidung nach Billigkeitsgesichtspunkten aus der schlichten Begriffsdefinition in § 80 Satz 1 FamFG kein konkreter Wille des Nachlassgerichts abzuleiten, mit der "Kostenpflicht" auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten anzuordnen (vgl. auch OLG München ZEV 2022, 285 Rn. 14).
15(2) Eine weitere Besonderheit von Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit besteht darin, dass sie nicht immer kontradiktorisch geführt werden. Die Anordnung einer Erstattung der notwendigen Aufwendungen eines Beteiligten setzt aber voraus, dass an der Angelegenheit mehrere Personen mit gegensätzlichen oder unterschiedlichen Interessen beteiligt sind (vgl. , juris Rn. 5; BayObLG NJW-RR 1993, 848 [juris Rn. 12] zu § 13a FGG a.F.; Feskorn in Prütting/Helms, FamFG 6. Aufl. § 81 Rn. 5). Nur wenn die Beteiligten unterschiedliche Entscheidungen anstreben, kann es Aufgabe des Gerichts sein, über einen Ausgleich der ihnen jeweils entstandenen Aufwendungen zu entscheiden (vgl. Feskorn aaO). Würde aber in einem nicht näher begründeten Kostenausspruch über die kostenpflichtige Zurückweisung eines Antrags eine Kostengrundentscheidung auch bezüglich der außergerichtlichen Kosten gesehen und die Anordnung einer Erstattungspflicht gegenüber den übrigen Beteiligten bejaht, führte dies - mangels wiederum nur durch Auslegung herbeizuführender Unterscheidung der Beteiligten nach ihrer Interessenrichtung - dazu, dass der Antragsteller auch die Kosten der ihn unterstützenden Beteiligten zu tragen hätte. Daraus folgte eine sogar weitergehende Kostentragungspflicht des Antragstellers als im Rahmen einer gebundenen Kostenentscheidung in einem Rechtsstreit gemessen am Obsiegen und Unterliegen nach § 91 Abs. 1 ZPO, wo gemäß § 101 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO ein die obsiegende Hauptpartei unterstützender Nebenintervenient seine Kosten selbst zu tragen hat.
16(3) Eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten weiterer Beteiligter ergibt sich aus der "kostenpflichtigen" Antragszurückweisung auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass dieser Ausspruch sinnlos wäre, bezöge er sich nur auf die Gerichtskosten, weil sich die Haftung des Antragstellers insoweit ohnehin aus § 22 Abs. 1 GNotKG ergäbe (so aber Schneider, NJW-Spezial 2021, 189). Der Ausspruch ist jedenfalls dazu geeignet, zu verdeutlichen, dass das Gericht eine Kostenentscheidung getroffen hat und damit einem Antrag auf Beschlussergänzung nach § 43 Abs. 1 FamFG vorzubeugen, der voraussetzt, dass eine Kostenentscheidung im Ausgangsbeschluss versehentlich übergangen wurde (vgl. , NJW 2006, 1351 Rn. 9 zu § 321 ZPO; OLG München NJW-RR 2012, 523 [juris Rn. 16]; Gierl in Burandt/Rojahn, Erbrecht 4. Aufl. § 352e FamFG Rn. 246). Im Übrigen wird durch den Ausspruch, dass der Antrag kostenpflichtig zurückgewiesen wird, auch klargestellt, dass das Gericht nicht von der Möglichkeit des § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG Gebrauch gemacht hat, von der Erhebung der Kosten abzusehen.
17III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZB 12/24, juris Rn. 20; , NJW-RR 2014, 186 Rn. 21).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:290125BIVZB2.24.0
Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 8 Nr. 9
JAAAJ-84967