Instanzenzug: Az: 6 U 14/20vorgehend Az: 21 O 64/19
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Er erwarb im Oktober 2015 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten, gebrauchten Mercedes-Benz C 350 CDI AMG Sport mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 (Schadstoffklasse Euro 5).
3Der Kläger verlangt im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er einerseits den Betrag des begehrten Schadensersatzes wegen weiterer Nutzung des Fahrzeugs reduziert und wegen des entsprechenden Betrages sowie wegen der Deliktszinsen die teilweise Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärt, im Übrigen aber seine Klageanträge weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge insoweit weiter.
Gründe
4Die Revision hat im Umfang der Zulassung Erfolg.
5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
6Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB lägen nicht vor. Es fehle sowohl an der objektiven Sittenwidrigkeit als auch an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 oder § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu, weil das von ihm geltend gemachte Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden zu sein, vom Schutzbereich dieser Vorschriften nicht erfasst sei.
II.
7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
81. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.
92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat.
10a) Wie der Senat nach Erlass des angegriffenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
11Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20).
12b) Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines Differenzschadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
13Das Berufungsurteil ist demnach im tenorierten Umfang , § 562 Abs. 1 ZPO, denn es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). D
14Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
C. Fischer Möhring Vogt-Beheim
Messing F. Schmidt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:040225UVIAZR583.21.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-84963