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BGH Urteil v. - 2 StR 54/24

Instanzenzug: LG Erfurt Az: 2 KLs 542 Js 11498/21 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer – nicht wirksam auf den Strafausspruch beschränkten – Revision Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

A.

2Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Der Angeklagte ist Richter im Dienst des Freistaats             und seit 1996 als Richter am Amtsgericht W.      in erster Linie mit Familiensachen befasst.

4Seit Mitte März 2020 begann er, sich intensiv und kritisch mit den Maßnahmen zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie auseinanderzusetzen, die er für ungeeignet und unverhältnismäßig hielt. An die Mitarbeiter des Amtsgerichts versandte er im März 2020 eine Mitteilung, wonach man sich seiner Auffassung nach „nicht vor einer drohenden Pandemie, sondern in einer maximalen kollektiven Hysterie“ befinde. In seinen Verhandlungen legte er Wert darauf, „ohne Maske“ zu verhandeln. Er stand im engen Austausch mit dem am selben Gericht tätigen Richter am Amtsgericht G.             , der einem Personenverbund angehörte, der den Infektionsschutzmaßnahmen kritisch gegenüberstand. Diesem Verbund gehörten u.a.                            Ku.               und                    Ka.            an, die der Angeklagte im Laufe des hier gegenständlichen Verfahrens als Sachverständige beauftragte. Der Angeklagte nahm im Jahr 2021 in W.      an den sogenannten „Montags-Spaziergängen“ – regelmäßig stattfindenden Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie – teil. Auch war er Mitglied des Netzwerks der Kritischen Richter und Staatsanwälte („KRiSTA“), welches sich Anfang des Jahres 2021 gründete und ebenfalls den Infektionsschutzmaßnahmen kritisch gegenüberstand.

5Spätestens am fasste der Angeklagte den Entschluss, im Rahmen seiner Tätigkeit als Familienrichter eine gerichtliche Entscheidung zu treffen, mit der er exemplarisch einzelnen Schulen untersagen wollte, für die an diesen Schulen unterrichteten Kinder Anordnungen zum Tragen von Gesichtsmasken, zur Einhaltung von Mindestabständen und zur Teilnahme an Schnelltestungen zur Feststellung des SARS-CoV-2-Virus zu treffen. Damit wollte er auch eine von ihm angenommene Kindeswohlgefährdung, die aufgrund seiner Überzeugung durch die Infektionsschutzmaßnahmen bestünde, abwenden. Der Angeklagte entschloss sich deshalb, medizinische Sachverständigengutachten einzuholen, die seine Entscheidung wissenschaftlich unterlegen sollten. Seine avisierte gerichtliche Entscheidung wollte er zeitnah veröffentlichen, um über diese den „Druck für zukünftige gerichtliche Entscheidungen zu erhöhen“.

6Der Angeklagte suchte über Dritte gezielt nach Familien, deren Kinder aufgrund des Anfangsbuchstabens ihres Nachnamens in seine geschäftsplanmäßige Zuständigkeit fallen würden. Diese sollten ein Kindesschutzverfahren nach § 1666 BGB anregen. Mit dieser Vorgehensweise beabsichtigte er, seine Voreingenommenheit zu verschleiern. „In seinen Vorkehrungen achtete er darauf, dass seine – vorgefasste – Position als Richter nicht nach außen erkennbar“ wurde, weswegen er „verdeckt […] suchte und suchen ließ“.

7Jedenfalls ab dem gab der Angeklagte bei seiner Suche nach einem geeigneten Betroffenen für ein Kindesschutzverfahren nach § 1666 BGB gezielt die Buchstaben seiner Zuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts W.      an vertraute Personen weiter. Er hatte insoweit Formulare entwickelt, die auf die Internetseite www.                     .de hinwiesen und die die Buchstaben seiner gerichtlichen Zuständigkeit enthielten.

8Der Angeklagte begann zugleich damit, ergebnisorientiert nach Sachverständigen zu suchen, die im wissenschaftlichen Diskurs durch Kritik an den Infektionsschutzmaßnahmen aufgefallen waren, ohne dass ein gegen die Infektionsschutzmaßnahmen gestütztes Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung beim Amtsgericht W.      anhängig war. Er kontaktierte am über seine private E-Mail-Adresse die spätere Sachverständige              Ka.        und erfragte ihre Bereitschaft, als Sachverständige an einem – noch nicht anhängigen – Verfahren mitzuwirken. Er übersandte ihr mehrere Fragen, u.a. zu den Auswirkungen der Infektionsschutzmaßnahmen, und bat sie um Mitteilung, ob sie in der Lage sei, sich dazu sachverständig zu äußern.             Ka.        bejahte dies unter Hinweis auf einen von ihr verfassten Beitrag in einer Fachzeitschrift für einen Teil der Fragen und empfahl als weitere Sachverständige                 Ku.            und                  Kä.         , die zu den Kritikern des „sogenannten Corman-Drosten-Papieres“ gehörten.                  Ku.          war dem Angeklagten bereits aus eigenen Recherchen bekannt.

9Am übersandte die Mutter zweier schulpflichtiger Kinder in W.         namens B.      per E-Mail eine ausgefüllte, sich gegen die Infektionsschutzmaßnahmen richtende Musteranregung zur Einleitung eines Verfahrens gemäß § 1666 BGB an Dr. M.       , Arzt und langjährigen Bekannten des Angeklagten. Von diesem hatte sie zuvor die Musteranregung mit dem Hinweis erhalten, dass für ein Kind aus dem W.      er Raum, dessen Familienname u.a. mit dem Buchstaben „B“ beginne, diese beim Amtsgericht W.       eingereicht werden solle; über den dort „uns gewogenen Richter“ sei indes „stillschweigen zu bewahren, um keinen Befangenheitsausschluss zu riskieren“. Allerdings war das von der Mutter der Kinder B.       ausgefüllte Schreiben – entsprechend dem von ihr verwendeten Vordruck – auf die Corona-Regelungen des Landes Nordrhein-Westfalen zugeschnitten; zudem enthielt es auf zwei Seiten noch Hinweise auf eine „S.      “ als Betroffene.

10Dr. M.       übersandte die ausgefüllte Musteranregung an den Angeklagten, der die Rechtsgrundlagen dahin korrigierte, dass auf die Landesregelungen des Freistaates           verwiesen wurde; zudem berichtigte er die ursprünglich enthaltene Bezugnahme auf eine „S.       “ durch die Namen der anregenden Kinder „M.       “ und „L.                 “. Daraufhin übersandte Dr. M.       das vom Angeklagten korrigierte Exemplar am an die Mutter der Kinder mit dem Hinweis, dass noch einige redaktionelle Überarbeitungen vorgenommen worden seien; sie solle diese Fassung verwenden und sie unterschrieben noch am selben Tag in den Briefkasten des Amtsgerichts W.      werfen.

11Der Angeklagte ging aufgrund seiner Mitarbeit an der Verfahrensanregung „nunmehr sicher“ davon aus, dass diese zeitnah beim Amtsgericht W.      eingehen und seiner geschäftsplanmäßigen Zuständigkeit unterfallen werde. Deshalb kontaktierte er – in Umsetzung seines Planes, eine möglichst öffentlichkeitswirksame Entscheidung gegen die Infektionsschutzmaßnahmen an Schulen zu treffen – noch am Abend über seine private E-Mail-Adresse                  Ku.           und fragte, ob dieser als Sachverständiger in dem anhängig werdenden Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung zur Verfügung stünde; der E-Mail war das elektronische Dokument zur Anregung eines Kindesschutzverfahrens betreffend die Kinder B.       angehängt, jedoch ohne Unterschriften und Posteingangsstempel des Amtsgerichts W.     .

12Am Morgen des warf die Mutter der Kinder B.      die von ihr und dem Vater der Kinder unterzeichnete sechsseitige Anregung für ein Kindesschutzverfahren gemäß § 1666 Abs. 1 und 4 BGB hinsichtlich ihrer Söhne M.            und L.             sowie „aller weiteren Schulkinder der R.                 P.             in W.       und der G.              P.              in W.       “ in den Briefkasten des Amtsgerichts W.               ein. Angeregt wurde überdies, auch die Rechtmäßigkeit der den schulischen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften, insbesondere der Dritten Thüringer Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, zu überprüfen. In der vom Angeklagten mitgestalteten Anregung wurde geltend gemacht, dass eine zeitnahe Anordnung des Familiengerichts nach § 1666 Abs. 4 BGB gegenüber den Lehrkräften und der Schulleitung wegen bestehender und weiterhin drohender Schädigung der Kinder sowie aller Mitschülerinnen und Mitschüler notwendig sei. Für den Fall, dass eine Entscheidung in der Hauptsache kurzfristig nicht möglich sein sollte, wurde der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 49 ff. FamFG angeregt.

13Am Abend des teilte der Angeklagte den in Aussicht genommenen Sachverständigen              Ka.            und                 Ku.           über seine private E-Mail-Adresse mit, dass er sie jetzt als Sachverständige in die nunmehr bei ihm anhängig gewordenen zwei „Maskenverfahren“ einbinden wolle. In der Anlage fügte der Angeklagte rechtliche Hinweise und 17 Fragen bei, die er dem Freistaat            „als Verordnungsgeber und damit Drittem im Sinne des § 1666 Absatz 4 BGB“ zu stellen beabsichtige.

14Am nächsten Tag wurden am Amtsgericht W.     das Hauptsacheverfahren unter dem Aktenzeichen           und das Eilverfahren unter dem Aktenzeichen                eingetragen und dem Angeklagten vorgelegt. Noch am selben Tag verfügte er im Hauptsacheverfahren die Übersendung von ihm bereits vor Eingang des Verfahrens entworfenen rechtlichen Hinweisen und von 18 nummerierten, sich in weitere Einzelfragen auffächernde Fragen an den Freistaat Thüringen, vertreten durch das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, mit Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen. Im Eilverfahren forderte er den Freistaat Thüringen auf, unter Beachtung der rechtlichen Hinweise aus dem Hauptsachverfahren binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Die Verfügungen nebst Hinweisen und dem Anregungsschreiben gingen am zu.

15In den folgenden Tagen veranlasste der Angeklagte, dass die Schulleitungen der                  R.              und der                G.               P.             als weitere Beteiligte im Verfahren geführt wurden, und forderte sie mit am zugestellter Verfügung zur Stellungnahme binnen zehn Tagen auf. Außerdem wandte er sich unter seiner privaten E-Mail-Adresse abermals an die von ihm in Aussicht genommenen Sachverständigen, um zu erfragen, ob es hinsichtlich des Entwurfs eines Beweisbeschlusses noch Anregungen von deren Seite gebe und bis wann sie ihre Gutachten erstellen könnten.            Ka.          teilte per E-Mail mit, dass sie das Gutachten direkt nach Ostern schicken werde. Der Angeklagte zeigte sich darüber hocherfreut, da er das Gutachten bereits für die einstweilige Anordnung verwenden könne, die er gerne noch vor Ende der Osterferien „hinbekommen würde“.

16Am aktualisierte der Angeklagte seine rechtlichen Hinweise und beschloss im Hauptsacheverfahren, dass zu näher bezeichneten Fragen – u.a. betrafen diese die Wirksamkeit und etwaige schädliche Auswirkungen von Schutzmasken bzw. Abstandsgeboten sowie die Rolle von Kindern bei der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 – Beweis durch die Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten erhoben werden solle. Zu Sachverständigen bestellte er               Ka.         ,                 Ku.         und                 Kä.        , denen er eine Frist für die Erstellung ihrer Gutachten bis zum setzte. Den Sachverständigen             Ku.        bat der Angeklagte am , in sein Gutachten Rechenbeispiele einzufügen, „um die nötige Breitenwirkung zu erzielen“.

17Mit Schreiben vom beantragte der Freistaat Thüringen, die Frist zur Stellungnahme bis zum zu verlängern, da aufgrund der Osterfeiertage und Ferien erforderliche Rücksprachen noch nicht hätten gehalten werden können. Eine Reaktion des Angeklagten auf diesen Antrag erfolgte nicht.

18           Ka.        übermittelte ihr Gutachten am an die private E-Mail-Adresse des Angeklagten. Dieser meldete sich daraufhin am Folgetag per SMS bei seinem über die Vorgänge unterrichteten Kollegen, Richter am Amtsgericht G.          , und teilte diesem mit, dass von             Ka.      ein 70 Seiten umfassendes „phänomenales Gutachten“ mit zehn Seiten Literaturliste und 150 Quellen eingegangen sei. Sein Fall werde sich „wohl über das Rechtstatsächliche lösen“, was auch sein Ziel gewesen sei.

19Mit Schreiben vom 2. und nahm die vom Angeklagten bestellte Verfahrensbeiständin Rechtsanwältin P.           für die Kinder M.               B.      und L.               B.      zuletzt mit einem Schriftsatz von 166 Seiten Stellung. Rechtsanwältin P.           hatte sich schon zuvor aktiv für die Anregung eines entsprechenden Kindesschutzverfahrens unter Nennung der geschäftsplanmäßigen Zuständigkeit des Angeklagten eingesetzt.

20Am Vormittag des lagen dem Angeklagten alle drei Sachverständigengutachten vor. Diese hatte der Angeklagte in den Tagen zuvor bereits vorab per E-Mail erhalten. Die Kommunikation mit den Sachverständigen von seiner privaten E-Mail-Adresse hatte der Angeklagte nicht in den Akten dokumentiert, um die offene Kommunikation zum Inhalt der zu erstellenden Gutachten zu verbergen.

21Der Angeklagte stellte „entsprechend seiner zielgerichteten Planung und Absicht“ noch am eine einstweilige Anordnung im Verfahren          fertig und brachte den unterschriebenen Beschluss nach Dienstschluss auf die Geschäftsstelle. Den Leitungen und Lehrern der                    R.             P.              W.           und der                   G.        P.       W.      sowie deren Vorgesetzten untersagte er mit dieser Anordnung, für die Kinder M.             B.      und L.                 B.     sowie alle weiteren an diesen Schulen unterrichteten Kinder anzuordnen oder vorzuschreiben, dass sie im Unterricht und auf dem Schulgelände Gesichtsmasken aller Art zu tragen, Mindestabstände einzuhalten und an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 teilzunehmen haben. Zugleich wurde angeordnet, dass der Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten sei. Der Erlassvermerk wurde am durch einen Geschäftsstellenmitarbeiter unterzeichnet.

22Die Entscheidung wurde auf 192 Seiten begründet, wovon 174 Seiten auf die Darstellung des Sachverhaltes – überwiegend eine Wiedergabe der Sachverständigengutachten einschließlich Quellenangaben – entfielen. Die Begründung des Beschlusses fußte darauf, dass das geistige, körperliche und seelische Wohl der Kinder durch die untersagten Maßnahmen geschädigt werde, die diesen Maßnahmen zugrundeliegenden landesrechtlichen Regelungen verfassungswidrig und die PCR- und Antigen-Testungen zur Feststellung einer Infektion ungeeignet seien.

23Mit am um 18:55 Uhr eingegangenem Fax nahm der Freistaat Thüringen Stellung und rügte den nicht eröffneten Rechtsweg zu den Familiengerichten. Mit Schreiben vom legte der Freistaat gegen den Beschluss des Amtsgerichts W.       Beschwerde ein. Der Angeklagte veranlasste daraufhin die Vorlage an das Thüringer Oberlandesgericht und teilte zugleich im Hauptsacheverfahren 9 F 147/21 mit, dass durch den Freistaat Thüringen die Zuständigkeit des Amtsgerichts W.      gerügt worden sei, sodass eine beschwerdefähige Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG herbeigeführt werden solle, wozu eine Stellungnahmefrist von einer Woche eingeräumt wurde. Zudem wurden den Beteiligten erstmals die drei Sachverständigengutachten übermittelt.

24Auf die Beschwerde des Freistaates                   hob das                 den Beschluss des Amtsgerichts W.      vom auf und stellte fest, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig sei. Am wies der Bundesgerichtshof die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde zurück.

252. Die Strafkammer hat das Vorgehen des Angeklagten als Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB gewertet. Sie macht ihm zum Vorwurf, „die verfassungsrechtlich gebotene richterliche Unabhängigkeit aus sachfremden Motiven missachtet“ zu haben. Der Angeklagte habe in elementarer Weise Recht und Gesetz verletzt, „indem er das familiengerichtliche Kindesschutzverfahren nicht nur ‚trotz seiner Befangenheit‘, sondern gerade wegen seiner Befangenheit und Voreingenommenheit“ geführt habe. Aufgrund seiner „persönlichen und politischen Überzeugung bezüglich der SARS-CoV-2-Pandemie“ sei er bereits seit Februar 2021 fest entschlossen gewesen, im Rahmen seiner Tätigkeit als Familienrichter eine gerichtliche Entscheidung mit Öffentlichkeitswirkung zu treffen. Sein Ziel sei es gewesen, „in seiner beabsichtigten gerichtlichen Entscheidung Sachverständigengutachten einzuführen, die seine im Ergebnis bereits vorgefasste Entscheidung wissenschaftlich unterlegen sollten, um die Durchsetzungskraft“ seiner Entscheidung zu verstärken und den „Argumentationsdruck für weitere gerichtliche Entscheidungen zu erhöhen“. Seine Voreingenommenheit habe er im Verfahren in mehrfacher Hinsicht bewusst verschleiert und das „ihm übertragene Richteramt zielgerichtet benutzt und missbraucht“.

26Unter Missachtung der verfassungsrechtlich gebotenen richterlichen Unabhängigkeit und Neutralität habe er somit aus persönlichen Gründen gezielt interessengeleitet ein familiengerichtliches Kindesschutzverfahren initiiert, entsprechend geführt und durch Erlass einer einstweiligen Anordnung wie von vornherein beabsichtigt entschieden.

B.

Revision des Angeklagten

27Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

I.

28Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

291. Der Schuldspruch wegen Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

30a) Der Tatbestand des § 339 StGB setzt voraus, dass ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei das Recht beugt.

31aa) Als Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 38, 381, 383; vom – 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283, und vom – 5 StR 472/96, NJW 1997, 1455). Die Schwere des Unwerturteils wird dadurch indiziert, dass Rechtsbeugung als Verbrechen eingeordnet ist und im Falle der Verurteilung das Richter- oder Beamtenverhältnis des Täters gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG kraft Gesetzes endet (vgl. , aaO, und vom – 3 StR 498/14, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 10 Rn. 12). § 339 StGB erfasst nur Rechtsbrüche, bei denen sich der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet (vgl. , BGHSt 40, 169, 178; Beschluss vom – 4 StR 274/16, BGHSt 62, 312, 315).

32Das Recht kann auch durch einen elementaren Verstoß gegen Verfahrensrecht gebeugt werden (st. Rspr.; vgl. , aaO; vom – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 344 f., und vom – 2 StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6, Beschluss vom – 4 StR 274/16, aaO, S. 316 Rn. 20). Die Beurteilung, ob ein solcher Rechtsverstoß den Vorwurf der Rechtsbeugung begründet, erfolgt auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung sämtlicher objektiver und subjektiver Umstände. Innerhalb dieser Prüfung kann neben Ausmaß und Schwere des Rechtsverstoßes insbesondere auch Bedeutung erlangen, welche Folgen dieser für die Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ (vgl. , BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 10 Rn. 12; vom – 4 StR 83/20, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 13 Rn. 23, und vom – 5 StR 39/21, Rn. 34; Beschlüsse vom – 4 StR 274/16, BGHSt 62, 312, 316; vom – 2 StR 474/17, Rn. 20; vom – 4 StR 149/22, Rn. 15, und vom – 6 StR 386/23, NStZ-RR 2024, 243, 245).

33bb) Zugunsten oder zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten wirkt sich eine Beugung des Rechts nach § 339 StGB aus, wenn sie den Beteiligten besser oder schlechter stellt, als er bei richtiger Rechtsanwendung stünde. Durch die Verletzung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften muss die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet werden, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (, BGHSt 42, 343, 351; vom – 2 StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; vom – 5 StR 261/12, Rn. 39, und vom – 5 StR 39/21, Rn. 34; Beschlüsse vom – 4 StR 274/16, BGHSt 62, 312 Rn. 20, und vom – 4 StR 149/22, Rn. 15). Mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der Benachteiligung kommt es demnach nicht entscheidend auf die materielle Richtigkeit der „Endentscheidung“ an; eine Benachteiligung kann auch in der Verschlechterung der prozessualen Situation der Verfahrensbeteiligten liegen (vgl. , BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 8 Rn. 21).

34cc) In subjektiver Hinsicht wird eine „Beugung des Rechts“ nicht schon durch jede (bedingt) vorsätzlich begangene Rechtsverletzung verwirklicht. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass der Richter sich bewusst in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Der Täter des § 339 StGB muss also einerseits die Unvertretbarkeit seiner Rechtsansicht für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben; andererseits muss er sich der grundlegenden Bedeutung der verletzten Rechtsregel für die Verwirklichung von Recht und Gesetz bewusst gewesen sein (vgl. nur , BGHSt 59, 144, 147 f.). Allein der Wunsch oder die Vorstellung des Richters, „gerecht“ zu handeln oder „das Richtige“ zu tun, schließt eine Rechtsbeugung nicht aus (vgl. , BGHSt 32, 357, 359, und vom – 2 StR 479/13, BGHSt 59, 144, 148).

35Daneben muss der Täter für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass seine fehlerhafte Entscheidung zur Bevorzugung oder Benachteiligung eines Verfahrensbeteiligten führt.

36b) Nach diesen Maßstäben wird der Schuldspruch von den Feststellungen getragen. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, der Angeklagte habe unter bewusster Missachtung von Verfahrensvorschriften – teilweise verschleiert, von vornherein zielgerichtet und interessengeleitet – ein familiengerichtliches Kindesschutzverfahren initiiert, voreingenommen geführt und mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung seine von Anfang an vorgefasste Auffassung mittels der ihm übertragenen Funktion Geltung verschafft, und damit objektiv und subjektiv den Tatbestand des § 339 StGB erfüllt.

37aa) Zutreffend hat die Strafkammer im Ausgangspunkt angenommen, der Angeklagte habe schon bei der Einleitung des Verfahrens nach § 1666 BGB in elementarer Weise gegen Verfahrensvorschriften verstoßen.

38Aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG sowie aus Art. 92, Art. 97 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgt unter anderem die Garantie der richterlichen Unparteilichkeit als fundamentales rechtsstaatliches Prinzip. Es gehört zum Wesen der richterlichen Tätigkeit, dass sie von nichtbeteiligten Dritten ausgeübt wird; dies erfordert Neutralität und gleiche Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet, dass die Verfahrensbeteiligten im konkreten Fall vor einem Gericht stehen, dessen Mitglieder die Voraussetzungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit uneingeschränkt erfüllen. Während der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, der mittelbar auch der Sicherung der Unparteilichkeit dient, die allgemeine Stellung und Tätigkeit der Richter betrifft und von außen kommende rechtsfremde oder sachfremde Einwirkungen fernhalten will, zielt die Unparteilichkeit auf die Objektivität und Sachlichkeit im Hinblick auf Beziehungen der Richter zu den Beteiligten und zum Streitgegenstand im konkreten Verfahren (vgl. , NJW 2022, 1236 Rn. 39). Die Entscheidungsfindung hat ohne Rücksicht auf eigene Interessen mit „unbedingter Neutralität“ zu erfolgen (vgl. auch , NJW 2013, 1058, 1061 Rn. 62 mwN; Beschluss vom – 2 BvR 890/20, NVwZ 2021, 1220 Rn. 14).

39Dementsprechend sieht § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Kindschaftssachen im Sinne der §§ 151 ff. FamFG, § 1666 BGB vor, dass für die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen die §§ 41 bis 49 ZPO entsprechend gelten. § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG sichert die Unparteilichkeit des Gerichts in Familiensachen ab. Entscheiden soll ein neutraler, unbefangener, objektiv urteilender, nicht mit den Beteiligten in Verbindung stehender Richter. Die Regelung dient damit dem fairen Verfahren und der gerechten Entscheidung des Einzelfalls ebenso wie der Integrität der Rechtsprechung und der funktionierenden Rechtspflege (MüKo-FamFG/Pabst, 4. Aufl., § 6 Rn. 1).

40Die Strafkammer ist rechtsfehlerfrei zu der Wertung gelangt, der Angeklagte habe sich über diesen für das Verfahren fundamentalen Grundsatz hinweggesetzt. Ihre Feststellungen tragen die auf den Missbrauch der Amtsstellung des Angeklagten lautende Schlussfolgerung, der Angeklagte habe trotz seiner schon vor Einleitung des Verfahrens bestehenden Voreingenommenheit zielgerichtet darauf hingewirkt, „ein Verfahren in seiner Zuständigkeit zur Entscheidung“ zu bekommen, dessen „Ergebnis von vornherein vorgefasst“ gewesen sei.

41Dabei besorgt der Senat nicht, der Strafkammer könnten die verfahrensrechtlichen Besonderheiten von Kindschaftssachen nach §§ 151 ff. FamFG, § 1666 BGB aus dem Blick geraten sein. Zwar unterliegen Verfahren gemäß § 1666 BGB dem Offizialprinzip und werden – unabhängig davon, ob eine Anregung nach § 24 Abs. 1 FamFG vorliegt – von Amts wegen eingeleitet (MüKo-BGB/Volke, 9. Aufl., § 1666 Rn. 249; BeckOKFamFG/Perleberg-Kölbel, 51. Ed., § 24 Rn. 2), wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen (Kaiser/Schnitzler/Schilling/Sanders, BGB Familienrecht, 4. Aufl., § 1666 Rn. 26; Prüttung/Helms/Ahn-Roth, FamFG, 6. Aufl., § 24 Rn. 4a). Überdies können Erklärungen, die auf die Anregung eines Verfahrens nach § 1666 BGB lauten, nicht nur zur Niederschrift der Geschäftsstelle, sondern auch vor dem sachlich zuständigen Richter abgegeben werden (MüKo-FamFG/Ulrici, 4. Aufl., § 25 Rn. 3), wobei die Beteiligten unterstützt werden dürfen und auf die Stellung sachdienlicher und formgerechter Anträge hingewirkt werden soll. Die Bestimmungen über das Verfahren im ersten Rechtszug in den §§ 23 ff. FamFG setzen aber unausgesprochen voraus, dass sowohl eine etwa gewährte Hilfestellung bei der Abgabe von Erklärungen als auch eine bestimmte Voreinstellung des Richters bei der Entscheidung über die amtswegige Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 BGB aktenkundig werden. Nur so sieht das Gesetz gewährleistet, dass die auf verfassungsrechtlicher Grundlage nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG gebotene Unparteilichkeit des Gerichts, deren Sicherung das Prozessrecht dient, durchgehend verfahrensöffentlich von sämtlichen Beteiligten überprüft werden kann. Die verheimlichte Mitwirkung bei der Anregung zur Einleitung des Verfahrens anstelle einer Verfahrenseinleitung unabhängig von einer Anregung verletzt, wie die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt hat, Grundprinzipien des Verfahrens in Kindschaftssachen.

42bb) Rechtsfehlerfrei ist die Strafkammer weiter davon ausgegangen, der Angeklagte habe sich elementarer Verfahrensverstöße im Verfahren der Auswahl der von ihm herangezogenen Sachverständigen zuschulden kommen lassen.

43Sachverständige sind nach §§ 2930 Abs. 1 FamFG im laufenden Verfahren auszuwählen. Ihre Auswahl steht im Ermessen des Gerichts (zu § 404 ZPO vgl. , NJW 2009, 1209). Das Gericht ist gehalten, sich bei der Auswahl des Sachverständigen an dessen Fachkompetenz zu orientieren (vgl. zu § 404 ZPO wiederum BGH, Beschlüsse vom – III ZR 35/86, BGHR ZPO § 404 Auswahlfehler 1, und vom – III ZB 98/18, NJW 2020, 691, 692 Rn. 14). Verfügen mehrere Sachverständige über die erforderliche Expertise, entscheidet das Gericht unter pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens frei darüber, wem der Gutachtenauftrag erteilt wird (vgl. zu Ermessen und Beurteilungsspielraum auch , Rn. 31 mwN). Im Rahmen der Ermessensausübung verbieten sich Gesichtspunkte parteipolitischer, persönlicher oder außerdienstlicher Art (vgl. , BGHSt 44, 258, 260). Fehlerhaft ist die Auswahlentscheidung, wenn sie aus sachfremden Motiven getroffen worden ist (vgl. , BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 12 Rn. 29).

44Der Angeklagte hat eine Auswahlentscheidung getroffen, die diesen Maßstäben nicht gerecht wird. Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei zulasten des Angeklagten gewürdigt, dass er Sachverständige – wiederum außerhalb der Akten bereits im Vorfeld eines zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht eingeleiteten Verfahrens nach § 1666 BGB – ergebnisorientiert und nach Maßgabe ihrer mit seiner vorgefassten Auffassung konformen wissenschaftlichen Überzeugung auswählte. In dieses wiederum auf die Verschleierung seiner Voreingenommenheit gerichtete Vorgehen fügt sich ein, dass er mit den in Aussicht genommenen Sachverständigen über seine private E-Mail-Adresse korrespondierte, um späteren Verfahrensbeteiligten von vornherein jeglichen Einblick zu Zeitpunkten der Kontaktaufnahme und den Inhalten der Kommunikation zu verwehren.

45cc) Darüber hinaus hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei erhebliche Gehörsverstöße des Angeklagten im Verfahren festgestellt.

46So hörte der Angeklagte entgegen § 159 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FamFG in der Fassung vom (künftig: aF), § 160 Abs. 1 Satz 2 FamFG weder die von seiner einstweiligen Anordnung betroffenen Kinder noch die Eltern derjenigen Schülerinnen und Schüler im Verfahren an, von denen die von ihm initiierte Anregung nicht ausging. Ein Grund im Sinne des § 159 Abs. 3 Satz 1 FamFG aF, § 160 Abs. 3 FamFG, von einer vorherigen Anhörung abzusehen (vgl. IVb ZR 36/84, NJW-RR 1986, 1130; OLG Schleswig, Beschluss vom – 10 UF 194/07, Rn. 6; , Rn. 12), lag aber nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen der Strafkammer auch aus Sicht des Angeklagten nicht vor, der sich mindestens seit dem und damit längere Zeit vor der Einleitung des Verfahrens mit der Frage einer Kindeswohlgefährdung befasst hatte. Ohne Rechtsfehler wertet die Strafkammer dabei die Aussage des Angeklagten gegenüber einer später beauftragten Sachverständigen am , er wolle die einstweilige Anordnung „noch vor Ende der Osterferien hinbekommen“, als Indiz gegen seine Einlassung, ausschlaggebender Faktor für die Annahme von Gefahr im Verzug sei der Inhalt der Gutachten gewesen, mit denen jedoch nur das vom Angeklagten erwartete und gewünschte Ergebnis wissenschaftlich unterlegt werden sollte. Der Angeklagte gewährte zudem zu den von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kein rechtliches Gehör.

47Der Angeklagte beschied schließlich vor Erlass der einstweiligen Anordnung den Fristverlängerungsantrag des Freistaates Thüringen vom nicht, obwohl dies geboten war. Auch dieser in den Urteilsgründen hervorgehobene Umstand belegt die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe das Verfahren möglichst schnell zum Abschluss bringen wollen, um entsprechend seiner Absicht eine bereits feststehende Entscheidung medienwirksam zu veröffentlichen.

48dd) Die vom Landgericht festgestellten Verstöße gegen das Gebot richterlicher Neutralität sind in ihrer Gesamtheit elementar.

49Die Neutralität der Richter ist für den Rechtsstaat und das Vertrauen der Bürger in dessen Bestand von herausragender Bedeutung. In seiner konkreten Ausprägung war der Verstoß gegen die Neutralitätspflicht hier massiv: Der Angeklagte zog ein Verfahren unter Umgehung prozessualer Sicherungsmaßnahmen gegen eine Entscheidung des Richters in eigener Sache planmäßig an sich, um eine von Beginn an vorgefasste Entscheidung zu treffen. Damit missbrauchte er – wie die Strafkammer in ihrer rechtlichen Würdigung zutreffend ausführt – die ihm als Richter durch die Verfassung zugesprochene Machtposition. Dabei kann dahinstehen, ob das von dem Angeklagten behauptete Handlungsmotiv, eine Kindeswohlgefährdung zu unterbinden, möglicherweise vorgeschoben war und nur als Einfallstor dafür diente, überhaupt entscheiden zu können; denn auch, wenn der Angeklagte handelte, um gemäß § 1666 BGB eine Kindeswohlgefährdung zu verhindern, entband ihn das nicht von der Pflicht zu einer die Rechte sämtlicher Beteiligter wahrenden unvoreingenommenen Verfahrensführung.

50Dass das Verhalten des Angeklagten durchgehend von einer heimlichen und verschleiernden Vorgehensweise geprägt war, hat das Landgericht in seine Gesamtbetrachtung eingestellt (vgl. , BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 8, und vom – 4 StR 83/20, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 13 Rn. 34 mwN). Die Befassung des Angeklagten mit der Rechtssache war von Verstößen gegen die Prozessordnung durchzogen, die er zur Durchsetzung seines Zieles zu verschleiern versuchte und die in ihrer Kombination einen elementaren Rechtsverstoß belegen (vgl. auch , BGHSt 59, 144, 150 Rn. 17). Dass der Angeklagte die Verstöße gegen das Gebot richterlicher Neutralität in der vorgefassten Absicht beging, die von ihm gewünschte Entscheidung ohne Rücksicht auf etwaige rechtliche Beschränkungen zu treffen, wiegt derart schwer, dass es im konkreten Fall weder auf die Motive des Angeklagten noch darauf ankommt, ob die Endentscheidung materiell rechtskonform war.

51ee) Der Angeklagte hat sowohl zugunsten als auch zum Nachteil von Verfahrensbeteiligten gehandelt.

52Ein Vorteil in diesem Sinne ist für die das Kindesschutzverfahren anregenden Eltern der Kinder M.              und L.                eingetreten. Durch die fehlende Neutralität und die auf ihr beruhenden Verfahrensverstöße bestand die – nach den Feststellungen der Strafkammer zudem verwirklichte – Gefahr, dass Einwände der weiteren Verfahrensbeteiligten gegen die vom Angeklagten vorgefasste Meinung nicht in das Verfahren einbezogen wurden. Mit dem verfahrenswidrigen Erlass der einstweiligen Anordnung hat sich zugleich die prozessuale Situation des Freistaates Thüringen verschlechtert, der erst aufgrund der Beschwerdeentscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts abgeholfen wurde.

53ff) Auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Rechtsbeugung. Die Strafkammer hat sich mit dem Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich seiner Befangenheit und mit der Bedeutungskenntnis betreffend die richterliche Neutralitätspflicht ausführlich auseinandergesetzt. Im Übrigen ist die subjektive Tatseite in Ansehung der Gesamtumstände evident. Dass die vom Landgericht festgestellten Gehörsverletzungen Ausfluss der Voreingenommenheit des Angeklagten sind und vom ihm bewusst begangen wurden, ist offensichtlich und lag für den Angeklagten als Richter mit jahrzehntelanger Berufserfahrung klar zutage.

542. Der Strafausspruch hält ebenfalls revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere ist die Strafrahmenwahl nicht zu beanstanden. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 13 Abs. 1 und 2, § 49 Abs. 1 StGB war nicht zu prüfen.

55a) Zutreffend ist die Strafkammer von einem Begehungsdelikt ausgegangen. Die Abgrenzung zwischen strafbarem Tun und Unterlassen gemäß § 13 StGB ist eine Wertungsfrage, die nicht nach rein äußeren oder formalen Kriterien zu entscheiden ist, sondern eine normative Betrachtung unter Berücksichtigung des sozialen Handlungssinns verlangt. Maßgeblich ist insofern, wo der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt (vgl. , Rn. 35 mwN).

56b) Hieran gemessen liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Angeklagten in seinem aktiven Tun. Der Angeklagte hat an der Bearbeitung der Verfahrensanregungen mitgewirkt und im Rahmen seiner Verfahrensleitung mehrfach aktiv gegen Verfahrensrecht verstoßen (vgl. auch , BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 7 Rn. 7). Zugleich hat er seine geschäftsplanmäßige Zuständigkeit bei der Entscheidung überschritten.

II.

57Die Verfahrensrüge, mit der die Revision des Angeklagten die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages rügt, dringt nicht durch.

581. Der – zulässig erhobenen – Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde.

59Die Verteidigung beantragte am 7. Hauptverhandlungstag die Einholung von Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsachen, dass das Tragen von Schutzmasken, insbesondere durch Schulkinder in der Schule, epidemiologisch gesehen allenfalls einen geringen Effekt auf die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 habe, dass durch das Tragen dieser Schutzmasken – näher ausgeführte – gesundheitliche Schäden entstehen könnten und dass ein RT-qPCR-Test keine Aussagen dazu treffen könne, ob eine symptomlose Person mit einem aktiven Erreger infiziert bzw. ansteckend sei.

60Diesen Antrag lehnte die Strafkammer am selben Tag gemäß § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO ab, weil die Beweistatsachen für die Entscheidung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen ohne Bedeutung seien. Zur Begründung führte sie aus, dem Angeklagten liege nicht der Vorwurf einer inhaltlich unrichtigen Entscheidung zur Last, vielmehr laute der Vorwurf auf eine Verletzung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften, für welche die behaupteten Beweistatsachen ohne Relevanz seien.

612. Die Verfahrensrüge ist unbegründet; die Ablehnung des Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit nach § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO ist rechtsfehlerfrei.

62a) Der Beweisantrag zielt darauf ab, ob die vom Angeklagten getroffene Entscheidung materiell rechtmäßig ist. Dieser Frage kam für das Landgericht in Ansehung des Gewichtes der Verfahrensverstöße keine Bedeutung zu.

63b) Auch die für die Ablehnung von Beweisanträgen wegen Bedeutungslosigkeit geltenden Maßstäbe (vgl. nur , BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26) hat das Landgericht beachtet. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den unter Beweis gestellten Tatsachen war hier nicht erforderlich. Die Strafkammer hat im Ablehnungsbeschluss eingehend ausgeführt, dass der Rechtsbeugungsvorwurf auf die Verletzung von Verfahrensrecht gestützt werde und die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung im konkreten Fall keine Rolle spiele. Das genügt.

64c) Der von der Revision beanstandete Widerspruch zwischen Beschluss- und Urteilsgründen (vgl. dazu nur , NStZ-RR 2014, 279, 280) besteht nicht. Die Strafkammer hat in den Urteilsgründen ausgeführt, dass die materielle Richtigkeit einer Entscheidung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Prüfung eines elementaren Rechtsverstoßes grundsätzlich Bedeutung zukommen kann. Nach ihrer – rechtsfehlerfreien – Würdigung war dies im konkreten Fall in Ansehung des Gewichtes der Verfahrensverstöße indes nicht der Fall. Nichts Anderes besagt die Begründung des Ablehnungsbeschlusses. Dass die Strafkammer nicht näher ausgeführt hat, welche Gesichtspunkte nach der Rechtsprechung innerhalb der vorzunehmenden Gesamtwürdigung grundsätzlich Bedeutung erlangen können, steht diesem Verständnis nicht entgegen.

C.

Revision der Staatsanwaltschaft

65Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie den Strafausspruch beanstandet, hat keinen Erfolg.

661. Die Rechtsmittelbeschränkung der Staatsanwaltschaft ist unwirksam.

67Zwar hat die Staatsanwaltschaft ausdrücklich erklärt, die Revision „auf den Rechtsfolgenausspruch“ zu beschränken. Sie greift allerdings auch den Schuldspruch an, weil sie beanstandet, die Strafkammer habe – rechtsfehlerhaft – den Angeklagten nicht wegen zwei tateinheitlich zusammentreffender Fälle der Rechtsbeugung – einerseits wegen der Führung des Hauptsacheverfahrens und andererseits wegen des einstweiligen Anordnungsverfahrens – verurteilt. Widersprechen sich – wie hier – Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung, ist das Angriffsziel unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. , Rn. 12, und vom – 4 StR 401/22, Rn. 18 mwN). Das Ziel der Staatsanwaltschaft, dass eine weitere, durch den Angeklagten tateinheitlich begangene Tat der Rechtsbeugung strafzumessungsrelevant zu berücksichtigen sei, lässt sich indes nur aufgrund eines geänderten Schuldspruchs erreichen.

682. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler ergeben.

69a) Insbesondere ist die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse rechtsfehlerfrei. Die Strafkammer ist zutreffend von nur einer Tat der Rechtsbeugung ausgegangen. Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte sowohl das Eilverfahren als auch das Hauptsacheverfahren geleitet hat und es sich bei diesen um getrennte Verfahren handelte (§ 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Die Verfahrenshandlungen wurden nach den Feststellungen stets parallel mit identischer Zielrichtung vorgenommen und betrafen dieselben Beteiligten (vgl. auch , Rn. 18 mwN). Die Ausführungshandlungen waren demnach unselbstständig (anders die Konstellation in , BGHSt 44, 258, 264 f.). Allein der Umstand, dass formal zwei Verfahren geführt wurden, rechtfertigt die Annahme mehrerer Rechtsbeugungshandlungen nicht.

70b) Auch die Strafzumessungsentscheidung ist frei von Rechtsfehlern zugunsten des Angeklagten.

71aa) Soweit die Staatsanwaltschaft beanstandet, das Handlungsunrecht des Angeklagten erschöpfe sich nicht allein darin, dass er das Verfahren lediglich aufgrund seiner Voreingenommenheit zielgerichtet auf ein von ihm bereits im Vorfeld festgelegtes Ergebnis führte, dringt die Rüge nicht durch. Die Strafkammer hat insbesondere den Verstoß gegen die Rechtswegzuständigkeit rechtsfehlerfrei nicht zulasten des Angeklagten gewertet, da es sich bei der Frage, ob Familiengerichte die hier in Rede stehende einstweilige Anordnung treffen können, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Angeklagten um eine ungeklärte Rechtsfrage handelte. Erste höchstrichterliche Entscheidungen hierzu ergingen erst, nachdem der Angeklagte die einstweilige Anordnung im April 2021 erlassen hatte (vgl. , NJW 2021, 2600; , NJW 2021, 3470).

72bb) Die Beanstandung der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten hätte strafschärfend angelastet werden müssen, dass er nicht handelte, um eine Kindeswohlgefährdung zu verhindern, sondern er die Kinder stattdessen lediglich als Mittel zum Zweck benutzt habe, geht fehl. Die Beschwerdeführerin nimmt letztlich eine eigene Beweiswürdigung und -wertung vor, mit welcher sie in der Revision nicht gehört werden kann.

73cc) Schließlich lässt auch die vom Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung beanstandete Strafzumessungserwägung, die teilgeständige Einlassung des Angeklagten sei fehlerhaft strafmildernd berücksichtigt worden, keinen Rechtsfehler erkennen. Dass der Angeklagte Teile des objektiven Tatgeschehens eingeräumt hat, ist ein Umstand, der im Rahmen des § 46 StGB Bedeutung finden kann und – abhängig von dem Gewicht des Teilgeständnisses – muss.

743. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, die auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu beachten wären (§ 301 StPO), liegen aus den oben genannten Gründen nicht vor.

D.

75Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 2 StPO.

Menges                         Appl                         Zeng

                 Grube                       Schmidt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:201124U2STR54.24.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-84726