Suchen
BFH Urteil v. - IV R 24/22

Auswirkungen einer rechtsträgerübergreifenden Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG auf die Ermittlung des Kapitalkontos nach § 15a EStG bei der übernehmenden Personengesellschaft

Leitsatz

Die gesellschafterbezogene und rechtsträgerübergreifende Übertragung stiller Reserven nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) führt durch die (erfolgsneutrale) Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionswirtschaftsguts bei der übernehmenden Personengesellschaft dazu, dass sich das Kapitalkonto im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe der übertragenen stillen Reserven reduziert.

Gesetze: AO § 171 Abs. 10 Satz 1; AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; AO § 179 Abs. 1, Abs. 2; AO § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 6b Abs. 3; EStG § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 5

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Streitig ist, ob die gesellschafterbezogene und rechtsträgerübergreifende Übertragung von stillen Reserven auf Anschaffungs- und Herstellungskosten von im Gesamthandsvermögen einer KG angeschafften Reinvestitionswirtschaftsgütern nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) das Kapitalkonto des Kommanditisten im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG bei der übernehmenden Personengesellschaft mindert.

2 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war als einer von zwei Gesellschaftern an der A GbR beteiligt. Diese erzielte im Jahr 1997 aus der Veräußerung einer Immobilie einen Gewinn. Für diesen bildete die A GbR in ihrer Gesamthandsbilanz eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG (§ 6b EStG-Rücklage).

3 Zudem war der Kläger als alleiniger Kommanditist an der I GmbH & Co. KG (I KG) beteiligt, die Eigentümerin des Grundstücks . (Grundstück A) war. Komplementärin der I KG war die nicht am Vermögen beteiligte B GmbH. Ab 2001 bebaute die I KG das Grundstück und vermietete es anschließend an verschiedene Unternehmen.

4 Die A GbR übertrug in den Jahren 2001 und 2002 den 1997 erzielten und in der gebildeten § 6b EStG-Rücklage passivierten Veräußerungsgewinn (stille Reserven) anteilig auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten des bebauten Grundstücks A. Die Übertragung führte in der Buchführung der I KG zu einer Minderung der Bilanzwerte zum für den Grund und Boden beziehungsweise zum für das auf dem Grundstück errichtete Gebäude. Die gegenläufigen Buchungen erfasste die I KG in ihrer Bilanz jeweils auf dem Konto „Kapital Konto IV Rücklage § 6b EStG“ (Sonderkonto), das zum einen negativen Saldo auswies.

5 Auf Grundlage eines Kaufvertrags aus Dezember 2006 und mit Übergang von Nutzen und Lasten im Januar 2007 veräußerte die I KG das Grundstück A.

6 Für das Streitjahr (2006) stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA—) mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) vom einen laufenden Gesamthandsverlust fest. Im Rahmen einer nachfolgenden Außenprüfung für die Jahre 2005 bis 2008 bei der I KG vertrat das Finanzamt für Großbetriebsprüfung C-Stadt die Auffassung, dass der auf den Kläger entfallende Anteil am Gesamthandsverlust der I KG im Streitjahr der Verlustverwertungsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG unterliege. Die Übertragung der stillen Reserven von der A GbR auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Grundstücks A der I KG habe zu einer Minderung des Kapitalkontos des Klägers geführt, die bisher weder für die Vorjahre noch für die Prüfungszeiträume berücksichtigt worden sei. Bei zutreffender Umsetzung und Fortentwicklung sei das Kapitalkonto des Klägers im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zum negativ und der für das Streitjahr auf ihn entfallende laufende Gesamthandsverlust in Höhe von 65.631,55 € nicht ausgleichsfähig.

7 Das FA erließ daraufhin am für das Streitjahr einen zusammengefassten Bescheid über die nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Gewinnfeststellung sowie über die erstmalige gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG (Verlustfeststellungsbescheid). In dem geänderten Gewinnfeststellungsbescheid wurde dem Kläger ein laufender Gesamthandsverlust in Höhe von 65.631,55 € zugerechnet, zudem wurden für den Kläger Sonderbetriebseinkünfte in Höhe von 4.826,28 € ausgewiesen. In dem Verlustfeststellungsbescheid wurde für den Kläger ein verrechenbarer Verlust im Sinne des § 15a Abs. 4 EStG in Höhe von 65.631,55 € festgestellt.

8 Die I KG legte gegen den Bescheid Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die Behandlung des auf den Kläger entfallenden Gesamthandsverlustes als verrechenbaren Verlust nach § 15a EStG wandte. Während des laufenden Einspruchsverfahrens erfolgte in 2015 die Umfirmierung der I KG in die Z GmbH & Co. KG (Z KG), über deren Vermögen im darauffolgenden Jahr das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Über das Vermögen der nunmehr alleinigen Komplementärin der Z KG —der Z GmbH— ist ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Einspruchsentscheidung vom wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

9 Hiergegen erhob der Kläger Klage, mit welcher er —wie zuvor die I KG im Einspruchsverfahren— begehrte, den ihm zugerechneten Anteil am Gesamthandsverlust als ausgleichs- und abzugsfähig zu behandeln. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach rechtskräftiger Ablehnung der Beiladung der Z  mit Urteil vom  - 12 K 33/18 ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen Folgendes aus: Die Klage sei zulässig, da der Kläger zu ihrer Erhebung nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) befugt gewesen sei. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Übertragung der bei der A GbR gebildeten stillen Reserven auf die Reinvestitionswirtschaftsgüter bei der I KG nach § 6b Abs. 3 EStG sei zwar zulässig gewesen und zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Das FA habe aber zu Recht das Sonderkonto aus der „Übertragung der § 6b EStG-Rücklage“ (beziehungsweise der stillen Reserven) bei der Entwicklung des Kapitalkontos des Klägers im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt.

10 Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts.

11 Der Kläger beantragt,

das Urteil des und die Einspruchsentscheidung vom , soweit diese die Verlustfeststellung nach § 15a Abs. 4 EStG betreffen, sowie den Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom aufzuheben.

12 Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

13 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

14 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes des Klägers nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG (dazu unter 1.). Das FG hat zu Recht die zulässige Klage (dazu unter 2.) als unbegründet abgewiesen, weil der im Streitjahr erlittene Verlust des Klägers nicht ausgleichs- oder abzugsfähig, sondern nach § 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 EStG als verrechenbarer Verlust festzustellen ist (dazu unter 3.). Die vom Kläger hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch (dazu unter 4.).

15 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes des Klägers nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG.

16 a) aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich bei dem Gewinnfeststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO und dem Verlustfeststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG um zwei Verwaltungsakte, die gesondert und unabhängig voneinander angefochten werden können und selbständig der Bestandskraft fähig sind. Dies gilt auch dann, wenn —wie vorliegend— die Bescheide gemäß § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG formell miteinander verbunden werden (vgl. , BStBl II 2024, 898, Rz 16; vom  - IV R 27/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 28; vom  - IV R 47/13, BFHE 257, 91, BStBl II 2017, 391, Rz 12).

17 bb) Der Kläger hat sein Revisionsbegehren zulässig auf die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG als eigenständigen Streitgegenstand beschränkt. Soweit das FG in seinem Urteil (auch) über den Gewinnfeststellungsbescheid für 2006 entschieden hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden.

18 Letzteres beeinträchtigt jedoch nicht das Klageziel des Klägers. Der Gewinnfeststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 Satz 1, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) für den Verlustfeststellungsbescheid, soweit er den Anteil eines Gesellschafters am Steuerbilanzgewinn der Gesellschaft und das etwaige Ergebnis von Ergänzungsbilanzen feststellt, die zusammen den Gewinnanteil im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 EStG ausmachen. Der Verlustfeststellungsbescheid seinerseits ist Grundlagenbescheid für die im Rahmen des Gewinnfeststellungsbescheids zu treffende selbständige Feststellung der bei der Veranlagung eines Gesellschafters anzusetzenden steuerpflichtigen Einkünfte gemäß § 179 Abs. 1 und Abs. 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, da er Bindungswirkung hinsichtlich der Ausgleichsfähigkeit des Verlustes entfaltet; ein Verlust kann nicht gleichzeitig nur verrechenbar und bei einem Kommanditisten ausgleichsfähig sein (, BFHE 278, 487, BStBl II 2023, 332, Rz 22; vom  - IV R 41/12, Rz 27, m.w.N.). Diese (wechselseitige) Bindungswirkung bedingt, dass das für den Erlass eines Folgebescheids zuständige Finanzamt nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO verpflichtet ist, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen (vgl. hierzu , BStBl II 2024, 898, Rz 40; vom  - X R 11/07, BFHE 220, 3, BStBl II 2008, 335, unter II.1. [Rz 10 f.]). Bei antragsgemäßer Aufhebung des Verlustfeststellungsbescheids (als Grundlagenbescheid) müsste daher der Gewinnfeststellungsbescheid (als Folgebescheid) durch das FA nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dahingehend geändert werden, dass der Verlust bei der im Rahmen des Gewinnfeststellungsbescheids zu treffenden Feststellung der bei der Veranlagung eines Gesellschafters anzusetzenden steuerpflichtigen Einkünfte als ausgleichsfähig zu behandeln ist.

19 b) Die Frage, ob das FG die Z KG nach § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren notwendig hätte beiladen müssen, ist im Streitfall nicht mehr zu prüfen (zur unterbliebenen notwendigen Beiladung als vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vgl. z.B. , Rz 25; vom  - IV R 14/18, BFHE 270, 363, BStBl II 2021, 367, Rz 20, m.w.N.). Denn der BFH ist insoweit an die nicht angefochtene und daher rechtskräftige (§ 60 Abs. 4 i.V.m. § 128 Abs. 1 FGO) Ablehnung der Beiladung der Z KG durch das gebunden.

20 2. Die Klage war zulässig, insbesondere war der Kläger befugt, gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG Klage zu erheben. So ist der einzelne Kommanditist —hier der Kläger—, um dessen verrechenbaren Verluste es geht, nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt (, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 29; vom  - IV R 32/16, BFHE 266, 209, BStBl II 2020, 199, Rz 13, m.w.N.).

21 3. Ebenso hat das FG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

22 Der im Streitjahr anteilig dem Kläger zuzurechnende Gesamthandsverlust unterfällt der Verlustverwertungsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 und Abs. 4 EStG, da dieser ein negatives Kapitalkonto des Klägers im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG erhöhte. Bei der Ermittlung des Kapitalkontos des Klägers hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass die Übertragung der stillen Reserven von der A GbR auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Grundstücks der I KG bei dieser zu einer Minderung des Kapitalkontos des Klägers geführt hat.

23 a) § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt, dass der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden darf, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht; er darf insoweit auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden.

24 Der nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten, vermindert um die nach § 15a Abs. 2 EStG abzuziehenden und vermehrt um die nach § 15a Abs. 3 EStG hinzuzurechnenden Beträge (verrechenbarer Verlust), ist jährlich gesondert festzustellen (§ 15a Abs. 4 Satz 1 EStG). Ausgangsgröße für die Feststellung des verrechenbaren Verlustes eines Kommanditisten nach § 15a Abs. 4 EStG ist jeweils der verrechenbare Verlust des Vorjahres (§ 15a Abs. 4 Satz 2 EStG). Diesem Ausgangsbetrag wird der nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust des Kommanditisten aus dem laufenden Jahr hinzugerechnet (, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 31; vom  - IV R 32/16, BFHE 266, 209, BStBl II 2020, 199, Rz 14).

25 b) Das Gesetz definiert den Begriff des Kapitalkontos nicht. Nach der Rechtsprechung des BFH ist das nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelte Kapitalkonto des Kommanditisten in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft zuzüglich gegebenenfalls bestehender Ergänzungsbilanzen des Kommanditisten gemeint, das durch Einlagen in das Gesellschaftsvermögen beziehungsweise durch Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen bestimmt wird (, BFHE 278, 487, BStBl II 2023, 332, Rz 27; vom  - IV R 18/10, Rz 21).

26 aa) Bei der Bestimmung des Kapitalkontos des Kommanditisten im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung neben der Gesamthandsbilanz auch die Ergänzungsbilanz zu berücksichtigen, in der regelmäßig der Mehr- oder Minderaufwand eines Gesellschafters gegenüber dem in der Gesamthandsbilanz ausgewiesenen Aufwand abgebildet wird. Eine positive Ergänzungsbilanz erhöht deshalb das Volumen für ausgleichsfähige Verlustanteile des Kommanditisten. Umgekehrt führt eine negative Ergänzungsbilanz zu einer Herabsetzung des Volumens für ausgleichsfähige Verlustanteile des Kommanditisten (, BFHE 258, 135, BStBl II 2017, 905, Rz 16, m.w.N.).

27 Danach führen nicht nur Einlagen oder Entnahmen zu einer Veränderung des steuerlichen Kapitalkontos im Sinne des § 15a EStG, sondern auch der in der Steuerbilanz erfasste Mehr- oder Minderaufwand eines Gesellschafters. Wird daher das Kapitalkonto eines Kommanditisten unter Berücksichtigung einer negativen Ergänzungsbilanz, welche infolge der Wahlrechtsausübung nach § 6b EStG aufzustellen war, negativ, so sind Verluste, die zu einer Erhöhung des Negativsaldos führen, nicht ausgleichsfähig (, BFHE 258, 135, BStBl II 2017, 905, Rz 19 ff.).

28 bb) Demgegenüber bleibt das Kapitalkonto aus den für die Kommanditisten gebildeten Sonderbilanzen außer Ansatz. Dies bedingt zudem, dass etwaige Sondergewinne oder Sonderverluste bei der Feststellung der Höhe des für den Kommanditisten festzustellenden verrechenbaren Verlustes nicht zu berücksichtigen sind (, BFHE 258, 135, BStBl II 2017, 905, Rz 18).

29 c) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das FG zutreffend angenommen, dass die kapitalmindernde Wirkung der Übertragung von stillen Reserven, für die eine § 6b EStG-Rücklage gebildet worden ist (dazu unter aa), bei der Ermittlung des für den Kläger bei der I KG geführten Kapitalkontos im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen ist (dazu unter bb).

30 aa) Die Übertragung der stillen Reserven in den Jahren 2001 und 2002 auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Grundstücks A und des darauf errichteten Gebäudes (dazu unter (1)) führte zu einer Kapitalminderung in der Steuerbilanz der I KG, da in dieser Höhe ein Betrag von den Anschaffungskosten des Grund und Bodens sowie von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes abgezogen worden ist (dazu unter (2)).

31 (1) Die ursprüngliche Bildung der § 6b EStG-Rücklage in der Steuerbilanz der A GbR und die gesellschafterbezogene Übertragung der anteiligen stillen Reserven in den Jahren 2001 und 2002 durch ihren Abzug von den Anschaffungskosten des Grund und Bodens sowie von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes sind zwischen den Beteiligten unstreitig und auch vom FG nicht weiter problematisiert worden, sodass von weiteren Ausführungen hierzu abgesehen wird.

32 (2) Nach Maßgabe der Grundsätze zur steuerbilanziellen Umsetzung einer rechtsträgerübergreifenden Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG (dazu unter (a)) führte der Abzug der stillen Reserven von den Anschaffungskosten des Grund und Bodens sowie von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes des Grundstücks A bei der I KG zu einer Kapitalminderung in der Steuerbilanz, die auf dem Sonderkonto verbucht worden ist (dazu unter (b)).

33 (a) Die Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich der Übertragung von stillen Reserven, für die eine § 6b EStG-Rücklage gebildet worden ist, auf ein Reinvestitionswirtschaftsgut im Gesamthandsvermögen einer anderen Personengesellschaft erfolgt auf der Ebene der übertragenden Personengesellschaft, in deren Bilanz aufgrund der Veräußerung eines begünstigten Wirtschaftsguts die Rücklage gebildet worden ist (vgl. , BFHE 263, 44, BStBl II 2019, 313, Rz 27; vom  - IV R 41/09, BFHE 240, 73, BStBl II 2013, 313, Rz 34).

34 Die Übertragung wirkt sich bei der übertragenden Personengesellschaft dahin aus, dass die stillen Reserven dem Kapitalkonto der aufzustellenden Bilanz erfolgsneutral hinzugerechnet werden. In der Bilanz der reinvestierenden (übernehmenden) Personengesellschaft wirkt sich die Übertragung der Rücklage in Form der Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei dem Reinvestitionswirtschaftsgut aus. Der Abzug erfolgt wiederum erfolgsneutral zu Lasten des Kapitalkontos. Diese Vorgehensweise dient der buchungstechnischen Sicherstellung des vom Gesetzgeber gewollten Überspringens der stillen Reserven vom veräußernden auf den reinvestierenden Betrieb (vgl. , BFHE 281, 534, BStBl II 2024, 110, Rz 40; vom  - IV R 41/09, BFHE 240, 73, BStBl II 2013, 313, Rz 35; so auch R 6b.2 Abs. 8 Satz 1 und 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2012).

35 (b) Die I KG als reinvestierende Gesellschaft setzte die vorgenannten Grundsätze in ihrer Steuerbilanz auch um. Sie minderte die Anschaffungskosten des Grund und Bodens sowie die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes des Grundstücks A. Dieser Abzug erfolgte erfolgsneutral zu Lasten des Kapitalkontos, indem sie den Abzugsbetrag auf dem Sonderkonto im Soll verbuchte. Die Minderung des Kapitalkontos entspricht den übergegangenen stillen Reserven, deren Aufdeckung durch die Veräußerung des Grundstücks zunächst durch die Bildung der § 6b EStG-Rücklage bei der A GbR und sodann durch den Abzug nach § 6b Abs. 1 EStG bei der I KG bis zur Veräußerung des Grundstücks A in 2007 verhindert worden ist.

36 bb) Die Kapitalminderungen durch den Abzug der übertragenen stillen Reserven von den Anschaffungskosten des Grund und Bodens sowie von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes des Grundstücks A nach § 6b Abs. 1 EStG sind als Minderanschaffungskosten bei der Ermittlung des Kapitalkontos des Klägers im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen (gleicher Ansicht Wendt, Steuerberater-Jahrbuch 2017/2018, 27, 42; Schmidt/Wacker, EStG, 43. Aufl., § 15a Rz 41; Strahl, Finanz-Rundschau 2005, 797, 799; Bolk, Deutsches Steuerrecht 2015, 1355, 1357; Krämer, Der Ertragsteuerberater 2017, 301, 302).

37 Mit dem Kapitalkonto in § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ist —wie bereits ausgeführt (dazu oben II.3.b)— das nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelte Kapitalkonto des Kommanditisten in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft zuzüglich gegebenenfalls bestehender Ergänzungsbilanzen des Kommanditisten gemeint. Im Streitfall dient der auf dem Sonderkonto erfasste Betrag wie im Fall einer Ergänzungsbilanz der Zuordnung eines Minderkapitals beziehungsweise von Minderanschaffungskosten, um im Fall der späteren Veräußerung des Grundstücks die (Wieder-)Aufdeckung der in den Jahren 2001 und 2002 übertragenen und abgezogenen stillen Reserven dem Kläger zuzuordnen. Folgerichtig mindern die übertragenen stillen Reserven das steuerliche Kapitalkonto. Die konkrete Bezeichnung des Buchführungskontos in der von der I KG aufgestellten Bilanz ist für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich.

38 4. Die hiergegen vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch.

39 a) Entgegen der Auffassung des Klägers führen nicht nur Entnahmen und Einlagen zu einer Veränderung des Kapitalkontos im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, sondern —wie bereits ausgeführt (dazu oben II.3.b aa)— auch Minderanschaffungskosten des Kommanditisten. Die aus einer § 6b EStG-Rücklage auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Reinvestitionswirtschaftsguts einer anderen Personengesellschaft übertragenen stillen Reserven stellen bei dieser nichts anderes als gesellschafterbezogene Minderanschaffungskosten dar, die zwangsläufig das dort geführte steuerliche Kapitalkonto reduzieren.

40 b) Durch die Einbeziehung des Sonderkontos in die Ermittlung des steuerlichen Kapitalkontos kommt es auch zu keinem Nachteil bei der übertragenden Personengesellschaft (hier der A GbR).

41 Denn der bei der übernehmenden Personengesellschaft durch die Übertragung der stillen Reserven und den (erfolgsneutralen) Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionswirtschaftsguts bedingten Kapitalminderung (Minderaufwand) steht bei der übertragenden Personengesellschaft in gleicher Höhe eine erfolgsneutrale Hinzurechnung über das Kapitalkonto (Mehraufwand) gegenüber.

42 Zudem führt gerade diese Beurteilung für die beiden vom Kläger im Schriftsatz vom (unter 6.) gebildeten Grundfälle einer innerbetrieblichen (Grundfall 1) und einer betriebs- beziehungsweise rechtsträgerübergreifenden (Grundfall 2) Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG zu konsistenten Ergebnissen. Im Grundfall 1 bleibt —wie der Kläger zutreffend ausführt— das steuerliche Kapitalkonto unverändert. Bei der Rücklagenbildung wird der Veräußerungsgewinn durch Bildung der Rücklage neutralisiert (keine Erhöhung des Kapitalkontos). Bei Auflösung der Rücklage wird der hierdurch entstehende Ertrag durch entsprechende Minderung der Anschaffungskosten des Reinvestitionswirtschaftsguts gemindert (keine Erhöhung des Kapitalkontos). Damit verändert sich im Grundfall 1 das Verlustausgleichspotenzial nicht. Im Grundfall 2 führt —bei einer gebotenen rechtsträgerübergreifenden Gesamtbetrachtung— die Übertragung der stillen Reserven im Saldo ebenfalls zu keiner Kapitalveränderung, da der Kapitalerhöhung bei der übertragenden Personengesellschaft eine entsprechende Kapitalminderung bei der aufnehmenden Personengesellschaft gegenübersteht.

43 c) Ebenso sind die nach § 6b EStG übertragenen stillen Reserven —entgegen der Auffassung des Klägers— nicht (erhöhend) bei der Berechnung des Kapitalkontos im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen.

44 aa) Der BFH hat bereits entschieden, dass bei der Berechnung des (negativen) Kapitalkontos stille Reserven nicht zu berücksichtigen sind (, BFHE 180, 387, BStBl II 1996, 474, unter 3. [Rz 11]). Zwar kann ein Kommanditanteil mit einem negativen Kapitalkonto bei vorhandenen stillen Reserven weiterhin einen wirtschaftlichen Wert verkörpern, allerdings besteht über ihr Vorhandensein und ihren Umfang notwendig Ungewissheit. Rechtliche Folgerungen lassen sich deshalb nur an die in der Buchführung der Gesellschaft verzeichneten Werte knüpfen. Der Gesetzgeber hat mit § 15a EStG in nicht zu beanstandender Weise an die handelsrechtlichen Bestimmungen zur Rechnungslegung angeknüpft, in denen die stillen Reserven nicht erscheinen (vgl. , BFHE 180, 387, BStBl II 1996, 474, unter 3. [Rz 11 ff.]).

45 bb) Die Nichtberücksichtigung von stillen Reserven gilt —wie der Senat bereits mit seinem Urteil vom  - IV R 36/14 (BFHE 258, 135, BStBl II 2017, 905) zu erkennen gegeben hat— nicht nur für im Betriebsvermögen gebildete und nicht aufgedeckte stille Reserven, sondern auch für aufgedeckte und nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG wieder abgezogene stille Reserven. Soweit der Kläger meint, im Streitfall sei —als Ausnahme von der bisherigen Rechtsprechung— eine Berücksichtigung der stillen Reserven möglich und geboten, da diese auf einem Sonderkonto verbucht worden seien, ist dem nicht zu folgen. Die (einmalige) Erfassung des Minderkapitals auf einem Sonderkonto bei der Übertragung von stillen Reserven nach § 6b EStG rechtfertigt es nicht, ausnahmsweise stille Reserven für Zwecke der Ermittlung des Kapitalkontos nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG „außerbilanziell“ hinzuzurechnen. Denn nach der Übertragung der stillen Reserven in den Jahren 2001 und 2002 bestand für die Folgezeit wiederum Ungewissheit, ob, wann und in welcher Höhe in dem Reinvestitionswirtschaftsgut Grundstück A tatsächlich stille Reserven vorhanden waren, bei deren Berücksichtigung der Kommanditanteil des Klägers trotz eines negativen Kapitalkontos einen wirtschaftlichen Wert verkörperte.

46 cc) Im Übrigen hat das FG in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der mit der Bildung einer § 6b EStG-Rücklage —und dementsprechend auch der mit der Übertragung und dem Abzug der durch den Veräußerungsgewinn aufgedeckten stillen Reserven nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG— eintretende Vorteil der Gewinnminderung beziehungsweise Steuerfreistellung eines Veräußerungsgewinns nicht zweifach auswirken dürfe (vgl. , BFHE 258, 135, BStBl II 2017, 905, Rz 27). Zu einer solchen doppelten Vorteilswirkung käme es aber, wenn zum einen durch die Übertragung der stillen Reserven ihre Aufdeckung und Besteuerung vermieden, gleichzeitig aber zum anderen darüber hinaus und als Ausnahme zur grundsätzlichen Nichtberücksichtigung stiller Reserven dieser Betrag wie im Fall von aufgedeckten und versteuerten stillen Reserven bei der Ermittlung des steuerlichen Kapitalkontos im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt würde.

47 d) Schließlich lässt sich Abweichendes auch nicht aus dem (BFHE 258, 135, BStBl II 2017, 905) ableiten.

48 Der Kläger meint, der BFH habe sich in diesem Urteilsfall lediglich gegen eine spezielle Gestaltung gewendet, um eine doppelte Vorteilswirkung zu vermeiden. So sei zum einen ein nach § 6b Abs. 1 EStG begünstigter Veräußerungsgewinn steuerfrei gestellt worden und zum anderen habe der einbringende Mitunternehmer aufgrund der Verbuchung der Einbringung sowohl über ein (Eigen-)Kapitalkonto als auch über ein Verrechnungskonto (Fremdkapitalkonto) einen Auszahlungsanspruch gegen die übernehmende Personengesellschaft erworben. Diesen Auszahlungsanspruch habe der BFH —so der Kläger— einer Entnahme gleichgestellt, die das Kapitalkonto im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG mindere.

49 Dabei übersieht der Kläger, dass bereits die gesellschafterbezogene und rechtsträgerübergreifende Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG zu einer Minderung des Kapitalkontos des Kommanditisten im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG bei der übernehmenden Gesellschaft führt. Daher kam es in dem vorbezeichneten BFH-Urteil insoweit weder darauf an, ob der Gegenwert für die Einbringung über ein Eigen- oder Fremdkapitalkonto (Verrechnungskonto) erfasst worden ist, noch darauf, ob und inwieweit der einbringende Mitunternehmer einen Auszahlungsanspruch gegen die aufnehmende Gesellschaft erworben hat. Infolge der Übertragung der stillen Reserven nach § 6b EStG wäre es in dem dem (BFHE 258, 135, BStBl II 2017, 905) zugrunde liegenden Fall selbst dann zu einer Kapitalminderung für den einbringenden Mitunternehmer gekommen, wenn der Gegenwert für die Einbringung vollständig auf seinem (Eigen-)Kapitalkonto verbucht worden wäre.

50 e) Dass es infolge der Kapitalminderung bei der I KG als Rechtsfolge des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zu einer Minderung des Verlustverwertungspotenzials des Klägers kommt, beruht auf dessen freier Entscheidung, von dem steuerlichen Wahlrecht Gebrauch zu machen, stille Reserven aus einer § 6b EStG-Rücklage auf Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Reinvestitionswirtschaftsguts einer anderen Personengesellschaft, an der er ebenfalls beteiligt ist, zu übertragen (vgl. , BFHE 258, 135, BStBl II 2017, 905, Rz 28).

51 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:U.121224.IVR24.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-84506