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BGH Urteil v. - VIa ZR 1020/22

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 14 U 39/22vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 2 O 2221/21

Tatbestand

1 Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2 Er erwarb im Februar 2017 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten neuen VW Tiguan, der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 288 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.

3 Der Kläger verlangt im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Eine Haftung des Beklagten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung scheide aus. Das unstreitig verbaute Thermofenster erfülle unter Berücksichtigung der vom Kläger dargelegten Bedatung nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Konkrete Anhaltspunkte für die Behauptung, die Beklagte habe im Typgenehmigungsverfahren hinsichtlich des Thermofensters oder sonstiger Abschalteinrichtungen unvollständige oder falsche Angaben gemacht, nenne der Kläger nicht. Hinsichtlich der Fahrkurvenerkennung fehle es jedenfalls an der Grenzwertrelevanz. Der Vortrag zu anderen Abschalteinrichtungen sei nicht hinreichend substantiiert, um einen Anspruch aus § 826 BGB zu begründen. Jedenfalls scheide eine Haftung der Beklagten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus, weil das KBA hinsichtlich des streitgegenständlichen Motortyps explizit erklärt habe, dass er verschiedentlich überprüft und unter keinem Gesichtspunkt beanstandet worden sei.

7Auch Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 12, Art. 18 der Richtlinie (EG) Nr. 46/2007, §§ 4, 6, 25, 27 EG-FGV seien nicht gegeben, weil diese Regelungen nicht drittschützend seien.

II.

8Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

91. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Insbesondere entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass ein solcher Anspruch hinsichtlich der Fahrkurvenerkennung bei fehlender Grenzwertrelevanz grundsätzlich ausscheidet (vgl.  VIa ZR 535/21, WM 2024, 40 Rn. 11 mwN). Die von der Revision hiergegen erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

102. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat.

11a) Wie der Senat nach Erlass des angegriffenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

12Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20).

13b) Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines Differenzschadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

14angefochtene

15Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

C. Fischer                         Brenneisen                         Messing

                   Katzenstein                         F. Schmidt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:290125UVIAZR1020.22.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-84471