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BGH Beschluss v. - XII ZB 452/23

Beschwerdebefugnis in Familiensachen bei Anwendung ausländischen Rechts

Leitsatz

Aus der Anwendung ausländischen Rechts folgt für sich genommen weder, dass damit Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen sind (im Anschluss an , BGHZ 198, 14 = NJW 2013, 3656), noch, dass das Amtsgericht eine diesbezügliche Zulassung der Beschwerde nach § 61 Abs. 2 und 3 FamFG nicht erwogen hat.

Gesetze: § 61 Abs 1 FamFG, § 61 Abs 2 FamFG, § 61 Abs 3 FamFG, § 117 Abs 1 S 4 FamFG, § 522 Abs 1 S 4 ZPO, § 574 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 17 UF 130/23vorgehend Az: 22 F 1690/20

Gründe

1Die getrennt lebenden Beteiligten streiten in der Auskunftsstufe um Zahlung von Trennungsunterhalt.

2Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Teilbeschluss verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über sämtliche Einkünfte, die er in den letzten zwölf Monaten erzielt hat, insbesondere aus abhängiger Erwerbstätigkeit durch Vorlage der monatlichen Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers, aus Kapitalerträgen durch Vorlage einer Bankbestätigung für das Jahr 2020, aus Vermietung und Verpachtung durch Vorlage einer Einnahmeüberschussrechnung für das Jahr 2020 und aus einer Steuererstattung für das Jahr 2019/2020 durch Vorlage des Lohnsteuerbescheids.

3Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 € nicht übersteige. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

4Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist ungeachtet des von seinem angezeigten Aufenthaltswechsels des s nach Pakistan weiterhin gegeben. Für die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 EuUntVO findet der Grundsatz der perpetuatio fori Anwendung (vgl. OLG Frankfurt 2020, 434 f.; Hausmann Internationales und Europäisches Familienrecht 3. Aufl. C Rn. 96; Thomas/Putzo/Hüßtege 45. Aufl. Vor Art. 1 EuUntVO Rn. 21h; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 9 Rn. 659). Der Senat hat zur Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom (EuGVVO = Brüssel I-VO) bereits in diesem Sinne entschieden (Senatsurteil vom 17. 2013 - XII ZR 23/12 - 2013, 1113 Rn. 20 ff.). Daran ist auch für die insoweit gleichgerichtete Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUntVO; ABl. 2009 Nr. L 7 S. 1) festzuhalten (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 9 Rn. 659).

5Die nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Antragsgegner weder in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG). Der Zugang zur Beschwerdeinstanz wurde dem Antragsgegner insbesondere nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 250/22 - juris Rn. 4 mwN).

61. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwerde sei unzulässig, weil der mangels Zulassung der Beschwerde nach § 61 Abs. 1 FamFG maßgebliche Beschwerdewert nicht erreicht sei. Für die Wertbemessung komme es auf den Aufwand an, der mit der sorgfältigen Erfüllung der Auskunftsverpflichtung und der Verpflichtung zur Vorlage von Belegen verbunden sei. Hierbei sei grundsätzlich in Anlehnung an § 20 JVEG von einem Stundensatz von 4 € auszugehen. Im vorliegenden Fall betrage der Zeitaufwand für die Erstellung der Auskunft und die Zusammenstellung der Belege nicht mehr als zehn Stunden. Ob sich die Beschwer des Antragsgegners um seine Aufwendungen zur Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung in Höhe von 262,38 € erhöhe, weil die vom Amtsgericht titulierte Verpflichtung zur Auskunftserteilung „in den letzten 12 Monaten“ mangels Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig sei, könne letztlich dahinstehen, weil selbst bei Berücksichtigung dieser Aufwendungen der Wert von 600 € nicht erreicht werde. Die Notwendigkeit einer werterhöhenden Hinzuziehung eines Berufsträgers zur Erfüllung der Auskunfts- und Belegvorlagepflicht sei schon nicht hinreichend dargelegt. Schließlich erhöhe der Streit um die Frage, ob deutsches oder pakistanisches Recht zur Anwendung gelange, die Beschwer nicht.

72. Diese Ausführungen halten sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

8a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich die Beschwer eines zur Auskunft und Belegvorlage verpflichteten Beteiligten nach seinem Interesse richtet, die Auskunft nicht erteilen bzw. die Belege nicht vorlegen zu müssen. Dabei kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der Auskunft bzw. die Belegvorlage erfordern (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 173/24 - Rn. 7 mwN zur Veröffentlichung bestimmt und vom - XII ZB 250/23 - juris Rn. 7 mwN). Zur Bewertung des erforderlichen Aufwands an Zeit und Kosten für die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft ist grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 26/20 - FamRZ 2021, 701 Rn. 7 mwN). Die Kosten der Hinzuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands nur berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist. Dies hat der Auskunftspflichtige substantiiert darzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 173/24 - Rn. 5 mwN zur Veröffentlichung bestimmt). Nicht zu einer Erhöhung der Beschwer führen grundsätzlich Ausführungen des Amtsgerichts zur Anwendbarkeit deutschen oder ausländischen Rechts (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 490/18 - FamRZ 2021, 117 Rn. 13 mwN und vom - XII ZB 505/19 - FamRZ 2020, 1574 Rn. 9 ff. mwN). Hat die vom Rechtsmittelführer angegriffene Auskunftsverpflichtung hingegen keinen vollstreckbaren Inhalt oder ist sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet, erhöht sich die Beschwer insoweit durch die mit der Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 173/24 - Rn. 7 mwN zur Veröffentlichung bestimmt und vom - XII ZB 334/19 - FamRZ 2020, 1572 Rn. 11 mwN).

9Die ausgehend von diesen Maßstäben durch das Beschwerdegericht gemäß § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 3 ZPO vorgenommene Schätzung des Beschwerdewerts begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die nach billigem Ermessen vorzunehmende Bemessung der Beschwer, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt darauf überprüft werden kann, ob das Beschwerdegericht den ihm eingeräumten Ermessensspielraum gewahrt oder aber die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 173/24 - Rn. 9 mwN zur Veröffentlichung bestimmt), lässt keine Ermessensfehler erkennen. Gegen den vom Beschwerdegericht in Anwendung dieser Grundsätze geschätzten Zeit- und Kostenaufwand erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

10b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt der Umstand, dass das Beschwerdegericht eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde entsprechend § 61 Abs. 2 FamFG nicht in Betracht gezogen hat, zu keinem Zulassungsgrund nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 2 ZPO.

11aa) Im Ausgangspunkt zutreffend weist die Rechtsbeschwerde allerdings darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Beschwerdegericht eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nachholen muss, wenn das erstinstanzliche Gericht zu einer solchen Entscheidung keine Veranlassung gesehen hat, weil es erkennbar davon ausgegangen ist, dass die Beschwer des unterlegenen Beteiligten 600 € übersteigt, während das Beschwerdegericht eine ausreichende Beschwer nicht für erreicht hält (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 26/20 - FamRZ 2021, 701 Rn. 13 mwN).

12bb) Zureichende Anhaltspunkte für ihre Annahme, das Amtsgericht sei von einer die Wertgrenze von 600 € übersteigenden Beschwer des Antragsgegners ausgegangen, trägt die Rechtsbeschwerde jedoch nicht vor. Solche ergeben sich insbesondere weder aus der Festsetzung des Verfahrenswerts durch das Amtsgericht (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 26/20 - FamRZ 2021, 701 Rn. 14 mwN und vom - XII ZB 550/15 - FamRZ 2017, 227 Rn. 19 mwN) noch aus dem Umstand, dass das Amtsgericht seinen Teilbeschluss gemäß § 39 Satz 1 FamFG mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 490/18 - FamRZ 2021, 117 Rn. 18 mwN und vom - XII ZB 219/13 - FamRZ 2014, 1445 Rn. 13 f. mwN).

13cc) Hinzu kommt, dass eine Zulassung der Beschwerde auf der Grundlage des Vorbringens der Rechtsbeschwerde, das Amtsgericht hätte erörtern müssen, ob das maßgebliche pakistanische Familienrecht überhaupt einen Auskunftsanspruch kennt und ob die am in I.               /Pakistan geschlossene Ehe der Beteiligten nach deutschem Recht anzuerkennen und damit wirksam ist, ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre. Die Erheblichkeit der fehlenden Zulassungsentscheidung durch die Instanzgerichte kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren selbst prüfen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 26/20 - FamRZ 2021, 701 Rn. 15 mwN). Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe vermögen eine Zulassung offensichtlich nicht zu begründen. Aus der Anwendung ausländischen Rechts folgt für sich genommen weder, dass damit Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen sind (vgl. BGHZ 198, 14 = NJW 2013, 3656 Rn. 21), noch, dass das Amtsgericht eine diesbezügliche Zulassung der Beschwerde nach § 61 Abs. 2 und 3 FamFG nicht erwogen hat.

14Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

Guhling                  Klinkhammer                  Nedden-Boeger

              Botur                              Krüger

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:181224BXIIZB452.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 8 Nr. 9
SAAAJ-84455