Vorlagefrage an EuGH zur Angabe von Energieeffizienzklassen bei Online-Gewinnspiel - Energieeffizienzklasse IV
Leitsatz
Energieeffizienzklasse IV
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 6 Unterabs. 1 Buchst. a und Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU (ABl. L 198 vom , S. 1) in der zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 2020/740 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. L 177 vom , S. 1) geänderten Fassung und von Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Energieverbrauchskennzeichnung elektronischer Displays und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2010 der Kommission (ABl. L 315 vom , S. 1) in der zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2021/340 der Kommission vom (ABl. L 68 vom , S. 62) geänderten Fassung folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist eine Person, die im Rahmen eines Online-Gewinnspiels einen Fernseher als Gewinn auslobt, in Bezug auf diesen als "Händler" im Sinne von Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 anzusehen und daher zur Erfüllung der sich aus Art. 6 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 in Verbindung mit Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 ergebenden Anforderungen verpflichtet?
Gesetze: Art 2 Nr 13 EUV 2017/1369, Art 6 UAbs 1 Buchst a EUV 2017/1369, Art 4 Buchst d EUV 2019/2013, § 3 Abs 1 UWG, § 5a Abs 1 UWG, § 5a Abs 2 S 1 UWG vom , § 5a Abs 4 UWG vom , § 5b Abs 4 UWG
Instanzenzug: Az: 6 U 681/23evorgehend LG München I Az: 4 HK O 2759/22
Gründe
1A. Die Beklagte ist die Betreiberin des Multipartner-Bonusprogramms P. , das der Kundenbindung und -gewinnung dient. Sie bewarb am in ihrem im Internet veröffentlichten Newsletter "Deine neuen Coupons sind da" ein Gewinnspiel mit der Aussage "Täglich ein neuer Gewinn, z.B. 2 x S. QLED 4K TV Q80A, 75 Zoll" wie aus der nachfolgenden Abbildung (Anlage K1, Seite 1) ersichtlich:
2Einen Hinweis auf die Energieeffizienzklasse oder das auf dem Etikett vorhandene Spektrum der Energieeffizienzklassen erteilte die Beklagte weder bei der Abbildung des TV-Geräts noch bei der nachfolgend abgebildeten tabellarischen Auflistung der möglichen Gewinne (Anlage K1, Seite 2):
3Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, mahnte die Beklagte wegen dieses Vorgehens erfolglos ab. Auf die daraufhin erhobene Klage ist die Beklagte im Wege eines Versäumnisurteils verurteilt worden, es bei Meidung der dort näher bezeichneten Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines elektronischen Displays zu werben und/oder werben zu lassen, ohne die Energieeffizienzklasse und das dazugehörige Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen in der gesetzlich vorgesehenen graphischen Darstellung in Form eines Pfeils anzugeben, wenn dies wie aus der Anlage K1 ersichtlich geschieht. Außerdem ist die Beklagte zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 290 € nebst Zinsen verurteilt worden.
4Auf den hiergegen eingelegten Einspruch der Beklagten hat das Landgericht sein Versäumnisurteil aufrechterhalten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt der Kläger die Wiederherstellung des Versäumnisurteils.
5B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 6 Unterabs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 und Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 ab. Vor einer Entscheidung über die Revision ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
6I. Das Berufungsgericht hat die Klage als zulässig, aber unbegründet angesehen. Es hat gemeint, dem Kläger stehe der geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nicht zu, weil die Beklagte keine "Händlerin" im Sinne von Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 und daher von den aus Art. 6 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 in Verbindung mit Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 folgenden Anforderungen nicht betroffen sei. Auch die weiteren Voraussetzungen für den Unterlassungsanspruch seien nicht erfüllt. Der Verbraucher benötige die von der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 vorgegebenen Informationen nicht, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten sei auch nicht geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
7II. Die Revision hat Erfolg, wenn das Berufungsgericht zu Unrecht einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG in der bis zum geltenden Fassung (aF) beziehungsweise § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG in der ab dem geltenden Fassung (nF) in Verbindung mit Art. 6 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 und Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 verneint hat.
81. Das Berufungsgericht ist zutreffend von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Insbesondere hat es zu Recht angenommen, dass der Kläger nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche befugt ist.
92. Fraglich ist, ob das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht gemeint hat, dem Kläger stehe der verfolgte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nicht zu, weil die Beklagte nicht zur Erfüllung der aus Art. 6 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 in Verbindung mit Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 folgenden Anforderungen verpflichtet sei.
10a) In Fällen der Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation ist die Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung allein nach § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF/§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF zu beurteilen (vgl. , BGHZ 233, 193 [juris Rn. 16 und 23] - Knuspermüsli II; Urteil vom - I ZR 164/23, GRUR 2024, 1449 [juris Rn. 21] = WRP 2024, 1345 - nikotinhaltige Liquids, mwN).
11b) Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht wettbewerbswidrig war als auch nach dem zur Zeit der Revisionsentscheidung geltenden Recht wettbewerbswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2024, 1345 [juris Rn. 7] = WRP 2024, 1056 - durchschnittliche Sternebewertung, mwN). Nach Veröffentlichung des beanstandeten Newsletters am ist § 5a UWG durch das am in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom (BGBl. I S. 3504) geändert worden. Eine für den Streitfall maßgebliche Änderung der Rechtslage ergibt sich daraus nicht.
12c) Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG aF handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, (Nr. 1) die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5a Abs. 1 UWG nF handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, (Nr. 1) die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5a Abs. 4 UWG aF und § 5b Abs. 4 UWG nF gelten als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG aF und § 5a Abs. 1 UWG nF auch Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.
13Die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG aF (§ 5a Abs. 1 UWG nF) dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt. Danach gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte. Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG, auf dessen Grundlage § 5a Abs. 4 UWG aF/§ 5b Abs. 4 UWG nF erlassen wurden (vgl. BGH, GRUR 2024, 1449 [juris Rn. 23] - nikotinhaltige Liquids, mwN), bestimmt, dass die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des Anhangs II der Richtlinie verwiesen wird, als wesentlich gelten.
14d) Nach Art. 6 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 weisen der Lieferant und der Händler in visuell wahrnehmbarer Werbung oder in technischem Werbematerial für ein bestimmtes Modell auf die Energieeffizienzklasse des Produkts und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen gemäß dem einschlägigen delegierten Rechtsakt hin. Nach Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 stellen die Händler sicher, dass jede visuell wahrnehmbare Werbung für ein bestimmtes Modell eines elektronischen Displays, auch im Internet, die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der für das Label verfügbaren Energieeffizienzklassen gemäß Anhang VII enthält.
15e) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für den geltend gemachten Unterlassungsantrag maßgeblichen Gebote Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF und § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF betreffen (zum Begriff der kommerziellen Kommunikation vgl. , GRUR 2023, 1704 [juris Rn. 22 bis 24] = WRP 2024, 65 - Zigarettenausgabeautomat III, mwN).
16Von dem Vorenthaltungsverbot gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF, § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF sowie Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG sind alle Informationen umfasst, die - wie die Energieverbrauchskennzeichnung - dem Zweck dienen, dem Verbraucher eine informierte geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen. Das können auch Informationen sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher von einem Vertragsschluss abhalten können (BGH, GRUR 2023, 1704 [juris Rn. 27] - Zigarettenausgabeautomat III; GRUR 2024, 1449 [juris Rn. 29] - nikotinhaltige Liquids, jeweils mwN).
17f) Fraglich ist, ob das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht gemeint hat, die Beklagte als Veranstalterin des streitgegenständlichen Gewinnspiels sei in Bezug auf die als Gewinn ausgelobten Produkte keine "Händlerin" im Sinne von Art. 6 Unterabs. 1 Buchst. a, Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 und Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 und daher zur Erfüllung der sich aus diesen Vorschriften ergebenden Anforderungen nicht verpflichtet. Dies soll mit der Vorlagefrage geklärt werden.
18aa) Nach Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 bezeichnet der Begriff "Händler" einen Einzelhändler oder eine andere natürliche oder juristische Person, die im Rahmen einer Geschäftstätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich Produkte an beziehungsweise für Kunden oder Errichter zum Kauf, zur Miete oder zum Ratenkauf anbietet oder ausstellt.
19bb) Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte sei nicht als "Händlerin" im Sinne dieser Definition anzusehen. Die Veranstaltung eines Gewinnspiels diene nicht dem Anbieten oder Ausstellen der als Preis ausgelobten Produkte. Die in der Definition zum Ausdruck gebrachte Unentgeltlichkeit solle den Kreis der Händler über die Personen, die Produkte zum Kauf, zur Miete oder zum Ratenkauf anböten oder ausstellten, nicht erweitern. Dafür spreche auch der Zweck der Verordnung, Kunden in die Lage zu versetzen, sich für effizientere Produkte zu entscheiden, um ihren Energieverbrauch zu verringern. Mit ihrer Teilnahme am Gewinnspiel entschieden sich Kunden nicht für ein Produkt, sondern allein für die Teilnahme an dem Gewinnspiel selbst.
20cc) Hiergegen wendet sich die Revision mit der Argumentation, die in Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 enthaltenen Begriffe "Kauf", "Miete" und "Ratenkauf" seien nach der gebotenen autonomen Auslegung des Unionsrechts weit zu verstehen und ein Rückgriff auf die Begriffsbestimmungen des nationalen Rechts komme nicht in Betracht. Ausreichend sei ein wirtschaftliches Handeln jeglicher Art. Nach dem eindeutigen Wortlaut seien auch unentgeltliche Verträge erfasst. Dass sich der Begriff "unentgeltlich" nicht nur auf die Variante des Ausstellens von Produkten, sondern auf sämtliche Tätigkeitsvarianten und damit auch auf den Kauf beziehe, werde unter anderem durch die englische Textfassung verdeutlicht, in der der auf die mögliche Unentgeltlichkeit hinweisende Zusatz ("whether or not in return for payment") durch ein Komma abgetrennt am Ende der Definition erscheine. Unter einem "unentgeltlichen Kauf" sei nach der gebotenen unionsrechtlich autonomen Auslegung auch eine Schenkung zu verstehen, wie sie hier in Rede stehe.
21dd) Zu klären ist, ob der Veranstalter eines Gewinnspiels in Bezug auf die als Gewinn ausgelobten Produkte als "Händler" im Sinne von Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 anzusehen ist.
22(1) Wie die Revision zu Recht hervorhebt, folgt aus den Erfordernissen der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts und des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Bestimmung und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (st. Rspr.; vgl. , juris Rn. 38 f. - AFAÏA, mwN).
23(2) Fraglich ist allerdings, ob die Ansicht der Revision zutrifft, wonach die Definition des Händlerbegriffs in Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 bereits ihrem Wortlaut nach das Anbieten oder Ausstellen von Produkten an beziehungsweise für Kunden zum "unentgeltlichen Kauf" - und damit beispielsweise auch im Wege der Auslobung als Gewinn - umfasst (so OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2021, 61093 [juris Rn. 7]; LG Stuttgart, WRP 2018, 1023 [juris Rn. 42]). Eine solche Auslegung wäre möglich, wenn sich der Zusatz "unentgeltlich" auch auf die in der Begriffsbestimmung angeführte Tatbestandsvariante des Kaufs bezieht.
24Die Figur eines "unentgeltlichen Kaufs" ist jedoch nicht nur dem deutschen Zivilrecht fremd, sie findet sich auch im Unionsrecht nicht. So bezeichnet beispielsweise nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs "Kaufvertrag" jeden Vertrag, durch den der Verkäufer das Eigentum an Waren auf einen Verbraucher überträgt oder die Übertragung des Eigentums an dieser Ware auf den Verbraucher zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis dafür zahlt oder dessen Zahlung zusagt. Auch danach ist einem Kaufvertrag die Verpflichtung zur Zahlung eines Kaufpreises immanent. Dieser Umstand spricht aus Sicht des Senats gegen eine Auslegung, der zufolge auch das Ausloben eines Gewinns (als "unentgeltlicher Kauf") von den in Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 aufgeführten Tatbestandsvarianten umfasst sein soll.
25Entgegen der Ansicht der Revision dürfte sich auch dem Umstand, dass Art. 2 Nr. 16 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 einen "Kunden" als "natürliche oder juristische Person, die ein Produkt für den Eigengebrauch kauft, mietet oder erhält, …" definiert (vgl. dazu LG Duisburg, Urteil vom - 22 O 53/19, juris Rn. 44), nichts Gegenteiliges entnehmen lassen. Zwar setzt die Variante des "Erhaltens" keine Entgeltlichkeit voraus. Allein daraus folgt jedoch wohl nicht, dass nach dem Verständnis des Unionsrechtsgebers auch für die Tatbestandsvariante des Kaufs das Fehlen einer Gegenleistung denkbar ist.
26(3) Auf die zuvor erörterte Frage kommt es allerdings nicht an, wenn die Ansicht der Revision zutrifft, wonach sich aus den in Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 aufgeführten Tatbestandsvarianten (Kauf, Miete und Ratenkauf) keine Beschränkung auf bestimmte, zwischen einem Händler und einem Kunden denkbare Vertragsverhältnisse ergeben und durch den Zusatz "entgeltlich oder unentgeltlich" verdeutlicht werden soll, dass eine Geschäftstätigkeit jeglicher Art genügt, um eine Person als "Händler" ansehen zu können.
27(a) Zwar weist der Umstand, dass in Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 drei verschiedene Tatbestandsvarianten angeführt sind, auf ein solches, keinerlei Einschränkungen ausdrückendes Begriffsverständnis nicht unmittelbar hin. Hätte jegliches geschäftliche Handeln hierunter gefasst werden sollen, dürfte es nähergelegen haben, die Begriffe "Kauf, Miete und Ratenkauf" nicht aufzunehmen.
28(b) Für die von der Revision befürwortete Auslegung könnten jedoch die von der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 verfolgten Ziele sprechen, die darin bestehen, den Verbraucher über die Energieeffizienz der betreffenden Geräte während ihres Gebrauchs sowie über den Energieverbrauch energieverbrauchsrelevanter Produkte zu informieren und es ihm zu ermöglichen, sachkundige Entscheidungen zu treffen (vgl. Erwägungsgründe 2 Satz 1 und 10 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 sowie , GRUR 2024, 58 [juris Rn. 45] - Verband Wirtschaft im Wettbewerb; , GRUR 2019, 746 [juris Rn. 22] = WRP 2019, 874 - Energieeffizienzklasse III, mwN). Informationen über effiziente und nachhaltige Produkte leisten einen wesentlichen Beitrag zur Energieeinsparung und zur Senkung von Energiekosten und fördern zugleich Innovationen und Investitionen in die Herstellung energieeffizienter Produkte (Erwägungsgrund 2 Satz 2). Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass dem Verbraucher eine informierte und sachkundige Entscheidung auch dann ermöglicht werden soll, wenn ihm ein Modell nicht entgeltlich zum Kauf, sondern beispielsweise als Gewinn eines ohne unmittelbare Gegenleistung veranstalteten Gewinnspiels angeboten wird. Auch in dieser Situation könnte ein anerkennenswertes Interesse des Verbrauchers daran bestehen, zu erfahren, ob es sich hierbei um ein energieeffizientes Produkt handelt oder nicht.
29(4) Möglich erscheint aus Sicht des Senats auch eine Auslegung, nach der sich der Zusatz "entgeltlich oder unentgeltlich" nicht auf die in der Begriffsbestimmung aufgeführten Tatbestandsvarianten des Kaufs, der Miete und des Ratenkaufs bezieht, sondern auf die beiden dort enthaltenen alternativen Tätigkeitsvarianten des "Anbietens" oder "Ausstellens". Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses könnte es für ein Auftreten als "Händler" allein darauf ankommen, ob ein entgeltliches oder unentgeltliches Anbieten oder Ausstellen von Produkten zum Kauf, zur Miete oder zum Ratenkauf erfolgt, was im Streitfall nicht der Fall war, weil die Produkte jedenfalls nicht zum Kauf, zur Miete oder zum Ratenkauf angeboten wurden
30(5) Ebenfalls denkbar ist allerdings, dass die in der Definition des Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 angeführte Variante des "Ausstellens" als selbständig gegenüber derjenigen des Anbietens zum Kauf, zur Miete oder zum Ratenkauf anzusehen ist und daher keinen weiteren Einschränkungen unterliegt. Für diese Auslegung spricht, dass sich der Zusatz "oder ausstellt" beispielsweise in der deutschen (und entsprechend auch in der niederländischen) Sprachfassung am Ende der Begriffsbestimmung befindet und er auch in anderen (wie etwa der englischen, französischen und italienischen) Sprachfassungen als für sich alleinstehend gelesen werden kann.
31Trifft dieses Verständnis zu, ist klärungsbedürftig, ob die Beklagte das Fernsehgerät im Sinne der Begriffsbestimmung des Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 "ausgestellt" hat, indem sie eine Abbildung hiervon in der beanstandeten Werbung eingeblendet (vgl. Anlage K1) und/oder es im Rahmen der Auflistung der möglichen Gewinne beschrieben hat (vgl. Anlage K2). Das Berufungsgericht hat dies verneint und gemeint, unter "Ausstellen" sei allein ein körperliches Präsentieren von Produkten zu verstehen, welches im Streitfall nicht erfolgt sei.
32Eine Definition des Begriffs "ausstellen" findet sich in der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 nicht. Auch aus dem Zusammenhang der dort getroffenen Regelungen lässt sich nicht erschließen, ob hierunter jede Art der Präsentation eines Produkts zu verstehen ist (und damit auch eine bildliche Darstellung und wörtliche Beschreibung des Fernsehers im Rahmen der Bewerbung eines Gewinnspiels, wie sie im Streitfall beanstandet werden), oder ob sich der Begriff allein auf das spezifische Anbieten oder Bewerben von Produkten, etwa auf Messen oder an Verkaufsständen, beschränkt.
333. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.
34a) Ohne Erfolg hat die Revision erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, auf die zuvor erörterten Auslegungsfragen komme es nicht an, weil die Kunden der Beklagten für die Teilnahme am Gewinnspiel mit der Zurverfügungstellung ihrer Daten bezahlt hätten und sich hieraus eine Entgeltlichkeit des Handelns der Beklagten ergebe.
35Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich ein "Zahlen mit Daten" auch nicht ohne Weiteres aus dem auf der Abbildung gemäß der Anlage K1 erkennbaren QR-Code. Weder die über dem QR-Code befindliche Überschrift ("der grandiose P. Coupon-Kalender") noch die mittels eines Pfeils mit diesem verbundene Bemerkung "QR-Code scannen & Kalender in der App checken" weisen darauf hin, dass im Zusammenhang mit dem Scannen des QR-Codes persönliche Daten übertragen werden sollten.
36b) Sollte die Beklagte als "Händlerin" im Sinne von Art. 2 Nr. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 anzusehen sein, hat sie die aus Art. 6 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 und Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 folgenden Informationspflichten verletzt. Sie hat im Rahmen der beanstandeten Werbung im Hinblick auf das als Hauptgewinn ausgelobte TV-Gerät weder bei dessen bildlicher Abbildung noch im Zusammenhang mit dessen wörtlicher Beschreibung einen Hinweis auf die Energieeffizienzklasse oder das auf dem Etikett vorhandene Spektrum der Energieeffizienzklassen erteilt. Art. 4 Buchst. d der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2019/2013 fordert dies jedoch einschränkungslos für "jede visuell wahrnehmbare Werbung" für ein bestimmtes Modell eines elektronischen Displays (was Fernsehgeräte einschließt, vgl. Art. 1 Abs. 1 der Delegierten Verordnung [EU] Nr. 2019/2013), auch im Internet.
37c) Auch die übrigen Voraussetzungen von § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF/§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF sind erfüllt. Insbesondere benötigt der Verbraucher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die von der Verordnung (EU) Nr. 2017/1369 vorgegebenen Informationen, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ist deren Vorenthalten auch geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:230125BIZR53.24.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-84229