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BGH Urteil v. - 3 StR 231/24

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 1 KLs 95/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es die Einziehung „der sichergestellten Betäubungsmittel zu den Asservatennummern …“ (es folgen elf Zahlenreihen) angeordnet. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten, zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg erzielt.

I.

21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verwahrte der Angeklagte zum gewinnbringenden Verkauf 9.857,4 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 1.531,23 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) und weitere 488,78 Gramm Pflanzenmaterial, das 5,87 Gramm des synthetischen Cannabinoids JWH-210 enthielt. Beide Rauschmittel wurden bei einer polizeilichen Durchsuchung sichergestellt.

32. In rechtlicher Hinsicht hat das Landgericht die Tat als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewürdigt und den Strafrahmen dieser Vorschrift angewendet. Einen minder schweren Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG hat es aufgrund der Menge der sichergestellten Betäubungsmittel abgelehnt. Bei der konkreten Strafzumessung hat es unter anderem mildernd erwogen, „das Marihuana“ habe sichergestellt werden können und beim Gesetzgeber zeichne sich, was die „Strafwürdigkeit von Taten der vorliegenden Art“ angehe, ausweislich des Entwurfs eines Konsumcannabisgesetzes ein Umdenken ab; sie seien zukünftig nur noch ein Vergehen.

II.

4Die unbeschränkt eingelegte Revision bringt die Verurteilung sowohl zu Gunsten (§ 301 StPO; dazu unter 1.) als auch zu Lasten (dazu unter 2.) des Angeklagten zu Fall. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand (3.).

51. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zu Gunsten des Angeklagten zur Änderung des Schuldspruchs und Aufhebung des Strafausspruchs.

6a) Der Schuldspruch hat keinen Bestand, da am das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten ist (BGBl. 2024 I Nr. 109). Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Tat, soweit sie das Marihuana betrifft, nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 142/24, juris Rn. 5; vom - 5 StR 115/24, juris Rn. 9). Danach ist der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG schuldig. Zugleich verwirklichte er das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG.

7In Bezug auf das JWH-210-haltige Pflanzenmaterial ist der Fall dagegen rechtsfehlerfrei als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewürdigt worden. JWH-210 ist der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt. Der Grenzwert zur nicht geringen Menge beträgt ein Gramm (, juris Rn. 39 ff.). Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht mit demjenigen mit Cannabis in Tateinheit (§ 52 StGB).

8Die neue Rechtslage ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (vgl. hierzu , NStZ 2024, 547 Rn. 5 mwN) für den Angeklagten günstiger als diejenige nach dem Tatzeitrecht; sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich. Zwar ist nach ihr der Schuldspruch um eine tateinheitliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Cannabis zu ergänzen. Jedoch lässt die Herausnahme des tatgegenständlichen Marihuanas aus der Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz und dessen gesonderte Erfassung durch eine entsprechende tateinheitliche Bestrafung nach dem Konsumcannabisgesetz aufgrund des geringeren Unrechts- und Schuldgehalts von Taten nach diesem Gesetz vorliegend Raum für eine mildere Bestrafung (s. etwa , juris Rn. 7 mwN; zur Bedeutung des Günstigkeitsvergleichs auch für den Schuldspruch s. etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 167/24; vom - 6 StR 150/22, NStZ-RR 2022, 200). Der Schuldspruch ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zu Gunsten des Angeklagten zu ändern. In Bezug auf das Cannabis hat dabei eine Kennzeichnung der nicht geringen Menge zu unterbleiben (s. etwa , juris Rn. 3 mwN).

9b) Obgleich die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB weiterhin dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen ist, entzieht die gesetzgeberische Wertung eines reduzierten Unrechtsgehalts, die sich nicht zuletzt aus der in § 34 Abs. 1 und 3 KCanG vorgesehenen und gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG deutlich milderen Strafandrohung ergibt, der Strafe zu Gunsten des Angeklagten die Grundlage (vgl. etwa , juris Rn. 9). Der auf das Marihuana bezogene Handelsteil ist für die Strafzumessung des Landgerichts ausweislich der Urteilsgründe von wesentlicher Bedeutung gewesen, zumal dieser ein deutlich höheres Volumen als der JWH-210-haltige Stoff umfasste: Während die annähernd zehn Kilogramm Marihuana im THC-Gehalt die nicht geringe Menge um das 203-fache überstiegen, erreichte das beinahe halbe Kilogramm JWH-210-Gemisch diese nur knapp sechsfach. Wenngleich das Landgericht das im Urteilszeitpunkt im Entwurf vorliegende Konsumcannabisgesetz in seine Erwägungen einbezogen hat, ist nicht auszuschließen, dass es bei konkreter Anwendung der neuen Vorschriften auf eine mildere Strafe erkannt hätte.

10c) Bereits aus diesem Grund hat der Strafausspruch zu Gunsten des Angeklagten keinen Bestand. Auf weitere den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler der Strafzumessung kommt es danach nicht mehr an. Auf Bedenken stößt insoweit etwa, dass das Landgericht bei der Ablehnung des minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG nicht erkennbar alle von ihm für bestimmend erachteten strafzumessungserheblichen Umstände, sondern nur ein einziges Kriterium herangezogen hat (zu den Prüfungsmaßstäben s. etwa , NStZ 1991, 529, 530; vom - 3 StR 246/22, juris Rn. 13 f. mwN). Auch findet die Sicherstellung des JWH-210-haltigen Pflanzenmaterials keine Berücksichtigung (zum nach st. Rspr. bestimmenden Strafzumessungsgrund der Sicherstellung beim Handeltreiben s. etwa BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 286/14, juris Rn. 2; vom - 2 StR 517/19, NStZ-RR 2020, 146, 147; vom - 3 StR 217/23, StV 2024, 427 Rn. 15, jeweils mwN).

112. Zugleich weist die Strafzumessung einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.

12a) Soweit das Landgericht mildernd ein „Umdenken“ des Gesetzgebers hinsichtlich der Strafwürdigkeit des Umgangs mit Cannabis erwogen hat, lässt dies bereits für sich genommen besorgen, dass es die persönliche Schuld des Angeklagten an dem Gesetzesentwurf bemessen hat. Bei ihrem im Januar 2024 gesprochenen Urteil hat die Strafkammer aber nach § 2 Abs. 1 StGB (allein) das Gesetz anwenden müssen, das zur Tatzeit galt. Innerhalb der in § 29a BtMG vorgesehenen Strafrahmen sind danach die in § 46 StGB genannten Umstände in der Person des Angeklagten und der Tat zu berücksichtigen gewesen, die dessen persönliche Schuld prägen (vgl. etwa , BGHSt 62, 184 Rn. 24). Bloße Gesetzesvorhaben finden in diesen Vorschriften keine Erwähnung und bleiben deshalb bei der Bewertung des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat grundsätzlich außer Betracht.

13Entscheidend ist jedoch, dass vorliegend kein reiner Marihuana-Fall zu beurteilen gewesen ist, sondern der Angeklagte außerdem mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel trieb. Die Erwägung des Landgerichts, der Gesetzgeber bewerte „Taten der vorliegenden Art“ zukünftig nur noch als Vergehen, hat deshalb nicht zugetroffen. Sie lässt besorgen, dass die Strafkammer bei der Zumessung der Strafe entweder das JWH-210-haltige Pflanzenmaterial aus dem Blick verloren hat und deshalb von einem zu geringen Strafrahmen ausgegangen ist oder dass sie angenommen hat, das künftige Konsumcannabisgesetz umfasse auch synthetische Cannabinoide. Beides erwiese sich als rechtsfehlerhaft.

14Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne die fehlerhafte Erwägung eine höhere Strafe verhängt hätte. Deshalb hat der Strafausspruch auch zu Lasten des Angeklagten keinen Bestand. Die - von der Revision gesondert angegriffene - Entscheidung über die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung ist damit hinfällig (vgl. etwa , NStZ-RR 2023, 315, 316).

15b) Die der Strafzumessung zugrundeliegenden Feststellungen sind aufzuheben, um dem neuen Tatgericht insgesamt eine in sich stimmige Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen. Es erhält damit insbesondere Gelegenheit, eigene Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen.

163. Die Einziehungsentscheidung ist nicht hinreichend bestimmt und bedarf somit der Neufassung (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 477/22, StV 2024, 440 Rn. 5; vom - 2 StR 17/23, juris Rn. 3 f., jeweils mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:111224U3STR231.24.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-84140