Instanzenzug: LG Essen Az: 25 KLs 28/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Schuldspruch zur Tat 7 (Fall II., 2.2., 7. der Urteilsgründe) hat keinen Bestand.
3a) Nach den Feststellungen hierzu verwahrte der Angeklagte unter anderem ca. 1,3 kg Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % Amphetaminbase, 621,85 g Cannabisblüten sowie 184,3 g Haschisch mit Wirkstoffgehalten von 18 bzw. 24,5 % THC in seiner Wohnung, wo sie bei einer polizeilichen Durchsuchung gefunden und sichergestellt wurden. In Griffweite hierzu befand sich unter anderem eine Armbrust mit einem eingespannten Pfeil. Die Rauschmittel waren zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Bei dem Amphetamin handelte es sich um den Restbestand von ursprünglich 7 kg Amphetamin, die der Angeklagte zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs hergestellt und später zu einem Teil abverkauft, sowie zu einem weiteren Teil (2 kg) zum Eigenkonsum verwendet hatte (Fall II., 2.2., 6. der Urteilsgründe). Das Haschisch entstammte einer Menge von ursprünglich 5 kg, die der Angeklagte zum Zweck des Weiterverkaufs erworben und sodann bis auf die später sichergestellten 184,3 g tatsächlich abverkauft hatte (Fall II., 2.2., 2. der Urteilsgründe).
4b) Soweit das Landgericht die Tat 7 auch im Hinblick auf die verwahrten Cannabisblüten und das Haschisch als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) gewürdigt hat, ist dies infolge des am in Kraft getretenen Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG), das der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zu berücksichtigen hat, nicht mehr zutreffend. Vielmehr liegt, da auch die zum Handel bestimmten Cannabisprodukte (Blüten und Haschisch) den Grenzwert der nicht geringen Menge überschritten (vgl. mwN), insoweit jeweils ein bewaffnetes Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG vor, das zu dem in Bezug auf die ebenfalls nicht geringe Menge Amphetamin verwirklichten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln unter dem Gesichtspunkt des gleichzeitigen Bereithaltens der Waffe tateinheitlich hinzutritt (vgl. BGH, aaO). Da das sichergestellte Amphetamin der im Fall II., 2.2., 6. der Urteilsgründe hergestellten und das sichergestellte Haschisch der im Fall II., 2.2., 2. erworbenen Gesamtmenge entstammen, bestehen – entgegen der Rechtsauffassung des Generalbundesanwalts – weiterhin jeweils tatbestandliche Bewertungseinheiten, so dass diesen Fällen keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zukommt, weil das bei ihnen tatbestandlich verwirklichte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. mit Cannabis im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter dem jeweiligen Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens zurücktritt. In Tateinheit hierzu steht der Besitz an der – ebenfalls nicht geringen – Menge Amphetamins, die der Angeklagte zum Eigenkonsum verwendete.
5c) Der Senat hat den Schuldspruch dementsprechend in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich insgesamt neu gefasst. Des Zusatzes „in nicht geringer Menge“ bedarf es hinsichtlich des bewaffneten Handeltreibens entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts nicht, denn der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt stets voraus, dass die Tat eine solche Menge zum Gegenstand hat (vgl. Rn. 3 mwN; zu § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG ebenso Rn. 10 mwN). Soweit der Generalbundesanwalt in der beantragten Schuldspruchfassung hinsichtlich der Fälle II., 2.2., 1., 3. und 4. der Urteilsgründe ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ohne den Zusatz „in drei Fällen“ aufgeführt hat, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen. Denn die Antragsgründe lassen keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Generalbundesanwalt – rechtlich unzutreffend – eine gleichartige Tateinheit zwischen diesen Fällen und nicht wie das Landgericht eine Tatmehrheit annehmen wollte. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung durch den Senat nicht entgegen, weil der hinsichtlich sämtlicher verwahrter Rauschmittel geständige Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
62. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:
7a) Die Verfahrensrüge, die sich gegen die Ablehnung eines Antrags auf „neue Begutachtung des Angeklagten“ durch zwei (psychiatrische) Sachverständige wendet, ist bereits deshalb unzulässig, weil weder dem Antrag noch der Rüge selbst eine bestimmte Beweisbehauptung zu entnehmen ist (vgl. Rn. 7).
8b) Der Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung insgesamt stand.
9aa) Die für die Tat 7 verhängte Einzelstrafe kann bestehen bleiben.
10(1) Der Senat schließt aus, dass die Strafzumessung auf der unterbliebenen Berücksichtigung des KCanG beruht (§ 337 StPO). Zwar kann aufgrund der gesetzgeberischen Wertung, die sich mit Blick auf die in den Strafvorschriften des KCanG gegenüber denjenigen des BtMG (hier § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG im Vergleich zu § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) vorgesehene mildere Strafdrohung ergibt, auch in Fällen, in denen die konkrete Strafe nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB – wie hier – aus dem Strafrahmen einer Vorschrift des Betäubungsmittelgesetzes zuzumessen ist, einer verhängten Strafe die Grundlage entzogen sein (vgl. Rn. 7). Es ist hier aber auszuschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung des KCanG hinsichtlich des zum Handeltreiben bestimmten Cannabis auf eine geringere Einzelstrafe als die verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten erkannt hätte. Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG – im Ergebnis rechtsfehlerfrei – verneint und den Normalstrafrahmen des § 30a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BtMG sodann nach § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Bei seiner Strafzumessung im engeren Sinne hat es zwar zulasten des Angeklagten gewertet, dass er „unterschiedliche Betäubungsmittel verkaufte“, zugleich aber strafmildernd berücksichtigt, dass es sich bei den Cannabisblüten und dem Haschisch um „weiche Drogen“ handele, und bezüglich des – weiterhin dem BtMG unterfallenden – Amphetamins zudem hervorgehoben, dass es diesem wegen „der Höhe des vielfachen Überschreitens der nicht geringen Menge“ strafschärfende Wirkung beigemessen habe. Zudem hat es neben dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln tateinheitlich auch den Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nämlich des für den Eigenkonsum verwendeten Teils des Amphetamins, verwirklicht gesehen, was von der Gesetzesänderung ebenso wenig wie die bezüglich aller Taten strafschärfend herangezogenen Gesichtspunkte der einschlägigen Vorstrafen sowie der in der hohen Rückfallgeschwindigkeit und der Tatbegehung unter mehrfacher laufender Bewährung zum Ausdruck kommenden hohen kriminellen Energie betroffen ist.
11(2) Soweit der Senat der vom Generalbundesanwalt beantragten Aufhebung der Einzelstrafe nicht folgt, steht dies einer Entscheidung nach § 349 Abs. 2 StPO nicht entgegen, da der Antrag nicht auf die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe gerichtet ist und die Revision insoweit auch nach der Auffassung des Generalbundesanwalts im Ergebnis keinen Erfolg hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 128/22 Rn. 12; vom – 4 StR 10/22 Rn. 6; vom – 4 StR 389/21 Rn. 6; vom – 1 StR 433/15; vom – 1 StR 279/15).
12bb) Auch die Anordnung der Sicherungsverwahrung bleibt von der gesetzlichen Neubewertung des Handeltreibens mit Cannabis unberührt. Das Landgericht hat bei seiner Gefährlichkeitsprognose auch auf die weiteren Betäubungsmittel, insbesondere das Amphetamin, sowie ganz maßgeblich auf die Bewaffnung des Angeklagten bei der Tat 7 abgestellt.
Quentin Maatsch Scheuß
Marks Tschakert
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:181224B4STR310.24.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-84076